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Als Bitburg Kontroverse wurde in den Medien die Diskussion benannt die sich nach den Kranzniederlegungen am 5 Mai 1985 an der Kriegsgraberstatte Bitburg Kolmeshohe in Bitburg sowie der Gedenkstatte des KZ Bergen Belsen bei Celle durch US Prasident Ronald Reagan gemeinsam mit Bundeskanzler Helmut Kohl entspann Der Besuch und die Kranzniederlegung am Soldatenfriedhof in Bitburg fuhrten zu der Kontroverse da dort neben Soldaten der deutschen Wehrmacht auch Angehorige der Waffen SS beerdigt sind Ansicht der Gedenkstatte nach der KranzniederlegungAn der Gedenkstatte niedergelegter Kranz des PrasidentenDemonstrant am Anfahrtsweg zur Gedenkstatte Inhaltsverzeichnis 1 Die Toten 2 Ziele des Besuchs 3 Kritik 3 1 Kritik aus den USA 3 2 Deutsche Kritiker 4 Zustimmung 5 Historischer Hintergrund 5 1 Kalter Krieg 5 2 Angemessenheit des Gedenkens an Krieg und Nazi Diktatur 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseDie Toten BearbeitenVon den namentlich genannten Toten auf dem Soldatenfriedhof in Bitburg konnen 43 Soldaten eindeutig der Waffen SS zugeordnet werden darunter ein Offizier ein 23 jahriger Untersturmfuhrer und neun Unteroffiziere Bei den ubrigen 33 Waffen SS Mannern handelt es sich uberwiegend um Wehrpflichtige im Alter von 17 bis 19 Jahren Ziele des Besuchs BearbeitenAnlass fur den Besuch war der 40 Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8 Mai 1945 Der Besuch war von der deutschen Bundesregierung als Versohnungsgeste zwischen den damaligen Kriegsgegnern beabsichtigt 1 So befanden sich in der Begleitung der beiden Regierungschefs auch zwei ehemalige Weltkriegsoffiziere die nach dem Krieg hohe Funktionen als Vier Sterne Generale in der US Army bzw neu aufgestellten deutschen Bundeswehr ausgeubt hatten und sich uber den Grabern die Hande reichten Matthew Ridgway der nach dem Krieg unter anderem von 1953 bis zu seiner Pensionierung 1955 als Chief of Staff of the Army gedient hatte und Johannes Steinhoff der nach dem Krieg unter anderem in der neu aufgestellten Bundeswehr als Inspekteur der Luftwaffe diente und von 1970 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 1974 das Amt des Vorsitzenden im NATO Militarausschuss bekleidete Von Kritikern des Besuchs wurde Bitburg als Teil der Geschichtspolitik der Regierung Kohl beschrieben die Deutschland zu einer neuen Normalitat auf Augenhohe mit den ehemaligen Feinden des Zweiten Weltkrieges fuhren solle Die Kriegsfuhrung des nationalsozialistischen Deutschlands solle durch ein gemeinsames Gedenken an deutsche und amerikanische Soldaten als Teil einer gemeinsamen Geschichte erscheinen allerdings sind in Bitburg keine gefallenen US Soldaten bestattet Kritik BearbeitenDer Besuch stiess sowohl im In als auch im Ausland auf Kritik Kritik aus den USA Bearbeiten Das US Nachrichtenmagazin Time zitierte Regierungssprecher Peter Boenisch mit den Worten Es ist unmoglich eine Entnazifizierung der Friedhofe durchzufuhren und schloss daraus unter der Artikeluberschrift The Bitburg Fiasco auf die Unmoglichkeit fur einen US Prasidenten deutsche Kriegsgraber zu besuchen Auch warnte Time vor der Gefahr der sowjetischen Propaganda in die Hande zu spielen 2 Das Reprasentantenhaus der Vereinigten Staaten hatte bereits am 1 Mai 1985 mit einer Mehrheit von 390 zu 26 Stimmen entschieden Ronald Reagan zum Verzicht auf den Besuch in Bitburg aufzufordern allerdings war dieser Beschluss nach US Verfassungsrecht nicht bindend Die US amerikanische Punkband Ramones kritisierte Ronald Reagan fur den Besuch in Bitburg mit dem Lied Bonzo Goes to Bitburg Bonzo ist der Name eines Schimpansen im US Spielfilm Bedtime for Bonzo in dem Reagan die mannliche Hauptrolle spielte Deutsche Kritiker Bearbeiten Gunter Grass machte seine Ablehnung gegen den Besuch eines Bitburger Soldatenfriedhofs durch den damaligen Bundeskanzler Kohl und den amerikanischen Prasidenten Reagan deutlich Er warf Helmut Kohl Geschichtsklitterung vor und wandte sich gegen das Ausstellen von Unschuldszeugnissen Seiner Meinung nach spricht Unwissenheit nicht frei Sie ist selbst verschuldet zumal die besagte Mehrheit wohl wusste dass es Konzentrationslager gab Kein selbstgefalliger Freispruch hebt dieses Wissen auf Alle wussten konnten wissen hatten wissen mussen 3 Diese Kritik fiel im Jahr 2006 auf Grass zuruck als bekannt wurde dass auch dieser selbst der Waffen SS angehort hatte So schrieb etwa Alfred Grosser Statt diejenigen zu unterstutzen die damals vor allem aus Ablehnung Ronald Reagans heraus Kohl vorwarfen die SS rehabilitieren zu wollen hatte Grass aufstehen sollen um zu sagen Wenn ich getotet worden ware ware mein Grab zwischen diesen hier gewesen 4 Grosser wie auch Hellmuth Karasek behaupteten auf dem Friedhof seien auch andere als deutsche Soldaten begraben 5 6 Als das Gespenst von Bitburg beschreibt der Historiker Heinrich August Winkler die vermeintliche Normalitat 7 die Helmut Kohl 1985 mit jenem umstrittenen gemeinsamen Besuch mit US Prasidenten Ronald Reagan auf dem Soldatenfriedhof von Bitburg demonstrieren wollte auf dem neben Wehrmachtssoldaten auch Angehorige der Waffen SS bestattet liegen Er schrieb uber den Besuch in Bitburg Als sich die Kapitulation des Deutschen Reiches zum 40 Mal jahrte loste der studierte Historiker Kohl mit einem symbolischen Akt internationale Proteste aus Zusammen mit dem amerikanischen Prasidenten Ronald Reagan besuchte er am 5 Mai 1985 den Soldatenfriedhof in Bitburg in der Eifel Dort befanden sich was man in Bonn zunachst ubersehen hatte neben Grabern von Wehrmachtssoldaten auch solche von Angehorigen der Waffen SS Dass Kohl trotzdem auf dem Besuch bestand wirkte wie der Kontrapunkt zur weltweit beachteten und unvergessenen Demutsgeste eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers Willy Brandts Kniefall vor dem Denkmal fur die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto am 7 Dezember 1970 Hatte Reagan nicht nach Bitburg auch dem ehemaligen Konzentrationslager Bergen Belsen einen Besuch abgestattet von dem Ereignis in der Eifel ware der makabere Eindruck ausgegangen die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika hatten sich darauf verstandigt den Zweiten Weltkrieg fortan als europaischen Normalkrieg zu betrachten 8 Bitburg wird in der Forschung als Teil der Geschichtspolitik Helmut Kohls beschrieben so z B bei Claus Leggewie Man kann in dieser unbeirrt verfolgten Aktion ein wesentliches Moment der Kohlschen Aussenpolitik erkennen das in der Tradition Konrad Adenauers stehende Bemuhen durch die politische kulturelle und militarische Westbindung politische Souveranitat zuruck zu gewinnen und allmahlich mit den Verbundeten auf Augenhohe zu verkehren Die deutsche Vergangenheit war das wesentliche Hindernis Sie zu leugnen war zwecklos und lag auch nicht in der Absicht des christdemokratischen Bundeskanzlers deshalb musste er symbolisch ikonische Gesten finden die mit der fraglosen Anerkennung der NS Vergangenheit zugleich ihre Entdramatisierung fur den aktuellen Politikbetrieb bewirkten und Deutschland nicht mehr in der Demuts oder Busserpose wie Willy Brandts Kniefall in Warschau im Jahr 1970 sondern in Versohnungssymmetrie den gleichen Rang bestatigte 9 Jurgen Habermas kritisierte in einem ausfuhrlichen Beitrag in der Wochenzeitung Die Zeit vom 17 Mai 1985 eine von ihm so bezeichnete doppelte Absicht der Kohl Regierung Im Artikel mit dem Titel Die Entsorgung der Vergangenheit schreibt er Der Handedruck von Bitburg hatte also beides verschmelzen sollen die Abkehr von einer destabilisierenden Vergangenheitsbewaltigung und die Bezeugung aktueller Waffenbruderschaft Kohl wollte die Ruckkehr zu deutschen Kontinuitaten 10 Zustimmung BearbeitenVon Teilen der Bevolkerung und der Presse gab es hingegen auch Zustimmung zu dem Besuch So schrieb die Berner Zeitung Der Bund am 30 April 1985 Der geplante Besuch hat einen wochenlangen Sturm der Entrustung ausgelost der ans Absurde grenzt Weiter fuhrt er aus Die oft unsachliche Kritik der Meinungsmacher haben alte Wunden aus der Zeit des Nationalsozialismus und des Krieges neu aufgerissen und die Versohnungsgeste Reagans bis zur Lacherlichkeit entstellt 11 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fuhrte in ihrem Leitartikel am 2 Mai 1985 die Kritik am Bitburg Besuch auf die Ablehnung Reagans durch die Kritiker zuruck Der Prasident hat die Wahlen gegen die Medien gewonnen So ist gerade bei denen die sich durch einen nichtgewunschten Prasidenten besiegt sehen die Versuchung zum nachhaltigen Besserwissen gross Dieser Effekt hat die Debatte uber Sinn und Unsinn von symbolischen Besuchen so verteufelt fast zu einer internationalen Katastrophe gemacht Historischer Hintergrund BearbeitenDie Kontroverse um den Besuch in Bitburg hat folgende Hintergrunde Kalter Krieg Bearbeiten Zum Zeitpunkt der Kontroverse war der Kalte Krieg nach der vorubergehenden Entspannung in den 1970er Jahren wieder verscharft Der NATO Doppelbeschluss und als Antwort darauf die Friedensbewegung sowie der Krieg der Sowjetunion in Afghanistan bestimmten die Diskussion Auch das Thema des Gedenkens an Krieg und Nazi Diktatur wurden daher an der Wirkung im Kalten Krieg gemessen Die Propaganda der DDR sah sich als antifaschistisch und stellte die Bundesrepublik Deutschland als postfaschistisch dar Der Vorwurf die Bundesrepublik ehre SS Mitglieder war daher fur diese Propaganda hilfreich Angemessenheit des Gedenkens an Krieg und Nazi Diktatur Bearbeiten Von zentraler Bedeutung war die Frage wie ein angemessenes Gedenken an Krieg und Nazi Diktatur durch Deutschland moglich sei Grosse Zustimmung fand die Rede des Bundesprasidenten Richard von Weizsacker vom 8 Mai 1985 In der Folge wurde 1986 1987 im Historikerstreit diskutiert inwieweit die NS Verbrechen einzigartig seien Auch hier wurde auf den Bitburg Besuch verwiesen und argumentiert Zweck des Besuchs sei gewesen die Einzigartigkeit der NS Verbrechen im Gedenken an die gemeinsamen Toten in den Hintergrund treten zu lassen Literatur BearbeitenStadtverwaltung Bitburg Der Besuch Dokumentation uber den Besuch des amerikanischen Prasidenten Ronald W Reagan und des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl am 5 Mai 1985 in Bitburg Bitburg 1986 Theo Hallet Umstrittene Versohnung Reagan und Kohl in Bitburg 1985 Sutton Erfurt 2005 ISBN 3 89702 810 7 Heinrich August Winkler Auf ewig in Hitlers Schatten Zum Streit uber das Geschichtsbild der Deutschen in Frankfurter Rundschau vom 14 November 1986 Lou Cannon President Reagan The Role of a Lifetime New York Simon and Schuster 1991 573 588 Richard J Jensen Reagan at Bergen Belsen and Bitburg College Station Texas A amp M University Press 2007 Charles S Maier The Unmasterable Past History Holocaust and German National Identity Cambridge Mass and London England Harvard University Press 1997 9 16 Maren Roger Bitburg Affare In Torben Fischer Matthias N Lorenz Hrsg Lexikon der Vergangenheitsbewaltigung in Deutschland Debatten und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945 Bielefeld Transcript 2007 ISBN 978 3 89942 773 8 S 227ff Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Bitburg controversy Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Andrew Gray Secretary Shultz and the Bitburg Uproar Journal of Historical Review Juli August 1994 Jg 14 Nr 4 S 45 Ronald Reagan Rede in Bitburg am 5 Mai 1985 Einzelnachweise Bearbeiten Reagan Visite im KZ Dachau In Der Spiegel 20 Januar 1985 ISSN 2195 1349 spiegel de abgerufen am 10 Dezember 2020 Charles Krauthammer Essay The Bitburg Fiasco In Time 12 April 2005 ISSN 0040 781X amerikanisches Englisch time com abgerufen am 18 April 2023 Harald Loch Bitburg 1985 Wie Gunter Grass es sah In Hamburger Abendblatt 16 August 2006 ISSN 0949 4618 S 6 abendblatt de PDF Debatte Grass will Ehrenburger von Danzig bleiben In Frankfurter Allgemeine Zeitung 18 August 2006 ISSN 0174 4909 faz net Alfred Grosser uber Gunter Grass Als moralisches Gewissen fragwurdig In Deutschlandfunk Kultur 14 April 2015 abgerufen am 18 April 2023 Hellmuth Karasek Gunter Grass war bei der Waffen SS In Norddeutscher Rundfunk 12 August 2006 abgerufen am 18 April 2023 Heinrich August Winkler Auf ewig in Hitlers Schatten C H Beck 2018 ISBN 978 3 406 72105 2 Heinrich August Winkler Aus der Geschichte lernen Nr 14 26 Marz 2004 ISSN 0044 2070 zeit de Zitiert nach seinem Vortrag auf dem Symposium Vom Nutzen und Nachteil der Historie fur die Politik Geschichte und deutsche Politik nach 1945 zum 85 Geburtstag von Helmut Schmidt Claus Leggewie Erik Meyer Ein Ort an den man gerne geht Hanser 2005 ISBN 978 3 446 20586 4 S 39 Jurgen Habermas Die Entsorgung der Vergangenheit In Die Zeit Nr 21 17 Mai 1985 ISSN 0044 2070 zeit de Walter Luthi Bitburg wirft lange Schatten auf den Gipfel In Der Bund Band 136 Nr 99 30 April 1985 ISSN 1421 1769 S 1 e newspaperarchives ch 49 963362 6 512688 Koordinaten 49 57 48 1 N 6 30 45 7 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bitburg Kontroverse amp oldid 232953142