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Die arkadischen Hirten ist der Titel von zwei Gemalden des franzosischen Malers Nicolas Poussin Die Bilder werden auch als Die Hirten von Arkadien oder Et in Arcadia Ego bezeichnet Die arkadischen Hirten 1 Fassung Devonshire Collection Chatsworth 1627Die arkadischen Hirten 2 Fassung 1637 38 LouvreBeide Bilder zeigen eine Gruppe von idealisierten Hirten vor einem antiken Grabmal mit der Inschrift ET IN ARCADIA EGO Die beiden Fassungen die im Abstand von rund zehn Jahren entstanden sind werden in Chatsworth House in Devonshire und im Louvre aufbewahrt Inhaltsverzeichnis 1 Daten 2 Provenienzen 3 Beschreibung 4 Et in Arcadia ego 5 Interpretationen 6 Rezeption 7 Literatur 8 Weblinks 9 Einzelnachweise und AnmerkungenDaten BearbeitenDie arkadischen Hirten The Arcadian Shepherds um 1627 Ol auf Ln 101 82 cm Devonshire Collection Chatsworth House ChatsworthDie arkadischen Hirten Les Bergers d Arcadie um 1637 1638 Ol auf Ln 87 120 cm Musee du Louvre Inventar Nummer INV 7300Provenienzen BearbeitenDas Bild aus Chatsworth House wird in einem um 1677 angelegten Inventar des Kardinals Camillo Massimi 1620 1677 einem von Poussins wichtigsten Mazenen verzeichnet Ende des 17 Jahrhunderts kam das Bild in die Sammlung des Louis Henri de Lomenie de Brienne 1635 1698 seit 1761 gehorte es William Cavendish 4 Duke of Devonshire Heute ist es Teil der Devonshire Collection in Chatsworth House Chatsworth Das im Besitz des Louvre befindliche Bild wurde von Bellori in den Vite de pittori scultori et architetti moderni von 1672 erwahnt 1685 wurde es von Ludwig XIV erworben und ging in der Folge in die Sammlung des Louvre ein Beschreibung BearbeitenDie beiden Bilder Poussins weisen erhebliche formale Unterschiede auf Die fruhe Fassung zeigt im Hochformat eine Waldlandschaft mit einem hoch aufgesockelten Sarkophag auf dem ein Totenkopf liegt Im Vordergrund lagert ein mit Lorbeer oder Olivenzweigen bekranzter Flussgott die Personifikation des Alpheios der durch Arkadien fliesst und der in der Arkadienpoesie haufig eine Rolle spielt 1 Zwei Hirten und eine Hirtin lesen erregt und mit gespannter Aufmerksamkeit die Inschrift ET IN ARCADIA EGO Im Bild dominieren warme Braun und Ockertone Fur die spatere Fassung des Themas hat Poussin ein Querformat gewahlt In einer bukolischen Landschaft unter einem heiteren Himmel und vor den aufragenden Bergen Arkadiens im Hintergrund befindet sich parallel zum Betrachter ein schlichtes aus Steinblocken aufgemauertes Grabmonument mit der gleichen Inschrift Vier Personen symmetrisch angeordnet befinden sich ruhig und in kontemplativer Haltung vor dem Monument wobei die beiden knienden Hirten die der Inschrift mit ihren Zeigefingern folgen von zwei stehenden Personen flankiert werden Ein junger Hirte stutzt sich auf das Monument und betrachtet versonnen den vor ihm knienden Gefahrten Eine weibliche antik gekleideten Figur flankiert gleich einer Statue die rechte Seite der Gruppe Sie hat ihre Hand auf die Schulter des jungen Hirten gelegt der auf die Inschrift zeigt und der sie fragend anschaut In diesem Bild gibt es keinen Totenkopf als Sinnbild eines Memento mori Die unterschiedlichen Stimmung der beiden Bilder spiegelt sich in ihren formalen und stilistischen Unterschieden wider die emotionale Verfasstheit der Personen zeigt sich auch in der der Komposition Erstaunen und Aufgeregtheit der Beteiligten wird im ersten Bild durch die gegenlaufige Bewegung der sich synchron bewegenden Hirtengruppe auf der einen und den dunklen in den Vordergrund strebenden Baumstammen auf der anderen Seite verdeutlicht Sich kreuzende Diagonale ein tiefer Fluchtpunkt ein niedriger Horizont lassen den Sarkophag monumental und uberwaltigend wirken Die kontemplative und elegische Stimmung des zweiten Bildes wird durch kuhle Farbe und eine auf Symmetrie Klarheit Ausgewogenheit und Harmonie angelegte Komposition erzeugt Die bogenformige uber die Mitte des Bildes laufende Horizontlinie umfasst die symmetrisch und bildparallel aufgebaute Personengruppe die beiden statuarisch aufgefassten Randfiguren rahmen die in der Komposition komplementaren Hirten ein Et in Arcadia ego Bearbeiten Hauptartikel Et in Arcadia ego Der lateinische Satz ET IN ARCADIA EGO ist eine Ellipse Es fehlt die Verbindung zwischen Subjekt und Pradikat die Kopula esse was je nach dem Sinnzusammenhang im Prasens oder in einer nichtprasentischen Form zu erganzen ist Das erlaubt keine eindeutige Ubertragung in eine andere Sprache und fuhrte zu unterschiedlichen Ubersetzungen und Interpretationen Diese hatten wiederum unterschiedliche Deutungen der Bilder zur Folge Wahrend Bellori 1672 den Satz im Sinne von dass das Grab sich noch in Arkadien befindet und dass der Tod inmitten des Glucks seinen Platz hat verstanden hat 2 schlug Andre Felibien Biograph Bewunderer und eifriger Propagandist der Werke Poussins eine andere Deutung vor Arkadien ist eine Gegend von der die Dichter als kostliches Land gesprochen haben doch hat man durch diese Inschrift betonen wollen dass derjenige der sich im Grab befindet in Arkadien gelebt hat und dass der Tod inmitten der Gluckseligkeit anzutreffen ist 3 Interpretationen BearbeitenAuftraggeber und Auftragssituation sind nicht bekannt es gibt keine Ausfuhrungen von Poussin selbst zu den Bildern und zeitgenossische Quellentexte auf die sich die Interpreten beziehen konnten sind nicht vorhanden Interpretationen mussen sich daher zunachst auf Informationen stutzen die die Bilder selbst hergeben Grundsatzliche Unterschiede ergeben sich vor allem durch unterschiedliche Auslegung der lateinischen Inschrift einerseits und aus dem Versuch andererseits die weibliche Figur zu erklaren Ausgangspunkt fur alle Deutungen ist der lateinische Satz ET IN ARKADIA EGO fur den es bisher keine Belegstelle in der antiken oder mittellateinischen Literatur gibt und der erstmals uberhaupt auf dem Bild der Arkadischen Hirten von Il Guercino aus den fruhen Zwanzigern des 17 Jahrhunderts auszumachen ist Grabmal Inschrift und Totenschadel der fruhen Fassung lassen den Schluss zu dass es sich wie auch bei Il Guercino um ein Memento Mori Bild handelt in dem der Topos vom Tod der im Leben und Erleben des Glucks allgegenwartig ist visualisiert wird Anders das Louvre Bild Grabmal und Inschrift sind zwar vorhanden es fehlt jedoch der Totenschadel mit seiner plakativ eindeutigen Botschaft Diese Fassung wurde in der Kunstwissenschaft unterschiedlich oder sogar kontrovers interpretiert Nach Panofskys mit Mitteln der Ikonologie in Gang gesetzten Deutung kamen andere aus der Perspektive der Philologie vor allem was das Arkadienbild Vergils und seine Folgen in Kunst und Literatur betrifft der Semiologie sowie unter philosophischen und psychoanalytischen Aspekten hinzu Erwin Panofsky hat sich 1936 nach seiner Flucht aus Deutschland zum ersten Mal mit den Methoden der Ikonologie mit dem Thema auseinandergesetzt 1955 eine erweiterte und revidierte Fassung seiner ersten Analyse verfasst und 1968 einen weiteren erganzenden Aufsatz zu diesem Thema veroffentlicht 4 5 6 Panofsky geht vor allem auf die bisherigen Ubersetzungen der Inschrift ein und analysiert den Wandel der Interpretationen Er stellt fest dass die bis heute am meisten verbreitete Ubersetzung Auch ich war in Arkadien dem Originaltext bzw der lateinischen Grammatik nicht gerecht werde Sie sei vielmehr erst durch Poussins zweites Bild nahegelegt worden in der sich eine elegische Stimmung manifestiere Zwar werde in der Fassung Auch in Arkadien bin ich der lateinischen Grammatik Gewalt angetan doch erst in der neuen Bedeutung sei Poussins Komposition Gerechtigkeit widerfahren Dagegen geht die jungste Interpretation des Satzes durch Louis Marin 1985 von einem semantischen Ansatz aus und wirft die Frage nach dem Ego auf das in dem Bild spricht ist es der im Grab Bestattete oder aber der Autor des Bildes selbst Marins Ansatz hatte weitere Varianten der Interpretation zur Folge 7 Der Marburger Philosoph Reinhard Brandt interpretiert die weibliche Figur als Pittura die Allegorie der Malerei bzw in seinem Arkadien Buch von 2005 als diese die auch zugleich als Daphne Laura eine Allegorie des Ruhms der Malkunst darstelle Poussins Figur ist zwar mit keinem der damals ublichen Attribute ausgestattet der Lorbeer spielt aber als Hintergrund des Grabmals und als Kranz auf den Hauptern der Hirten eine nicht zu ubersehende Rolle Dargestellt werde die Entdeckung der Malkunst durch den Menschen wie es Plinius im Buch 35 seiner Naturalis historia 8 erzahlt Zu lesen sei das Bild als Beitrag Poussins zu der damals virulenten Debatte ob die Malerei die ja nicht in den Kanon der sieben Artes Liberales aufgenommen war nur ein Handwerk ist sondern vielmehr einen gleichberechtigten Rang unter den Kunsten einnimmt Nach Brandts Interpretation ist daher die Sprecherin des Satzes Et in Arcadia Ego die Malerei selbst Der franzosische Philosoph Jean Louis Vieillard Baron 1944 deutet den lateinischen Satz als Ich der Maler ich uberlebe den Tod im Land der Kunstler die durch ihre Werke unsterblich geworden sind 9 Er betrachtet die Arkadischen Hirten aus philosophischer Sicht als eine Meditation Poussins uber die Malerei und uber den Tod Es ist in erster Linie ein Werk der Meditation Die Meditation uber das Handwerk des Malers und uber den Tod ruft die bildliche Reprasentation hervor sie ist die Quelle des Bildes das seinerseits Meditation von der Seite des Betrachters aus in Gang setzt 10 Viellard Baron setzt Poussins Bild in den Kontext einer Gedankenwelt die von platonischen Vorstellungen gepragt ist Das mythische Arkadien ist die Heimat der Dichter Auch der Maler des Bildes reprasentiert durch EGO ist in Arkadien zu Hause Die Unsterblichkeit der Schonheit l immortalite du beau wird im Bild symbolisiert durch die Gestalt der antik gekleideten Frau Die Schonheit entkommt dem Tod denn dank der Kunst des Malers bleibt sie vor unseren Augen gegenwartig Rezeption Bearbeiten nbsp Relief im Park von Shugborough Hall StaffordshireZwischen 1748 und 1763 liess der englische Architekt Thomas Anson im Park des Familiensitzes Shugborough Hall in Staffordshire durch den flamischen Bildhauer Peter Scheemakers 1691 1781 ein Grabmonument fur seinen Bruder George Anson errichten Das Relief auf dem Monument zeigt spiegelverkehrt einen Ausschnitt aus der Louvre Fassung der Arkadischen Hirten Unterhalb des Reliefs ist eine Tafel mit der Inschrift O U O S V A V V amp D M angebracht deren Bedeutung bis heute nicht entschlusselt ist Sie beschaftigte Kryptologen aller Art und ist Gegenstand von Spekulationen die auch in der Mystery und Comicproduktion der Gegenwart sowie in Geschichten die sich um den Templerorden und den Heiligen Gral ranken ihren Niederschlag gefunden haben 11 nbsp Kenotaph fur Poussin in der Kirche San Lorenzo in Lucina in Rom1828 stiftete Chateaubriand damals franzosischer Botschafter am Heiligen Stuhl in Rom ein Kenotaph fur Poussin der in der Kirche San Lorenzo in Lucina begraben ist Mit der Ausfuhrung der Marmorstele beauftragte er drei Prix de Rome Stipendiaten der Villa Medici in Rom Der Bildhauer Leon Vaudoyer entwarf das Gesamtkonzept Louis Desprez 1799 1870 fuhrte die bildhauerischen Arbeiten einschliesslich Relief aus und Paul Lemoyne 1784 1873 schuf die Buste Poussins Das Relief auf der Marmorstele zeigt ebenfalls einen Ausschnitt aus der Louvre Fassung der Arkadischen Hirten mit dem Sarkophag der Inschrift ET IN ARCADIA EGO zwei Hirten und der allegorischen Figur 12 Siehe auch Tombeau de PoussinLiteratur BearbeitenEt in Arcadia Ego Actes du 27e congres annuel de la North American Society of 17th century French Literature Paris 1997 Erwin Panofsky Et in Arcadia ego Poussin und die Tradition des Elegischen Erstausgabe Koln 1978 Hrsg v Volker Breidecker Friedenauer Presse Berlin 2002 ISBN 3 932109 28 7 Louis Marin Zu einer Theorie des Lesens in den bildenden Kunsten Poussins Arkadische Hirten In Wolfgang Kemp Hrsg Der Betrachter ist im Bild Kunstwissenschaft und Rezeptionsasthetik DuMont Koln 1985 ISBN 3 7701 1720 4 S 110 146 Jean Louis Villard Baron Et in Arcadia ego Poussin ou l immortalite du beau Hermann Paris 2010 ISBN 978 2 7056 6971 3 Elizabeth Cropper Charles Dempsey Nicolas Poussin Friendship and the Love of Painting Princeton Univ Press 1996 Kapitel 8 Death in Arcadia S 279 312 Reinhard Brandt Nicolas Poussin Et in Arcadia Ego In R Brandt Philosophie in Bildern Von Giorgione bis Magritte 2 Auflage DuMont Koln 2001 ISBN 3 7701 5293 X S 265 282 Reinhard Brandt Arkadien in Kunst Philosophie und Dichtung Berlin Rombach 2005 S 69 96 Rombach Wissenschaften Reihe Quellen zur Kunst 25 ISBN 3 7930 9440 5Weblinks BearbeitenAndrea Dixon Poussin and Velazquez Max Denzler Et in Arcadia ego RDK Labor 1968 VI 117 131 Hrsg Zentralinst f Kunstgeschichte nbsp Commons Et in Arcadia ego by Poussin Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Annegret Kayling Poussins Kunstauffassung im Kontext der Philosophie Marburg 2003 S 234 cioe che il seplolcro si trova ancora in Arcadia e che la morte ha luogo in mezzo la felicita Andre Felibien Entretiens sur les vies et sur les ouvrages Trevoux 1725 Zitiert nach Oscar Batschmann Pan deus Arcadiae venit In Erwin Panofsky Beitrage des Symposions Hamburg 1992 S 76 Panofsky Et in Arcadia ego On the conception of transience in Poussin and Watteau In R Klibansky H J Patton Hrsg Philosophy and History Oxford 1936 S 222 254 Panofsky Meaning in the Visual Arts 1955 Dora u Erwin Panofsky The Tomb in Arcady at the Fin de siedle In Wallraf Richartz Jahrbuch 30 1968 S 287 304 Louis Marin Koln 1985 Plinius Naturalis Historia Buch 35 16 5 Moi le peintre je survis a la mort dans la patrie des artistes immortalises par leurs œuvres c est avant tout une œuvre de meditation la meditation sur le metier de peintre et sur la mort provoque la representation picturale elle est la source du tableau mais celui ci a son tour produit la meditation de la part du spectateur Jean Louis Vieillard Baron 2010 S 7 8 Zitiert nach 1 Thibaut Gress Jean Louis Vieillard Baron Et in arcadia ego Poussin ou l immortalite du beau In Actu Philosophia 2 Januar 2011 Helen Thomas The Shugborough Code BBC Stoke amp Stafforshire Abgerufen am 18 Oktober 2013 Stele funeraire de Nicolas Poussin a Rome Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die arkadischen Hirten amp oldid 226758797