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Adolphe Francois Appia 1 September 1862 in Genf 29 Februar 1928 in Nyon war ein Schweizer Buhnenbildner und Theoretiker Er ist ein Sohn von Louis Appia einem Mitbegrunder des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz Adolphe Appia um 1882 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Erste Begegnung mit dem Theater 1 2 Begegnung mit den Werken Richard Wagners 1 3 Erste Schriften und Skizzen 1 4 Erste Inszenierung 1 5 Begegnung mit Dalcroze 1 6 Weiteres Wirken 2 Zitate 3 Schriften 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenErste Begegnung mit dem Theater Bearbeiten Adolphe Appia war bereits fruh vom Theater fasziniert konnte jedoch aufgrund seines streng calvinistischen Elternhauses welches zum Theater eine sehr ablehnende Haltung hatte erst im Alter von 16 Jahren eine Auffuhrung besuchen Es handelte sich hierbei um eine Inszenierung von Charles Gounods Faust die er im Rahmen seines Musikstudiums von seinen Eltern nur widerwillig erlaubt 1 im grossen Theater von Genf das als das schonste seiner Zeit galt besuchen durfte Aber im Gegensatz zum jungen Ludwig von Bayern war bei ihm die Ernuchterung grenzenlos Appia war von der Auffuhrung enttauscht vor allem die Fadenscheinigkeit des damals ublichen perspektivischen illusionistischen Buhnenbildes storte ihn 2 Dieses suggerierte eine Dreidimensionalitat die gebrochen wurde sobald ein Schauspieler die Buhne betrat Der Schauspieler bespielt schliesslich einen wirklichen dreidimensionalen Raum wodurch aufgrund perspektivischer Verschiebungen eine Diskrepanz zwischen Schauspieler und Buhnenbild entsteht Begegnung mit den Werken Richard Wagners Bearbeiten Appia studierte in Genf Paris Leipzig und Dresden Musik und war im Besonderen von den Werken Richard Wagners angetan der mit seinen spateren Opern eine neue Kunstform das Musikdrama schuf Ausserdem erneuerte Wagner mit seinem Festspielhaus in Bayreuth auch den Theaterbau Die erste Wagner Auffuhrung die Appia noch zu Wagners Lebzeiten sah war eine Inszenierung von Parsifal in Bayreuth 1882 Ein Biograph beschrieb dieses Erlebnis folgendermassen Er ist hingerissen von der dramatischen Musik er sieht im Wagnerschen Musikdrama das Schauspiel der Zukunft er bewundert das versteckte Orchester den amphitheatralischen Zuschauerraum und dessen Verdunkelung wahrend der Auffuhrung Die Buhne erscheint ihm jedoch als ein riesiges Schlusselloch durch das man in indiskreter Weise Geheimnisse erfahrt die nicht fur einen bestimmt sind die Bayreuther Dekorationen Kostume und Lichteffekte sind trotz des grosseren Luxus genauso konventionell wie die Genfer 3 Es handelt sich also abermals um eine Umsetzung die durch das perspektivische Buhnenbild beherrscht wurde Appia empfand deswegen eine krasse Diskrepanz zwischen dem ausserordentlichen Werk Wagners und der recht konventionellen Inszenierung Er beschaftigte sich von nun an intensiv mit der Umsetzung der Werke Wagners Diese Beschaftigung wurde vor allem durch die Freundschaft mit Houston Stewart Chamberlain einem uberzeugten Wagnerianer gefordert der ihm durch seine Kontakte Zugang hinter die Kulissen des Theaters verschaffte 4 1889 bis 1890 war Appia in Dresden Lehrling bei Hugo Bahr dem Vater des Lichts der fur seine Beleuchtungsexperimente im deutschen Theater bekannt war und dessen Innovationen auch in Bayreuth zum Einsatz kamen 5 Erste Schriften und Skizzen Bearbeiten nbsp Buhnenbild Appias von 1892 fur Die Walkure nbsp II Akt von Ibsens Klein Eyolf1891 1892 fertigte Appia Regiebucher und Skizzen zu Wagners Ring des Nibelungen den Meistersingern und zu Tristan und Isolde an Von diesen Skizzen ausgehend begann er schliesslich auch Theorien zur Buhnenpraxis zu formulieren 1895 verfasste er seine erste Reformschrift La mise en scene du drame wagnerien der 1899 sein Hauptwerk Die Musik und die Inscenierung folgte in welchem er das Zusammenspiel der Bewegung des Schauspielers des Raumes und des Lichts forderte Der Buhnenraum sollte ebenso dreidimensional erscheinen und wahrnehmbar sein wie der Korper des Schauspielers selbst Appia behauptete dass das perspektivische Buhnenbild die Theaterpraxis beherrsche Der Schauspieler musse seine Bewegungen immer dem Buhnenbild unterordnen um die davon erzeugte Illusion aufrechtzuerhalten und werde dadurch im Wesentlichen eingeengt Die Losung fur dieses Problem war fur Appia die Festlegung einer strengen Hierarchie Komponist Musik Darsteller Buhnenbild 6 Appia behauptet im Werk des Komponisten Dramatikers er bezog sich hierbei vor allem auf Wagners Werke sei schon jegliches Element der Inszenierung erhalten Dessen Musik diktiere den Rhythmus der Inszenierung wahrend zur gleichen Zeit das Libretto die vom Darsteller geforderten Handlungen 7 diktiere Die Handlungen die der Musik untergeordnet sind finden in einem bestimmten Raum statt wie auch in einer bestimmten Zeit und dieser Raum wiederum stellt dem Schauspieler das Terrain und die Gegenstande zur Verfugung die er fur seine Bewegungen und seine Gesten braucht Auf diese Weise wird sagt Appia die Musik die bereits die Zeit der Auffuhrung kontrolliert auch den Raum kontrollieren durch die Vermittlung des Schauspielers wird sie gleichsam in den Raum transportiert und nimmt korperliche Gestalt an 7 So unterwirft sich der Raum nicht mehr dem Buhnenbild sondern der Absicht des Komponisten bzw Dramatikers selbst indem er durch die vom Libretto geforderten Handlungen vom Schauspieler erschlossen wird In dieser Hierarchie richtet sich also das Buhnenbild nach der Inszenierung und nicht die Inszenierung nach dem Buhnenbild Das Buhnenbild selber sollte aus plastischen Gegenstanden bestehen die dann auch bespielt werden konnen 8 Appia forderte jedoch keine naturalistischen Buhnenbilder Der Ort im Theater sollte keine Abbildung eines echten Ortes sondern die mit einfachsten Mitteln erzeugte Andeutung eines kunstlerisch angemessenen Ortes 7 Appia machte ausserdem einige Uberlegungen zum Buhnenlicht Er unterschied zwischen Diffusem bzw verteiltem Licht Dieses stellt eine Grundierung da und ist neutral Seine Funktion ist es den Buhnenraum zu erhellen Gestaltendem bzw schopferischen Licht Dieses besteht aus unterschiedlichen auch mobilen Strahlen und hat die Fahigkeit Gegenstande auf der Buhne erscheinen und wieder verschwinden zu lassen In der Theaterpraxis zu Appias Zeit war die Buhne vom Rampenlicht derartig erleuchtet dass das Licht nicht mehr gestalterisch wirkte da schliesslich keine Schatten entstehen konnten Die einzig vorhandenen Schatten waren stattdessen die gemalten des Buhnenbildes Appia ging mit seinen auf derartige Uberlegungen beruhenden Entwurfen nach Bayreuth Sein Freund Chamberlain konnte ein Gesprach mit Cosima Wagner organisieren die Appias Ideen jedoch ablehnte 9 Erste Inszenierung Bearbeiten Im Zuge seiner Bekanntschaft mit der Grafin Renee de Bearn hatte Appia 1903 die Moglichkeit erstmals seine Theorien in die Praxis umzusetzen In Paris im Privattheater der Grafin verwirklichte er Teile von Robert Schumanns Manfred und Georges Bizets Carmen 10 Die Inszenierungen in denen Appia vor allem mit einem Raum aus ausschliesslich dreidimensionalen Gegenstanden und gestaltendem Licht arbeitete erweckte grosses Interesse und war ein voller Erfolg 11 Dennoch kam es auf Grund einer Rivalitat mit dem ebenfalls im Umfeld der Grafin wirkenden spanischen Maler und Beleuchtungsexperten Mariano Fortuny zu keinen weiteren Auffuhrungen 12 Abermals wurde Appia der Zugang zur praktischen Arbeit mit Theater verwehrt Begegnung mit Dalcroze Bearbeiten 1906 begegnete Appia Emile Jaques Dalcroze Appia war von dessen System rhythmischer Ubungen beeindruckt und sah in seiner Rhythmischen Gymnastik grosses Potential fur das Theater Appia spurte dass die Rhythmische Gymnastik ihm die Losung bieten konnte fur ein Problem mit dem er sich fruher befasst hatte wie das Zeitliche systematisch in Korperlichkeit umgewandelt werden kann die musikalische Zeit und die auf ihr beruhende Korperbewegung in den dreidimensionalen Raum ubertragen werden konnen 13 Appia erlernte selbst noch die Rhythmische Gymnastik und konnte Dalcroze uberreden den flachen Bereich in denen die Ubungen stattfanden durch Treppen und Plattformen zu erweitern 7 Appia entwarf schliesslich der Methode der Rhythmischen Erziehung kontrapunktische Architekturen die Espaces rythmiques Rhythmische Raume 14 welche mit ihren scharfen Linien und ihrer Starre ein Gegensatz zu den Feinheiten der Schauspielerkorper bildete 15 Dalcroze verstand unter Rhythmischer Gymnastik im Gegensatz zu Appia jedoch keine Technik oder Schauspiel 16 und konnte erst nach und nach von Appia von der kunstlerischen Relevanz seiner Ubungen uberzeugt werden 1910 erhielt Dalcroze die Moglichkeit in der neugegrundeten Gartenstadt Hellerau eine Schule fur Rhythmische Gymnastik zu grunden Appia wurde hierbei von ihm als bildkunstlerischer Berater herangezogen und konnte somit schon die Planung des Festspielhauses beeinflussen Ausserdem uberredete er Dalcroze anstelle der ublichen Guckkasten Buhne einen Raum zu schaffen in dem Zuschauerbereich und Spielflache ineinander ubergehen und nur fallweise durch einen absenkbaren Orchestergraben zu trennen sind 17 Das Aufheben der Trennung zwischen Spielflache und Zuschauerraum war fur Appia auch eine gesellschaftliche Geste Sie brachte den Zuseher in eine neue Position in der er nicht mehr passiver Konsument war sondern sich aktiv am Stuck beteiligte Theater war nicht langer eine Illusion die man sich ansah sondern ein reales Ereignis das man erlebte 18 Weiteres Wirken Bearbeiten Appia realisierte mit Dalcroze bis 1914 Auffuhrungen in Hellerau bei Dresden und entwarf dort den grossen Saal der Bildungsanstalt Jaques Dalcroze heute Festspielhaus Hellerau 1912 inszenierte er die Oper Orpheus und Eurydike von Christoph Willibald Gluck in Hellerau Mit Arturo Toscanini brachte er 1923 Tristan und Isolde auf die Buhne der Mailander Scala und schuf danach Buhnenbilder fur Wagners Rheingold und Walkure Zitate Bearbeiten Wir wollen auf der Buhne die Dinge nicht mehr so sehen wie wir wissen dass sie sind sondern so wie wir sie empfinden Adolphe Appia Appia hat mir den Mut gegeben das zu tun was ich mache Er ist fur uns alle im modernen Theater sehr wichtig Sein Theater ist architektonisch konstruiert mit einer unverhullten Dynamik und schonen Proportionen Sein Licht fur die Buhne ist von der Architektur her gedacht mit starken kraftvollen Linien Er hat ein komplettes Vokabular fur das Theater entwickelt Robert Wilson Appia hat uns neue Wege eroffnet Er hat uns zur Grosse zuruckgefuhrt und zu den ewigen Prinzipien Er war Musiker und Architekt und hat uns gelehrt dass die musikalische Dauer die die dramatische Handlung einhullt bestimmt und regelt gleichzeitig den Raum entstehen lasst in dem die Handlung sich abspielt Jacques Copeau 2006 erschien die erste deutschsprachige Monographie uber den Buhnenrevolutionar Statt einer aus Pappe Stoff und Draht zusammengeleimten und vorsintflutlich beleuchteten Illusionsbuhne forderte Appia rhythmische Raume in denen die Musik die Quelle der Inszenierung sein musse statt Pseudowirklichkeit wollte er einen Buhnenraum kreieren der die Wahrnehmung erweitert Die Wirkungen dieser Reformen von Emil Preetorius uber Wieland Wagner bis zu Robert Wilson sind bekannter als Appias Schriften selbst Faszinierend nachvollziehbar wird dass Appia seiner Zeit um ein halbes Jahrhundert voraus war Noch in den zwanziger Jahren musste er sich den Vorwurf gefallen lassen seine fur Toscanini entworfene Tristan Szenerie sei lacherlich beschamend pratentios und deprimierend fur das Auge Kurt Mulisch Neue Zurcher Zeitung 10 Oktober 2006 Schriften BearbeitenLa mise en scene du Drame Wagnerien Paris 1895 Die Musik und die Inscenierung Munchen 1899 Uber das Bayreuther Festspielhaus 1902 In Herbert Barth Richard Wagners Werk in Bayreuth 1876 1976 Munchen 1976 S 99 103 Literatur BearbeitenJoel Aguet Adolphe Appia In Andreas Kotte Hrsg Theaterlexikon der Schweiz Dictionnaire du theatre en Suisse Band 1 Chronos Zurich 2005 ISBN 3 0340 0715 9 S 59 f franzosisch Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum Alexander Berlin 2006 ISBN 3 89581 152 1 Gabriele Brandstetter Birgit Wiens Hrsg Theater ohne Fluchtpunkt Das Erbe Adolphe Appias Szenographie und Choreographie im zeitgenossischen Theater Alexander Berlin 2010 ISBN 978 3 89581 227 9 Martin Dreier Appia Adolphe In Historisches Lexikon der Schweiz Nina Sonntag Raumtheater Adolphe Appias theaterasthetische Konzeption in Hellerau Klartext Essen 2011 ISBN 978 3 8375 0627 3 Edmund Stadler Adolphe Appia und Bayreuth In Der Fall Bayreuth Theater unserer Zeit Bd 2 Basilius Presse Basel Stuttgart 1962 S 41 85 Walther R Volbach Adolphe Appia Prophet of the Modern Theatre A Profile Wesleyan University Press Middletown 1968 Birgit Wiens Modular Settings and Creative Light The Legacy of Adolphe Appia in the Digital Age In International Journal of Performance Arts and Digital Media Bd 6 2010 Ausg 1 S 25 40 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Adolphe Appia Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Publikationen von und uber Adolphe Appia im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek Literatur von und uber Adolphe Appia im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Katy Schlegel Appia Adolphe Francois In Institut fur Sachsische Geschichte und Volkskunde Hrsg Sachsische Biografie Philippe Thome Appia Adolphe Francois In Sikart Stand 2018 Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 22 f Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 23 Edmund Stadler Adolphe Appia und Bayreuth In Der Fall Bayreuth Theater unserer Zeit Bd 2 S 41 ff Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 30 f Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 31 Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 43 a b c d Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 47 Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 63 Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 110 Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 111 f Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 113 Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 117 Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 119 Vgl Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 120 Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 124 Peter Simhandl Bildertheater Bildende Kunstler des 20 Jahrhunderts als Theaterreformer Gadegast 1993 S 16 Richard C Beacham Adolphe Appia Kunstler und Visionar des modernen Theaters Licht Buhne Raum S 128 Normdaten Person GND 118503731 lobid OGND AKS LCCN n50023938 NDL 00620272 VIAF 73903825 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Appia AdolpheALTERNATIVNAMEN Appia Adolphe Francois vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG Schweizer ArchitektGEBURTSDATUM 1 September 1862GEBURTSORT GenfSTERBEDATUM 29 Februar 1928STERBEORT Nyon Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Adolphe Appia amp oldid 238463197