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Die Bezeichnung Bauernkartograph bzw Bauernkartograf wurde im 18 Jahrhundert auf zwei autodidaktische Tiroler Bergbauern aus Oberperfuss gemunzt denen die erste genaue Landesvermessung Tirols zu verdanken ist Peter Anich 1723 1766 Hoferbe Globusdrechsler und Schopfer des Atlas Tyrolensis und seinen Schuler und Nachfolger Blasius Hueber 1735 1814 Ihre 20 teilige Landkarte Nord und Sudtirols wurde infolge ihrer Qualitat in die sonst durch osterreichische Militargeografen durchgefuhrte Josefinische Landesaufnahme einbezogen und fuhrte zu weiteren Auftragen in Vorarlberg Schwaben und Vorderosterreich welche Anton Kirchebner 1750 1831 und Magnus Hueber zu Ende fuhrten Inhaltsverzeichnis 1 Die Kartografen Anich und Hueber 2 Weitere Bauernkartografen 3 Ende der Bauernkartografie um 1795 4 Anmerkungen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseDie Kartografen Anich und Hueber BearbeitenDie habsburgische Kartografie des 16 Jahrhunderts wurde von den Landstanden angeregt hier hatte Tirol mit Matthias Burgklechner 1 eine fuhrende Rolle Im Absolutismus des spaten 17 Jahrhunderts ubernahmen aber Militargeografen wie Anguisolla diese Aufgabe denn Landesaufnahme und vermessung gehorte zu den Aufgaben der Offiziere und Militaringenieure In militarischen Kreisen wurde auch die trigonometrische Vermessung etabliert Atlas Austriacus des J Chr Muller unvollendet um 1720 Josephinische Landesaufnahme 1760er 80er 2 Die Vermessung Sudtirols begann 1754 durch Joseph Freiherr von Sperges Als dieser aber 1759 nach Wien abberufen wurde schlug der Innsbrucker Professor Ignaz Weinhart SJ vor mit der Fertigstellung den Bauern Peter Anich zu beauftragen der bereits durch seine Sonnenuhren und den 1 Meter grossen Himmelsglobus bekannt war Anich und seine zwei Sudtiroler Helfer konnten die fehlenden Talschaften in wenigen Wochen aufnehmen Schwieriger war es fur Weinhart durchzusetzen dass der begabte Bauer den Auftrag fur eine genauere Karte ganz Tirols den Atlas Tyrolensis erhielt Nach mehreren von der Regierung verordneten Anderungen setzte Anich den ursprunglichen Kartenmassstab 1 103 800 durch der fur eine genaue Darstellung der Streusiedlungen und des Hochgebirges erforderlich war Die Messinstrumente hatte er in seiner Drechslerei selbst hergestellt und sie waren genauer als jene von Sperges Sein Gehilfe wurde 1765 Blasius Hueber der sich rasch einarbeiten konnte Anich erkrankte bei der Feldarbeit am Sumpffieber und starb im Folgejahr doch konnte Hueber die Landesaufnahme fortsetzen und um 1770 abschliessen Als er 1774 diese erste vollstandige Landesvermessung Tirols als Kupferstich publizierte lobte auch die akademische Fachwelt die kartografische Genauigkeit und Sorgfalt des 20 blattrigen im Massstab 1 103 800 gezeichneten Werkes Grundlegende trigonometrische Verfahren hatten sich Anich autodidaktisch selbst erarbeitet Auch die anfangs gegenuber den Landvermessern skeptisch ablehnende Landbevolkerung das Abstecken der Grunde gehorte im Alpenraum Osterreichs wie der Schweiz zu den souveranen Agenden der bergbauerlichen Bevolkerung A 1 begann bald die Vorzuge eines Kartenwerks zu schatzen das nicht nur die Taler sondern auch die Berg und Almregionen darstellte Mit letzteren befassten sich Wissenschafter und militarische Genieoffiziere erst etwa 100 Jahre spater genauer 3 Tatsachlich wurde das Kartenwerk auch in die amtliche Landesvermessung integriert 4 Ein weiterer Anlass zur Namenspragung die keineswegs abwertend zu verstehen ist 5 ist die Beschriftung der Karten Wahrend die fruheren Werke durchwegs in der Wissenschaftssprache des Mittelalters lateinisch beschriftet waren und die kaiserlichen Militargeographen und auch spater das Statistische Bureau Centralamt die Anweisung hatten in die Generalstabskarten standardisierte osterreichisch deutsche Orthographie aufzunehmen sind die Anich Hueber Karten mit ortskundlich korrekt umgeschrifteten tirolisch mundartlichen Toponymika versehen A 2 A 3 nbsp Atlas Tyrolensis 1774Weitere Bauernkartografen BearbeitenSchon im vorangehenden Jahrhundert gab es einen beruhmten Tiroler Kartografen bauerlicher Herkunft namlich Georg Matthaus Vischer 1628 1696 6 den Schopfer der beiden Topographia Austriae Die Gelandedarstellung des auch als Priester tatigen Landvermessers ist aber noch deutlich einfacher als jene der eigentlichen Bauernkartografen Anich Hueber und Nachfolger Eine gegenuber Anich nochmals verfeinerte Gelandedarstellung hat Hueber und dessen Gehilfe und Nachfolger entwickelt der ebenfalls nahe Innsbruck geborene Anton Kirchebner 1750 1831 Als Hueber bei der Vermessung Oberschwabens erkrankte fuhrte Kirchebner das Werk erfolgreich zu Ende Danach wurde ihm und seinem Gehilfen Magnus Hueber 7 die erstmalige Kartierung Vorderosterreichs ubertragen fur dessen politische Gliederung er spezielle Signaturen entwarf Durch den 1794 ausgebrochenen Krieg wurden die Arbeiten abgebrochen und die kartografische Tatigkeit dieser innovativen Bauern beendet Nach den napoleonischen Kriegen ging sie an technische Offiziere uber Dass alle genannten Bauernkartografen aus Tirol stammen hangt teils mit dessen administrativen Verhaltnissen zusammen ist aber auch fachlich kein Zufall Denn Gebirgslander galten damals fur die Wissenschafter und Militargeografen eher als abweisendes Odland das allenfalls rasch durchquert werden sollte Daher waren nur die Transitrouten relevant und diese wurden primar in Wegstunden abgelangt denn kartographisch erfasst Grosseres Interesse am wissenschaftlichen Alpinismus entstand erst mit dem 19 Jahrhundert 8 Zum anderen war das Militarwesen der Grafschaft Tirol innerhalb der Habsburgermonarchie eigenstandig organisiert Landlibell Maximilians I 1511 und wurde nicht von der regularen Armee getragen sondern von den Tiroler Schutzen die als Milizverband kommunal und bauerlich organisiert waren Daher wurde auch das zentralisierte Geniewesen aus Wien in Tirol nicht gern gesehen A 4 Ende der Bauernkartografie um 1795 BearbeitenWarum spatere Kartografen aus dem Bauernstand kaum mehr so bezeichnet wurden hangt unter anderem mit der im 18 Jahrhundert uberall eingefuhrten allgemeinen Schulpflicht zusammen Sie ermoglichte vielen uberdurchschnittlich begabten Bauernkindern bei Einverstandnis der Eltern eine hohere Bildung was entsprechende Wertschatzung zur Folge hatte Die anfangliche Ermutigung zu langerem Schulbesuch erfolgte aber meist durch den Ortspfarrer oder Lehrer Konkret beendete die Tatigkeit der Bauernkartografen jedoch der 1794 ausgebrochene Krieg um Vorderosterreich der die dortigen Vermessungsarbeiten unterbrach Die Vorlande gingen in Folge an Bayern dessen Geodaten den franzosischen Genieoffizieren entsprachen Weitere Veranderungen durch die napoleonischen Kriege liessen die Landesaufnahme fast ganzlich zur Aufgabe von Militargeografen werden Einige Jahrzehnte spater ubernahmen die 1815 gegrundete Technische Hochschule Wien bzw einige Polytechnika die akademische Ausbildung der Vermessungsingenieure Ausserdem wurden in den meisten spatneuzeitlichen Staaten hoheitliche anfangs durchwegs militarische zentrale Vermessungsamter installiert weil man die Bedeutung guten Kartenmaterials und deren strategische Bedeutung erkannte 9 Um die Vermessung der Alpen erwarb sich im Besonderen dann der D u Oe Alpenverein im spateren 19 Jahrhundert Verdienst A 5 Anmerkungen Bearbeiten In der fruheren Neuzeit wurde hoheitliche Vermessung als unzulassige Einmischung in die inneren Angelegenheiten der freien Bauernschaften empfunden Das Grundstuckswesen war bis in das 18 Jahrhundert in den Gemeinden und Allmenden organisiert und wurde durch ortliche von den freien und Erbbauern gestellte Richter entschieden die innerhalb der Herrschaften nur dem Landesherrn verpflichtet waren Dieses Amt der Hoagmoar und anders wurde im Kreise der Gemeinschaft durch das Ranggeln einen Ringkampf auf Jahresdauer vergeben Dieser Brauch wird von Sudtirol bis in den Pinzgau und Oberkarnten noch heute gepflegt und wurde etwa mit dem Hundstoaranggeln zum Immateriellen Kulturerbe in Osterreich ernannt Diese Eindeutschung der Dialektnamen in die Standardrechtschreibung wird seit dem 18 Jahrhundert bis heute kontrovers diskutiert Seit den 1970ern gibt es im Kontext der grosseren Autonomie der Gemeinden und Lander wie auch des Tourismus in Osterreich und der Schweiz in Sudtirol ist die Frage noch immer politisch heikel Tendenzen die Ortsnamen wieder in die etymologisch korrekten Schreibweisen uberzufuhren Ein bekanntes Beispiel ist der pseudo verhochdeutschte Gemeindename Dienten Salzburgerland der ausnahmslos Deanten gesprochen wird weil seinerzeit eine Lautverschiebung des Diphthongs falsch gedeutet wurde Literatur Josef Schatz Ueber die Schreibung tirolischer Ortsnamen In Zeitschrift des Ferdinandeums fur Tirol und Vorarlberg Veroffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum 3 40 Nr 3 40 1896 S 101 132 zobodat at PDF insb Diskussion des allgemeinen dialektalen Namensguts Tirols S 120 ff im PDF S 20 Eduard Imhof Die Ortsnamen in den amtlichen Planen und Karten Sonderabdruck In Schweizerischen Zeitschrift fur Vermessungswesen und Kulturtechnik Jahrgang 1945 Hefte Nr 5 6 7 8 und 9 Kap I Mundartliche oder schriftsprachliche Schreibweise S o A lokalnamen ch PDF zum Thema in der Schweiz teilweise auf osterreichische Verhaltnisse ubertragbar Vergl auch Allgemeine Akzeptanz Schreibweise Lokalnamen In GISpunkt HSR das Wiki Abgerufen am 10 Januar 2011 als genauso ausserordentlich gelten auch Anichs Sonnenuhren die ebenfalls volksnah aufgebaut sind So zeigen diese etwa im Mittelband die fur die bauerliche Bevolkerung wichtigen Arbeits Stunden des lichten Tages Peter Anich Bauernkartograf aus Oberperfuss 1723 1766 In Kulturraum Tirol Peter Anich Einleitung In Max Edlinger Hrsg Atlas Tyrolensis Tyrolia 1981 ISBN 3 7022 1434 8 S 12 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche das benachbarte Fursterzbistum Salzburg besass in der mittleren Neuzeit kein bedeutendes Heer mehr dieses war aber ebenfalls auf ortlichem Schutzenwesen aufgebaut An einer prazisen Vermessung ihres Landes waren die Fursterzbischofe nicht interessiert weil die enormen Bodenschatze des Innergebirgs der Geheimhaltung unterliegen sollten Dasselbe gilt fur das kaiserliche Salzkammergut die Alpenvereinskarte gilt bis heute als Refenzmaterial der osterreichischen Vermessung und OrtsnamenskundeLiteratur BearbeitenHans Kinzl Hrsg Peter Anich 1723 1766 der erste Bauernkartograph von Tirol Beitrage zur Kenntnis seines Lebenswerkes Tiroler Wirtschaftsstudien Band 32 Verlag Wagner Innsbruck 1976 Die Tirol Karte oder der Atlas Tyrolensis des Peter Anich und des Blasius Hueber aus dem Jahre 1774 PDF 541 kB Tiroler Landesarchiv 2006 Hanspeter Fischer Vermessungen und Kartierungen in Tirol und in Vorderosterreich 1760 bis 1793 In Cartographica Helvetica Heft 19 1999 S 37 45 doi 10 5169 seals 10771 Einzelnachweise Bearbeiten Eintrag zu Burgklechner Matthias der Jungere im Austria Forum im AEIOU Osterreich Lexikon nach Kartographie In Richard Bamberger Franz Maier Bruck Hrsg Osterreich Lexikon Band 1 A K Osterreichischer Bundesverlag fur Unterricht Wissenschaft und Kunst Verlag Jugend und Volk Wien Munchen 1966 S 586 Sp 2 Webrepro eBook austria lexikon at Neuere Version des Artikels siehe Eintrag zu Kartographie im Austria Forum im AEIOU Osterreich Lexikon vergl auch Rudolf Henz Peter Anich der Sternsucher Amandus Verlag Wien 1946 Karl Paulin Peter Anichs Schicksalsstunden Bilder aus dem Leben des grossen Bauernkartographen Deutsche Gesellschaft fur Kartographie Hrsg Kartographische Nachrichten Band 51 Velhagen amp Klasing 2001 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Franz Wawrik Osterreichische Nationalbibliothek Elisabeth Zeilinger Osterreich auf alten Karten und Ansichten Akademische Druck u Verlagsanstalt 1989 ISBN 3 201 01476 1 S 324 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Deutsche Gesellschaft fur Kartographie Hrsg Geographische Rundschau Band 33 G Westermann 2001 S 75 Sp 4 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Friedrich Ratzel Vischer Georg Matthaus In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 40 Duncker amp Humblot Leipzig 1896 S 65 Hans Kinzl Kirchebner Anton In Neue Deutsche Biographie NDB Band 11 Duncker amp Humblot Berlin 1977 ISBN 3 428 00192 3 S 637 f Digitalisat vergl zum Thema Werner Batzing Die Alpen Geschichte und Zukunft einer europaischen Kulturlandschaft 1 TB Ausgabe C H Beck Munchen 1984 3 Auflage 2003 ISBN 3 406 50185 0 vergl J Rohrer Bundesamt fur Eich und Vermessungswesen Hrsg 150 Jahre Staatliches Vermessungswesen in Osterreich 1959 zur Ausstellung 3 10 Juni 1956 im Technischen Museum Wien Bundesamt fur Eich und Vermessungswesen Hrsg Militarkarten Osterreichische Militarkartographie 1648 1987 und Sonderausstellung 30 Jahre Bildflugzeuge im BEV Ausstellungskatalog Bundesministerium f Landesverteidigung Wien 1987 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bauernkartograf amp oldid 227641028