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Die Zivilprozessordnung der Schweiz ist das formell das heisst verfahrensrechtliche Umfeld in welchem zivilrechtliche materiellrechtliche Streitigkeiten entschieden werden Wahrend das materielle Recht die einzelnen Rechtsverhaltnisse regelt stellt das formelle Recht die Regeln nach denen die entsprechenden Prozesse gefuhrt werden konnen und mussen BasisdatenTitel Schweizerische ZivilprozessordnungKurztitel ZivilprozessordnungAbkurzung ZPOArt BundesgesetzGeltungsbereich SchweizRechtsmaterie ZivilprozessrechtSystematische Rechtssammlung SR 272Ursprungliche Fassung vom 19 Dezember 2008Inkrafttreten am 1 Januar 2011Letzte Anderung durch AS 2016 4651Inkrafttreten derletzten Anderung 1 Januar 2017Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtliche Entwicklung 2 Heutiger Stand 2 1 Auf kantonaler Ebene 2 2 Auf nationaler Ebene 3 Verfahrensgrundsatze 3 1 Dispositionsgrundsatz und Offizialgrundsatz 3 2 Verhandlungsgrundsatz und Untersuchungsgrundsatz 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichtliche Entwicklung BearbeitenNach schweizerischem Recht uben die Kantone alle Rechte aus die nicht ausdrucklich in der Kompetenz des Bundes liegen 1 Dieser hat sich daher lange Zeit nur um die gesetzliche Regelung des Bundesgerichtes gekummert welches in der Schweiz normalerweise als oberste Instanz fungiert Das bereits seit 1947 existierende Bundesgesetz uber den Bundeszivilprozess BZP 2 regelt entgegen dem Titel nur das Verfahren vor Bundesgericht als erster und einziger Instanz in zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Bund oder Kantonen und Kantonen Das Prozessrecht der unteren Instanzen hingegen blieb jahrzehntelang Sache der Kantone So gab es bis Ende 2010 in jedem Kanton eine eigene Zivilprozessordnung Neue Zivilprozessordnungen z B Glarus 2001 Wallis 1998 standen neben alten z B Basel Stadt 1875 Bern 1918 Selbst in wichtigen Punkten unterschieden sich die kantonalen Zivilprozessordnungen zum Teil grundlegend So kannten nicht alle Kantone eine Schlichtungsbehorde Friedensrichter oder Vermittler genannt und in einigen Kantonen galt eine strenge Eventualmaxime Gravierende Unterschiede bestanden teilweise auch betreffend Beweismittelsysteme den Zeitpunkt der Rechtshangigkeit und die zur Verfugung stehenden Rechtsmittel Die Rechtszersplitterung behinderte die einheitliche Durchsetzung des materiellen Zivilrechts die Mobilitat der Anwalte und die Weiterentwicklung des Zivilprozessrechts 1999 begannen die Vorarbeiten zu einer vereinheitlichten Schweizerischen Zivilprozessordnung Im Sommer 2007 fing die parlamentarische Beratung an 3 am 19 Dezember 2008 wurde die definitive Fassung von den eidgenossischen Raten verabschiedet 4 Sie trat am 1 Januar 2011 in Kraft zusammen mit der Schweizerischen Strafprozessordnung und dem revidierten Lugano Ubereinkommen 5 Heutiger Stand BearbeitenAuf kantonaler Ebene Bearbeiten Die ZPO regelt das zivilprozessrechtliche Verfahren der kantonalen Gerichte fast vollstandig Eine Ausnahme stellt die Moglichkeit dar dass die Kantone ein spezialisiertes Handelsgericht einsetzen 6 Gewisse Ausfuhrungsbestimmungen zur Zivilprozessordnung werden hingegen nach wie vor auf kantonaler Ebene in Gesetzes bzw Verordnungsform erlassen so in Bern uber das EG ZSJ 7 Auf nationaler Ebene Bearbeiten Sobald der Instanzenzug auf kantonaler Ebene ausgeschopft ist oder gar nicht zur Anwendung gelangt steht in zivilprozessualen Verfahren unter bestimmten Bedingungen der Weg ans Bundesgericht offen Dessen Verfahren wird ausserhalb der ZPO im Bundesgerichtsgesetz geregelt Verfahrensgrundsatze BearbeitenDispositionsgrundsatz und Offizialgrundsatz Bearbeiten In der Regel gilt im Zivilprozess der Dispositionsgrundsatz Art 58 ZPO Der Offizialgrundsatz bildet die Ausnahme Der Dispositionsgrundsatz besagt dass ein Gericht ein Verfahren nicht von Amtes wegen beginnt Stattdessen ist es die Freiheit der Parteien ein Verfahren einzuleiten oder nicht Ebenso bestimmt die klagende Partei was und wie viel sie einklagt Eine Teilklage ist moglich Art 86 ZPO Das Gericht ist an die Begehren der klagenden Partei gebunden Das heisst dass das Gericht der klagenden Partei nichts anderes und nicht mehr zusprechen kann als eingeklagt ist Art 58 Abs 1 ZPO Ausserdem darf das Gericht nicht weniger zusprechen als die eingeklagte Partei anerkannt hat Art 58 Abs 1 ZPO Eine Rechtsmittelinstanz darf nicht weniger zusprechen als die vorherige Instanz anerkannt hat ausser die andere Partei habe ebenfalls ein Rechtsmittel ergriffen Verbot der reformatio in peius Gemass dem Dispositionsgrundsatz hat die klagende Partei jederzeit das Recht ein Verfahren einzustellen Art 241 ZPO Ein Verfahren kann auch durch einen gerichtlichen Vergleich beendet werden Der Offizialgrundsatz legt fest dass das Gericht von den Begehren der klagenden Partei abweichen kann und dass die Parteien den Prozess nicht durch Anerkennung der Klage oder gerichtlichen Vergleich frei beenden konnen Art 58 Abs 2 ZPO Der Offizialgrundsatz gilt insbesondere bei Kinderbelangen in familienrechtlichen Angelegenheiten Art 296 Abs 3 ZPO Verhandlungsgrundsatz und Untersuchungsgrundsatz Bearbeiten Grundsatzlich gilt im Zivilprozess der Verhandlungsgrundsatz Das bedeutet dass das Gericht den Sachverhalt nicht von sich aus abzuklaren hat sondern dass die Parteien den Sachverhalt darlegen und beweisen mussen Art 55 ZPO Wenn die Gegenpartei behauptete Tatsachen nicht bestreitet dann gelten sie als bewiesen Pauschalbestreitungen genugen nicht Der Verhandlungsgrundsatz wird durch die gerichtliche Fragepflicht eingeschrankt Art 56 ZPO Die gerichtliche Fragepflicht ist dann gegeben wenn die Vorbringen einer Partei unklar widerspruchlich unbestimmt oder offensichtlich unvollstandig sind Im vereinfachten Verfahren hat das Gericht eine verstarkte Fragepflicht Art 247 Abs 1 ZPO Eine verstarkte Fragepflicht gilt auch im Scheidungsverfahren Art 277 Abs 2 ZPO amp Art 279 ZPO Allgemein bekannte Tatsachen mussen weder behauptet noch bewiesen werden Art 151 ZPO Beim Untersuchungsgrundsatz hat das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen Der Untersuchungsgrundsatz gilt nur wenn er ausdrucklich im Gesetz festgeschrieben ist Art 55 Abs 2 ZPO Der Untersuchungsgrundsatz soll schwache Parteien schutzen und kommt speziell dort zum Zuge wo die Parteien haufig ohne Anwalt auftreten Der Untersuchungsgrundsatz ist vorgesehen im Scheidungsverfahren ausser bei der guterrechtlichen Auseinandersetzung und beim nachehelichen Unterhalt sowie analog im Verfahren der eingetragenen Partnerschaft Art 277 ZPO Art 306 f ZPO Zudem im summarischen Verfahren wenn das Gericht als Konkurs oder Nachlassgericht zu entscheiden hat Art 255 ZPO Zudem gilt der Untersuchungsgrundsatz in den summarischen Verfahren des Eherechts Art 272 ZPO Zudem gilt der Untersuchungsgrundsatz in verschiedenen Sozialprozessen des vereinfachten Verfahrens Art 247 Abs 2 ZPO also namentlich in verschiedenen arbeitsrechtlichen und mietrechtlichen Streitigkeiten bei denen es um geringe Geldsummen geht Zudem gilt der Untersuchungsgrundsatz bei Kinderbelangen im Familienrecht Art 296 ZPO Literatur BearbeitenMyriam A Gehri Ingrid Jent Sorensen Martin Sarbach Kommentar zur schweizerischen Zivilprozessordnung Orell Fussli Zurich 2023 ISBN 978 3 280 07451 0 Weblinks BearbeitenAlfred Buhler Die Verfahrensgrundsatze der Schweizerischen Zivilprozessordnung Vortrag vom 7 Dezember 2011 Barbara Klett Silvia Jenni Es braucht noch eine Richtergeneration bis sich die kodifizierte Einheit durchsetzt pladoyer 1 2012Einzelnachweise Bearbeiten Art 3 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft In Systematische Gesetzessammlung des Bundes Abgerufen am 13 Februar 2012 Bundesgesetz uber den Bundeszivilprozess In Systematische Gesetzessammlung des Bundes Abgerufen am 13 Februar 2012 06 062 Geschaft des Bundesrates Schweizerische Zivilprozessordnung In Curia Vista Geschaftsdatenbank Schweizerische Bundesversammlung abgerufen am 13 Februar 2012 Schweizerische Zivilprozessordnung Zivilprozessordnung ZPO vom 19 Dezember 2008 SR 272 PDF 357 kB Neue Prozessordnungen treten am 1 Januar 2011 in Kraft Memento vom 20 Juli 2012 im Webarchiv archive today Medienmitteilung des Eidgenossischen Justiz und Polizeidepartements vom 31 Marz 2010 Art 6 Schweizerische Zivilprozessordnung In Systematische Gesetzessammlung des Bundes Abgerufen am 13 Februar 2012 Einfuhrungsgesetz zur Zivilprozessordnung zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung Nicht mehr online verfugbar In Bernische Systematische Gesetzessammlung Archiviert vom Original am 2 Marz 2012 abgerufen am 13 Februar 2012 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Werk GND 4747209 1 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zivilprozessordnung Schweiz amp oldid 238857761