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Die Collection Baud war eine zwischen 1894 und 1904 in franzosisch kolonisierten Gebieten West und Zentralafrikas zusammengetragene Sammlung afrikanischer Masken Bronzen und Figuren die nach Paris gebracht zeitgeschichtliche Bedeutung erlangte und die Kunstszene der 1930er Jahre beeinflusste Inhaltsverzeichnis 1 Die Entdeckung der Primitiven 2 Die Herkunft 3 Vor dem Zweiten Weltkrieg 3 1 Von Porto Novo nach Paris 3 2 Die Familien Baud und Raynal 3 3 Die Galerie Carrefour 4 In den Jahren der Kollaboration 4 1 In Sigmaringen oder in der Schweiz 5 Die Reste und sonstigen Spuren 6 Interpretation 7 EinzelnachweiseDie Entdeckung der Primitiven Bearbeiten nbsp Helmmaske Vogelkopfmaske Senufo aus der Sammlung Baud 1 Die Sammlung Baud war eine in der franzosischen Kolonialzeit des ausgehenden 19 Jahrhunderts entstandene Sammlung afrikanischer Volkskunst Sie war mitpragend fur den Begriff L Art Negre Die Ausstellung 1935 in Paris organisiert in Zusammenarbeit mit der Societe de l Africanistes 2 fand Beachtung in der Kunstszene der dreissiger Jahre Unter Intellektuellen in Paris kam erstmals Anerkennung und Bewunderung fur die sogenannte art negre auf die durch Kunstler wie Andre Breton Pablo Picasso und Henri Matisse in der Offentlichkeit aufgewertet und von Pierre Verite 3 in seiner Galerie Carrefour vermarktet wurde Die Herkunft BearbeitenDie Stucke der Collection Baud spiegeln wider welche Expeditionen Capitaine Joseph Marie Louis Baud 4 zusammen mit Lieutenant Jean Vermeersch 5 zwischen 1894 und 1904 vom franzosischen Kolonialgebiet Dahomey aus unternahm Seit etwa 1888 waren Baud und Vermeersch bei den franzosischen Kolonialtruppen zur Niederschlagung der Aufstande in Dahomey eingesetzt Im Namen der franzosischen Kolonialverwaltung unternahmen sie Expeditionen zur militarischen Eroberung bis ins Sahelgebiet in den Norden Dahomeys und bis an den Niger Es ging weiter nach Westen in die Region Haute Volta heute Burkina Faso und in den Norden der Cote d Ivoire Etwa um 1898 begann eine von beiden gefuhrte Expedition die dem Niger nach Osten folgte dann aus seinem Tal weiter nach Osten unbemerkt Nordnigeria durchquerte und uber den Handelsposten Maiduguri den Tschadsee erreichte Nach dem Konflikt zwischen Frankreich und Grossbritannien 1898 um die Festung Faschoda veranderte sich die Kolonialpolitik in Franzosisch Westafrika Baud und seine Mannschaft mussten nun an der Kolonialgrenze Englands die ostlich von Dahomey verlief vorsichtig operieren Im Westen wurden ihre Eroberungszuge durch das als deutsche Kolonie beanspruchte Togo begrenzt So setzten Baud und Vermeersch ab Ende 1898 als forschende Militars die Unterwerfung von Ethnien in Randgebieten von Franzosisch West und Aquatorialafrika fort deren Gebietsgrenzen nicht mit den kolonialen Grenzen ubereinstimmten Dabei gestalteten sie ihre Expeditionen mit einer fur Militars dieser Zeit erstaunlichen ethnologischen Umsicht 6 Ob das Sammeln von Masken Statuen Speeren und sonstigen Gegenstanden auf ihren sogenannten Expeditionen wirklich einem ethnologischen Interesse von Baud und Vermeersch entsprach lasst sich heute nicht mehr feststellen Die Qualitat einiger Stucke der Sammlung spricht fur ein gewisses Verstandnis Welche der Sammlungsstucke konfisziert als Gastgeschenk auf Markten getauscht oder anders in den Besitz gelangten lasst sich nicht mehr nachvollziehen Baud lagerte seine ansehnliche ethnologisch interessante Sammlung von Stucken aus mehreren Ethnien West und Zentralafrikas in der Polizeiprafektur von Porto Novo Als er 1904 in Dahomey an Malaria starb war seine Sammlung in Europa unbekannt In Dahomey verliert sich auch die Spur des Lieutenant Vermeersch Vor dem Zweiten Weltkrieg Bearbeiten nbsp Schlecht erhaltene Antilopenmaske aus der Sammlung Baud Ursprung nicht genau bekannt Etwa um 1900 1 Von Porto Novo nach Paris Bearbeiten Anfang 1934 in der Polizeiprafektur in Porto Novo in Dahomey fand der seinen Posten antretende Sylvain Robert den Nachlass des Capitaine Baud Er veranlasste das die Stucke durchnummeriert und mit rudimentaren Herkunftsangaben versehen nach Frankreich zum testamentarischen Erben Monsieur Raynal versandt wurden Die den Schiffspapieren beigefugte Verladeliste diente spater als Basis einer Ordnung der Sammlung des Capitaine Baud 1 Die Familien Baud und Raynal Bearbeiten Eine Nichte des Capitaine Baud Yvette Baud wurde von Raynal beauftragt sich um die afrikanischen Stucke des Erbes zu kummern und Verkaufe zu versuchen Die Studentin der Philosophie mit Bekannten in der Kunstleravantgarde von Paris die sich mit der sogenannten art d negre 7 beschaftigten fand Kontakt zu Galeristen Mit Hilfe des Monsieur Dupres von der Societe de l Africanistes 2 von ihr eingeordnete Stucke wurden unter dem Titel L Art Negre Le Collection Capitaine Baud im Marz 1935 im Hotel Paix Madelaine in Paris ausgestellt und verkauft Der Ausstellungskatalog erwahnt Sylvain Eugene Raynal als Besitzer der Sammlung und enthalt eine Biographie des Joseph Marie Louis Baud 8 Ausstellung und Verkauf waren ein Erfolg 1 Am meisten kaufte Pierre Verite Die Galerie Carrefour Bearbeiten Pierre Verite geb 1900 ursprunglich Maler entdeckte seine Leidenschaft fur afrikanische Kunst um 1920 Mit seiner Frau eroffnete er 1937 Carrefour eine Galerie fur afrikanische Kunst mit vielen Stucken aus der Sammlung Baud Der 1929 geborene Sohn Claude mit seiner Frau Janine arbeitete ab 1948 mit Nahe der Galerie am Boulevard Raspail lag die Brasserie La Coupole Pablo Picasso Andre Breton Paul Eluard verkehrten an beiden Adressen Auch Josef Muller ein Schweizer Sammler afrikanischer Kunst gehorte zum Kundenkreis der Galerie nbsp Katalogseite 8 mit Bronzekopf oben links Entsprechend handschriftlichem Vermerk von Claude Verite auf der Verkaufsausstellung 1935 gekauft 1944 an Pablo Picasso weiterverkauft Der Kopf steht heute im Museum Aus den Unterlagen lasst sich teils exakt bestimmen welche Stucke Yvette Baud an Pierre Verite und Andere darunter heute namhafte Maler und Bildhauer verkaufte Einen Bronzekopf den Pierre Verite fur 8 000 Franc kaufte das entsprach etwa dem Preis eines kleinen Peugeots verkaufte er an Picasso in der Galerie Carrefour 1944 fur 48 000 Franc etwa der Preis eines damaligen Citroen des Typs Gangsterlimousine Pierre Verite war ein wichtiger Lieferant des Schweizer Sammlers Josef Mueller aus dessen Sammlung das Museum Barbier Muller in Genf entstand 9 Des Weiteren war Abel Bonnard gelegentlich Kunde der Galerie und entdeckte dort seine Liebe zur afrikanischen Kunst Bonnard Dichter und Romanschriftsteller war Minister fur Nationalerziehung unter dem Vichy Regime 1942 1944 und eines der Mitglieder der Academie francaise die nach dem Zweiten Weltkrieg wegen Zusammenarbeit mit Deutschland ausgeschlossen wurden In den Jahren der Kollaboration BearbeitenBevor Raynal 1939 verstarb hatte er Robert Brasillach einen Freund der Familie und Sohn eines franzosischen Kolonialoffiziers zum Verwalter der Sammlung Baud bestellt Brassillach war unter der deutschen Besatzung Herausgeber und Chefredakteur der rechtsradikalen Zeitschrift Je suis partout arbeitete mit der Gestapo zusammen und wurde vom deutschen Literaturzensor in Paris Leutnant Gerhard Heller betreut nbsp Mikrofilmabzug der Ubertragungsurkunde der Sammlung Baud an Abel Bonnard von 1942 Beispiel fur die illegale Inbesitznahme von Kunst und Kulturgutern in von Deutschland im Zweiten Weltkrieg besetzten LandernAuf Drangen Hellers und des deutschen Botschafters Otto Abetz vermittelte Brasillach die Schenkung der Sammlung wahrscheinlich im Sommer 1942 an Abel Bonnard wohl anlasslich dessen Ernennung als Minister fur Nationalerziehung im Vichy Regime In einem Prozess den Bonnard Anfang der 60er Jahre aus seinem spanischen Exil zuruckgekehrt gegen den franzosischen Staat fuhrte beklagte sich der einstige Vertraute von Hitlers Vichy Botschafter Otto Abetz Aber wer gibt mir die 15 000 Bande meiner Bibliothek zuruck Meine Sammlung chinesischen Porzellans und meine afrikanischen Masken und Statuen In Sigmaringen oder in der Schweiz Bearbeiten Nach der alliierten Landung in der Normandie wurde die Vichy Regierung ab Ende August 1944 ins Hohenzollernschloss im schwabischen Sigmaringen verlegt 10 Unter den zugehorigen Fluchtlingen befand sich der Sprecher der franzosischen Sendungen des Reichspropagandaministeriums Jean Herold Paquis 11 und Georges Oltramare 12 ein Mann der Ultrarechten Nach Informationen des Wiesenthal Zentrums war er ein vom deutschen Botschafter in Paris Otto Abetz bezahlter Agent und guter Freund von Abel Bonnard Bonnard gehorte zusammen mit dem Ex Ministerprasidenten der Vichy Regierung Laval zu den privilegierten Kollaborateuren die am 2 Mai 1945 mit einer Junkers Maschine nach Barcelona geflogen wurden Schon bevor Bonnard nach Spanien floh beauftragte Jean Herold Paquis 11 wohl mit Einverstandnis von Bonnard den Journalisten Oltramare 12 mit der Ubersiedlung der Koffer und dem Verkauf der Kunstgegenstande in der Schweiz um an Devisen zu kommen Doch Paquis wartete nach dem Abflug Bonnards vergebens in Sigmaringen auf die Ruckkehr von Oltramare der sich vor der deutschen Kapitulation in die Schweiz abgesetzt hatte wo er am 21 April 1945 arrestiert wurde Paquis versuchte Oltramare in die Schweiz zu folgen wurde am 8 Juli 1945 an der grunen deutsch schweizerischen Grenze von der franzosischen Militarpolizei verhaftet nach Frankreich verbracht verurteilt und hingerichtet Was von seinem Bonnard Besitz in Sigmaringen blieb oder woanders hin gelangte ist ungeklart 13 Teile der Sammlung liessen sich im Umfeld des Schweizer Bankiers und vermutlichen Nazi Finanziers Francois Genoud nachweisen Genoud Bankier in Lausanne Helfer von Nazi Verbrechern unterstutzte nach dem Krieg ihre Flucht finanziell Operation ODESSA Er war an der Verwertung der in die Schweiz transferierten oder geschmuggelten Nazi Beutekunst beteiligt Oltramare bestatigte bei seinen Vernehmungen in Frankreich 1947 im Wesentlichen die Geschichte der Ubergabe von Kunstgegenstanden Bonnards an Genoud behauptete aber dass einige Koffer mit der chinesischen Porzellan Sammlung und ein Koffer mit Stucken der L Art Negre Sammlung in Sigmaringen verblieben seien Die Reste und sonstigen Spuren BearbeitenReste der Sammlung Baud tauchten 1945 auf dem Hohenzollernschloss Sigmaringen auf Ende der 60er Jahre trat ein Mittelsmann von Abel Bonnard an die Familie des heutigen Besitzers der Sammlungsreste heran und forderte die Ruckgabe Allerdings legte er eine Liste vor die mehr Stucke auffuhrte als in Sigmaringen verblieben waren Danach lasst sich vermuten dass Bonnard vom Verbleib vieler Stucke in der Schweiz nicht wusste Auf das Ansinnen Bonnards wurde nicht reagiert Die wenigen Stucke die den Krieg unbeschadet uberstanden befinden sich heute zusammen mit zeithistorischen Dokumenten im Privatbesitz Noch nach dem Krieg verkauften Verite s Sohne Pierre und Claude einige Stucke die sie vom Vater ubernommen hatten die der Collection Baud entstammten Die Galerie Carrefour blieb bis 1995 eine der wichtigsten Kunsthandlungen fur afrikanische Kunst 14 Einzelstucke aus der Sammlung konnten bei der Auflosungsversteigerung der Galerie Carrefour Verite bei Sotheby s und bei The Pierre Et Claude Verite Auction 15 der kalifornischen Tribalmania Gallery dabei gewesen sein Teile der Sammlung sind als Kernbestand einiger grosser Sammlungen und Museen nachweisbar Interpretation BearbeitenAn der Sammlungsgeschichte vom Ursprung bis zum heutigen Verbleib von Sammlungsteilen ist das Wechselspiel zwischen Kunst Kommerz und Politik im Lauf der europaischen Geschichte ablesbar Mit Zerschlagung der Sammlung afrikanischer Kunst als Beutekunst wird ihr Schicksal exemplarisch fur andere Kunst und Ethniensammlungen in Privathand und in Museen Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Liste de inventaire personelle d Capitaine Joseph Baud Porto Novo Dahomey 1942 beglaubigte Kopie Paris a b Annuaire de Societe de l Africanistes Paris 1935 Galerie Pierre Verite Paris Auktion der geheimnisumwitterten Tribal Art Sammlung Verite Die Welt Joseph Marie Louis Baud 1864 1904 explorateur passe de Saint Cyr a l infanterie de marine multiplia les expeditions La plus fameuse d entre elles le mena au Dahomey pour un long periple aux cotes du chef d escadron Decoeur et du lieutenant Vermeersch il s agissait de multiplier les protectorats francais en songeant toujours a prendre de l avance sur les Allemands et les Anglais Au terme d une course poursuite ils avaient signe nombre de traites avec les indigenes ce qui valut a notre explorateur la medaille de la Societe de geographie et le titre de capitaine Il voyagea jusqu a la fin de sa vie afin d offrir a son pays toujours davantage de territoires nouveaux Jean Veermersch 1866 Leutnant aus Lothringen Dareste P Le regime de la propriete Francaise en Afrique Occidentale Francaise Paris 1908 Delafosse M Le Negres Paris 1927 a b Ausstellungs Verkaufskatalog L Art Negre La Collection Capitaine Baud 1935 unvollst Privatbesitz Suddtschld Museum Barbier Mueller Genf Louis Ferdinand Celine D un chateau l autre dt Von einem Schloss zum andern Gallimard 1957 a b New York Times Archive Paquis Jean Herold 1912 1945 French collaborator Radio Paris broadcaster member French Popular Party Parti Populaire Francaise PPF arrested near the Swiss frontier 8 Jul 1945 LT 10 Jul 1945 3 c put on trial by a French court for treason 17 Sept 1945 NYT 17 Sept 1945 12 6 convicted and sentenced to death by the Paris Court of Justice 17 Sept 1945 NYT 18 Sept 1945 9 6 LT 18 Sept 1945 3 d executed by firing squad at Fort de Chatillon 11 Oct 1945 NYT 12 Oct 1945 5 2 LT 11 Oct 1945 3 d LT 12 Oct 1945 3 c Purge S 140 New York a b Archive S K Kitson U K Georges Oltramare French antisemitic journalist paid agent of German Ambassador Otto Abetz 6p 1 fled France and went to Sigmaringen Germany in 1944 then escaped to Switzerland arrested there 21 Apr 1945 provisionally released rearrested by French authorities 1 Feb 1947 put on trial for collaboration convicted and sentenced to 3 years imprisonment released sentenced to death in absentia by a French court 12 Jan 1950 fled to Spain and later to Egypt where he made anti semitic radio broadcasts died at Paris 16 Aug 1960 S K Kitson La persecution des juifs d Europe Kunst und Wissen hrsg vom Freien Deutschen Kulturbund in Grossbritannien Paquis versucht nach der Kapitulation Stucke aus der Sammlung Baud L Art Negre in die Schweiz nach Lausanne zu verbringen Er wird am 8 Juli 1945 an der deutsch schweizerischen Grenze von der frz Militarpolizei verhaftet nach Paris verbracht zum Tode verurteilt und hingerichtet Wo sein Besitztum unter anderem die Sammlung Baud und andere Kunstgegenstande seines politischen Freundes und der Kollaborateur Abel Bonnard selbst verblieben sind ist ungeklart London 19 Oct 1945 Anm Zeitungsnotiz v 19 Oktober 1945 in der Exilzeitung Kunst und Wissen London uber Paquis und die Sammlung Baud Abel Bonnard und den Versuch die Sammlung in die Schweiz uber den Bankier Francois Genoud zu verkaufen zu verschieben Peter Dittmar Dunkel lockende Welt Welt Online abgerufen am 4 Dezember 2009 Alle Stucke kamen aus der Sammlung Verite den Besitzern der Pariser Galerie Carrefour bis 1995 einer der wichtigsten Kunsthandlungen fur afrikanische Kunst 1 The Pierre Et Claude Verite Auction Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Collection Baud amp oldid 235243086