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Wilhelm August Flitner 20 August 1889 in Berka 21 Januar 1990 in Tubingen war ein deutscher Padagoge Er war ab 1926 ausserordentlicher Professor an der Christian Albrechts Universitat Kiel und von 1929 bis 1958 ordentlicher Professor an der Universitat Hamburg war ein Vertreter der geisteswissenschaftlichen Richtung in der Padagogik und einer der fuhrenden Reformpadagogen der Weimarer Republik und der ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik Grab von Wilhelm Flitner Elisabeth Flitner und Susanne von Bargen geb FlitnerFlitner hatte von 1951 bis 1961 als Vorsitzender des Schulausschusses der Westdeutschen Rektorenkonferenz erheblichen Einfluss auf die Reform der gymnasialen Oberstufe die bei Festhalten an einem Grundkanon eine deutliche Akzentsetzung durch die Schuler selbst ermoglichen wollte Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Hochschullehrer in Kiel und Hamburg 1 2 Herausgeber der Zeitschrift Die Erziehung 1 3 Auszeichnungen 2 Werke 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben Bearbeiten nbsp Erinnerung an Wilhelm Flitner Jena Carl Zeiss PlatzWilhelm Flitner studierte ab 1909 in Munchen und Jena Germanistik Anglistik Geschichte und Philosophie In Jena war er in der Freistudentenbewegung aktiv und gehorte dem Serakreis um den Verleger Eugen Diederichs an dort lernte er seine spatere Ehefrau Elisabeth Czapski kennen Tochter des bereits 1907 verstorbenen Zeiss Vorstandes Siegfried Czapski Wilhelm Flitner studierte unter anderem bei Herman Nohl Diltheys letztem Assistenten Aus dem Freundeskreis um Nohl blieb eine lebenslange Freundschaft mit dem Philosophen Rudolf Carnap In Jena wurde Flitner 1912 bei Wilhelm Rein mit einer Arbeit uber August Ludwig Hulsen und dessen Bund der Freien Manner promoviert Von 1914 bis 1918 nahm Flitner am Ersten Weltkrieg teil Danach unterrichtete er als Lehrer an Gymnasien seit 1920 Studienrat in Jena und war 1919 massgeblich an der Grundung der Volkshochschule Jena beteiligt die er von ihrem Beginn 1919 bis 1925 leitete Sein Nachfolger war Adolf Reichwein 1922 habilitierte er sich in Jena mit einer Arbeit zu den Grundlagen der Didaktik Er war Grundungsmitglied des Hohenrodter Bundes 1923 1930 und hier wesentlich an der Theorieentwicklung zum Volksbildungswesen beteiligt 1 Hochschullehrer in Kiel und Hamburg Bearbeiten 1926 wurde Wilhelm Flitner als ausserordentlicher Professor fur Philosophie und Padagogik an die Padagogische Akademie Kiel berufen und von dort als ordentlicher Professor 1929 an die Universitat Hamburg wo er das Seminar fur Erziehungswissenschaft leitete sowie das Padagogische Institut das seit dem Lehrerbildungsgesetz von 1926 auch fur die Lehrerbildung zustandig war bis 1936 und wieder nach dem Zweiten Weltkrieg Das Verhaltnis der geisteswissenschaftlichen Padagogik und ihrer fuhrenden Vertreter zum Nationalsozialismus wird seit etwa 1985 innerhalb der Erziehungswissenschaft der Bundesrepublik kontrovers diskutiert 2 3 1923 schloss sich Flitner kurzzeitig der SPD an ansonsten war er parteilos 4 In einer Rede zur Verfassungsfeier des Hamburger Senats am 11 August 1930 verteidigte Flitner die Weimarer Verfassung und setzte sich fur ihren Erziehungsauftrag ein 5 Die Vorgange nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und die Zeit des Nationalsozialismus sind fur die Universitat Hamburg im Detail historisch aufgearbeitet worden 6 Flitner war letzter Dekan vor 1933 Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen der Intervention im Laufe des Jahres 1933 7 8 zu Gunsten von Kollegen die von den Nationalsozialisten und den Behorden bedroht und spater entlassen wurden und gefahrdet durch die judische Herkunft seiner Frau Elisabeth Czapski versuchte Flitner gemeinsam mit Bruno Snell und Emil Wolff Nischen der Gedankenfreiheit 9 zu bewahren Trotzdem findet sich sein Name auf der Liste der Unterzeichner des Bekenntnisses der deutschen Professoren zu Adolf Hitler im November 1933 10 Allerdings bestehen Zweifel an der Authentizitat der Hamburger Unterschriften 11 Flitner hat auf offene Opposition verzichtet und war Mitglied im NS Lehrerbund und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt NSV 10 12 Im Laufe des Jahres 1933 7 8 und nachdrucklich seit dem Jahr 1935 distanzierte sich Flitner vom Nationalsozialismus seine Entlassungsurkunde aus der Universitat lag seit 1937 bereits unterschrieben beim Leiter der Hamburger Hochschulbehorde wurde aber nicht ausgehandigt 13 Die Lehrerbildung wurde 1936 der Universitat entzogen und an die neu gegrundete Hochschule fur Lehrerbildung verlagert Flitner beschaftigte sich in dieser Zeit deshalb mit allgemein geisteswissenschaftlichen Fragen insbesondere mit Goethes Spatwerk Spater waren seine Seminare Treffpunkte der Hamburger Weissen Rose zu deren Unterstutzern er neben dem Mediziner Rudolf Degkwitz zahlte 14 15 Bereits drei Tage nach dem Einmarsch britischer Truppen in Hamburg am 3 Mai 1945 begann Flitner gemeinsam mit anderen universitatsintern als Gegner des nationalsozialistischen Regimes bekannten Professoren wie Rudolf Laun Bruno Snell und dem spateren Rektor Emil Wolff die Reorganisation der Universitat Hamburg 16 Flitner nahm zunachst improvisiert seine Vorlesungstatigkeit wieder auf und ubernahm nach der Wiedereroffnung der Universitat erneut die Leitung des Padagogischen Instituts und die diesem wieder zugewiesene Lehrerbildung bis 1958 Von 1951 bis 1961 hatte Flitner den Vorsitz des Schulausschusses der Westdeutschen Rektorenkonferenz inne und organisierte die Tutzinger Gesprache zur Hochschulreife bis 1961 In dieser Funktion pragte er wesentlich die Reform der gymnasialen Oberstufe Herausgeber der Zeitschrift Die Erziehung Bearbeiten In der Weimarer Republik gab Flitner ab 1925 gemeinsam mit Aloys Fischer Theodor Litt Herman Nohl und Eduard Spranger die Zeitschrift Die Erziehung heraus deren Schriftleiter er zugleich war In der Marzausgabe der Erziehung von 1933 erschienen zwei Artikel von Spranger und Flitner die sich mit der so genannten Machtergreifung der Nationalsozialisten im Grunde positiv wenn auch mit mahnendem Unterton auseinandersetzen Im nachsten Heft folgten zwei Aufsatze von Martin Havenstein und Theodor Litt die sich unmittelbar gegen die nationalsozialistischen Lehren wandten 1935 legte Flitner die Schriftleitung nieder weil er sich weigerte der Forderung des Verlags nachzukommen der Reichsschrifttumskammer beizutreten und die Zeitschrift dem Zeitgeist anzupassen 1937 schieden Flitner Litt Nohl und Fischer aus dem Herausgeberkreis der Erziehung aus 17 1943 wurde die Zeitschrift eingestellt Nach dem Zweiten Weltkrieg war Flitner Mitbegrunder der Zeitschriften Die Sammlung 1945 60 sowie Der Evangelische Erzieher seit 1949 1955 begrundete Flitner gemeinsam mit Fritz Blattner Otto Friedrich Bollnow Josef Dolch und Erich Weniger die Zeitschrift fur Padagogik Auszeichnungen Bearbeiten 1963 erhielt Flitner den Goethe Preis der Alfred Toepfer Stiftung F V S 1964 verlieh ihm die Theologische Fakultat der Universitat Tubingen die Ehrendoktorwurde Er starb am 21 Januar 1990 und wurde auf dem Nienstedtener Friedhof in Hamburg bestattet Seine Kinder sind Andreas Flitner spater ebenfalls Professor fur Padagogik die Studienratin Roswitha Lohse Flitner verheiratet mit Eduard Lohse und Hugbert Flitner 18 Bettina Flitner Michael Flitner und Martin Lohse sind seine Enkel Werke BearbeitenAugust Ludwig Hulsen und der Bund der freien Manner Jena 1913 Dissertation Laienbildung Berlin 1931 Digitalisat Allgemeine Padagogik Stuttgart 1950 15 Aufl 1997 ISBN 3 608 91882 5 Das Selbstverstandnis der Erziehungswissenschaft in der Gegenwart Heidelberg 1957 Hochschulreife und Gymnasium Heidelberg 1959 Die gymnasiale Oberstufe Heidelberg 1961 Europaische Gesittung Ursprung und Aufbau abendlandischer Lebensformen Zurich 1961 uberarbeitet als Die Geschichte der abendlandischen Lebensformen Munchen 1967 Grundlegende Geistesbildung Studien zur Theorie der wissenschaftlichen Grundbildung und ihrer kulturellen Basis Heidelberg 1965 Ausgewahlte padagogische Abhandlungen Besorgt v Heinrich Kanz mit Biografie und Bibliografie Paderborn 1967 Wilhelm Flitner Hrsg Johann Heinrich Pestalozzi Ausgewahlte Schriften Godesberg 1949 Neuausgabe durchges u erg v Udo Grun Weinheim 2001 ISBN 3 407 22089 8 Im Schoningh Verlag Paderborn erscheinen seit 1982 die Gesammelten Schriften hrsg v Karl Erlinghagen Andreas Flitner Ulrich Herrmann Bd 1 Erwachsenenbildung 1982 ISBN 3 506 72561 0 Bd 2 Padagogik Systematische Padagogik Allgemeine Padagogik 1983 ISBN 3 506 72562 9 Bd 3 Theoretische Schriften Abhandlungen zu normativen Aspekten und theoretischen Begrundungen der Padagogik 1989 ISBN 3 506 72563 7 Bd 4 Die Padagogische Bewegung 1987 ISBN 3 506 72564 5 Bd 5 Studien zur Bildungsgeschichte 1985 ISBN 3 506 72565 3 Bd 6 Goethe im Spatwerk 1983 ISBN 3 506 72566 1 Bd 7 Die Geschichte der abendlandischen Lebensformen 1990 ISBN 3 506 72567 X Bd 8 Goethe Studien Humanismus Studien 2002 ISBN 3 506 72568 8 Bd 9 Volksschule und Elementarbildung 2005 ISBN 3 506 72569 6 Bd 10 Gymnasium und Universitat 1997 ISBN 3 506 72570 X Bd 11 Erinnerungen 1889 1945 1986 ISBN 3 506 72571 8 Bd 12 Nachlese In zwei Teilbanden 2014 ISBN 3 506 72572 6 Literatur BearbeitenUlrich Herrmann Wilhelm Flitner 1889 1990 Padagoge und Bildungstheoretiker Goethe Forscher und Kulturphilosoph Eine biographie intellectuelle Klinkhardt Bad Heilbrunn 2021 ISBN 978 3 7815 2437 8 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Wilhelm Flitner Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Wilhelm Flitner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Wilhelm Flitner im Munzinger Archiv Artikelanfang frei abrufbar Kurzubersicht uber die Geschichte der Volkshochschule Jena Gerhard Jurs Zeitgeschichtliche Einschatzung Wilhelm Flitners im Nationalsozialismus auf Grundlage neuer QuellenEinzelnachweise Bearbeiten Fritz Laack Das Zwischenspiel freier Erwachsenenbildung Bad Heilbrunn 1984 S 624 ff Wolfgang Klafki Die gegenwartigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft uber das Verhaltnis der Geisteswissenschaftlichen Padagogik zum Nationalsozialismus Marburg 1998 http archiv ub uni marburg de sonst 1998 0003 k10 html Ulrich Herrmann Jurgen Oelkers Hg Padagogik und Nationalsozialismus Weinheim Basel Beltz Verlag 1988 Rainer Hering Wilhelm Flitner In Hamburgische Biografie Personenlexikon Hg Franklin Kopitzsch Dirk Brietzke Hamburg Christians Verlag 2003 Band 2 S 125 126 Staatsarchiv Hamburg Erziehung und Schule im neuen Volksstaat Rede von Professor Dr Wilhelm Flitner bei der Verfassungsfeier am 11 August 1930 in der Hamburger Musikhalle Staatsarchiv Hamburg 135 1 I IV Eckart Krause Ludwig Huber Holger Fischer Hrsg Hochschulalltag im Dritten Reich Die Hamburger Universitat 1933 1945 Dietrich Reimer Verlag Berlin und Hamburg 1991 3 Bande a b Peter Borowsky Die Philosophische Fakultat in Eckart Krause Ludwig Huber Holger Fischer Hrsg Hochschulalltag im Dritten Reich Die Hamburger Universitat 1933 1945 Dietrich Reimer Verlag Berlin und Hamburg 1991 Bd 2 S 441 458 a b Hans Scheuerl Zur Geschichte des Seminars fur Erziehungswissenschaft in Eckart Krause Ludwig Huber Holger Fischer Hrsg Hochschulalltag im Dritten Reich Die Hamburger Universitat 1933 1945 Dietrich Reimer Verlag Berlin und Hamburg 1991 Bd 2 S 519 535 Barbara Vogel Hochschullehrer und Staat in Eckart Krause Ludwig Huber Holger Fischer Hrsg Hochschulalltag im Dritten Reich Die Hamburger Universitat 1933 1945 Dietrich Reimer Verlag Berlin und Hamburg 1991 Bd 1 S 50 u S 80 a b Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Zweite aktualisierte Auflage Frankfurt am Main 2005 S 156 Hans Fischer Volkerkunde in Eckart Krause Ludwig Huber Holger Fischer Hrsg Hochschulalltag im Dritten Reich Die Hamburger Universitat 1933 1945 Dietrich Reimer Verlag Berlin und Hamburg 1991 Bd 2 S 597 u S 605 Klaus Saul Lehrerbildung in Demokratie und Diktatur in Eckart Krause Ludwig Huber Holger Fischer Hrsg Hochschulalltag im Dritten Reich Die Hamburger Universitat 1933 1945 Dietrich Reimer Verlag Berlin und Hamburg 1991 Bd 1 S 391ff Helmut Peukert Reflexion am Ort der Verantwortung Herausforderung durch Wilhelm Flitners padagogisches Denken Zeitschrift fur Padagogik 26 Beiheft Weinheim und Basel Beltz Verlag 1991 S 15 27 Hans Harald Muller Joachim Schoberl Hamburger Weisse Rose in Eckart Krause Ludwig Huber Holger Fischer Hrsg Hochschulalltag im Dritten Reich Die Hamburger Universitat 1933 1945 Dietrich Reimer Verlag Berlin und Hamburg 1991 Bd 1 S 427 Hans Scheuerl Erziehungswissenschaft in Eckart Krause Ludwig Huber Holger Fischer Hrsg Hochschulalltag im Dritten Reich Die Hamburger Universitat 1933 1945 Dietrich Reimer Verlag Berlin und Hamburg 1991 Bd 2 S 527 Arnold Sywottek Ausblick Uber die Anfange der Universitat Hamburg in Eckart Krause Ludwig Huber Holger Fischer Hrsg Hochschulalltag im Dritten Reich Die Hamburger Universitat 1933 1945 Dietrich Reimer Verlag Berlin und Hamburg 1991 Bd 3 S 1389 Wilhelm Flitner Erinnerungen Schoningh Verlag Paderborn 1986 S 374 Rainer Nicolaysen Vorwort in Der Prasident der Universitat Hamburg hrsg Wilhelm Flitner 1889 1990 ein Klassiker der Erziehungswissenschaft Zur 125 Wiederkehr seines Geburtstags Reden der Festveranstaltung der Fakultat fur Erziehungswissenschaft der Universitat Hamburg am 22 Oktober 2014 Hamburg 2015 online Normdaten Person GND 118533991 lobid OGND AKS LCCN n81089882 VIAF 108537541 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Flitner WilhelmALTERNATIVNAMEN Flitner Wilhelm AugustKURZBESCHREIBUNG deutscher PadagogeGEBURTSDATUM 20 August 1889GEBURTSORT BerkaSTERBEDATUM 21 Januar 1990STERBEORT Tubingen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wilhelm Flitner amp oldid 230923985