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Grosse Depression oder Lange Depression oder auch Grosse Deflation sind Bezeichnungen fur ein erstmals von Wirtschaftstheoretikern der 1920er Jahre beschriebenes Konjunkturtief der Weltwirtschaft in den Jahren 1873 bis 1896 Ihren Ausgang nahm sie mit dem Wiener Borsenkrach in Osterreich Ungarn Fur die Situation im Deutschen Reich wo die Auswirkungen vergleichsweise moderat waren wird auch der Begriff Grunderkrach verwendet Die Borsenkatastrophe in Wien am 9 Mai 1873 In Illustrirte Zeitung Nr 1564 Leipzig 21 Juni 1873 Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 2 Konjunkturverlauf 1873 1896 3 Auswirkungen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseBegriff BearbeitenBezeichnung und tatsachliche Existenz der Grossen Depression sind aufgrund des insgesamt bloss verlangsamten weltwirtschaftlichen Wachstums im letzten Viertel des 19 Jahrhunderts wissenschaftlich umstritten Die Wirtschaftsentwicklung im letzten Viertel des Jahrhunderts wird auch als lange Deflation oder als Abbremsung des uberhitzten Wachstums der Grunderjahre beschrieben 1 Die Untersuchung der politischen Vorgange in diesem Zeitraum hat die damaligen Krisenangste mit dem Erscheinen radikaler antisemitischer Bewegungen und der deutschen Nervositat als Merkmal des Wilhelminismus in Verbindung gebracht Im englischen Sprachraum bezeichnet man die Zeit von 1870 bis 1890 als die Preise von Wirtschaftsgutern und Arbeitskraft kraftig nachliessen als Grosse Deflation 2 Sie wirkte sich negativ auf etablierte Industriegesellschaften wie etwa Grossbritannien aus wahrend sie gleichzeitig den Vereinigten Staaten die sich erst im Fruhstadium der Industrialisierung befanden ein sehr grosses Wachstum bescherte Sie war dort eine der wenigen Perioden deflationaren Wirtschaftswachstums Konjunkturverlauf 1873 1896 BearbeitenBis weit ins 19 Jahrhundert bestimmte die landwirtschaftliche Produktion die Konjunkturzyklen Wirtschaftliches Wohlergehen der Bevolkerung stand damit vornehmlich in Abhangigkeit zur Natur Diese Abhangigkeit verlor sich wahrend der industriellen Revolution weil Handel Industrie und Finanzwesen sich als Wirtschaftsfaktoren zunehmend in den Vordergrund spielten Dies galt insbesondere fur den rasch wachsenden Handel der sich uber grosse Distanzen erstreckte Auf und Abschwunge wurden damit zu internationalen Phanomenen Die Schwankungsbreite der Borsenzyklen nahm tendenziell zu Nach einer langeren Wachstumsphase seit 1850 schlug die Konjunktur 1873 mit einem raschen Einbruch zahlreicher Finanzmarkte um zuerst in Wien dann weltweit Die Baisse leitete eine bis 1879 dauernde scharfe Zasur ein die in den meisten Staaten Ausnahmen waren Grossbritannien Danemark und die Niederlande einen Ubergang vom Freihandel zum protektionierten Markt markierte In den fruhen 1880er Jahren hielt sich eine aufsteigende Tendenz ehe erneut eine heftige zweite bis 1886 dauernde Krise einsetzte Eine weitere Abfolge von Auf und nochmals leichtem Abschwung nach dem Zusammenbruch der Barings Bank 1890 erfolgte bis 1896 Nach diesen Auf und Abschwungen begann eine lange Aufschwungphase die bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 anhielt In dieser Phase nahm der Welthandel deutlich zu 3 Auswirkungen Bearbeiten nbsp Vom Giftbaum Borse Der Zuckerkrach In Der Wahre Jacob Nr 82 1889 Wirtschaftstheoretiker der 1920er Jahre insbesondere Nikolai Kondratjew spater Joseph Schumpeter und Hans Rosenberg begriffen den Zeitraum von 1873 bis 1896 als eine zusammenhangende Weltwirtschaftskrise und bezeichneten sie als Grosse Depression bisweilen Lange Depression Sie verstanden sie als Teil einer langen Welle okonomische Auf und Abschwungphase die von 1850 bis 1896 wahrte Fur die Situation im Deutschen Reich und in Osterreich Ungarn wird auch der Begriff Grunderkrise verwendet Doch ist dieser zeitlich weniger genau festgelegt er kann auch nur die Phase zwischen 1873 und dem Ende der 1870er Jahre bezeichnen Zwar erlitten manche Branchen tatsachlich schwere Rezessionen in der Zeit zwischen 1873 und 1896 Insgesamt wenn auch abgekuhlt setzte sich aber die Expansion der Weltwirtschaft fort Die Weltroheisenproduktion die in den funfundzwanzig Jahren vor 1873 jahrlich um 5 3 Prozent gewachsen war nahm anschliessend wahrend dreizehn Jahren um noch jahrlich 3 3 Prozent zu Die Wachstumsrate der Weltdampfertonnage die von 1848 bis 1873 jahrlich 7 3 Prozent betragen hatte sank zwischen 1873 und 1896 lediglich auf 5 8 Prozent im Jahr Angesichts der okonomischen Indikatoren spricht mehr fur eine Preis als eine Produktionskrise weswegen auch die alternative Epochenbezeichnung Grosse Deflation vorgeschlagen wurde Indem die Preise um rund ein Drittel sanken ergaben sich kraftige Reallohnsteigerungen da die Lohne nicht im gleichen Mass zuruckgingen Das langfristige Wachstum uber alle konjunkturellen Bewegungen hinweg war fur den Einzelnen aber nur schwer wahrzunehmen Selbst kurze Einbruche einer Branche oder Produktionsstatte Arbeitslosigkeit Krankheit oder Tod eines erwerbstatigen Familienmitglieds konnten angesichts des minimal ausgebauten sozialen Netzes unmittelbare Not bewirken Der freie Wettbewerb wurde durch Konzentrationserscheinungen wie Trusts oder Kartelle eingeschrankt sowie durch gesetzliche Regelungen des Staates organisiert Die wirtschaftlichen Storungen waren am deutlichsten in den industrialisierten Staaten West und Mitteleuropas sowie in Nordamerika Angenommen wird dass Grossbritannien am starksten betroffen war es verlor seine bisher unangefochtene wirtschaftliche Fuhrungsrolle in wesentlichen Bereichen an das Deutsche Reich Dessen industrieller Aufstieg ausserte sich dennoch nicht in einem wachsenden Machtbewusstsein der eigenen Bevolkerung Die unberechenbaren Konjunkturausschlage forderten die Uberzeugung dass der Wirtschaftsliberalismus und das kapitalistische System uberhaupt funktionsgestort sei Die oftmals antisemitisch durchsetzte Kritik am Spekulantentum erreichte um 1890 ihren Hohepunkt Ein grassierendes Krisengefuhl und das Massenphanomen der Reizsamkeit entsprangen kurzen aber heftig verspurten Rezessionen Die kollektive Erfahrung der Zeit liess sich dadurch viel starker pragen als durch den langfristigen Wachstumstrend Die deutsche Nervositat wurde in den Jahrzehnten des Wilhelminismus zu einem vieldiskutierten Thema Literatur BearbeitenJorg Fisch Europa zwischen Wachstum und Gleichheit 1850 1914 Ulmer Stuttgart 2002 ISBN 3 8001 2763 6 S 241 242 Joachim Radkau Nationalismus und Nervositat In Wolfgang Hardtwig Hans Ulrich Wehler Hrsg Kulturgeschichte heute Vandenhoeck und Ruprecht Gottingen 1996 ISBN 3 525 36416 4 S 284 315 insbesondere S 295 Volker Ullrich Die nervose Grossmacht 1871 1918 Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1999 ISBN 3 596 11694 5 S 41 45 Weblinks BearbeitenDeutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern DGDB Bismarcks Deutschland 1866 1890 Demographische und okonomische Entwicklung Hans Ulrich Wehler Die weltwirtschaftlichen Wachstumsstorungen von 1873 1896 Memento vom 14 Mai 2013 im Internet Archive Claremont Institute for Economic Policy on Deflation Claremont Conference on Deflation Memento vom 8 Januar 2014 im Internet Archive Veranstaltung vom 26 28 April 2001 PDF 188 kB englisch Einzelnachweise Bearbeiten Michael Sturmer Das ruhelose Reich Deutschland 1866 1918 Siedler Berlin 1994 S 82 Claremont Institute for Economic Policy on Deflation Claremont Conference on Deflation Memento vom 8 Januar 2014 im Internet Archive Ulrich Pfister Ursprunge der Globalisierung Die europaische Weltwirtschaft seit 1850 Memento des Originals vom 15 Juni 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www wiwi uni muenster de Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Grosse Depression 1873 1896 amp oldid 230440255