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Die uble Nachrede nach 186 Strafgesetzbuch StGB ist ein Ehrdelikt bei dem im Gegensatz zu einer Beleidigung 185 StGB das Behaupten und Verbreiten hinsichtlich ehrenruhriger vermeintlicher Tatsachen gegenuber Dritten unter Strafe steht Fur die Strafbarkeit wegen ubler Nachrede ist entscheidend dass die Tatsache selbst nicht erweislich wahr ist d h kein Wahrheitsbeweis vorliegt Ist die Tatsachenbehauptung hingegen erweislich unwahr und weiss der Tater um deren Unwahrheit so handelt es sich nicht um eine uble Nachrede sondern um eine Verleumdung nach 187 StGB Die Verleumdung ist rechtsdogmatisch eine Qualifikation zur ublen Nachrede Inhaltsverzeichnis 1 Normtext 2 Aussage hinsichtlich einer Tatsache 3 Tathandlungen 4 Geeignet verachtlich zu machen usw 5 Wahrheitsbeweis 6 Konsequenzen der Behauptung oder Verbreitung 7 Verwandte Vorschriften 8 Siehe auch 9 Literatur 10 EinzelnachweiseNormtext BearbeitenDer Straftatbestand der ublen Nachrede ist in 186 StGB normiert welcher seit seiner letzten Veranderung 1 zum 3 April 2021 2 wie folgt lautet Uble NachredeWer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet welche denselben verachtlich zu machen oder in der offentlichen Meinung herabzuwurdigen geeignet ist wird wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und wenn die Tat offentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts 11 Abs 3 begangen ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft Durch die Anderung zum 3 April 2021 wurden die Worte in einer Versammlung eingefugt Aussage hinsichtlich einer Tatsache BearbeitenDie uble Nachrede bezieht sich nur auf Aussagen uber Tatsachen hinsichtlich Lebender gegenuber Dritten Wird stattdessen ein Werturteil geaussert oder eine Tatsachenbehauptung gegenuber dem lebenden Betroffenen erhoben kommt nicht uble Nachrede oder Verleumdung sondern stattdessen Beleidigung in Frage Eine Ausserung hinsichtlich einer Tatsache liegt vor wenn der Wahrheitsgehalt der Ausserung objektiv geklart werden kann wenn also ein Beweis moglich ist Hierzu zahlen nicht nur sogenannte aussere Tatsachen sondern auch innere Tatsachen beispielsweise die Absicht eine Straftat zu begehen sofern sie auf wahrnehmbaren Geschehnissen beruhen 3 Nach herrschender Meinung sind nur gegenwartige oder vergangene Geschehnisse Tatsachen Prognosen konnen allerdings auch nach herrschender Meinung insofern erfasst sein als mit ihnen auch zugrundeliegende gegenwartige Geschehnisse behauptet werden 3 Nach einer anderen Ansicht sind auch zukunftige Geschehnisse Tatsachen 4 Tathandlungen BearbeitenDie Vorschrift enthalt zwei Tathandlungsvarianten namlich das Behaupten und das Verbreiten Das Behaupten einer Tatsache im Sinne der Vorschrift liegt vor wenn der Tater die Tatsache als nach eigener Uberzeugung wahr hinstellt 5 Sofern die eigene Uberzeugung erkennbar bleibt ist nach herrschender Meinung unerheblich ob sich der Tater dabei auf fremde Informationsquellen beruft 6 Ein Verbreiten im Sinne des 186 StGB ist hingegen gegeben wenn der Tater eine Tatsache als Gegenstand fremden Wissens weitergibt ohne dass er sich die Tatsachenbehauptung zu eigen macht Hierunter fallt insbesondere das Verbreiten ehrenruhriger Geruchte 7 Beide Tathandlungsvarianten mussen einen Drittbezug aufweisen das heisst sie mussen gemass dem Wortlaut der Vorschrift in Beziehung auf einen anderen geaussert werden Damit ist gemeint dass der Straftatbestand der ublen Nachrede nur dann erfullt ist wenn die Behauptung dritten Personen gegenuber geaussert worden ist Wird dagegen die Behauptung direkt und lediglich gegenuber der dadurch ehrverletzten Person geaussert kommt alleine die Beleidigung nach 185 StGB in Betracht 8 Geeignet verachtlich zu machen usw BearbeitenDie Aussage Tatsache muss nach dem Wortlaut der Norm geeignet sein die Person verachtlich zu machen oder in der offentlichen Meinung herabzuwurdigen Verachtlich gemacht ist eine Person wenn sie nach der Darstellung ihren sittlichen Pflichten nicht genuge tut Herabgewurdigt ist eine Person wenn deren Ruf geschmalert wird Diese beiden Alternativen sind meist nicht sinnvoll voneinander abzugrenzen noch ist dies erforderlich 9 Nach der herrschenden Meinung ist nur erforderlich dass die Behauptung dazu geeignet sei und dass der Empfanger sie zur Kenntnis nehme nicht jedoch dass der Empfanger die Ehrenruhrigkeit der Behauptung auch verstehe uble Nachrede sei ein abstraktes Gefahrdungsdelikt 10 11 Nach einer anderen Ansicht ist der Tatbestand noch nicht erfullt wenn der Empfanger der Behauptung keinen Glauben schenke oder gar deren Unwahrheit erkenne es liege dann ein strafloser Versuch vor 12 Wahrheitsbeweis BearbeitenDie Nichterweislichkeit der Wahrheit der Tatsache ist nach herrschender Meinung kein objektives Tatbestandsmerkmal sondern eine objektive Bedingung der Strafbarkeit 13 14 Dies bedeutet dass Vorsatz und Fahrlassigkeit subjektiver Tatbestand sich nicht auf die Nichterweislichkeit der Tatsache zu erstrecken brauchen Ein Tater kann folglich auch dann bestraft werden wenn er selbst an die Wahrheit und Beweisbarkeit seiner Aussage glaubt Denn der Wahrheitsbeweis spielt in vielen Ehrenschutzverfahren eine erhebliche Rolle er ist schrankenlos zugelassen Das Gericht muss sich daher bemuhen die Wahrheit bzw Unwahrheit der Tatsache aufzuklaren Gelingt das nicht so geht dies zu Lasten des Taters und die Tat ist strafbar denn die Tatsache bleibt nicht erweislich wahr wenn ihre Unwahrheit vor Gericht erwiesen ist oder der Wahrheitsbeweis dort missgluckt Gleichwohl stellt dies keine Ausnahme vom Grundsatz in dubio pro reo im Zweifel fur den Angeklagten dar denn dieser bezieht sich nur auf Zweifel am Vorliegen der Tatbestandsmerkmale Die Beweisregel des 186 StGB wird uber 823 Abs 2 BGB ins zivilrechtliche Deliktsrecht transformiert und begrundet dort fur Schadensersatz und Unterlassungsanspruche eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten 15 16 Das gilt jedoch nicht fur Widerrufsanspruche 17 oder wenn der Beklagte sich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen 193 StGB berufen kann 18 hinreichend sorgfaltige Recherchen vorausgesetzt 19 Fur Unterlassungsanspruche ist im Falle mehrdeutiger Ausserungen allerdings auch bei Wahrnehmung an sich berechtigter Interessen zu Gunsten des Klagers zu berucksichtigen dass der Aussernde die Moglichkeit hat sich in Zukunft eindeutig auszudrucken 20 Konsequenzen der Behauptung oder Verbreitung BearbeitenIst der Straftatbestand rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht worden so wird der Tater grundsatzlich mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft Der Strafrahmen erhoht sich jedoch in den Fallen in denen die Tat offentlich in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhaltes begangen wurde Ist der Sachverhalt so gelagert wird der Tater mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft Zu beachten ist dass im Einzelfall die Tat nach 193 StGB Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt sein kann etwa wenn die Behauptung guten Glaubens im Rahmen eines Prozesses oder einer Strafanzeige aufgestellt wurde 21 22 Die Meinungsfreiheit kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings keine Wahrnehmung berechtigter Interessen begrunden wenn es sich um bewusst oder erwiesenermassen unwahre Tatsachenbehauptungen handelt 23 Uble Nachrede und Beleidigung werden von der Staatsanwaltschaft nur im Falle eines offentlichen Interesses verfolgt dafur muss in der Regel der Rechtsfrieden uber die Person des Beleidigten hinaus gestort sein oder ein besonders schwerer Fall vorliegen Ansonsten wird das Verfahren eingestellt und der Verletzte auf die Moglichkeit der Privatklage 374 ff StPO verwiesen Verwandte Vorschriften BearbeitenAbzugrenzen ist die uble Nachrede insbesondere von der Verleumdung 187 StGB die das Behaupten oder Verbreiten unwahrer ehrverletzender Tatsachen wider besseres Wissen unter Strafe stellt Eine Verurteilung wegen Verleumdung kann daher trotz Beweises der Unwahrheit der Tatsachenbehauptung oder verbreitung schon daran scheitern dass der Tater nicht positiv um die Unwahrheit wusste In diesen Fallen ist noch immer die uble Nachrede einschlagig auch bei bedingtem Vorsatz 24 Wird eine ehrverletzende Tatsachenbehauptung lediglich gegenuber dem Betroffenen geaussert liegt eine Beleidigung nach 185 StGB vor Weiterhin ist die uble Nachrede mit dem Straftatbestand der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 189 StGB verwandt der ehrverletzende Ausserungen im Sinne der 185 186 187 StGB unter Strafe stellt die uber einen Verstorbenen getatigt werden 189 StGB soll allerdings nicht die personliche Ehre sondern nach herrschender Meinung primar das Pietatsempfinden der Angehorigen schutzen Siehe auch BearbeitenSchmahkritikLiteratur BearbeitenRudolf Rengier Strafrecht Besonderer Teil II Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit 13 Auflage C H Beck Munchen 2012 ISBN 978 3 406 61497 2 Urs Kindhauser Strafrecht Besonderer Teil I Straftaten gegen Personlichkeitsrechte Staat und Gesellschaft 5 Auflage Nomos Baden Baden 2012 ISBN 978 3 8329 6466 5 Einzelnachweise Bearbeiten Gesetz zur Bekampfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalitat vom 30 Marz 2021 BGBl I S 441 Geltung vorgezogen zum 3 April BGBl I S 448 473 f Paragraf 186 Uble Nachrede 3 April 2021 In Strafgesetzbuch fur das Deutsche Reich vom 15 Mai 1871 lexetius com Abgerufen am 12 Juli 2021 a b Philipp Regge Christian Pegel In Munchener Kommentar zum StGB 4 Auflage 2021 StGB 186 Rn 5 Brian Valerius in BeckOK StGB v Heintschel Heinegg 50 Edition Stand 1 Mai 2021 StGB 186 Rn 3 Jorg Eisele Ulrike Schittenhelm In Schonke Schroder Strafgesetzbuch 30 Auflage 2019 StGB 186 Rn 7 Brian Valerius in BeckOK StGB v Heintschel Heinegg 50 Edition Stand 1 Mai 2021 StGB 186 Rn 11 Philipp Regge Christian Pegel In Munchener Kommentar zum StGB 4 Auflage 2021 StGB 186 Rn 18 Brian Valerius in BeckOK StGB v Heintschel Heinegg 50 Edition Stand 1 Mai 2021 StGB 186 Rn 17 Philipp Regge Christian Pegel In Munchener Kommentar zum StGB 4 Auflage 2021 StGB 186 Rn 14 Philipp Regge Christian Pegel In Munchener Kommentar zum StGB 4 Auflage 2021 StGB 186 Rn 23 Brian Valerius in BeckOK StGB v Heintschel Heinegg 50 Edition Stand 1 Mai 2021 StGB 186 Rn 8 Rainer Zaczyk in Kindhauser Neumann Paeffgen Strafgesetzbuch 5 Auflage 2017 StGB 186 Rn 6 Kristian Kuhl in Lackner Kuhl StGB 29 Auflage 2018 StGB 186 Rn 7 7a BGH Beschluss vom 12 Februar 1958 Az 4 StR 189 57 NJW 1958 797 798 BGHSt 11 273 BGHZ 95 212 1985 Eine filmische Umsetzung dieser Beweisregel fur das englische Recht findet sich im fiktiven Fall Sunset of Arms Fitton v Pusey der ITV Fernsehserie Crown Court 1973 BGHZ 69 181 1977 BGH NJW 1985 1621 BGHZ 132 13 1996 BVerfGE 114 339 2005 Beschluss des OLG Munchen vom 11 Juli 2016 Az 5 OLG 13 Ss 244 16 in der Sache Freisler Vergleich Anwaltsblatt 2016 767 StV 2017 183 NJW 2016 2759 bestatigt durch Beschluss des OLG Munchen vom 31 Mai 2017 Az 5 OLG 13 Ss 81 17 Anwaltsblatt 2017 783 BRAK Mitteilungen 2017 239 DVBl 2017 979 LTO Artikel zum Freisler Vergleich Thomas Fischer Kommentar zum Strafgesetzbuch 65 Auflage 2018 Rn 28a zu 193 StGB Jorg Eisele Ulrike Schittenhelm In Schonke Schroder Strafgesetzbuch 30 Auflage 2019 StGB 186 Rn 1 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Uble Nachrede Deutschland amp oldid 235161100