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Beim Blutsonntag von Stanislau wurden am 12 Oktober 1941 mehr als zehntausend judische Manner Frauen und Kinder erschossen Diesen Massenmord im damaligen Stanislau dem heute zur Westukraine gehorenden Iwano Frankiwsk organisierte der SS Hauptsturmfuhrer Hans Kruger Das Massaker gilt als Beginn der Endlosung im Generalgouvernement Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Liquidierung der polnisch judischen Intelligenz 3 Generalprobe in Nadwirna 4 Blutsonntag 5 Massenmorde in Galizien 6 Strafrechtliche Ahndung 7 Siehe auch 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenNach dem Polnisch Sowjetischen Krieg von 1919 bis 1921 wurde das vormals zu Osterreich Ungarn gehorende ostgalizische Gebiet um Stanislau durch Ubereinkunft im Frieden von Riga als Woiwodschaft Stanislawow Teil der Zweiten Polnischen Republik Das Gebiet wurde nach dem 17 September 1939 aufgrund des Ribbentrop Molotow Paktes von der Sowjetunion annektiert Am 2 Juli 1941 kurz nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion wurde Stanislau von ungarischen Truppen besetzt Ende Juli 1941 ubernahmen die Deutschen die Herrschaft und gliederten den Distrikt Galizien am 1 August 1941 neben den bereits bestehenden Distrikten Krakau Lublin Radom und Warschau ins Generalgouvernement ein Die Stadt Stanislau polnisch Stanislawow seit 1945 zur Ukraine gehorend und 1962 in Iwano Frankiwsk umbenannt liegt 120 Kilometer sudostlich von Lemberg 1931 lebten dort 24 823 Juden die Einwohnerzahl insgesamt wird fur 1938 mit 85 000 angegeben 1 Der judische Bevolkerungsanteil wuchs 1941 auf 42 000 an Es handelte sich dabei zum Teil um Juden die beim deutschen Uberfall auf Polen dorthin gefluchtet waren in der Mehrzahl aber waren sie aus dem von Ungarn besetzten Transkarpatien ausgewiesen worden Alle Juden mussten eine Armbinde als Kennzeichnung tragen 2 Liquidierung der polnisch judischen Intelligenz BearbeitenDie Aussenstelle Stanislau des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD Lemberg spater umbenannt in Grenzpolizei Kommissariat Stanislau wurde von Ende Juli 1941 bis August 1942 vom SS Hauptsturmfuhrer Hans Kruger gefuhrt Sie war zustandig fur die Kreise Stanislau und Kalusch sowie die Region um Rohatyn mit uber 700 000 Einwohnern Die Dienststelle hatte kaum dreissig deutsche Mitarbeiter verfugte jedoch uber zahlreiche Hilfsfreiwillige die unter ortsansassigen Volksdeutschen und ukrainischer Miliz angeworben wurden Bereits am 2 August 1941 liess Kruger Angehorige der polnischen Intelligenz verhaften und wenige Tage spater 600 von ihnen im Wald von Pawelce erschiessen und verscharren Nach Angaben Krugers erteilte Karl Eberhard Schongarth Ende August oder im September Weisungen die ab Oktober 1941 zu den Massenmorden an Juden in Galizien fuhrten Es gilt jedoch nicht als abschliessend geklart ob SS Sturmbannfuhrer Helmut Tanzmann vom Einsatzkommando z b V oder der SS und Polizeifuhrer Friedrich Katzmann die Initiative ergriff und die entscheidenden Befehle dazu erteilte 3 Laut Kruger sollte die Vernichtung der Juden in Stanislau durchgefuhrt werden weil ein dort geplantes und im Dezember 1941 tatsachlich eingerichtetes Ghetto nur einen Bruchteil der ansassigen Juden hatte aufnehmen konnen Als weiteres Motiv fur den Beginn der Massenmorde in dieser Region wird die Grenznahe zur ungarischen Karpato Ukraine angefuhrt aus der laufend Juden in den Distrikt Galizien abgeschoben wurden 4 Generalprobe in Nadwirna BearbeitenAm 6 Oktober 1941 fuhrte Kruger in der Kleinstadt Nadwirna eine Grossaktion durch die als Generalprobe fur die Organisation des Blutsonntags von Stanislau gilt 5 Diese Aktion wurde auf einer Einsatzbesprechung in Lemberg vorbereitet bei der Friedrich Katzmann den Beginn von befohlenen Liquidierungsmassnahmen gegen die Masse der Juden in Galizien angekundigt haben soll Kruger soll laut Feststellung im Urteil eines Schwurgerichts seinen Leuten am fruhen Morgen vor Beginn der Aktion verkundet haben dass ihnen eine schwere Aufgabe bevorstehe und die Ausrottung der Juden vom Fuhrer befohlen sei 6 Neben den Leuten seiner Dienststelle standen Hans Kruger Schutzpolizisten aus Wien zur Verfugung die die ukrainische Hilfspolizei kommandierten Zusatzlich zog er zwei Kompanien des Reserve Polizeibataillons 133 heran Etwa zweitausend Juden wurden auf einem umzaunten Sammelplatz in der Stadt zusammengetrieben Die Opfer Manner und Frauen Kinder und Greise wurden auf Lastkraftwagen verladen und zu einem Waldstuck gebracht Dort mussten die Opfer ihre Kleider ablegen Sie wurden in Gruppen zu einer ausgehobenen Grube gefuhrt und dort erschossen Getotet wurden an diesem Tag mindestens 1200 judische Menschen 7 Am Abend wurden die restlichen Juden vom Sammelplatz entlassen nachdem sie alle Wertgegenstande abgegeben hatten Blutsonntag BearbeitenAm Morgen des 12 Oktober 1941 gab Hans Kruger die Einsatzbefehle fur die Grossaktion Die Trupps der Sicherheitspolizei des Reserve Polizeibataillons 133 und der ortskundigen ukrainischen Miliz raumten die judischen Wohnungen systematisch beginnend an der Eisenbahnlinie weiter uber die Innenstadt bis zum Stadtteil Belvedere in dem spater das Ghetto eingerichtet wurde Die Juden die ihre Wertgegenstande mitnehmen sollten wurden auf den Marktplatz getrieben In Kolonnen von 200 Personen mussten sie zum neuen judischen Friedhof im Stadtteil Zagwozdzieckie marschieren Kranke und Gebrechliche wurden mit Lastwagen dorthin geschafft Der Friedhof war mit einer hohen Mauer umgeben Am Vorabend waren dort mehrere Gruben ausgeschachtet worden Als erste Opfer wurden 400 Juden erschossen die nach Ungarn geflohen waren danach aber uber die Grenze abgeschoben und in Stanislau inhaftiert worden waren Die vom Sammelplatz eintreffenden Juden mussten sich zunachst hinsetzen und wurden scharf bewacht Spater mussten sie ihre Oberbekleidung ablegen und die mitgefuhrten Wertsachen aushandigen bevor sie an den Rand der Grube gefuhrt wurden Die Erschiessungskommandos bestanden aus jeweils zehn bis funfzehn Schutzen die mit Karabinern und Pistolen schossen In der Dammerung wurde die Massenerschiessung abgebrochen Die Uberlebenden wurden unter Schlagen vom Friedhof getrieben Nach Angaben von Zeitzeugen wurden am Blutsonntag von Stanislau 10 000 bis 12 000 judische Manner Frauen und Kinder erschossen Diese Zahlen werden auch in der Literatur genannt Bei der Beweisaufnahme im Urteil gegen Hans Kruger ging das Gericht von mindestens 6 000 Opfern aus 8 Massenmorde in Galizien BearbeitenDer sogenannte Blutsonntag von Stanislau am 12 Oktober 1941 gilt als Beginn der Endlosung im Generalgouvernement 9 Am 13 Oktober trafen sich Heinrich Himmler Odilo Globocnik und der HSSPF Friedrich Wilhelm Kruger in Berlin und beschlossen vermutlich dabei stationare Vernichtungslager im Generalgouvernement zu errichten 10 Bis zum 1 Dezember 1941 wurden zahlreiche weitere Massenerschiessungen im Distrikt Galizien durchgefuhrt namentlich in Rohatyn abermals in Stanislau sowie in Deljatyn und Kalusch bei denen jeweils mehrere tausend Juden umgebracht wurden Kruger liess Ende Marz 1942 mehr als tausend unbrauchbare Juden aus dem Ghetto Stanislau festnehmen diese wurden am 1 April 1942 in das Vernichtungslager Belzec verschleppt und dort vergast Erhalten ist ein an Joachim von Ribbentrop gerichteter Protestbrief eines Volksdeutschen aus Stanislau der die Massenerschiessungen anprangert 11 Am 2 Juli 1942 veroffentlichte die New York Times einen Bericht uber Massaker an 700 000 Juden in den von Deutschen besetzten Gebieten dabei wird von 15 000 Opfern in Stanislau geschrieben 12 Das Ghetto von Stanislau wurde im Januar 1943 aufgelost Anfang 1944 offnete ein Sonderkommando die meisten Massengraber verbrannte die Leichen und verwischte die Spuren des Verbrechens Stanislau wurde von der Roten Armee am 27 Juli 1944 befreit Von den judischen Bewohnern der Stadt hatten nur einhundert uberlebt 13 Strafrechtliche Ahndung BearbeitenAnfang 1966 fand vor dem Landesgericht Salzburg ein skandaltrachtiger Prozess gegen zwei Tatbeteiligte statt Eine zweite Hauptverhandlung vor dem Landesgericht Wien folgte und endete am 8 November 1966 mit einer Verurteilung zu Haftstrafen von acht und zwolf Jahren Beide Tater wurden gnadenhalber vorzeitig entlassen 14 Nach mehrjahrigen Ermittlungen kam es 1968 zu einem Prozess gegen 14 Angehorige der Sicherheitspolizei in Stanislau bei dem auch die Verbrechen am Blutsonntag Gegenstand der Verhandlung waren Am 6 Mai 1968 verurteilte das Landgericht Munster drei Tater zu lebenslanglicher Haftstrafe und sechs Tater zu langjahrigen Haftstrafen 15 Siehe auch BearbeitenBlutsonntagLiteratur BearbeitenElisabeth Freundlich Die Ermordung einer Stadt namens Stanislau NS Vernichtungspolitik in Polen 1939 1945 Wien 1986 ISBN 3 215 06077 9 Israel Gutman u a Hrsg Enzyklopadie des Holocaust Munchen und Zurich 1995 ISBN 3 492 22700 7 Bd III S 1370 1372 Dieter Pohl Hans Kruger der Konig von Stanislau In Klaus Michael Mallmann Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien Darmstadt 2004 ISBN 3 534 16654 X S 135 144 Erstfassung von 1998 englisch PDF 127 kB Christiaan F Ruter u a Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen NS Totungsverbrechen 1945 1999 Band 28 Die vom 29 04 1968 bis zum 11 05 1968 ergangenen Strafurteile Lfd Nr 672 677 Amsterdam 2003 ISBN 3 598 23819 3 Fall 675 S 220 682 s Kruger Hans Dieter Schenk Der Lemberger Professorenmord und der Holocaust in Ostgalizien Bonn 2007 ISBN 978 3 8012 5033 1 Weblinks BearbeitenDokumentarchiv des Osterreichischen Widerstands Urteil gegen zwei Tater im Jahre 1966Einzelnachweise Bearbeiten 85 000 bei Elisabeth Freundlich Die Ermordung einer Stadt namens Stanislau NS Vernichtungspolitik in Polen 1939 1945 Wien 1986 ISBN 3 215 06077 9 S 148 ohne Jahresangabe 70 000 bei Dieter Schenk Der Lemberger Professorenmord und der Holocaust in Ostgalizien Bonn 2007 ISBN 978 3 8012 5033 1 S 184 Es ist strittig ob diese Anordnung bereits wahrend der wenige Tage andauernden ungarischen Besatzungszeit erfolgte so bei Dieter Pohl Hans Krueger and the Murder of the Jews in the Stanislawow Region Galicia englisch PDF 127 kB jedoch nicht in der spateren deutschen Fassung s Lit anders bei Israel Gutman u a Hrsg Enzyklopadie des Holocaust Munchen und Zurich 1995 ISBN 3 492 22700 7 Bd III S 1371 Dieter Pohl Hans Kruger der Konig von Stanislau In Klaus Michael Mallmann Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien Darmstadt 2004 ISBN 3 534 16654 X S 136 Dieter Pohl Hans Kruger der Konig von Stanislau In Klaus Michael Mallmann Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien Darmstadt 2004 ISBN 3 534 16654 X S 136 Dieter Pohl Hans Kruger der Konig von Stanislau In Klaus Michael Mallmann Gerhard Paul Karrieren der Gewalt Nationalsozialistische Taterbiographien Darmstadt 2004 ISBN 3 534 16654 X S 137 Zitate Katzmann und Kruger in Feststellungen des Schwurgerichts zum Anklagepunkt II Christiaan Ruter u a Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen NS Totungsverbrechen 1945 1999 Band 28 Die vom 29 04 1968 bis zum 11 05 1968 ergangenen Strafurteile Lfd Nr 672 677 Amsterdam 2003 ISBN 3 598 23819 3 Fall 675 S 282 Feststellung des Schwurgerichts Christiaan Ruter u a Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen NS Totungsverbrechen 1945 1999 Band 28 S 283 In der Literatur davon abweichend 2000 Pohl Christiaan Ruter u a Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen NS Totungsverbrechen 1945 1999 Band 28 Die vom 29 04 1968 bis zum 11 05 1968 ergangenen Strafurteile Lfd Nr 672 677 Amsterdam 2003 ISBN 3 598 23819 3 S 322 323 Klaus Peter Friedrich Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 9 Polen Generalgouvernement August 1941 1945 Munchen 2013 ISBN 978 3 486 71530 9 S 20 Klaus Peter Friedrich Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden Band 9 Munchen 2013 ISBN 978 3 486 71530 9 S 21 Dokument VEJ 9 62 vom 11 April 1942 in Klaus Peter Friedrich Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 9 Polen Generalgouvernement August 1941 1945 Munchen 2013 ISBN 978 3 486 71530 9 S 250 251 VEJ 9 89 Klaus Peter Friedrich Bearb Die Verfolgung und Ermordung der europaischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 1945 Quellensammlung Band 9 Polen Generalgouvernement August 1941 1945 Munchen 2013 ISBN 978 3 486 71530 9 S 324 Israel Gutman u a Hrsg Enzyklopadie des Holocaust Munchen und Zurich 1995 ISBN 3 492 22700 7 Bd III S 1372 Dokumentarchiv des Osterreichischen Widerstands Urteil gegen zwei Tater im Jahre 1966 Justiz und NS Verbrechen Memento vom 29 Oktober 2013 im Internet Archive Band 28 Fall 675 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Blutsonntag von Stanislau amp oldid 224310875