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Differenzgeschaft englisch Contract for Difference ist im Finanzwesen ein spekulatives Termingeschaft bei dem die Vertragsparteien nicht am Basiswert Handelsobjekt interessiert sind sondern am Kurs oder Preisunterschied zwischen dem Tag des Geschaftsabschlusses und dem aktuellen Marktwert am theoretischen Erfullungstag Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Arten 3 Geschichte 4 Rechtsgrundlagen 5 Funktion 6 Siehe auch 7 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenKassageschafte sind typische Liefergeschafte bei denen die Vertragsparteien Kontrahenten an der Lieferung und Abnahme des Basiswerts interessiert sind Bei Termingeschaften ist dies nicht immer der Fall Haben Termingeschafte den Zweck den Kurs Preis eines Basiswerts zu sichern und die Kontrahenten sind am Umsatz vom Basiswert interessiert gehoren sie ebenfalls zu den Liefergeschaften Deshalb sind Borsentermingeschafte nach Auffassung des BGH nicht notwendigerweise stets auch Differenzgeschafte 1 Fehlt es jedoch an der Lieferabsicht handelt es sich um ein Differenzgeschaft einem so genannten entarteten Termingeschaft 2 Sein Name fuhrt auf die Kursdifferenz zuruck die beide Parteien erzielen Arten BearbeitenIm Hinblick auf die Erkennbarkeit der Transaktion wird zwischen offenen und verdeckten Differenzgeschaften unterschieden die sich beide aus dem Wortlaut des 764 BGB a F ergaben Beim offenen Differenzgeschaft vereinbaren die Kontrahenten ausdrucklich dass nicht geliefert werden soll Diese in 764 Satz 1 BGB a F definierten Geschafte wurden seit Februar 1935 als Spiel nach 762 BGB eingestuft 3 Das verdeckte Differenzgeschaft wird durch die zwischen beiden Parteien nicht ausgesprochene Differenzabsicht charakterisiert es gilt nach 117 Abs 2 BGB als Scheingeschaft und ist als solches nichtig 4 Nur bei einer Vertragspartei ist erkennbar die Absicht vorhanden nicht tatsachlich auf Lieferung zu bestehen sondern die Gegenleistung zu vermeiden und lediglich die Preisdifferenz ausgeglichen zu erhalten 5 Beim verdeckten Differenzgeschaft beabsichtigt deshalb nur einer der Kontrahenten sich bis zum Erfullungstag durch ein Gegengeschaft einzudecken und die Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem des Gegengeschafts zu vereinnahmen bzw zu erbringen 6 Nach 764 Satz 2 BGB a F wurde vorausgesetzt dass die andere Gegenpartei diese Absicht kennt oder kennen muss Es liegt an den Begleitumstanden und Beweisanzeichen ob eine Transaktion als verdecktes Differenzgeschaft eingeordnet wird Verdeckte Differenzgeschafte fallen erst durch extensive Auslegung unter die Regelungsnorm des 762 BGB Voraussetzung eines verdeckten Differenzgeschafts sei dem BGH zufolge ferner dass das Gegengeschaft mit dem Vertragspartner des Erstgeschafts geschlossen wird und mit dem Erstgeschaft im Wesentlichen ubereinstimmt Bei Devisen reicht ein Gegengeschaft in anderer Wahrung mit annahernd demselben Volumen aus Indizien fur ein verdecktes Differenzgeschaft konnen sein ein auffalliges Missverhaltnis zwischen dem Vermogen des Bankkunden und dem Umfang des geschlossenen Geschafts die Uberlassung eines Sicherheits Betrages der nicht den Wert des Erstgeschafts sondern allenfalls einen Verlust in Hohe der Differenz zwischen Erst und Gegengeschaft abdeckt das Fehlen einer Beziehung der erworbenen Waren oder Wertpapiere zum Geschafts oder Berufskreis des Kaufers der Charakter der Waren Wertpapiere oder Devisen als typische Spekulationsobjekte der haufige An und Verkauf derselben Waren Wertpapiere oder Devisen bei fortgesetzter Unterlassung effektiver Erfullung Zu den Differenzgeschaften gehoren Indexterminkontrakte bei denen nur die Zahlung von Differenzen beabsichtigt ist Hierbei wird der Gegenwert des zugrunde liegenden Aktienindex am Falligkeitstermin in bar ausgeglichen 7 Nach der Begrundung der Borsengesetz Novelle vom Marz 1989 gehoren zu den Differenzgeschaften insbesondere selbstandige Indexoptionen 8 Bei ihnen kommt fur den Anleger eine Glattstellung durch ein Gegengeschaft am Terminmarkt von vornherein nicht in Betracht da etwa Aktienindexoptionen in aller Regel nicht zum effektiven Bezug oder zur Verausserung eines bestimmten Aktienportfolios berechtigen sondern auf Barausgleich des Differenzbetrages zwischen dem festgelegten Basisindex und dem aktuellen Indexwert am Tag der Optionsausubung gerichtet sind 9 Der BGH hat im Juni 1979 zwar offengelassen ob der Leerverkauf short sale ein Termingeschaft sei gleichzeitig bejahte er jedoch die Merkmale eines Differenzgeschaftes 10 Der Leerverkaufer veraussere dem BGH zufolge die Aktien in der Annahme sie spater zu einem niedrigeren Kurs wieder erwerben zu konnen Die dafur notwendigen effektiven Umsatzgeschafte sind nur das technische Mittel zur Erzielung der Differenz Dementsprechend schlagt sich der Aktienumsatz nicht in einem Depot des Kunden nieder 11 Daytrading gehort nicht zu den Kassageschaften auch wenn die Erfullung innerhalb eines oder zweier Handelstage erfolgt Es sind finanzielle Differenzgeschafte des 2 Abs 3 Nr 3 WpHG denn 12 der Trader strebt im Einvernehmen mit seinem Vertragspartner keine unbeschrankte Verfugungsbefugnis uber die Waren oder Wertpapiere an der Trader will zu ihrer Bezahlung weder eigenes Kapital noch vor Abschluss des Geschafts vertraglich fest vereinbarte Kreditmittel sondern den Erlos aus einem von vornherein beabsichtigten Gegengeschaft einsetzen und das Gegengeschaft wird mit dem Vertragspartner des Erstgeschafts geschlossen und stimmt mit dem Erstgeschaft im Wesentlichen uberein Geschichte BearbeitenDas Differenzgeschaft verdankt seinem Namen dem Umstand dass ein hoher Prozentsatz von Warentermingeschaften Kaffee Rohzucker durch Zahlung der Kursdifferenzen erledigt wurde 13 John Stuart Mill war 1848 der Ansicht dass die Differenzspekulation von Handlern fur die Allgemeinheit nutzlich sei wenn sie privaten Gewinn abwerfe 14 Gesetzgeber und Rechtsprechung haben die rein spekulative Wirkung von Differenzgeschaften in Deutschland fruh erkannt Die Diskussion um das Differenzgeschaft war nach 1850 zu einem juristischen Dauerthema geworden 15 Bereits das Reichsoberhandelsgericht ROHG war im Juni 1872 der Auffassung dass reine Differenzgeschafte bei denen die Parteien schon bei Vertragsabschluss die Effektiverfullung ausschliessen als Wette zu qualifizieren seien und Klagen auf Erfullung abzuweisen waren Erst dann wenn diese Absicht der Kontrahenten beim Vertragsabschluss zum Ausdruck gebracht liege in Wahrheit nicht mehr ein Kauf vor sondern ein in die Formen des Lieferungskaufes eingekleidetes nach den Grundsatzen uber Spiel und Wette zu beurteilendes reines Differenzgeschaft 16 Zunachst empfahl 1882 der deutsche Juristentag Differenzgeschafte weder zu verbieten noch zu beschranken Im November 1891 gab es wegen der Differenzspekulation gleich mehrere Konkurse von Berliner Banken Berliner Bankenskandal insbesondere die Bankhauser C W Schnoeckel jnr September 1891 Hirschfeld amp Wolf die Wechselbank Hermann Friedlander amp Sommerfeld oder das Bankhaus Eduard Maass 17 Die Rechtsauffassung der Gerichte uber die Differenzspekulation anderte sich zunachst jedoch nicht Denn in einem Urteil vom April 1891 bestatigte das Reichsgericht RG erneut dass ein reines Differenzgeschaft nicht vorliege wenn es dem einen Kontrahenten nur verboten sei Effektivlieferung zu fordern nicht aber der anderen Partei sie zu leisten 18 Mit Antrag vom 19 November 1891 forderten die Abgeordneten der Zentrumspartei im Reichstag dass dem Missbrauch des Zeitgeschafts als Spielgeschaft vor allem in fur die Volksernahrung wichtigen Artikeln entgegenzutreten sei 19 Im Marz 1892 kam es durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu einer Wende Es verlangte nun dass die Gerichte zu prufen haben ob aus den Umstanden eine beiderseitige Absicht zur Regulierung der Differenz geschlossen werden kann 20 Es hielt das von ihm bisher vertretene Prinzip nicht mehr aufrecht dass zur Annahme des reinen Differenzgeschaftes die ausdruckliche Vereinbarung des Ausschlusses der Effektiverfullung erforderlich sei 21 Mit dem Borsenterminhandel und dem Differenzgeschaft beschaftigten sich danach drei weitere Juristentage 1884 1886 und 1892 Den Ermittlungen der Borsenenquetekommission zufolge wurden zwischen 1887 und 1891 an der Hamburger Kaffeeborse lediglich zwischen 1 79 und 3 79 aller Geschafte effektiv erfullt an der Hamburger Zuckerborse zwischen 1888 und 1890 nur 4 9 22 Das loste 1894 unter anderem die Kritik des Nationalokonomen Max Weber uber den Terminhandel aus 23 Das Reichsgericht bekraftigte im Dezember 1894 seine ablehnende Haltung gegenuber der Differenzspekulation 24 Das Reichsborsengesetz vom Juni 1896 bestatigte im Grundsatz die Gultigkeit von Borsentermingeschaften Es beruhte auf den Empfehlungen der Borsenenquetekommission und hatte denselben Zweck wie der spatere 764 BGB a F namlich volkswirtschaftlich sinnlose Differenzspekulation zu verhindern die ohne Beziehung zum tatsachlichen Guterumsatz des Wirtschaftslebens nur aus den Marktschwankungen Gewinn erzielen will 25 Ab 1 Januar 1900 klassifizierte 764 BGB a F die offenen Differenzgeschafte als Spiel und entzog ihnen damit uber den Spieleinwand die rechtliche Verbindlichkeit denn Spielschulden sind Ehrenschulden Der Spiel oder Differenzeinwand ist seither das Rechtsmittel zur Anfechtung von Termingeschaften welche die Voraussetzungen eines Differenzgeschafts erfullen Die Vorschrift sollte die wirksame Spekulation von den als spielahnlich angesehenen Rechtsgeschaften abgrenzen 26 Der noch heute geltende 762 BGB stellt klar dass durch Spiel oder Wette eine einklagbare Verbindlichkeit nicht entsteht Naturalobligation Das Verhaltnis dieser Vorschriften zueinander war in der Rechtsprechung und Fachliteratur seither umstritten Rechtsgrundlagen BearbeitenDie Bestimmung des 764 BGB a F wurde durch das 4 Finanzmarktforderungsgesetz am 21 Juni 2002 ersatzlos aufgehoben so dass es lediglich noch bei 762 BGB verbleibt Diese Bestimmung stellt weiterhin klar dass bei Spiel oder Wettschulden keine einklagbare Verbindlichkeit entsteht Das gilt auch allgemein fur Differenzgeschafte bei denen der Spieleinwand von einem der Kontrahenten erhoben werden konnte mit der Folge dass die Verbindlichkeit aus Differenzgeschaften als Naturalobligation nicht einklagbar war Dabei muss eine Spielabsicht beider Kontrahenten vorliegen 27 Wenn Differenzgeschafte in den Schutzbereich des WpHG fallen ist ein Spiel und Differenzeinwand nicht moglich 99 WpHG sieht namlich vor dass der Spiel und Differenzeinwand bei verbindlichen Derivaten im Sinne des 2 Abs 3 WpHG und Optionsgeschaften ausgeschlossen ist Da finanzielle Differenzgeschafte in 2 Abs 3 Nr 3 WpHG ausdrucklich erwahnt sind werden auch sie vom Ausschluss des Spiel und Differenzeinwands erfasst Nach 99 Satz 2 WpHG kann der Spiel oder Wetteinwand nach 762 BGB nicht geltend gemacht werden wenn bei Finanztermingeschaften mindestens ein Vertragspartner ein Unternehmen ist das Finanztermingeschafte mit Erlaubnis betreibt Aus dieser Vorschrift folgt dass diese Transaktionen durchaus blosse Spiel oder Differenzgeschafte sein konnen andernfalls hatte es des 99 WpHG nicht bedurft Die Begriffe Spiel oder Wette und Differenzgeschaft sind deshalb nach der Konzeption des Gesetzes keine Gegensatze sondern miteinander vereinbar Soweit nicht Nichtigkeit nach 100 Abs 2 WpHG bei verbotenen Finanztermingeschaften vorliegt konnen sonstige Differenzgeschafte noch unter 762 BGB fallen Leerverkaufe sind demnach nicht als Spiel oder Wette anzusehen da ihr spekulativer Charakter sie noch nicht zum Spiel macht Denn dem Kontrahenten des Leerverkaufers ist nicht bekannt dass es sich um einen Leerverkauf handelt so dass es an der erforderlichen beiderseitigen Spielabsicht fehlt Bei Leerverkaufen ist daher der Spielweinwand bereits materiell rechtlich ausgeschlossen Die bankenaufsichtsrechtliche Perspektive ubernimmt die zivilrechtliche Sichtweise Ein erkennbares Abzielen auf nicht physische Erfullung bei einem Differenzgeschaft ist danach gegeben wenn die vertragliche Vereinbarung die Zahlung eines Differenzausgleichs statt einer physischen Erfullung vorsieht offenes Differenzgeschaft Ein Abzielen auf nicht physische Erfullung kann sich in Einzelfallen aber auch aus den Umstanden der Vertragsschliessung ergeben verdecktes Differenzgeschaft 28 Funktion BearbeitenBei Differenzgeschaften handelt es sich regelmassig um Spekulation denn es besteht kein Interesse der Kontrahenten am Basiswert sondern es geht ihnen nur um die Zahlung der finanziellen Differenz zwischen dem vereinbarten Terminkurs und dem am Erfullungstag aktuellen Marktpreis Da die Beteiligten bei Differenzgeschaften nur am Gewinn interessiert sind konnen diese Geschafte ein erhebliches Marktvolumen erreichen zumal ein Kapitaleinsatz nicht oder nur fur kurze Zeit erforderlich ist Ungedeckte Leerverkaufe von Aktien und Staatsanleihen gelten mitunter als Faktor durch den das potenzielle Risiko steigt dass Abwicklungen scheitern und Marktvolatilitat entsteht Leerverkaufe konnten in Zeiten betrachtlicher finanzieller Instabilitat die Abwartsspirale der Wertpapierkurse verstarken insbesondere bei Finanztiteln wodurch schliesslich die Existenz der Finanzinstitute bedroht wurde und systemische Risiken entstehen konnten Dies kann Finanzkrisen verursachen oder verscharfen Aus diesen Bedenken heraus entstand die Vorschrift des 53 WpHG die eine Uberwachung von Leerverkaufen durch die BaFin vorsieht und in einem behordlichen Verbot von Leerverkaufen munden kann Siehe auch BearbeitenBerliner Bankenskandal Differenzkontrakt BarausgleichEinzelnachweise Bearbeiten BGH Urteil vom 11 Oktober 1988 BGHZ 105 263 Claus Seibert in Kommentar Das Burgerliche Gesetzbuch Band 2 Teil 4 1978 764 Rn 2 S 167 RG Urteil vom 26 Februar 1935 RGZ 147 112 114 Helmut Grothe Fremdwahrungsverbindlichkeiten 1999 S 404 Ulrich Stache Kapitaleinkunfte und Spekulationsgeschafte 1996 S 217 RG Urteil vom 15 Juni 1927 RGZ 117 267 268 f Hans Schulz Erfolgreicher Terminhandel 1984 S 54 Bundestags Drucksache 11 4177 vom 13 Marz 1989 S 18 BGH Urteil vom 12 Mai 1998 Az XI ZR 180 97 BGH Urteil vom 12 Juni 1978 Az II ZR 48 77 BGH Urteil vom 12 Juni 1978 Az II ZR 48 77 Rn 11 BGH Urteil vom 18 Dezember 2001 Az XI ZR 363 00 Franz Josef Pfleger Ludwig Gschwindt Borsenreform in Deutschland Band II 1897 S 128 John Stuart Mill Principles of Political Economy 1848 S 717 Udo Wolter Termingeschaftsfahigkeit kraft Information 1991 S 25 f Entscheidungen des ROHG Band VI 1872 S 223 Christof Biggeleben Das Bollwerk des Burgertums Die Berliner Kaufmannschaft 1870 1920 2006 S 239 RG Urteil vom 17 April 1891 Stenographische Berichte Band 124 Nr 528 S 2860 f RG Urteil vom 26 Marz 1892 Az I C S Edmund Bruckner Der Differenzhandel an der Borse 1894 S 33 Knut Borchardt Max Weber Gesamtausgabe Teil 1 Band 10 1999 S 16 Max Weber Borsenwesen Schriften und Reden 1893 1898 Band 2 1898 S 632 RGZ 34 82 83 BGH Urteil vom 20 Dezember 1971 Az II ZR 156 69 Martin Henssler Risiko als Vertragsgegenstand 1994 S 527 Erich Waclawik Die Verbindlichkeit von Devisenterminvereinbarungen 2000 S 350 BAFin Merkblatt Hinweise zur Erlaubnispflicht von Geschaften im Zusammenhang mit Stromhandelsaktivitaten vom 13 Februar 2009Normdaten Sachbegriff GND 4198770 6 lobid OGND AKS Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Differenzgeschaft amp oldid 198809876