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Das Zentralgericht des Heeres teilweise abgekurzt ZdH und ZGH war ein von 11 April 1944 bis zum Kriegsende existierendes Gericht der Wehrmachtjustiz Es ging aus dem Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin hervor ersetzte es aber nicht Es hatte seinen Hauptsitz in Berlin eine Aussenstelle in Wien und in verschiedenen Stadten im Reichsgebiet Fahndungsstellen Wichtige Verfahren waren jene gegen Matthias Lackas Karl Heinz Moldt und Eberhard Ritter Eines der letzten Verfahren das vor dem Gericht stattfand war das gegen den Wehrmachtangehorigen Autor und Kabarettisten Wolfgang Borchert Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Aufgaben und Zustandigkeit 3 Verfahrensstatistik 4 Ausgangspunkt Verfahren gegen Lackas und Andere 4 1 Rezeption der Umwandlung 5 Literatur 5 1 Literatur zu Osterreich 5 2 Literatur zu Matthias Lackas et al 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDas Zentralgericht des Heeres wurde am 11 April 1944 per Erlass eingerichtet wobei es wesentliche Kompetenzen des Gerichts der Wehrmachtskommandantur Berlin ubertragen bekam Auch der Gerichtsherr blieb derselbe namlich bis zum Juli 1944 Paul von Hase 1 Als ubergeordneter Gerichtsherr fungierte der Chef der Heeresrustung und Befehlshaber des Ersatzheeres das war von der Einrichtung bis zum 20 Juli 1944 Friedrich Fromm danach Heinrich Himmler 2 Der Gerichtsherr galt als Trager der Gerichtsbarkeit 3 welcher die einzelnen Falle den verschiedenen richterlichen Militarjustizbeamten Richter zur Ermittlung Anklage oder Verteidigung zuwies Gerichtsherren konnten das vom zustandigen Ermittlungsrichter erstellte Rechtsgutachten bestatigen oder abandern 4 ausser etwa bei Todesurteilen oder Offizieren wo Anderungsbegehren nach oben weiterzureichen waren 5 Auch die Aussenstelle in Wien und die Fahndungsstellen in Gera Danzig Wien und Strassburg wurden vom Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin ubernommen und bei Zustandigkeit weitergefuhrt 6 Aufgaben und Zustandigkeit BearbeitenVom Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin ubernahm das Zentralgericht des Heeres mit 11 April 1944 folgende Zustandigkeiten Politische Strafsachen Strafsachen gegen widernaturliche Unzucht Korruptionsfalle von besonderer Bedeutung Fahndungssachen durch besondere Anordnung zugewiesene Sachen und Entscheidungen uber Wiederaufnahme von Verfahren 7 Es hatte damit die wesentlichen und zentralen Kompetenzen insbesondere jene betreffend der wehrkraftzersetzenden Ausserungen und Taten ubertragen bekommen Das Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin wurde damit von einem Gericht mit besonderer Zustandigkeit zu einem normalen Gericht einer Wehrmachtskommandantur wie in Hamburg oder Wien Mit 20 September 1944 anderte sich die Zustandigkeit erneut indem politische Strafsachen aller Deutschen einschliesslich der Wehrmachtangehorigen die sich gegen das Vertrauen in die politische und militarische Fuhrung richten vom Volksgerichtshof und seinen Sondergerichten zu ahnden war 8 Das Zentralgericht kann als Sondergericht verstanden und bezeichnet werden wobei hier keinesfalls eine Verwechslung mit den bei jedem Oberlandesgerichtsbezirk eingerichteten Sondergerichten der zivilen Gerichtsbarkeit geschehen soll Da die Wehrmachtjustiz an sich eine Sonderjustiz war ist die Klassifizierung jedes einzelnen Militargerichts gleich welcher Ebene als Sondergericht nicht notig Das Zentralgericht des Heeres war zudem kein Hochstgericht Verfahrensstatistik BearbeitenAuch bei diesem Militargericht ist die Rate der Aktenuberlieferung sehr gering statistische Schlusse oder Hochrechnungen nur eingeschrankt moglich Manfred Messerschmidt hat 1992 einen geschlossenen Bestand von 146 Fallen von im Jahre 1944 in Wien von den jeweiligen Aussenstellen Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin Aussenstelle Wien sodann Zentralgericht des Heeres Aussenstelle Wien gefuhrten Verfahren ausgewertet Von den 146 Verfahren endeten 128 mit Urteilen 18 anderweitig Unter den 146 Verfahren waren je ein Fall von Selbstverstummelung und Fahnenflucht die beide mit Todesurteilen geahndet wurden Die restlichen Verfahren endeten mit einem weiteren Todesurteil 100 Gefangnisstrafen 18 Zuchthausstrafen usw Unter den 128 verurteilten Soldaten waren 83 Arbeiter 22 Angestellte 7 Beamte 7 Selbststandige 2 Studenten 2 Schuler und 5 Berufssoldaten Die zersetzenden Ausserungen sind in 69 Fallen wahrend des Heimaturlaubs in 36 Fallen im Dienstbereich Kaserne Transport usw und in 7 Fallen im Lazarett gefallen 9 Ela Hornung fuhrte dies 2010 mit 199 Fallen der Aussenstelle Wien durch und bestatigte die meisten Ergebnisse Die Verurteilen hatten demnach folgende Range 78 Mannschaftsrange 14 Unteroffiziere 3 Offiziere 1 Wehrmachtsgefolge 4 Andere Die haufigsten Delikte waren Wehrkraftzersetzung 149 Falle 75 Unerlaubte Entfernung 8 Falle 4 Diebstahl 6 Falle 3 Fahnenflucht sowie Bestechung je 4 Falle 2 usw 10 Ausgangspunkt Verfahren gegen Lackas und Andere BearbeitenVom 14 Marz bis zum 22 April 1944 fand vor dem Feld Kriegsgericht der Wehrmacht Kommandantur Berlin der Prozess gegen die Verlagsbuchhandler Matthias Lackas Karl Heinz Moldt und Eberhard Ritter von Riewel statt die Wehrmachtstellen bestochen gegen mehrere Paragraphen der Kriegswirtschaftsverordnung verstossen und sich zudem so die Anklage der Wehrkraftzersetzung schuldig gemacht hatten Nach der Grundung des Zentralgerichts am 11 April 1944 begann das neue Gericht sofort mit der Fortfuhrung des Prozesses gegen Lackas und die Mitangeklagten Die personelle Besetzung blieb die des Vorganger Gerichts das den Prozess begonnen hatte Der Prozess gegen Matthias Lackas fuhrte wie mit den letzten Prozesstagen absehbar wurde zu Folgeprozessen innerhalb der Wehrmacht Fur den 12 April 1944 war mit Hans Paul Graf von Monts ein Zeuge von bedeutenden Beziehungen zum Propagandaministerium vorgeladen Die laufenden Korruptionsermittlungen wurden auf den Zeugen ausgeweitet das Verfahren drohte nun Regierungsstellen miteinzubeziehen Rezeption der Umwandlung Bearbeiten Grunde und Bedeutung der Umwandlung des Gerichts der Wehrmachtskommandantur Berlin zum Zentralgericht des Heeres sind umstritten und werden etwa in einen Zusammenhang mit einem Misstrauen Hitlers gegenuber der Wehrmacht und Wehrmachtjustiz gestellt Laut Manfred Messerschmidt ist ein Misstrauen gegenuber der Wehrmachtjustiz unwahrscheinlich worauf etwa die vom Gericht der Wehrmachtskommandantur Berlin ubernommenen Zustandigkeiten und der gleichbleibende Gerichtsherr hindeuten 11 Messerschmidt nennt als Grund fur die Einfuhrung des Zentralgericht des Heeres die von Hitler gewunschte Konzentration der Rechtsprechung in politischen Strafsachen 12 Hitler bekraftigte die gefallten Strukturierungsmassnahmen am 12 Juni 1944 per Fuhrererlass mit dem Auftrag an Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel u m eine wirksame Bekampfung der Korruption sicherzustellen mit grosster Schnelligkeit rucksichtsloser Harte und ohne Ansehen der Person durchzugreifen Jederzeit sollte Keitel bestimmen durfen vor welchem Gericht verhandelt wurde Keitel legte noch an Ort und Stelle in den naheren Ausfuhrungsanordnungen fest dass alle komplexeren Falle vor dem Zentralgericht des Heeres verhandelt werden sollten Der enge zeitliche Zusammenhang der Entscheidungen offenbart dass Keitel zuvor Hitler die Ergebnisse der Arbeit des Zentralgerichts und damit das Verfahren gegen Matthias Lackas und sein Umfeld prasentiert hatte und dass Hitler Zufriedenheit uber die getane Arbeit und die von diesem Gericht gefallten Urteile gezeigt hatte 13 Literatur BearbeitenManfred Messerschmidt Die Wehrmachtjustiz 1933 1945 Paderborn 2005 Roland Kopp Paul von Hase Von der Alexander Kaserne nach Plotzensee Eine deutsche Soldatenbiographie 1885 1944 Berlin 2001 Fritz Wullner Die NS Militarjustiz und das Elend der Geschichtsschreibung Baden Baden 1991 Manfred Messerschmidt Fritz Wullner Die Wehrmachtjustiz im Dienste des Nationalsozialismus Zerstorung einer Legende Baden Baden 1987 Rudolf Absolon Das Wehrmachtstrafrecht im 2 Weltkrieg Sammlung der grundlegenden Gesetze Verordnungen und Erlasse Als Manuskript gedruckt Bundesarchiv Abteilung Zentralnachweisstelle Kornelimunster 1958 Literatur zu Osterreich Bearbeiten Hornung Ela Denunziation als soziale Praxis Falle aus der NS Militarjustiz Wien 2010 Manoschek Walter Hg Opfer der NS Militarjustiz Urteilspraxis Strafvollzug Entschadigungspolitik in Osterreich Wien 2003 Messerschmidt Manfred Der Zersetzer und sein Denunziant Urteil des Zentralgerichts des Heeres in Wien In Wolfram Wette Hg Der Krieg des kleinen Mannes Eine Militargeschichte von unten Munchen 1992 S 255 278 Literatur zu Matthias Lackas et al Bearbeiten Buhler Hans Eugen und Simons Olaf Die blendenden Geschafte des Matthias Lackas Korruptionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs Koln 2004 ISBN 978 3000133435 Weblinks Bearbeitenwww polunbi de Zentralgericht des Heeres Berlin 11 4 1944 20 9 1944 Mit Genehmigung des Autors ubernommen und zu weiteren Veranderungen freigegeben www polunbi de Protokoll des Prozesses gegen Matthias Lackas Karl Heinz Moldt und Eberhard Ritter von Riewel Berlin 14 Marz 1944 22 April 1944Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Messerschmidt Manfred Die Wehrmachtjustiz 1933 1945 Paderborn 2005 S 141 Messerschmidt Manfred Der Zersetzer und sein Denunziant Urteil des Zentralgerichts des Heeres in Wien In Wolfram Wette Hg Der Krieg des kleinen Mannes Eine Militargeschichte von unten Munchen 1992 S 255 278 hier S 257 Dietz Heinrich Wehrmacht Disziplinarstrafordnung vom 6 Juni 1942 mit erganzenden Kriegsvorschriften Leipzig 1943 S 27 f Vgl Dietz Heinrich Wehrmacht Disziplinarstrafordnung vom 6 Juni 1942 mit erganzenden Kriegsvorschriften Leipzig 1943 S 27f Und Messerschmidt Manfred Der Gerichtsherr In Zeitschrift fur Geschichtswissenschaft 52 Jg H 6 2004 S 493 504 hier S 493 Vgl Messerschmidt Manfred Die Wehrmachtjustiz 1933 1945 Paderborn 2005 S 136 Vgl Wullner Fritz Die NS Militarjustiz und das Elend der Geschichtsschreibung Baden Baden 1991 S 95 Und Vgl Messerschmidt Manfred Die Wehrmachtjustiz 1933 1945 Paderborn 2005 S 134f Vgl Messerschmidt Manfred Die Wehrmachtjustiz 1933 1945 Paderborn 2005 S 141 Vgl Erlass des Fuhrers uber die Verfolgung politischer Straftaten von Angehorigen der Wehrmacht Waffen SS und Polizei vom August 1943 Voll abgedruckt in Moll Martin Fuhrer Erlasse 1939 1945 Edition samtlicher uberlieferter nicht im Reichsgesetzblatt abgedruckter von Hitler wahrend des Zweiten Weltkrieges schriftlich erteilter Direktiven aus den Bereichen Staat Partei Wirtschaft Besatzungspolitik und Militarverwaltung Stuttgart 1997 S 458 f Messerschmidt Manfred Der Zersetzer und sein Denunziant Urteil des Zentralgerichts des Heeres in Wien In Wolfram Wette Hg Der Krieg des kleinen Mannes Eine Militargeschichte von unten Munchen 1992 S 255 278 hier S 258 260 Hornung Ela Denunziation als soziale Praxis Falle aus der NS Militarjustiz Wien 2010 S 87 Vgl Messerschmidt Manfred Die Wehrmachtjustiz 1933 1945 Paderborn 2005 S 135 Und Wullner Fritz Die NS Militarjustiz und das Elend der Geschichtsschreibung Baden Baden 1991 S 139 141 Messerschmidt Manfred Der Zersetzer und sein Denunziant Urteil des Zentralgerichts des Heeres in Wien In Wolfram Wette Hg Der Krieg des kleinen Mannes Eine Militargeschichte von unten Munchen 1992 S 255 278 hier S 257 Hitlers Erlass und Keitels Ausfuhrungsanordnungen zum Fuhrererlass vom 12 Juni 1944 erschienen gemeinsam in Heeresmitteilungen 1944 Nr 321 wiederabgedruckt in Absolon Lit S 83 I E 33 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zentralgericht des Heeres amp oldid 237056115