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Etienne Emile Marie Boutroux 28 Juli 1845 in Montrouge 22 November 1921 in Paris war ein franzosischer Philosoph des 19 Jahrhunderts und entschiedener Gegner des reinen Materialismus in den Wissenschaften Sein Anliegen war die Vereinbarkeit von Religion und Wissenschaft Direktor der Fondation Thiers 1902 Mitglied der Academie francaise im Jahr 1912 Emile BoutrouxInhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Einflusse 3 Kontingentismus 4 Werke 5 Einzelnachweise 6 Literatur 7 WeblinksLeben BearbeitenEmile Boutroux wuchs in Montrouge der Nahe von Paris auf jetzt Departement Hauts de Seine und besuchte dort das Lycee Napoleon heute Lycee Henri IV Ab 1865 studierte er an der Elitehochschule Ecole Normale Superieure in Paris vor allem bei Jules Lachelier der von 1858 bis 1864 Lehrer am Lycee de Caen und anschliessend bis 1875 an der Ecole Normale Superieure war 1868 wechselte er auf Anregung seines Doktorvaters Felix Ravaisson an die Universitat Heidelberg horte dort unter anderem bei Eduard Zeller Hermann von Helmholtz und Heinrich von Treitschke und lernte hierbei die deutschen Philosophen kennen Bemerkenswert war fur ihn der offene Ideenaustausch zwischen den verschiedenen Disziplinen und Fakultaten welcher in dieser Art in Frankreich nicht ublich war 1870 kehrte Boutroux vor Ausbruch des Deutsch Franzosischen Krieges nach Frankreich zuruck Seine erste Anstellung war die als Philosophielehrer am Lycee von Caen 1874 verfasst er seine Doktorarbeit De la contingence des lois de la nature Die Kontingenz der Naturgesetze Darin untersucht Boutroux die Bedeutung der Philosophie Kants fur die Wissenschaften Parallel dazu entsteht die damals erforderliche Abhandlung in lateinischer Sprache De veritatibus aeternis apud Cartesium Uber die ewigen Wahrheiten bei Descartes Von 1874 bis 1876 unterrichtet er an der Universitat Nancy und begegnet dort seiner kunftigen Frau Aline Poincare der Schwester des Mathematikers Henri Poincare Aus der Ehe geht der Mathematiker und Wissenschaftshistoriker Pierre Boutroux 1880 1922 hervor Durch die Heirat wurde er auch verwandt mit Raymond Poincare einem Cousin seines Schwagers und spateren franzosischen Staatsprasidenten 1913 1920 1877 ubernimmt er eine Professur an der Ecole Normale Superieure und ubersetzt in dieser Zeit auch die ersten drei Bande der Philosophie der Griechen von Eduard Zeller Ab 1885 halt Boutroux Vorlesungen uber deutsche Philosophiegeschichte an der Pariser Sorbonne 1888 wird er dort als Professor fur Geschichte und neuere Philosophie berufen 1898 wird er Mitglied des Institut de France 1902 beendet er die Lehrtatigkeit an der Universitat mit Ubernahme des Direktorenpostens der Fondation Thiers 1911 verfasst er eine ausfuhrliche Monografie uber den befreundeten William James 1914 noch zu Studien in Jena wendet er sich der ehemals Deutschland und seine Philosophen so wertschatzte bei Kriegsausbruch endgultig enttauscht und verbittert vom Land der Barbaren ab Einflusse BearbeitenDer metaphysisch spiritualistische Positivismus seines Lehrers Jules Esprit Nicolas Lachelier 1 war von massgeblichem Einfluss auf Boutroux wie auch spater auf Henri Bergson Durch seinen Doktorvater Ravaisson wurde ihm die Philosophie Schellings nahegebracht 1893 widmete er sich einem langeren Studienaufenthalt in Freiburg Br bei Alois Riehl 1914 horte er noch in Jena Rudolf Eucken Zu den unmittelbaren Schulern von Boutroux zahlen u a Henri Berr Camille Melinand Maurice Blondel Emile Durkheim Leon Brunschvicg Henri Bergson William James In Paris scharte Boutroux nach in Deutschland erlebtem Vorbild einen interdisziplinaren Zirkel um sich dem sich neben seinen unmittelbaren Schulern auch sein Bruder der Physiker Leon Boutroux die Mathematiker Jules Tannery und Henri Poincare der Astronom Benjamin Baillard und andere anschlossen 2 Aus diesem Kreis Boutroux circle 3 entstanden die Grundlagen des Konventionalismus 4 5 Kontingentismus BearbeitenZur Unterscheidung von Spiritualismus wurde Boutroux Lehre von seinen Schulern als Kontingentismus bezeichnet Seine Philosophie entwickelte sich in einer Epoche die sich auf dem Hintergrund der naturwissenschaftlichen Forschung und des damit aufgekommenen Erklarungsanspruchs verstarkt der Fragestellung des Gegensatzes von Determinismus und Willensfreiheit widmet Programmatisch wird der Begriff bereits in seiner Dissertation behandelt 6 Boutroux unterscheidet zwischen Kontingenz frz contingence und Zufall hasard in der Art dass Zufall das unverursachte Eintreffen eines Ereignisses bezeichnet Kontingenz dagegen die Abwesenheit von Notwendigkeit im Einzelfall ohne dabei die Gegenwart von Ursachen oder die Gultigkeit von Gesetzen im Allgemeinen zu verleugnen 7 Determinismus muss nach Boutroux keine universell gultige zwingende Notwendigkeit bedeuten Man darf nicht Determinismus mit Wirklichkeit verwechseln die Notwendigkeit druckt die Unmoglichkeit aus dass ein Ding anders sei als es ist der Determinismus druckt die Summe der Bedingungen aus kraft deren die Erscheinung so wie sie ist nebst all ihren Seinsformen ausfallen muss 8 Der Begriff der Kontingenz stutzt sich auf die verschiedenen Qualitaten der Dinge die die komplexe Wirklichkeit ausmachen Es heisst sich ausserhalb der Bedingungen gerade der Wirklichkeit zu stellen wenn man die Quantitat auf eine homogene Qualitat bezieht oder dabei von aller Qualitat absieht Alles was ist besitzt Qualitaten und nimmt eben deshalb teil an der Indeterminiertheit und an der Veranderlichkeit die zum Wesen der Qualitat gehoren Mithin lasst sich das Prinzip des absoluten Beharrens der Quantitat nicht streng auf die wirklichen Dinge anwenden diese haben einen Gehalt von Leben und Veranderlichkeit der sich niemals erschopft 9 Die offensichtliche Wirklichkeit der Naturgesetze auf der einen und die Voraussetzung dessen was Boutroux Gottes oder menschliche Freiheit nennt oder was spater von Henri Bergson Schopferische Entwicklung genannt wird und den damit verbundenen Gegensatz lost Boutroux durch die Annahme einer stufenweisen Verwirklichung von Kontingenz wodurch sich eine Hierarchie der Wissenschaften ergibt von denen die eine nicht einfach auf eine andere zuruckfuhrbar ist etwa die Biologie auf die Chemie diese auf Physik usw In der Ablehnung des cartesischen Weltbildes stimmt Boutroux ansonsten Kritiker des Positivismus mit Comte uberein Der Positivismus Auguste Comtes hat die Ergebnisse der Kritik zusammengefasst indem er lehrte dass das Hohere nicht auf das Niedere zuruckgefuhrt werden kann und dass man in dem Masse in welchem man Rechenschaft uber eine hohere Realitat geben will neue Gesetze einfuhren muss die einer eigentumlichen Spezifizierung fahig und auf die vorhergehenden unzuruckfuhrbar sind Dies betrifft auch die Zunahme von Kontingenz auf jeder Stufe der Gesetze welche Boutroux hierarchisch gliedert in die Gesetze der Logik darauf grundend die Gesetze der vor allem arithmetischen Mathematik die mechanischen Gesetze die physikalischen Gesetze irreversibler Vorgange die Gesetze der Chemie die Gesetze des Lebendigen wiederum gegliedert in biologische psychologische und soziologische Gesetze 10 Die Wissenschaft zeigt uns eine Hierarchie der Wissenschaften eine Hierarchie der Gesetze die wir zwar einander naher bringen aber nicht zu einer einzigen Wissenschaft und zu einem Gesetz verschmelzen konnen Zudem zeigt sie uns nebst der relativen Ungleichartigkeit der Gesetze ihre gegenseitige Beeinflussung Die physikalischen Gesetze notigen sich dem Lebewesen auf aber die biologischen wirken mit den physikalischen mit 11 Werke BearbeitenDe la contingence des lois de la nature erweiterte Dissertation 1874 deutsche Ubersetzung Die Kontingenz der Naturgesetze von Isaak Benrubi 1907 La Grece vaincue et les premiers stoiciens 1875 La Philosophie des Grecs de E Zeller Ubersetzung 1877 1884 La Monadologie de Leibnitz Ubersetzung 1881 Socrate fondateur de la science morale 1883 Les Nouveaux Essais de Leibnitz Ubersetzung 1886 Questions de morale et d education 1895 De l idee de loi naturelle dans la science et la philosophie 1895 deutsche Ubersetzung Uber den Begriff des Naturgesetzes in der Wissenschaft und in der Philosophie der Gegenwart von Isaak Benrubi 1907 Etudes d histoire de la philosophie 1897 Du devoir militaire a travers les ages 1899 Pascal 1900 Essais d histoire de la philosophie 1901 La Philosophie de Fichte Psychologie du mysticisme 1902 Science et religion dans la philosophie contemporaine 1908 William James 1911 La Nature et l Esprit posthum 1925 Etudes d histoire de la philosophie allemande posthum 1926 La Philosophie de Kant posthum 1926 Nouvelles etudes d histoire de la philosophie posthum 1927 Des verites eternelles chez Descartes 1927 franz Ubersetzung der lat Thesenschrift von 1874 durch Georges Canguilhem Einzelnachweise Bearbeiten Irmingard Bohm LACHELIER Jules Esprit Nicolas In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 4 Bautz Herzberg 1992 ISBN 3 88309 038 7 Sp 930 933 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Michel Espagne L Allemagne d Emile Boutroux Revue de Metaphysique et de morale 29 3 2001 Mary Jo Nye The moral freedom of man and the determinism of nature British Journal of the History of Science 9 1976 Laurent Rollet Henri Poincare des mathematiques a la philosophie Presses Universitaires du Septentrion Nancy 2000 Henri Poincare La science et l hypothese 1902 deutsche Ubers Wissenschaft und Hypothese Leipzig 1906 Boutroux Die Kontingenz der Naturgesetze 1874 M Heidelberger 2006 Boutroux 1895 Boutroux 1874 58f Boutroux 1895 52ff Boutroux 1895 SchlusskapitelLiteratur BearbeitenOtto Boelitz Kausalitat und Notwendigkeit in Emile Boutroux Lehre von der Kontingenz Ein Beitrag zur Geschichte der neuesten franzosischen Philosophie Leipzig Quelle amp Meyer 1907 Paul Archambault Emile Boutroux choix de textes avec une etude sur l œuvre Paris 1908 Les grands philosophes francais et etrangers Isaak Benrubi Emile Boutroux und das philosophische Erwachen der Gegenwart Int Monatsschrift fur Wissenschaft Kunst und Technik 8 8 1914 Michael Heidelberger Die Kontingenz der Naturgesetze bei Emile Boutroux in Naturgesetze Historisch systematische Analysen eines wissenschaftlichen Grundbegriffs hrsg von Karin Hartbecke und Christian Schutte Paderborn Mentis 2006 269 289 ISBN 978 3 89785 447 5Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Emile Boutroux Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Emile Boutroux Quellen und Volltexte franzosisch Literatur von und uber Emile Boutroux im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Kurzbiografie und Werkliste der Academie francaise franzosisch Kleine Chronologie und Bibliografie der Universitat NancyNormdaten Person GND 118653245 lobid OGND AKS LCCN n85292940 VIAF 71387872 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Boutroux EmileALTERNATIVNAMEN Boutroux Etienne Emile Marie vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG franzosischer PhilosophGEBURTSDATUM 28 Juli 1845GEBURTSORT MontrougeSTERBEDATUM 22 November 1921STERBEORT Paris Abgerufen 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