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Die Finanzwissenschaft eng public finance ist ein Bereich der Wirtschaftswissenschaft und beschaftigt sich mit der Rolle der Regierung in der Okonomie 1 2 Sie untersucht dabei besonders offentliche Finanzen und die staatlichen Auswirkungen auf die effiziente Allokation verfugbarer Ressourcen die Einkommensverteilung der Burger und die Stabilitat der Wirtschaft 3 Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 2 Geschichte 3 Themen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGrundlagen BearbeitenAusgangspunkt fur die Finanzwissenschaft ist die Frage nach der richtigen Rolle der Regierung 4 In der Regel verteilen Markte Waren und Dienstleistungen effizient 4 Das bedeutet dass bei einem Marktgleichgewicht keine Verschwendung stattfindet und die Wohlfahrt von Konsumenten und Produzenten maximiert wird Wenn Markte immer effizient Ressourcen verteilen wurden und die Verteilung soziale Akzeptanz fande ware die Rolle der Regierung sehr begrenzt 4 Vielfach wird aber eine der genannten Bedingungen nicht erfullt 4 Entweder liefern Markte nicht die gewunschten effizienten Ergebnisse oder die sich ergebende Verteilung findet keine soziale Akzeptanz 4 Daher gibt es 2 wesentliche Ziele fur staatliche Eingriffe Effizienz und Gerechtigkeit 1 Oftmals muss zwischen diesen beiden Zielen abgewogen werden 1 Marktversagen besteht dann wenn Markte Waren und Dienstleistungen nicht effizient verteilen 2 Als Grunde fur Marktversagen sind zum Beispiel Externalitaten Informationsasymmetrien oder Netzwerkeffekte zu nennen 2 Die Existenz von Marktversagen begrundet staatliche Eingriffe mit dem Ziel eine effiziente Ressourcenallokation herzustellen 2 Allerdings konnen staatliche Eingriffe ebenfalls zu Ineffizienzen fuhren 2 Diese nennt man Staatsversagen Es kann auch vorkommen dass die Ergebnisse einer Marktverteilung keine soziale Akzeptanz finden In diesem Fall kann die Regierung Massnahmen zur Umverteilung ergreifen Diese fuhren allerdings in der Regel zu Effizienzverlusten 1 Unter allgemeinen Voraussetzungen kann zwischen Aktivitaten der Regierung uber das effiziente Mass staatlicher Handlungen und der Einrichtung von Steuersystemen getrennt werden Diamond Mirrlees Trennung 1 Unter diesen Annahmen sollte staatliche Sozialpolitik den Nutzen maximieren und die Kosten minimieren Kosten Nutzen Analyse 1 Die Einnahmen fur diese Programme sollten durch ein effizientes Steuersystem generiert werden Effizient heisst dass durch dieses Steuersystem moglichst geringe Wohlfahrtsverluste bzw Kosten entstehen In der Praxis ist staatliche Budgetierung sehr viel komplexer und fuhrt oft zu Ineffizienzen oder Staatsversagen 1 Regierungen konnen Staatsausgaben auch mittels Verschuldung bezahlen 1 Allerdings fuhren Schulden nur zu einer Verschiebung der Steuerlast in die Zukunft Schulden sind kein Ersatz fur Steuern 1 Das Haushaltssaldo bezeichnet die Differenz aus Staatsausgaben und Einnahmen Verschuldung erlaubt es die Steuerlast uber den Zeitverlauf zu glatten und ist daher ein wichtiges Werkzeug der Fiskalpolitik 1 Geschichte BearbeitenIm 16 Jahrhundert im Zeitalter des Kameralismus stand vor allem der fiskalische Zweck der Besteuerung im Vordergrund Verteilungspolitische Ausrichtung erhielt die Finanzwissenschaft im 17 und 18 Jahrhundert im sogenannten Akzisestreit Dieser wurde durch Johann Heinrich Gottlob von Justi geschlichtet eine allgemeine Verbrauchsteuer belaste armere Bevolkerungsschichten starker als Angehorige hoherer Einkommensklassen und sei daher abzulehnen Mit der Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und Sozialismus im 19 Jahrhundert ruckten wieder verteilungspolitische Aspekte in den Vordergrund Adolph Wagner forderte die Besteuerung auch in den Dienst sozialpolitischer Ziele zu stellen Zu Beginn des 20 Jahrhunderts hatten die offentlichen Haushalte einen Umfang angenommen dass ihre Einflusse auf die okonomischen Aktivitaten nicht langer vernachlassigt werden konnten Die Weltwirtschaftskrise 1929 und die von John Maynard Keynes aufgestellte These dass eine einmal eingetretene Unterbeschaftigung nicht unbedingt wieder zu einer Vollbeschaftigung fuhre gaben den Anstoss ein konjunkturelles Ziel in die Finanzpolitik aufzunehmen Themen BearbeitenDer Okonom und prominente Finanzwissenschaftler Jonathan Gruber schlagt vor die Finanzwissenschaft anhand von vier grossen Fragestellungen zu kategorisieren 5 Wann sollte die Regierung in die Wirtschaft eingreifen Marktversagen und Vermogensumverteilung Wie kann die Regierung in die Wirtschaft eingreifen z B mit Steuern Subventionen Regulierung Was sind die Effekte dieser Eingriffe auf die reale Okonomie empirische okonometrische Analyse Warum wahlen Regierungen bestimmte Eingriffe bzw Instrumente Fragen der politischen Okonomie Gruber zufolge gibt es zwei gewichtige Grunde wann eine Regierung in die Wirtschaft eingreifen sollte bei Marktversagen und zur Vermogensumverteilung So kommt es zum Beispiel auf dem Markt fur Krankenversicherungen in der Regel zu Marktversagen aufgrund von asymmetrischer Information und adverser Selektion 6 Hier kann etwa ein staatlicher Eingriff im Sinne eines verpflichtenden Krankenversicherungssystems wie in vielen europaischen Staaten effizienzsteigernd sein er erhoht die allokative Effizienz Auch bei Rezessionen kann die Regierung mit Fiskalpolitik eingreifen um die Wirtschaft zu stabilisieren Ein anderes Beispiel ist Umweltpolitik wo Marktversagen d h Umweltverschmutzung gelost werden soll Allerdings ist nicht jeder staatliche Eingriff notwendigerweise effizienzsteigernd 6 Ein zweiter Grund fur staatliche Eingriffe ist die Vermogensumverteilung Dabei geht es vor allem um die Frage inwiefern eine gegebene Verteilung gerecht ist und ob sie sozial effizient ist 7 Vermogensumverteilung kann aus Grunden der Gerechtigkeit durchgefuhrt werden hier uberschneidet sich das Feld der Finanzwissenschaft mit ethischen bzw politischen Fragen bzw Werturteilen Allerdings kann die Finanzwissenschaft auf dabei entstehende Effizienzverluste hinweisen denn Vermogensumverteilung verandert die Anreizstrukturen einer Okonomie 7 Finanzokonomische Analysen behalten daher den Zielkonflikt von Effizienz und Gerechtigkeit im Blick 7 Nachdem eine Regierung einen Eingriff beschlossen hat stellt sich die Frage nach dem Wie d h dem optimalen Mittel Die Finanzwissenschaft untersucht dabei verschiedene Formen staatlicher Eingriffe Bei der Frage der Krankenversicherung zum Beispiel kann eine Regierung verschiedene Optionen wahlen Sie kann die private Krankenversicherung subventionieren und besteuern wie zum Beispiel in den USA 8 Sie kann alternativ auch den Markt regulieren und bestimmte Vorschriften machen hinsichtlich der Art von Krankenversicherungen 8 Sie kann wie in vielen Staaten Europas und Kanadas ein staatliches Gesundheitssystem bereitstellen Die Handlungsoptionen dieses Beispiels lassen sich auf viele andere Falle und Szenarios ubertragen es gibt aber auch noch andere Instrumente Oftmals wahlen Regierungen mehrere Instrumente aus Finanzwissenschaftliche Politikberatung kann zeigen inwiefern sich Instrumente kombinieren lassen und welche okonomischen Effekte zu erwarten sind Dies geschieht oft im Rahmen einer Kosten Nutzen Analyse 9 Ein weiteres Forschungsfeld ist die empirische Analyse konkreter staatlicher Handlungen 9 Dabei wird meist Okonometrie eingesetzt Die Finanzwissenschaft unterscheidet im Wesentlichen zwei Formen von Effekten staatlicher Eingriffe direkte und indirekte Effekte 9 Jede staatliche Handlung lost sowohl direkte als auch indirekte Effekte aus Direkte Effekte bezeichnen diejenigen Auswirkungen wenn okonomische Agenten ihr Verhalten in Reaktion auf den staatlichen Eingriff nicht anpassen 9 Indirekte Effekte bezeichnen diejenigen Auswirkungen die durch resultierende Verhaltensanderungen der Agenten entstehen Regierungen haben oft eigene Institutionen wie den Bundesrechnungshof die empirische Analysen fur Gesetze durchfuhren und okonomische Prognosen fur vorgeschlagene Gesetze erstellen 9 Zuletzt untersucht die Finanzwissenschaft auch die Frage warum Regierungen bestimmte Instrumente wahlen und andere nicht 10 Hierbei besteht ein Unterschied zwischen der normativen Frage des optimalen Mittels und der positiven Frage warum Regierungen bestimmte Instrumente wahlen 10 Es kann in der Realitat vorkommen dass Regierungen nicht die theoretisch optimale Losung wahlen sondern eine suboptimale die Finanzwissenschaft untersucht welche Anreize und politische Strukturen dies produzieren Dabei uberschneidet sich die Finanzwissenschaft mit dem Feld der politischen Okonomie 10 In der Praxis spricht man dabei von sogenanntem Staatsversagen in Analogie zum Marktversagen Staatsversagen bezeichnet diejenigen Formen staatlicher Eingriffe die nicht sozial effiziente Ergebnisse produzieren Regierungen mussen verschiedene komplexe Interessen der politischen und gesellschaftlichen Akteure berucksichtigen und sind dabei mit verschiedenen Formen von politischem Druck oder Einflussnahme konfrontiert Man beobachtet dann eine untergeordnete Rolle fur Anforderungen an Gesetze die die okonomische Effizienz maximieren und Ressourcen in einer sozial bevorzugten Weise umverteilen 10 Literatur BearbeitenNorbert Andel Finanzwissenschaft C H B Mohr Tubingen 1983 ISBN 3 16 344645 0 Charles B Blankart Offentliche Finanzen in der Demokratie Vahlen Munchen 2008 ISBN 978 3 8006 3490 3 Dietrich Dickertmann Siegfried Gelbhaar Finanzwissenschaft Verlag Neue Wirtschaftsbriefe Herne Berlin 2000 ISBN 3 482 49981 0 Josef Gruntzel Grundriss der Finanzwissenschaft 2 verbesserte Auflage Holder Wien 1922 Ewald Nowotny Martin Zagler Der offentliche Sektor Einfuhrung in die Finanzwissenschaft 6 aktualisierte und erweiterte Auflage Springer Gabler Wiesbaden 2022 ISBN 978 3 658 36041 2 Wolfgang Scherf Offentliche Finanzen Einfuhrung in die Finanzwissenschaft WISU Texte Lucius amp Lucius UTB Stuttgart 2009 ISBN 978 3 8252 8313 1 Joseph E Stiglitz Bruno Schonfelder Finanzwissenschaft 2 Auflage Oldenbourg Wissenschaftsverlag Munchen 1989 ISBN 978 3 486 21224 2 Herbert Wiesner Bodo Leibinger Reinhard Muller Offentliche Finanzwirtschaft 12 neu bearbeitete Auflage R v Decker Heidelberg 2008 ISBN 978 3 7685 0555 0 Berthold U Wigger Grundzuge der Finanzwissenschaft Springer Berlin 2004 ISBN 3 540 00929 9 Horst Zimmermann Klaus Dirk Henke Michael Broer Finanzwissenschaft 10 uberarbeitete und erganzte Auflage Vahlen Munchen 2009 ISBN 978 3 8006 3693 8 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i j Gruber Jonathan Public finance and public policy Sixth Edition Auflage New York ISBN 978 1 319 10525 9 a b c d e Roger S Hewett Public Finance Public Economics and Public Choice A Survey of Undergraduate Textbooks In The Journal of Economic Education Band 18 Nr 4 1987 S 426 doi 10 2307 1182123 JSTOR 1182123 Wallace E Oates The Theory of Public Finance in a Federal System In The Canadian Journal of Economics Band 1 Nr 1 Februar 1968 S 37 doi 10 2307 133460 JSTOR 133460 a b c d e Tresch Richard W Public sector economics Basingstoke Hampshire England ISBN 978 0 230 52223 7 S 143 ff Jonathan Gruber Public finance and public policy 3rd ed Auflage Worth Publishers New York 2011 ISBN 978 1 4292 1949 5 S 3 a b Jonathan Gruber Public finance and public policy 3rd ed Auflage Worth Publishers New York 2011 ISBN 978 1 4292 1949 5 S 4 a b c Jonathan Gruber Public finance and public policy 3rd ed Auflage Worth Publishers New York 2011 ISBN 978 1 4292 1949 5 S 5 a b Jonathan Gruber Public finance and public policy 3rd ed Auflage Worth Publishers New York 2011 ISBN 978 1 4292 1949 5 S 7 a b c d e Jonathan Gruber Public finance and public policy 3rd ed Auflage Worth Publishers New York 2011 ISBN 978 1 4292 1949 5 S 8 a b c d Jonathan Gruber Public finance and public policy 3rd ed Auflage Worth Publishers New York 2011 ISBN 978 1 4292 1949 5 S 9 Normdaten Sachbegriff GND 4121273 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Finanzwissenschaft amp oldid 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