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Als Donnerstagsdemonstrationen wurden die ab Februar 2000 wochentlich in Wien abgehaltenen Protestkundgebungen gegen die OVP FPO Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schussel bezeichnet Inhaltlich richteten sie sich vor allem gegen die von den Demonstranten als rassistisch antisemitisch und fremdenfeindlich empfundenen Positionen der FPO deren Verhaltnis zum Nationalsozialismus aber auch gegen Entdemokratisierungsbestrebungen z B Hochschulerschaft Sozialversicherungstrager den Sozialabbau und die damit verbundene intendierte Schwachung von Arbeitnehmervertretungen von Schwarzblau orange sowie die konservative Einstellung der OVP in Bezug auf Abtreibung und Homosexualitat Ausgehend vom Bundeskanzleramt wurde bis Anfang 2002 wochentlich auf immer neuen nicht angekundigten Routen durch die Stadt demonstriert Donnerstagsdemonstration in Wien November 2018Nach dem Antritt der OVP FPO Regierung Kurz im Dezember 2017 fanden unter dem Motto Es ist wieder Donnerstag ab Oktober 2018 bis zum Ende dieser Regierung im Mai 2019 in Folge der Ibiza Affare erneut Donnerstagsdemonstrationen wochentlich in Wien und auch wiederholt auch in anderen Stadten wie Innsbruck und Linz statt Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Entstehung 3 Verlauf 3 1 Donnerstagsdemonstrationen ab 2018 4 Beurteilung 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenOsterreichs innenpolitische Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg ist gepragt von der oftmals sehr muhsam zuwege gebrachten Zusammenarbeit zwischen den beiden grossen Parteien SPO und OVP wobei von 1970 bis 1999 durchgehend der Bundeskanzler von der bei allen Nationalratswahlen stimmenstarkeren SPO gestellt wurde Die FPO konnte ab Mitte der 1980er Jahre nach einen vom Nationalen Flugel um Jorg Haider gewonnenen Machtkampf mit den Liberalen Flugel um Norbert Steger einen enormen Stimmenzuwachs erreichen der grossteils auf Zugewinne von SPO Wahlern basierte Die Liberalen FPO Mitglieder grunden spater das Liberale Forum Die SPO betrieb daraufhin eine Ausgrenzungspolitik gegenuber dieser immer wieder als rechtsextrem titulierten Partei Nach der Nationalratswahl 1999 Anfang Oktober des Jahres war eine Mandatsverteilung entstanden bei der SPO OVP und FPO etwa gleich stark vertreten waren und die OVP knapp hinter der FPO nur drittstarkste Partei wurde Die Folge davon war dass sich schon rein rechnerisch auch unter Einbezug der Grunen keine Koalition mit einer stabilen Mehrheit im Nationalrat ergeben konnte Grund dafur war die unmogliche Zusammenarbeit von SPO und FPO sowie die im vorhergegangenen Wahlkampf ergangene Ankundigung der OVP dass sie im Falle eines dritten Platzes in Opposition gehen werde Dadurch drohte keine Regierung zustande zu kommen und lange ergebnislose Koalitionsgesprache aller Parteien waren die Folge Durch geschickte Verhandlungstaktik gelang es jedoch der OVP eine Einigung mit der FPO herbeizufuhren sodass sich letztendlich Ende Janner 2000 als einziges Resultat abzeichnete dass die bei den Wahlen drittstarkste Partei den Bundeskanzler stellen und die uber lange Zeit zuvor ausgegrenzte FPO mit auf der Regierungsbank sitzen wurde eine Konstellation die es in der Geschichte Osterreichs noch nie gegeben hatte Von der politischen Gegenseite wurde diese Einigung aufgrund der polarisierten Stimmungslage rasch als ideologische Zusammengehorigkeit von OVP und FPO gedeutet und mit der stigmatisierenden Bezeichnung schwarz blau versehen Gleich motiviert und zur selben Zeit entstand auch das kombinierte Parteikurzel FPOVP das gleich wie schwarz blau identifizierend fur die Gegnerschaft wirkte Entstehung BearbeitenDer Widerstand gegen die sich abzeichnende Regierungskoalition zeigte sich anfanglich in hauptsachlich von jungen Aktivisten getragenen Aktionen Diese begannen am 1 Februar 2000 als ein Dachburo der OVP Parteizentrale besetzt und Transparente uber die Balustrade des Hauses gehangt wurden Am Tag darauf folgten rund 20 000 Menschen einem Aufruf der Plattform Demokratische Offensive Die Demonstration zog auf den zwischen dem Bundeskanzleramt und der Prasidentschaftskanzlei befindlichen Ballhausplatz Direkt im Anschluss an die Kundgebung kam es zu Spontandemonstrationen vor den Parteizentralen von OVP und FPO nbsp Ein bei der Regierungs angelobung im Jahr 2000 durch Demonstranten beschmutzter PolizistAm 4 Februar dem Tag der Angelobung der neuen Regierung kam es fur osterreichische Verhaltnisse zu ausserst ungewohnlichen Massenbewegungen Bereits in den Morgenstunden befanden sich rund 10 000 Demonstranten auf dem an den Ballhausplatz angrenzenden symboltrachtigen Heldenplatz Traditionell unternimmt eine neu anzugelobende Regierung einen Fussmarsch vom Bundeskanzleramt uber den Ballhausplatz zur Prasidentschaftskanzlei in der Hofburg wo der Bundesprasident die Angelobung vornimmt Obwohl es der Polizei gelang den Ballhausplatz zu diesem Zweck abzuriegeln konnte die neue Regierung aus Sicherheitsgrunden und erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik nur durch einen unterirdischen Gang in die Prasidentschaftskanzlei gelangen Wahrend der Angelobung durch Bundesprasident Thomas Klestil wurden von Demonstranten Knallkorper Farbbeutel und andere Gegenstande gegen das Prasidentschaftsgebaude und die davor postierten Polizeikrafte geworfen Wenige Stunden spater wurde das an der Ringstrasse gelegene Sozialministerium von Regierungsgegnern besetzt In den Abendstunden des 4 Februar kam es zu mehreren weiteren Einsatzen der Wiener Polizei wobei unter anderem eine Demonstration unter Einsatz eines Wasserwerfers aufgelost wurde Medienberichten zufolge wurden an diesem Tag bei den Auseinandersetzungen zwischen 20 und 50 Personen verletzt eine Bilanz wie sie in der Geschichte der vorangegangenen Zeit kaum jemals anzutreffen war Am folgenden Tag veroffentlichte die politisch einflussreiche Kronen Zeitung ein Foto eines vermummten Demonstranten der mit einem Ast eine Reihe behelmter und mit Schilden ausgerusteter Polizisten attackiert die sich hinter einem Tretgitter befinden Wenig spater stellte sich dieses Foto jedoch als Montage heraus Die Affare um diese Falschung zog eine Verurteilung der Kronen Zeitung durch den osterreichischen Presserat nach sich In den nachsten Tagen kam es in Wien taglich zu Demonstrationen an denen zum Teil mehr als 20 000 Personen teilnahmen Einen Hohepunkt erreichte die Bewegung gegen die schwarz blaue Regierung am Samstag dem 19 Februar als zwischen 150 000 Polizeischatzung und 300 000 Personen Angabe der Veranstalter an einer Grosskundgebung unter dem Titel Widerstand gegen Schwarz Blau gegen Rassismus und Sozialabbau teilnahmen Auf dieser wurde als ein weiterer Termin fur eine grosse Kundgebung ein nachfolgender Donnerstag bekannt gegeben sowie angekundigt dass man nicht aufhoren wolle zu demonstrieren bis die Regierung zuruckgetreten sei In den folgenden Wochen sanken die Teilnehmerzahlen an den zahlreichen Demonstrationen zum Teil auf unter 1000 ab weshalb sich mehr und mehr der Donnerstag als wochentlicher Demonstrationstag gegen die Bundesregierung herauskristallisierte der gegenuber mittlerweile auch die anderen 14 EU Mitgliedsstaaten die bilateralen Beziehungen auf Regierungs und diplomatischer Ebene auf das notigste Mindestmass eingeschrankt hatten vgl Sanktionen der EU XIV gegen Osterreich Zusatzlich fand jeden Samstag eine DJ Veranstaltungsreihe unter dem ironischen Titel Volkstanz statt Bis Ende Marz zogen in diesem Rahmen jeweils bis zu 4000 Menschen unter dem Motto Don t Stop to Resist Stopp FPOVP untermalt mit von DJs gestalteter Musik aus Sound Systemen durch Wien Verlauf BearbeitenAn der ersten Donnerstagsdemonstration die als solche bezeichnet werden kann nahmen am 24 Februar 2000 etwa 12 000 Personen teil Im Marz bewegte sich die Zahl der Teilnehmer zwischen 5 000 und 15 000 Personen Nebenbei fanden noch immer an allen anderen Wochentagen kleinere Protestaktionen und Kundgebungen gegen die Bundesregierung statt nbsp Kurto Wendt bereits Mitorga nisator und Sprecher bei den ur sprunglichen Donnerstags demons trationen im Novem ber 2018 nbsp Donnerstags demonstration in Wien Novem ber 2018Im Folgemonat nahmen weiterhin bis zu 3 000 Menschen an den donnerstaglichen Demonstrationen teil Erst Ende April ging die Anzahl der Kundgebungen an anderen Wochentagen zuruck In den folgenden Monaten pendelte sich die Teilnehmerzahl auf durchschnittlich 1000 Personen ein Zu spektakularen Aktionen kam es unter anderem am 15 Juni als die Demonstranten zuerst die zu einem Kunstprojekt des Regisseurs und Aktionskunstlers Christoph Schlingensief gehorenden Container vor der Wiener Staatsoper sturmten um die darin befindlichen Asylbewerber zu befreien Nur wenige Minuten spater drangen die Demonstranten in das nahegelegene Hotel Marriott ein in dem gerade eine Podiumsdiskussion mit Finanzminister Karl Heinz Grasser damals FPO stattfand Ein dort kurz darauf geplanter Auftritt von Bundeskanzler Wolfgang Schussel wurde so von den Demonstranten verhindert Im Sommer sanken die Teilnehmerzahlen zum Teil unter die 1000er Marke im Herbst pendelte sich das Niveau wieder knapp daruber ein Im Dezember des Jahres waren noch durchschnittlich 500 Teilnehmer an den wochentlichen Demonstrationen zu verzeichnen Im Laufe der Zeit wurde ein kulturelles Rahmenprogramm in Form einer Widerstandslesung vor Beginn der Donnerstagsdemonstrationen etabliert Prominente Vortragende waren dabei unter anderem Hermes Phettberg Marlene Streeruwitz und die spatere Literaturnobelpreistragerin Elfriede Jelinek Im Jahr 2001 stagnierten die Teilnehmerzahlen es wurde jedoch weiter wochentlich gegen die Bundesregierung demonstriert An den Donnerstagsdemonstrationen beteiligten sich nach wie vor zwischen 200 und 600 Personen Wahrend die samstaglichen Volkstanz Veranstaltungen langsam ihr Ende nahmen fand weiterhin vor jeder Donnerstagsdemonstration eine Lesung statt Nachdem sich schon im Dezember 2001 zum Teil nur knapp uber 100 Teilnehmer an den Demonstrationen gegen die Regierung eingefunden hatten wurde ab Beginn des Jahres 2003 anstatt der wochentlichen Demonstration ein wochentlicher Speakers Corner gegen Schwarzblau am Ballhausplatz abgehalten Im Februar 2002 beteiligten sich rund 2500 Personen an einer Demonstration anlasslich der zwei Jahre zuruckliegenden Angelobung der schwarzblauen Regierung Demonstrationen gegen die seit 2000 aus OVP und FPO ab 2005 BZO bestehende Regierung gab es ab Mitte 2003 weiterhin nur noch an allen Jahrestagen der Angelobung sowie im Jahr 2005 anlasslich des funften Jubilaums der ersten Donnerstagsdemonstration Mit dem Zustandekommen einer erneuten Grossen Koalition zwischen SPO und OVP im Janner 2007 und ihrer Fortfuhrung bis 2017 wurde den regelmassigen Kundgebungen das Motiv fur ihren Weiterbestand entzogen Die letzte Donnerstagsdemonstration fand mit uber 400 Teilnehmern am 9 Februar 2006 anlasslich ihres sechsjahrigen Bestehens statt Donnerstagsdemonstrationen ab 2018 Bearbeiten Am 4 Oktober 2018 wurde der wochentliche Protest nun gegen die OVP FPO Koalition Bundesregierung Kurz I die von Ende 2017 bis Ende Mai 2019 im Amt war wiederaufgenommen Auf dem Wiener Ballhausplatz versammelten sich am 4 Oktober 2018 wiederum einem Donnerstag gemass Aussage der Organisatoren um die 20 000 Demonstranten Laut Exekutive nahmen 3000 bis 4000 Personen teil 1 Mit dem Motto Es ist wieder Donnerstag wird an die Protesttradition gegen Schwarz Blau Anfang der 2000er Jahre angeknupft Die Donnerstagsdemonstrationen fuhren bis auf weiteres wochentlich auf verschiedenen Routen durch Wien Auch in anderen osterreichischen Stadten finden teils regelmassig Donnerstagsdemonstrationen statt 2 Durch die Ibiza Affare im Mai 2019 kam die Regierung zu einem Ende Die erste Demonstration nach dem Misstrauensvotum gegenuber der gesamten Bundesregierung wurde durch einen Liveauftritt der Vengaboys unter anderem mit dem Lied We re going to Ibiza begleitet 3 Beurteilung BearbeitenDie Donnerstagsdemonstrationen wurden bei den Beteiligten und Sympathisanten scherzhaft als Wiener Wandertage bezeichnet was gleichzeitig mit den Volkstanz Veranstaltungen auf das Motiv Bewegung hindeutet Die Bezeichnung Wandertag stammt aus dem schulischen Bereich und ihre Verwendung in diesem Zusammenhang erklart sich aus der Tatsache dass bei dieser Demonstrationsserie immer ein anderer vorher nicht bekannt gegebener Weg eingeschlagen wurde Dieses spasshafte Moment wird als Ausdruck jugendlicher Lebensumstande gedeutet zumal die Donnerstagsdemonstrationen vorrangig von jungen Leuten getragen wurden 4 Die weltanschauliche Zusammengehorigkeit der Ausdrucke Donnerstagsdemonstration schwarz blau und FPOVP zeigt sich in deren gemeinsamen langen Bestand Die Demonstrationsserie existierte im Prinzip so lange wie es die entsprechenden koalitionaren Verhaltnisse gab Der Ausdruck FPOVP musste zwar nach dem Wechsel des Koalitionspartners FPO mit dem BZO aufgegeben werden lebte aber nach der Bildung einer neuerlichen SPO OVP Koalition im Janner 2007 eine Zeit lang in der Form SPOVP weiter und wurde von den Gegnern dieser Koalition in abwertendem Sinn verwendet also zum Teil auch von denen gegen die sich FPOVP ursprunglich richtete 5 Literatur BearbeitenFrederick Baker Elisabeth Boyer Wiener Wandertage Wieser Wien 2002 ISBN 3 85129 381 9 Robert Foltin Und wir bewegen uns doch Soziale Bewegungen in Osterreich Edition Grundrisse Wien 2004 ISBN 3 9501925 0 6 Stichworter Donnerstagsdemonstration FPOVP und schwarz blau in Oswald Panagl Peter Gerlich Hg Worterbuch der politischen Sprache in Osterreich Osterreichischer Bundesverlag Wien 2007 ISBN 3 209 05952 7 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Donnerstagsdemonstrationen Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien www tatblatt net Detaillierte Chronologie der Proteste www no racism net Mehrere Artikel zum Widerstand gegen die schwarzblaue Regierung www martinkrenn net International gezeigte Fotoausstellung welche die Donnerstagsdemonstrationen aus der Sicht von 26 Demoteilnehmern zeigt Einzelnachweise Bearbeiten Donnerstagsdemo Basti ciao ciao ciao am Ballhausplatz In derstandard at 4 Oktober 2018 abgerufen am 31 Marz 2019 Donnerstags wird in Innsbruck noch immer demonstriert In Tiroler Tageszeitung 30 Marz 2019 abgerufen am 31 Marz 2019 https twitter com vengaboys status 1134194840974086149 Stichwort Donnerstagsdemonstration in Oswald Panagl PeterGerlich Hg Worterbuch der politischen Sprache in Osterreich Wien 2007 Stichwort FPOVP in Panagl Gerlich 2007 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Donnerstagsdemonstrationen amp oldid 227297967