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Das Akayesu Urteil Fallbezeichnung Prosecutor v Akayesu ist eine Grundsatzentscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs fur Ruanda vom 2 September 1998 durch die der vor dem Gericht angeklagte Jean Paul Akayesu des Volkermordes und des offentlichen Aufrufs zum Volkermord sowie verschiedener Verbrechen gegen die Menschlichkeit wahrend des Volkermordes in Ruanda schuldig gesprochen wurde Es war das erste Urteil des seit November 1994 bestehenden Gerichtshofs der in seiner Urteilsbegrundung die gegen die Bevolkerungsgruppe der Tutsi gerichteten Gewalthandlungen in Ruanda im Jahr 1994 als Volkermord bewertete und damit die Grundlage fur eine Reihe weiterer Urteile legte Das Emblem des Internationalen Strafgerichtshofs fur RuandaDer Schuldspruch gegen Jean Paul Akayesu gilt als richtungsweisend in der Geschichte des Volkerstrafrechts da mit dieser Entscheidung zum ersten Mal eine Verurteilung auf der Basis der 1948 beschlossenen Konvention uber die Verhutung und Bestrafung des Volkermordes erfolgte Daruber hinaus wurden mit dem Urteil erstmals Vergewaltigung und sexuelle Gewalt nicht nur als Verbrechen gegen die Menschlichkeit sondern unter bestimmten Bedingungen auch als Volkermordhandlungen definiert Inhaltsverzeichnis 1 Fall und Entscheidung 2 Rechtshistorische Bedeutung 3 Literatur 4 WeblinksFall und Entscheidung BearbeitenDer 1953 in der ruandischen Gemeinde Taba geborene Jean Paul Akayesu war ab April 1993 als bourgmestre dieser Gemeinde tatig eine mit dem Amt eines Burgermeisters vergleichbare Position Daruber hinaus gehorte er ab 1991 der Partei Mouvement Democratique Republicain MDR Demokratisch Republikanische Bewegung an und leitete deren lokale Sektion Wahrend des Volkermordes in Ruanda kam es in der von Akayesu geleiteten Gemeinde wie im Rest des Landes ab April 1994 zu zahlreichen Morden und Gewaltakten an Angehorigen der Bevolkerungsgruppe der Tutsi bei denen in der Gemeinde Taba etwa 2 000 Menschen getotet wurden Hinsichtlich dieser Verbrechen wurde Jean Paul Akayesu in der Anklageschrift des Internationalen Strafgerichtshofs fur Ruanda sowohl eine direkte als auch eine indirekte Beteiligung vorgeworfen so unter anderem die Anordnung und Ausfuhrung von Morden sowie die Forderung von Morden und Gewalthandlungen durch seine Anwesenheit seine Einstellung und seine Ausserungen Jean Paul Akayesu fluchtete nach dem Ende des Volkermordes aus Ruanda Er wurde am 10 Oktober 1995 in Lusaka der Hauptstadt Sambias festgenommen und am 15 Mai 1996 in die Haftanstalt der Vereinten Nationen in Arusha uberstellt Die Hauptverhandlung gegen ihn begann am 9 Januar 1997 die ursprunglich zwolf Punkte umfassende Anklageschrift wurde aufgrund von Zeugenaussagen wahrend des Prozesses am 17 Juni 1997 um drei Vorwurfe erweitert die sich alle auf sexuelle Gewalthandlungen bezogen Am 2 Oktober 1998 sprach ihn das Gericht in neun der 15 Anklagepunkte schuldig unter anderem des Volkermordes und des offentlichen Aufrufs zum Volkermord sowie verschiedener Verbrechen gegen die Menschlichkeit einschliesslich Mord Vergewaltigung Folter und anderer unmenschlicher Handlungen Die Verurteilung erfolgte sowohl als direkt Beteiligter als auch in seiner Rolle als verantwortlicher Vorgesetzter Als Strafmass wurde einen Monat nach dem Schuldspruch lebenslange Haft fur jeden der neun Anklagepunkte festgelegt in denen er verurteilt worden war Seit der Ablehnung seiner Berufung am 1 Juni 2001 ist das Urteil rechtskraftig Akayesu verbusst seit dem 9 Dezember 2001 seine Strafe im Zentralgefangnis von Bamako der Hauptstadt des westafrikanischen Landes Mali Rechtshistorische Bedeutung BearbeitenEine uber die individuelle Bestrafung von Jean Paul Akayesu hinausgehende richtungsweisende Bedeutung fur die Entwicklung des humanitaren Volkerrechts erlangte das Akayesu Urteil da mit dieser Entscheidung zum ersten Mal eine Interpretation und Anwendung der 1948 beschlossenen Konvention uber die Verhutung und Bestrafung des Volkermordes sowie eine Verurteilung wegen Volkermordes durch ein internationales Gericht erfolgte Der Internationale Strafgerichtshof fur Ruanda bewertete diesbezuglich in einem langeren Abschnitt seiner ausfuhrlichen Urteilsbegrundung auch erstmals die Beweislage hinsichtlich der Frage ob die in Ruanda von April bis Juli 1994 gegen die Bevolkerungsgruppe der Tutsi gerichteten Gewalthandlungen den Tatbestand des Volkermordes erfullten Es stellte fest dass dies tatsachlich der Fall war dass dieser Volkermord akribisch geplant worden sei und dass er nicht Teil des zur damaligen Zeit bestehenden militarischen Konflikts zwischen der Ruandischen Armee und der Ruandischen Patriotischen Front RPF gewesen war sondern neben diesem Konflikt stattfand Das Gericht legte mit dieser Tatsachenfeststellung und bewertung die Grundlage fur eine Reihe von weiteren Urteilen Daruber hinaus wurden erstmals in der Rechtsgeschichte Vergewaltigung und sexuelle Gewalt als Volkermordhandlungen acts of genocide definiert wenn sie mit der Absicht erfolgen eine bestimmte Bevolkerungsgruppe ganz oder teilweise zu zerstoren Das Gericht beurteilte die in der Gemeinde Taba begangenen Vergewaltigungen daruber hinaus auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit wahrend es Akayesu im Zusammenhang mit den Vergewaltigungen vom Vorwurf der Kriegsverbrechen freisprach da es seine Mitgliedschaft in einer militarischen Einheit als nicht ausreichend bewiesen bewertete Die Verbindung zwischen sexueller Gewalt und Volkermord sah das Gericht zum einen durch Vergewaltigungen als Vorbereitung von Totungshandlungen und zum anderen in der Herbeifuhrung schwerer korperlicher und seelischer Schaden Es stellte fest dass sexuelle Gewalt eine Zerstorung der Seele des Lebenswillens und des Lebens selbst destruction of the spirit of the will to live and of life itself darstellen wurde Da diese Handlungen wahrend des Volkermords in Ruanda systematisch gegen alle Tutsi Frauen und nur gegen diese gerichtet gewesen seien bewertete das Gericht sie entsprechend der Volkermorddefinition der Konvention von 1948 als Zufugen von schweren korperlichen oder seelischen Schaden bei Angehorigen der Bevolkerungsgruppe der Tutsi und somit als Volkermordhandlungen Das Urteil trug damit auch dazu bei die Einordnung des Tatbestands der Vergewaltigung in den Kontext des Volkerstrafrechts zu prazisieren An dem Urteilsspruch wirkte die sudafrikanische Richterin Navanethem Pillay wesentlich mit Der Antrag auf einen Haftbefehl gegen den Prasidenten des Sudan Umar al Baschir den der Chefanklager des Internationalen Strafgerichtshofs Luis Moreno Ocampo am 14 Juli 2008 stellte beruht teilweise auf dem mit Hilfe des Akayesu Urteils begrundeten Vorwurf von Vergewaltigungen als Volkermordhandlungen Mit diesem Antrag werden Umar Hasan Ahmad al Baschir unter anderem Volkermord Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Rahmen des Darfur Konflikts vorgeworfen Literatur BearbeitenProsecutor v Akayesu Commentary In Andre Klip Goran Sluiter Annotated Leading Cases of International Criminal Tribunals Band 2 The International Criminal Tribunal for Rwanda 1994 1999 Intersentia Antwerpen 2001 ISBN 9 05 095135 X S 539 554 ICTR Case Law on Genocide In Larissa J van den Herik The Contribution of the Rwanda Tribunal to the Development of International Law Martinus Nijhoff Publishers Leiden 2005 ISBN 9 00 414580 X S 87 151 Sven U Burkhardt Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit Lit Munster 2005 ISBN 3 8258 7162 2 S 43 58 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Zugleich Univ Diss Bremen 2000 Weblinks BearbeitenICTR Akayesu Jean Paul ICTR 96 4 Fallunterlagen des ICTR englisch Trial Watch Jean Paul Akayesu Fallinformationen in der Datenbank TRIAL Watch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Akayesu Urteil amp oldid 236961841