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Das Durchgangslager Bietigheim wurde 1942 in Bietigheim heute Teil von Bietigheim Bissingen als Durchgangslager fur verschleppte Kriegsgefangene und Zivilpersonen insbesondere aus Russland eingerichtet Das Hauptlager befand sich in unmittelbarer Nahe zum Bietigheimer Bahnhof dem Lager angeschlossen war von 1942 bis Anfang 1943 ein Seuchenlager in Pleidelsheim und ab Mitte 1943 das Krankenlager in Grosssachsenheim Fur in Bietigheim eingesetzte Zwangsarbeiter bestanden weitere Unterkunfte an verschiedenen Stellen im Ort In Bietigheim und in einem anderen Durchgangslager in Ulm wurde die uberwiegende Zahl der nach Wurttemberg verschleppten Zwangsarbeiter gesundheitlich uberpruft und an ihre Arbeitsstatten weiterverschoben Ausserdem war das Bietigheimer Lager auch ein Sammellager fur schwerkranke Zwangsarbeiter die dort oder in den angeschlossenen Seuchenlagern ihrem Schicksal uberlassen oder auf Rucktransporte in die Ostgebiete abgeschoben wurden Mahnmal an das Durchgangslager Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Leitung 3 Geschichte 3 1 Kriegsbeginn 3 2 Das Lager wird errichtet 3 3 Lagerbetrieb 3 4 Zwangsarbeit 4 Einzelnachweise 5 LiteraturLage BearbeitenDas Bietigheimer Durchgangslager wurde etwa 200 Meter sudlich des Bietigheimer Bahnhofs auf dem Grundstuck im Laiern im Winkel von Industriestrasse und Tammer Strasse anstelle einer einstigen Schiessbahn errichtet Es hatte bis auf den Zugangsbereich in der nordlichen Ecke einen nahezu rechteckigen Grundriss von etwa 150 200 Metern und eine Flache von anfangs rund 3 6 Ar die spater erweitert wurde Leitung BearbeitenDas Durchgangslager Bietigheim stand unter der Leitung von Theodor Pfizer einem leitenden Beamten der Deutschen Reichsbahn und verantwortlich fur den Guterverkehr im Sudwesten wozu auch die Aufsicht uber Zwangsarbeiterlager in Ulm und Plochingen gehorte Die Guterzuge dienten neben dem Nachschub von Waffen auch der Deportation von Menschen in Konzentrationslager im Osten 1 Geschichte BearbeitenKriegsbeginn Bearbeiten Bereits unmittelbar nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem Uberfall auf Polen wurden polnische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich verschleppt Ab Ende Oktober 1939 wurden bis zu 70 polnische Zwangsarbeiter in Bietigheim in der Forstwirtschaft beschaftigt Durch die Polen Erlasse vom Marz 1940 erhielten diese Kriegsgefangenen zivilen Status und kamen wie zwangsverpflichtete polnische Zivilisten als so genannte Zivilpolen Zivilarbeiter unter strengen Auflagen zumeist bei Landwirten unter Nachdem im Juli 1940 ein Kriegsgefangener den Sohn des Ortsbauernfuhrers mit einem Messer angegriffen hatte wurden alle polnischen Gefangenen aus Bietigheim zur Strafkompanie nach Munsingen versetzt anschliessend erhielt die Stadt ein neues Kontingent von 70 polnischen Kriegsgefangenen zugewiesen Das Lager wird errichtet Bearbeiten Nach Beginn des Westfeldzuges im Mai 1940 gelangten zunachst Kriegsgefangene aus dem Westen ins Deutsche Reich Zu Beginn des Russlandfeldzuges wurden die dortigen zur Vernichtung vorgesehenen Kriegsgefangenen in Massenlagern hinter der Front untergebracht bis Ende 1941 der Grosseinsatz fur die Bedurfnisse der Kriegswirtschaft speziell von russischen Zwangsarbeitern angefordert wurde Da die russischen Gefangenen durch die katastrophale Situation in den Massenlagern grosstenteils entkraftet oder krank waren konnten bis Marz 1942 nur rund 5 von ihnen zur Arbeit eingesetzt werden woraufhin die Amtsgruppe Wehrwirtschaft im April 1942 2 Millionen zivile russische Arbeitskrafte zum Einsatz im Reichsgebiet anforderte die auf die Kriegswirtschaft und die Landwirtschaft gleichmassig aufgeteilt werden sollten Die ersten zivilen russischen Zwangsarbeiter in Wurttemberg trafen im Fruhjahr 1942 uber Durchgangslager in Heilbronn und Ulm ein gleichzeitig wurde in Bietigheim mit dem Bau eines bereits im Januar 1942 geplanten Durchgangslagers begonnen Die Standortwahl war der Nahe zu einem Eisenbahnknoten und dem verfugbaren freien Gelande in der Nahe der Bahnanlagen und abseits ziviler Siedlungen geschuldet Der Lagerbetrieb begann bereits als das Lager noch nicht vollstandig fertiggestellt war Lagerbetrieb Bearbeiten Im Lager wurden die taglich gemass der Anforderung der Amtsgruppe Wehrwirtschaft zu erwartenden 500 bis 1000 Personen auf ihren Gesundheitszustand uberpruft entlaust und anschliessend auf Arbeitsstellen verteilt Das Lager in Bietigheim sollte gemeinsam mit dem Lager in Ulm den grossten Teil der eintreffenden Zwangsarbeiter abwickeln konnen Es erstreckte sich von Nordosten nach Sudwesten und war mittig geteilt Die sudostliche Halfte war den Unentlausten vorbehalten die nordwestliche Halfte den Entlausten Im aussersten sudostlichen Winkel des Lagers befanden sich die Entlausungseinrichtung und ausserdem ein isolierter Bereich fur Kranke und Krankheitsverdachtige sowie zur Einweisung von schwangeren Zwangsarbeiterinnen Die Hygienemassnahmen sollten die Ubertragung ansteckender Krankheiten auf die deutsche Bevolkerung vermeiden helfen Durchschnittlich hielten sich die Zwangsarbeiter im Durchgangslager 24 36 Stunden auf Neben Zwangsarbeitern wurden auch KZ Haftlinge die zur Errichtung von KZ Aussenlagern abgestellt wurden zur Entlausung durch das Durchgangslager geschleust Bereits Ende 1942 war die Entlausungsanlage im Durchgangslager schadhaft und mehrere Zwangsarbeiter erkrankten unmittelbar nach Durchlaufen des Lagers an Fleckfieber Im Laufe der Zeit wurden die Krankenbaracken teils auch mit gesunden Personen belegt so dass die kranken Haftlinge ab 1943 in eine Krankenbaracke am stadtischen Krankenhaus verlegt wurden Auf Anweisung des Arbeitsamts in Ludwigsburg dessen Abteilung Kriegsgefangenen Vermittlung fur Anforderungen und Anfragen betreffs der Gefangenen zustandig war wurde diese Baracke im Juli 1944 wieder geraumt Von Anbeginn war das Durchgangslager in Bietigheim auch als so genannte Sammelstelle fur Ruckkehrer vorgesehen in die schwerkranke und nicht mehr arbeitsfahige Zwangsarbeiter von den Betrieben abgeschoben wurden Hierzu wurde eine eigene Baracke eingerichtet in denen die Schwerkranken bis zum Tode dahinsiechten oder weiter in Vernichtungslager oder auf sonstige Transporte in die Ostgebiete deportiert wurden Die Sammelbaracke war bereits kurz nach Beginn des Lagerbetriebs im Mai 1942 uberfullt und es kam zu ersten Todesfallen Von Juni 1942 bis Anfang Januar 1943 wurde daraufhin im nahen Pleidelsheim ein eigenes Seuchenlager in einem bereits bestehenden Autobahnbau Barackenlager eingerichtet nach dessen Auflosung das Lager in Bietigheim wieder zur Sammelstelle fur Schwerkranke wurde Dort hauften sich die Todesfalle und der improvisierte kleine Begrabnisplatz hinter dem Lager war bald mit 50 Bestattungen belegt so dass die Errichtung eines grosseren Russenfriedhofs sudlich des Lagers in Betracht gezogen wurde Um dies zu verhindern drangte der Bietigheimer Burgermeister auf die Einascherung der kunftig sterbenden Ostarbeiter Schliesslich wurde im Fruhjahr 1943 beim Flugplatz in Grosssachsenheim das Krankenlager Grosssachsenheim mit funf grossen und mehreren kleinen Baracken sowie einem eigenen Friedhof eingerichtet Durchschnittlich waren in diesem Krankenlager zwischen 500 und 600 Kranke interniert von denen viele starben Der Friedhof wurde bereits im Sommer 1944 erweitert obwohl die Bestattungen zuletzt nur noch in Sammelgrabern zu vier Toten stattfanden Ein Gedenkstein nennt die Zahl von dort bestatteten 667 osteuropaischen Zwangsarbeitern aus den Sterbeurkunden ist der Tod von 653 Personen ersichtlich die Literatur nennt bisweilen auch 668 oder 680 Tote Nach Grosssachsenheim wurden kunftig auch fast alle schwangeren Zwangsarbeiterinnen zur Zwangsabtreibung oder bei weit fortgeschrittenen Schwangerschaften zur Entbindung eingewiesen Dort wurden 245 Kinder geboren Gleichwohl kamen im Durchgangslager Bietigheim auch mindestens 24 Kinder von Russinnen und ein Kind einer Polin zur Welt Den Lagern angeschlossen war wie ublich eine sogenannte Auslanderkinder Pflegestatte in der durch mangelnde Grundversorgung eine Vernichtung der dortigen Sauglinge angestrebt wurde Im Durchgangslager Bietigheim kamen mindestens 51 Kleinkinder ums Leben in Grosssachsenheim ist der Tod von mindestens 27 Kindern unter funf Jahren belegt Zwangsarbeit Bearbeiten Ende Mai 1942 erhielt die Stadt Bietigheim die ersten 25 zivilen russischen Arbeitskrafte zugewiesen die grosstenteils bei der Stadt zum Bau eines Anschlussgleises fur das Unternehmen SWF und im Forstamt zum Wald und Feldwegbau sowie zu diversen Hilfsarbeiten unterkamen wahrend zwei Frauen zum Lagerdienst im Durchgangslager verblieben Die Bietigheimer Gefangenen wurden im abgetrennten stadtischen Lager Forst untergebracht Da die Zwangsarbeiter in den Rustungsbetrieben gegenuber den zu den Kommunen gekommenen Zwangsarbeitern bevorzugt behandelt wurden fehlte es den Bietigheimer Zwangsarbeitern an Kleidern und Schuhwerk so dass sich der Burgermeister von Bietigheim nachdem der Gemeinderat im Mai 1942 noch gute und zweckmassige Unterbringung der Russen bestatigt hatte bereits im Juli 1942 beim Landrat uber ihren jammerlichen Zustand beschwerte Ausser der Stadt Bietigheim wurden auch verschiedenen Bietigheimer Unternehmen Zwangsarbeiter zugewiesen die auch im stadtischen Lager Forst einquartiert wurden so dass dieses rasch voll belegt war Obwohl die Stadt nicht zum Bau von Unterkunften fur Zwangsarbeiter aus den Betrieben verpflichtet war hatte sie ein Interesse sowohl an den Gewerbesteuereinnahmen als auch an der Wahl des Standorts solcher Lager und begann darum im Juli 1942 mit der Errichtung eines neuen Gemeinschaftslagers im Kameradschaftshaus Die Deutschen Linoleum Werke errichteten ein eigenes Lager aus zehn Baracken fur nahezu 500 Zwangsarbeiter auf dem Sportplatz an der Wilhelmstrasse Die Unterkunftsbaracken wurden teilweise von der Rustungskontor GmbH geliefert die den Anforderungen nur ungenugend nachkommen konnte Die Stadt Bietigheim hatte acht solcher Baracken bestellt der Burgermeister bezweifelte jedoch bereits im August 1942 ob auch nur eine einzige geliefert werden konne Da 100 zusatzliche russische Zwangsarbeiter erwartet wurden und inzwischen auch das Kameradschaftshaus voll belegt war ausserdem Kameradschaftshaus und Forst im bevorstehenden Winter nicht beheizbar waren und Arbeitsausfalle durch Krankheiten zu befurchten waren erbat der Burgermeister von der HJ das Haus der Jugend in der Fritz Krober Strasse zur Einrichtung eines Ostarbeiterlagers Dort wurden nach Raumung von Forst und Kameradschaftshaus im Oktober 1942 in 13 Zimmern zunachst insgesamt 128 Ostarbeiter zu etwa gleichen Teilen Manner und Frauen einquartiert Die Unterbringung und die Uberwachung der Zwangsarbeiter in den stadtischen Bietigheimer Lagern war anfangs moderat Die eigentlich vorgesehenen strengen Bewachungsauflagen konnten mangels Personal oft nicht erfullt werden Einige der Zwangsarbeiter nahmen gar an Filmvorfuhrungen und Gottesdiensten teil woraufhin im Oktober 1942 die Einhaltung der geltenden Bestimmungen durch die Staatspolizeistelle in Stuttgart angemahnt wurde Der Umgang der Bevolkerung mit den Zwangsarbeitern wird als gleichgultig beschrieben wobei mehrere Deutsche den notleidenden Zwangsarbeitern vor allem Alkohol zu Wucherpreisen verkauften Im Haus der Jugend waren im Juli 1944 210 Zwangsarbeiter untergebracht womit sich bis zu 16 Personen ein Zimmer teilen mussten Im August 1944 war das Haus mit 186 Personen darunter sechs Kindern belegt Nach der Erkrankung des bislang dort die Aufsicht fuhrenden deutschen Wachmanns wurde Ende August 1944 die Bewachung des Gebaudes einem als ziemlich deutschfreundlich beschriebenen Zwangsarbeiter ubertragen worauf es zu Konflikten mit den im Lager untergebrachten russischen Mannern kam Uber die Zahl der insgesamt in Bietigheim eingesetzten Zwangsarbeiter herrscht keine vollige Klarheit Eine Liste im Stadtarchiv von Bietigheim Bissingen nennt insgesamt 1286 Russen und 217 Polen was mit dem hohen Durchlauf an Arbeitskraften zu erklaren ist und der bevorzugten Behandlung aufgrund des Entgegenkommens bei der Errichtung des Durchgangslagers Eine Liste vom 22 Marz 1944 nennt zwei polnische Arbeitskrafte bei den Neckarwerken und 202 Ostarbeiter aus Russland Folgende Unternehmen hatten im Marz 1944 Zwangsarbeiter beschaftigt Schuhfabrik C Fritz 23 Personen Spezialfabrik fur Autozubehor SWF 32 Tubenfabrik Kienzle 13 Klumpp und Aretz 16 Rotnahtkragen 10 Stadt Bietigheim 7 Forstamt Bietigheim 4 Schuhbesohlwerk Rau 1 G Staudt amp Sohne 1 Wagenfabrik Schumacher 4 Schleifmittelwerk Fr Elbe 19 Mobelfabrik Bock und Link 9 Kammgarnspinnerei 9 Machtle 3 Orgelbau Steirer 2 Reichsbahn Guterstelle 34 Das Russenlager der DLW auf dem Sportplatz wurde nach dem Krieg zur Unterbringung von Vertriebenen genutzt Das Haus der Jugend wurde spater zum Jugendhaus Einzelnachweise Bearbeiten Andreas Lorcher Die biografische Lucke Memento vom 1 Dezember 2017 im Internet Archive Sudwest Presse vom 22 Marz 2012 Literatur BearbeitenAnnette Schafer Zwangsarbeit in Bietigheim 1939 1945 und die Einrichtung bzw Funktion des Durchgangslagers In Blatter zur Stadtgeschichte Heft 14 Bietigheim Bissingen 199948 94467 9 13641 Koordinaten 48 56 40 8 N 9 8 11 1 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Durchgangslager Bietigheim amp oldid 238460136