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Die affine Geometrie ist eine Verallgemeinerung der euklidischen Geometrie in der zwar das euklidische Parallelenaxiom gilt aber Abstand und Winkel keine Bedeutung haben Der Begriff affine Geometrie wird fur das mathematische Teilgebiet und fur die dadurch beschriebenen Raume aus Punkten und Geraden und daraus abgeleitet Ebenen etc verwendet Eine affine Geometrie als Raum wird auch als affiner Raum bezeichnet Dabei ist zu beachten dass jeder affine Raum wie ihn die Lineare Algebra charakterisiert auch den Anforderungen einer affinen Geometrie genugt aber nicht umgekehrt Die affine Geometrie verallgemeinert den bekannteren Begriff aus der Linearen Algebra In diesem Artikel wird der allgemeinere Begriff mit dem sich die synthetische Geometrie befasst daher durchgehend als affine Geometrie bezeichnet Im Sinne des Erlanger Programms von Felix Klein kann die affine Geometrie auch als Inbegriff der unter bijektiven affinen Abbildungen invarianten geometrischen Eigenschaften eingefuhrt werden Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Schreib und Sprechweisen Grundeigenschaften 2 1 Inzidenz mengentheoretisch 2 2 Ebenen 3 Beispiele 4 Desarguessche und nichtdesarguessche Geometrien 5 Einbettungsproblem und Koordinatenbereiche 6 Literatur 7 Einzelnachweise und AnmerkungenDefinition BearbeitenVon einer affinen Geometrie spricht man wenn eine Menge von Punkten P displaystyle mathfrak P nbsp eine Menge von Geraden G displaystyle mathfrak G nbsp eine Inzidenzrelation I displaystyle mathrm I nbsp zwischen P displaystyle mathfrak P nbsp und G displaystyle mathfrak G nbsp sowie eine Parallelitatsrelation displaystyle nbsp auf G displaystyle mathfrak G nbsp gegeben ist und folgende Axiome erfullt werden 1 Durch zwei verschiedene Punkte A B displaystyle A B nbsp geht genau eine Gerade g displaystyle g nbsp d h A I g displaystyle AIg nbsp und B I g displaystyle BIg nbsp die Verbindungsgerade g A B displaystyle g AB nbsp auch g A B displaystyle g A lor B nbsp geschrieben Auf jeder Gerade liegen mindestens zwei Punkte Die Parallelitatsrelation displaystyle parallel nbsp ist eine Aquivalenzrelation Durch jeden Punkt geht genau eine Gerade die zu einer gegebenen Gerade parallel ist Wenn ein Dreieck drei nicht auf einer Gerade liegende Punkte A B C displaystyle ABC nbsp gegeben ist und zwei Punkte A displaystyle A nbsp und B displaystyle B nbsp derart dass die Gerade A B displaystyle AB nbsp parallel zu der Geraden A B displaystyle A B nbsp liegt so gibt es einen Punkt C displaystyle C nbsp so dass auch A C displaystyle AC nbsp parallel zu A C displaystyle A C nbsp und B C displaystyle BC nbsp parallel zu B C displaystyle B C nbsp liegen Schreib und Sprechweisen Grundeigenschaften BearbeitenPunkte werden mit grossen lateinischen Buchstaben bezeichnet A B C P displaystyle A B C in mathfrak P nbsp Geraden werden mit kleinen lateinischen Buchstaben bezeichnet a b c G displaystyle a b c in mathfrak G nbsp Gilt fur A P displaystyle A in mathfrak P nbsp und g G A I g displaystyle g in mathfrak G A mathrm I g nbsp so sagt man A inzidiert mit g oder A liegt auf g oder g geht durch A Gilt fur g h G g h displaystyle g h in mathfrak G g h nbsp so sagt man g und h sind parallel Die zu einem Paar A g P G displaystyle A g in mathfrak P times mathfrak G nbsp nach dem vierten Axiom eindeutig gegebene Parallele zu g displaystyle g nbsp durch A displaystyle A nbsp wird gelegentlich als A g displaystyle A parallel g nbsp notiert Inzidenz mengentheoretisch Bearbeiten Die Menge der Punkte die mit einer bestimmten Gerade g G displaystyle g in mathfrak G nbsp inzidieren heisst Tragermenge der Geraden diese Menge wird haufig als g displaystyle g circ nbsp notiert Formalisiert g A P A I g displaystyle g circ A in mathfrak P AIg nbsp Aus den ersten beiden Axiomen folgt dass zwei Geraden genau dann ubereinstimmen wenn sie mit denselben Punkten inzidieren das heisst wenn ihre Tragermengen gleich sind Aus diesem Grund wird in der neueren Literatur oft gleich davon ausgegangen dass jede Gerade die Menge der mit ihr inzidierenden Punkte ist 2 also g g displaystyle g g circ nbsp Dann gilt A I g displaystyle AIg nbsp genau dann wenn A g displaystyle A in g nbsp gilt und die Inzidenzrelation kann vollstandig durch die mengentheoretische Enthalten Relation ersetzt werden Ebenen Bearbeiten Aus dem dritten Axiom folgt dass jede Gerade zu sich selbst parallel ist aus dem vierten folgt dann dass Geraden die parallel sind und einen Punkt gemeinsam haben identisch sind Mit anderen Worten Sind zwei Geraden verschieden und parallel dann sind sie disjunkt Disjunkte Geraden mussen im Allgemeinen nicht parallel sein Das funfte Axiom kann man mit Hilfe des vierten gleichwertig auch so formulieren Wenn ein Dreieck A B C displaystyle ABC nbsp gegeben ist und zwei Punkte A displaystyle A nbsp und B displaystyle B nbsp derart dass die Gerade A B displaystyle AB nbsp parallel zu der Geraden A B displaystyle A B nbsp liegt dann schneiden sich A A C displaystyle A parallel AC nbsp und B B C displaystyle B parallel BC nbsp dd Insbesondere ist der Punkt C displaystyle C nbsp aus dem funften Axiom eindeutig bestimmt Wenn es nun ein Dreieck gibt also drei Punkte die nicht auf der gleichen Geraden liegen dann kann man mit dem funften Axiom einen sinnvollen Begriff einer Ebene e A B C displaystyle varepsilon ABC nbsp definieren die durch das Dreieck A B C displaystyle ABC nbsp bestimmt ist Eine mogliche Definition lautet so Ein Punkt D displaystyle D nbsp liegt genau dann in e A B C displaystyle varepsilon ABC nbsp wenn D B C displaystyle D parallel BC nbsp die Geraden A B displaystyle AB nbsp und A C displaystyle AC nbsp schneidet Aus dem funften Axiom kann man nun mit einigem technischen Aufwand und mehreren Fallunterscheidungen nachweisen dass fur Geraden die in e A B C displaystyle varepsilon ABC nbsp liegen gilt Sind zwei Geraden der Ebene disjunkt dann sind sie parallel Damit erfullen diese Ebenen alle Axiome einer affinen Ebene Zusammenfassend gilt Eine affine Geometrie die zusatzlich das Reichhaltigkeitsaxiom Es gibt drei verschiedene Punkte aus P displaystyle mathfrak P nbsp ein Dreieck die nicht alle auf einer Geraden aus G displaystyle mathfrak G nbsp liegen dd erfullt enthalt eine Ebene e displaystyle varepsilon nbsp so dass die Punkte auf dieser Ebene als Punktmenge P e P e displaystyle mathfrak P varepsilon mathfrak P cap varepsilon nbsp mit ihren Verbindungsgeraden G e A B A B P e P e A B displaystyle mathfrak G varepsilon AB A B in mathfrak P varepsilon times mathfrak P varepsilon land A neq B nbsp als Geradenmenge mit der eingeschrankten Parallelitat g e h g h g h G e displaystyle g parallel varepsilon h Leftrightarrow g parallel h land g h in mathfrak G varepsilon nbsp die Axiome einer affinen Ebene erfullen Genau dann wenn ausserdem P e P displaystyle mathfrak P varepsilon mathfrak P nbsp gilt wenn es also keine vier Punkte gibt die nicht auf einer gemeinsamen Ebene liegen ist die affine Geometrie eine affine Ebene Beispiele BearbeitenDurch Vektorraume uber einem Korper erzeugte affine Raume Der euklidische Anschauungsraum kann durch einen dreidimensionalen Vektorraum uber R displaystyle mathbb R nbsp erzeugt werden Die euklidische Ebene kann durch einen zweidimensionalen Vektorraum uber R displaystyle mathbb R nbsp erzeugt werden Triviale Beispiele sind Kein Punkt keine Geraden 1 displaystyle 1 nbsp dimensionale affine Geometrie ein einzelner Punkt und keine Geraden nulldimensionale affine Geometrie eine Gerade auf der alle Punkte liegen eindimensionale affine Geometrie Eine hochstens nulldimensionale Geometrie kann als Vektorraum uber jedem beliebigen Korper angesehen werden ist also auch ein affiner Raum der gleichen Dimension Aus jeder Menge M die wenigstens zwei Elemente enthalt kann man eine eindimensionale affine Geometrie machen P M G M M M displaystyle mathfrak P M mathfrak G M parallel M M nbsp Als eine affine Gerade uber einem Korper kann diese genau dann angesehen werden wenn der Korper sich bijektiv auf M displaystyle M nbsp abbilden lasst dd Die kleinste affine Geometrie die eine Ebene enthalt ist die affine Ebene die durch den zweidimensionalen Vektorraum uber dem endlichen Korper F 2 displaystyle mathbf F 2 nbsp erzeugt werden kann Sie besteht aus den Punkten P A B C D displaystyle mathfrak P A B C D nbsp und den Geraden G A B A C A D B C B D C D displaystyle mathfrak G AB AC AD BC BD CD nbsp die Verbindungsgeraden bestehen hier genau aus den beiden angegebenen Punkten Ferner gilt A B C D A C B D A D B C displaystyle AB parallel CD AC parallel BD AD parallel BC nbsp Siehe dazu auch die Abbildungen in Affine Ebene dd Desarguessche und nichtdesarguessche Geometrien BearbeitenAlle durch Vektorraume uber einem Korper und sogar alle auf die gleiche Weise durch Linksvektorraume uber einem Schiefkorper erzeugten affinen Geometrien erfullen den grossen affinen Satz von Desargues sie sind affine Raume im Sinne der linearen Algebra Fur mindestens dreidimensionale affine Geometrien gilt auch die Umkehrung Sie lassen sich immer durch Linksvektorraume uber einem Schiefkorper beschreiben Es gibt aber auch ebene affine nichtdesarguessche Geometrien siehe Affine Ebene die den desarguesschen Satz nicht erfullen Sie konnen mithin nicht durch einen Vektorraum erzeugt werden Stattdessen kann man ihnen als Koordinatenbereich stets einen Ternarkorper zuordnen Einbettungsproblem und Koordinatenbereiche BearbeitenEin affiner Raum A displaystyle A nbsp im Sinne der linearen Algebra ist immer zusammen mit seinem Koordinatenbereich einem Schief Korper K displaystyle K nbsp und einem K displaystyle K nbsp Links Vektorraum V displaystyle V nbsp definiert mit der Ausnahme des leeren affinen Raumes der aber doch als Teilraum eines bestimmten Raumes zu einem Schiefkorper angesehen wird In der linearen Algebra beschrankt man sich in der Regel auf Vektorraume uber kommutativen Korpern aber die wesentlichen geometrischen Tatsachen ausser dem Satz von Pappus gelten auch allgemeiner fur Linksvektorraume uber Schiefkorpern Dadurch gilt fur affine Raume 1 Der Raum hat eine bestimmte Dimension n d i m A displaystyle n mathrm dim A nbsp das ist die Dimension des Vektorraumes Zusatzdefinition Die leere Menge hat die Dimension 1 displaystyle 1 nbsp Durch die algebraische Struktur des Vektorraums ist bei jeder Dimension klar was die strukturerhaltenden Selbstabbildungen sind Sie lassen sich als Affinitaten im Wesentlichen durch die strukturerhaltenden Abbildungen der Vektorraume beschreiben Berucksichtigt man allein die Inzidenzstruktur und nicht die Vektorraumstruktur dann kommt man zur grosseren Gruppe der ebenentreuen 3 Kollineationen die aber fur mindestens zweidimensionale affine Raume auch durch Affinitaten und Korperautomorphismen darstellbar ist Zu jeder kleineren Dimension m displaystyle m nbsp als n 1 lt m lt n displaystyle n 1 lt m lt n nbsp gibt es affine Teilraume B A displaystyle B subset A nbsp denen sich ein m displaystyle m nbsp dimensionaler K displaystyle K nbsp Unterraum zuordnen lasst Zu jeder grosseren Dimension M gt n displaystyle M gt n nbsp lasst sich A displaystyle A nbsp als Teilraum eines affinen Raumes der Dimension M displaystyle M nbsp auffassen dem ein M displaystyle M nbsp dimensionaler K displaystyle K nbsp Vektorraum zugeordnet ist Einbettung Fur affine Geometrien gilt nun 4 Wenn die Geometrie eine Ebene enthalt aber nicht mit ihr zusammenfallt dann ist sie desarguesch und durch ihre Inzidenzstruktur und ihre Parallelitat ist ein eindeutiger Schiefkorper K displaystyle K nbsp und eine eindeutige Dimension mindestens 3 uber K displaystyle K nbsp fur den Koordinatenvektorraum gegeben Wenn die Geometrie eine Ebene ist die den Satz von Desargues erfullt gilt das Gleiche mit der Dimension 2 4 Genau in diesen Fallen werden die Begriffe affine Geometrie und affiner Raum gleichbedeutend Man ubernimmt in den Punkten 1 bis 4 einfach die Begriffe der linearen Algebra Eine nichtdesarguesche Ebene bestimmt ebenfalls eine eindeutige Koordinatenstruktur einen Ternarkorper der allerdings im Allgemeinen viel schwachere Eigenschaften als ein Schiefkorper hat Die Dimension der Geometrie ist vereinbarungsgemass 2 denn die Geometrie hat mehr als eine Gerade daher mehr als eindimensional und disjunkte Geraden sind immer parallel daher weniger als dreidimensional Die strukturerhaltenden Abbildungen sind geradentreue und damit im ebenen Fall trivialerweise auch parallelentreue bijektive Selbstabbildungen der Ebene die affinen Kollineationen Jede Gerade der Ebene ist ein Teilraum und naturlich eine eindimensionale affine Geometrie die einpunktigen Teilmengen sind 0 dimensionale Teilraume Eine Einbettung in eine Geometrie mit hoherer Dimension ist unmoglich 5 Fur null und eindimensionale Geometrien die nicht als Teilraume von mindestens zweidimensionalen Geometrien auftreten ist offenbar eine Strukturuntersuchung uninteressant Durch ihre Inzidenzstruktur ist uber die reine Punktmenge hinaus nichts gegeben Eine Verallgemeinerung des Begriffes affine Geometrie ist der Begriff schwach affiner Raum Jede affine Geometrie ist auch ein schwach affiner Raum Einige nichtdesarguessche affine Ebenen sind echte Teilraume von schwach affinen Raumen obwohl solche Ebenen niemals in umfassendere affine Geometrien eingebettet werden konnen Literatur BearbeitenGunter Ewald Geometrie Eine Einfuhrung fur Studenten und Lehrer Moderne Mathematik in elementarer Darstellung 14 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1974 ISBN 3 525 40536 7 Inhaltsverzeichnis DNB 750005521 04 Online abgerufen am 25 Dezember 2011 amerikanisches Englisch Geometry an introduction Ubersetzt von Anneliese Oberschelp Rudolf Fritzsch Synthetische Einbettung Desarguesscher Ebenen in Raume Mathematisch Physikalische Semesterberichte Nr 21 1974 S 237 249 Online PDF 953 kB abgerufen am 30 Juli 2021 Jeremy Gray Worlds out of nothing a course of the history of geometry of the 19 Century 1 Auflage Springer Berlin Heidelberg New York 2007 ISBN 978 0 85729 059 5 Gunter Pickert Projektive Ebenen Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen mit besonderer Berucksichtigung der Anwendungsgebiete Band 80 2 Auflage Springer Berlin Heidelberg New York 1975 ISBN 3 540 07280 2 Daniel Richard Hughes Fred C Piper Projective planes Springer Berlin Heidelberg New York 1973 ISBN 0 387 90044 6 Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten a b Ewald 1974 Gray 2007 Man kann zeigen dass fur einen Raum mit mehr als 2 Punkten auf jeder Geraden jede geradentreue bijektive Selbstabbildung also jede Kollineation zugleich ebenentreu ist Fur Raume mit genau zwei Punkten auf jeder Geraden muss die Ebenentreue zusatzlich gefordert werden Dieser Sonderfall ist im Artikel Kollineation ausfuhrlich dargestellt a b Pickert 1975 Fritzsch 1974 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Affine Geometrie amp oldid 214354163