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Die Eidgenossische Volksinitiative fur ein Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betaubung auch bekannt als Schachtverbot ist eine Schweizer Volksinitiative die am 20 August 1893 zur Abstimmung gelangte und von Volk und Standen angenommen wurde Sie war von den Tierschutzvereinen in den Kantonen Bern und Aargau lanciert worden und hatte zum Ziel das von Juden praktizierte Schachten zu verbieten Einer der federfuhrenden Initianten war Andreas Keller Jaggi Grunder und Prasident des Aargauer Tierschutzvereins Es war die erste Volksinitiative auf Teilanderung der Bundesverfassung die seit deren Einfuhrung 1891 zur Abstimmung gelangte Die Debatte uber die Vorlage war laut spateren Einschatzungen zum Teil auch durch antisemitische Darstellungen gepragt 1 Inhaltsverzeichnis 1 Wortlaut 2 Hintergrund 3 Abstimmung 4 Ergebnis 4 1 Gesamtergebnis 4 2 Ergebnisse in den Kantonen 5 Nachwirkungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseWortlaut BearbeitenDie Bundesverfassung wird wie folgt erganzt 2 Art 25bis neu Das Schlachten der Tiere ohne vorherige Betaubung vor dem Blutentzuge ist bei jeder Schlachtart und Viehgattung ausnahmslos untersagt Hintergrund BearbeitenBereits 1854 hatte der Kanton Aargau die Totung von Vieh mittels Kopfschlag gesetzlich vorgeschrieben Davon ausgenommen waren jedoch die judischen Gemeinden in Lengnau und Endingen denen das Schachten gestattet war Im Kanton Genf fanden der kantonale Tierschutzverein und die Israelitische Gemeinde 1889 einen Kompromiss Das Schlachtvieh musste beim Schachten betaubt werden 3 Dasselbe verlangte schliesslich auch die eidgenossische Volksinitiative Den Anstoss dafur gab 1886 der Zentralvorstand der schweizerischen Tierschutzvereine der in einer Petition an das Departement des Innern ein Schachtverbot verlangte Der Bundesrat holte ein tierarztliches Gutachten ein und erkannte das Schachten unter gewissen Bedingungen als verfassungskonform an Trotz des Kompromisses in Genf setzte sich in den Vereinen eine strikt ablehnende Haltung durch Nach sechs Monaten reichten sie im Herbst 1892 die fur eine Volksinitiative erforderliche Zahl an Unterschriften ein 4 Abstimmung BearbeitenInhaltlich war es ein Konflikt zwischen Religionsfreiheit und Tierschutz Nachdem der Bundesrat auf eine Empfehlung verzichtet hatte gewichtete das Parlament die Religionsfreiheit hoher und wies die Initiative zuruck Ein allgemein gehaltener Tierschutzartikel als Gegenvorschlag war ebenfalls nicht mehrheitsfahig 4 Teile der Bevolkerung massen dem Tierschutz hohere Prioritat zu als der Vermeidung einer teilweisen Einschrankung religiosen Brauchtums 5 Der Freisinn und die Katholisch Konservativen die dominierenden Parteien im Parlament grundeten ein nationales Komitee gegen die Initiative angefuhrt vom ehemaligen Bundesrat Numa Droz Sie betonten das Schachten sei nicht grausam und eine Schlachthausvorschrift die zu unnotiger Burokratie fuhre gehore nicht in die Bundesverfassung Ebenso waren die Katholisch Konservativen nach ihren eigenen Erfahrungen im Kulturkampf sehr darauf bedacht die religiosen Grundfreiheiten nicht in Frage zu stellen Die befurwortenden Tierschutzer argumentierten ihr Anliegen sei keineswegs von antisemitischer Tendenz auch wolle man in keiner Art und Weise der judischen Religion und dem judischen Volk zu nahe treten 6 Bei einer Stimmbeteiligung von 49 18 wurde die Initiative mit 191 527 Ja Stimmen 60 11 gegenuber 127 101 Nein Stimmen 39 89 angenommen Das ebenfalls erforderliche Standemehr wurde mit 10 zu 9 erreicht In den nordlichen Kantonen der Deutschschweiz wo der Einfluss des deutschen Antisemitismus starker war fand die Initiative deutliche Zustimmung Im Tessin und in der Romandie wo sowohl Antisemitismus als auch Tierschutz auf weniger Resonanz stiessen wurde sie klar verworfen 7 Infolge der Wirtschaftskrise ab 1873 fur welche die Juden verantwortlich gemacht wurden waren sie in Europa zunehmend in die Sundenbockrolle geraten Anhand der im Abstimmungskampf von 1893 verwendeten Argumentation muss man die Einfuhrung des Schachtverbots in der Schweiz den Auswirkungen des Antisemitismus zurechnen Friedrich Kulling Historischen Lexikon der Schweiz SchachtverbotErgebnis BearbeitenGesamtergebnis Bearbeiten Nr Vorlage Art Stimm berechtigte Abgegebene Stimmen Beteiligung Gultige Stimmen Ja Nein Ja Anteil Nein Anteil Stande Ergebnis40 8 Eidgenossische Volksinitiative Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betaubung VI 668 913 328 983 49 18 318 628 191 527 127 101 60 11 39 89 11 10 jaErgebnisse in den Kantonen Bearbeiten Quelle Bundeskanzlei 9 Ja 11 Stande Nein 10 Stande nbsp Grafische Darstellung der Ergebnisse der einzelnen KantoneKanton Ja Ja Anteil Nein Nein Anteil BeteiligungKanton Aargau nbsp Aargau 0 29 653 90 08 00 3 264 0 9 92 83 87 Kanton Appenzell Ausserrhoden nbsp Appenzell Ausserrhoden 00 3 091 38 72 00 4 891 61 28 67 84 Kanton Appenzell Innerrhoden nbsp Appenzell Innerrhoden 00 1 077 47 34 00 1 198 52 66 77 01 Kanton Basel Landschaft nbsp Basel Landschaft 00 5 336 76 38 00 1 650 23 62 55 62 Kanton Basel Stadt nbsp Basel Stadt 00 3 480 76 69 00 1 058 23 31 33 77 Kanton Bern nbsp Bern 0 38 440 80 13 00 9 531 19 87 42 59 Kanton Freiburg nbsp Freiburg 00 2 542 24 03 00 8 036 75 97 37 39 Kanton Genf nbsp Genf 000 745 12 81 00 5 072 87 19 30 63 Kanton Glarus nbsp Glarus 00 2 055 57 27 00 1 533 42 73 44 42 Kanton Graubunden nbsp Graubunden 00 2 903 24 47 00 8 959 75 53 k A Kanton Luzern nbsp Luzern 00 4 816 57 79 00 3 517 42 21 26 98 Kanton Neuenburg nbsp Neuenburg 00 4 866 45 75 00 5 770 54 25 41 18 Kanton Nidwalden nbsp Nidwalden 000 486 57 31 000 362 42 69 29 69 Kanton Obwalden nbsp Obwalden 000 321 32 42 000 669 67 58 27 53 Kanton Schaffhausen nbsp Schaffhausen 00 5 538 84 29 00 1 032 15 71 83 89 Kanton Schwyz nbsp Schwyz 00 1 492 57 23 00 1 115 42 77 21 41 Kanton Solothurn nbsp Solothurn 00 5 559 79 00 00 1 478 21 00 38 21 Kanton St Gallen nbsp St Gallen 0 14 564 40 26 0 21 608 59 74 71 77 Kanton Tessin nbsp Tessin 000 854 12 58 00 5 934 87 42 24 35 Kanton Thurgau nbsp Thurgau 0 11 496 77 44 00 3 349 22 56 62 56 Kanton Uri nbsp Uri 000 736 28 73 00 1 826 71 27 60 62 Kanton Waadt nbsp Waadt 00 3 071 17 03 0 14 964 82 97 28 83 Kanton Wallis nbsp Wallis 000 395 0 3 16 0 12 106 96 84 45 21 Kanton Zug nbsp Zug 000 865 64 94 000 467 35 06 22 23 Kanton Zurich nbsp Zurich 0 47 146 85 94 00 7 712 14 06 70 45 nbsp Schweiz 191 527 60 11 127 101 39 89 49 18 Nachwirkungen BearbeitenIn der Presse kam es nach der Abstimmung zu einer Debatte ob 11 Standesstimmen tatsachlich als Standemehr gelten oder ob nicht doch 12 Standesstimmen erforderlich seien Das Parlament folgte der Interpretation des Bundesrates und erklarte die Initiative fur angenommen 10 Am 2 Dezember 1973 gab es eine Abstimmung uber den Bundesbeschluss uber einen Tierschutzartikel der den bisherigen Artikel 25bis der Bundesverfassung ersetzen sollte Der Tierschutzartikel wurde angenommen und funf Jahre spater am 3 Dezember 1978 fand das Tierschutzgesetz TschG ebenfalls Zustimmung Literatur BearbeitenWolf Linder Christian Bolliger und Yvan Rielle Hrsg Handbuch der eidgenossischen Volksabstimmungen 1848 2007 Haupt Verlag Bern 2010 ISBN 978 3 258 07564 8 Weblinks BearbeitenUbersicht uber die Initiative Abstimmungsresultate Initiative bei swissvotes ch Friedrich Kulling Schachtverbot In Historisches Lexikon der Schweiz Keller Jaggi und das Schachtverbot Tierliebe oder Judenhass In Zeitblende von Schweizer Radio und Fernsehen vom 12 August 2023 Schachtverbot auf Schweizerisches Nationalmuseum 18 November 2019Einzelnachweise Bearbeiten Thomas Metzger Antisemitismus in der Stadt St Gallen 1918 1939 2006 p 70 Ein Medienerzeugnis das wie etwa auch im Fall der Schachtverbotsinitiative immer wieder zu antisemitischen Darstellungen griff war die in Zurich und spater in Rorschach erscheinende Satirezeitschrift Der Nebelspalter Eidgenossische Volksinitiative fur ein Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betaubung Bundeskanzlei 8 Februar 2009 abgerufen am 2 April 2021 Alex Baur Streit ums Vieh In Die Weltwoche Ausgabe 51 09 16 Dezember 2009 a b Christian Bolliger Debatte um ein Schachtverbot zwischen Tierschutz und Antisemitismus In Handbuch der eidgenossischen Volksabstimmungen 1848 2007 S 76 Abdruck des Bundesbeschlusses vom 4 Juli 1893 in einer staatsrechtlichen Beschwerde des VgT vom 30 Januar 2000 Christian Bolliger Debatte um ein Schachtverbot zwischen Tierschutz und Antisemitismus S 76 77 Friedrich Kulling Schachtverbot In Historisches Lexikon der Schweiz Vorlage Nr 40 In Chronologie Volksabstimmungen Bundeskanzlei 2021 abgerufen am 2 April 2021 Vorlage Nr 40 Resultate in den Kantonen In Chronologie Volksabstimmungen Bundeskanzlei 2021 abgerufen am 2 April 2021 Christian Bolliger Debatte um ein Schachtverbot zwischen Tierschutz und Antisemitismus S 77 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eidgenossische Volksinitiative fur ein Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betaubung amp oldid 236872213