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Wiener Schule der Kunstgeschichte ist ein Sammelbegriff fur die an der Universitat Wien entwickelten fundamentalen kunsthistorischen Methoden Es handelt sich um eine uber mehrere Generationen reichende wissenschaftliche Evolution wobei eine Reihe Gelehrter jeweils auf den Erkenntnissen ihrer Vorganger aufbaute und sie weiterentwickelte Wesentliche Elemente davon wurden grundlegend fur die gesamte moderne Kunstwissenschaft wenngleich die einzelnen Methodenentwurfe heute keine uneingeschrankte Gultigkeit mehr haben Ein charakteristischer Zug ist das Bemuhen um Ausgewogenheit von Theorie und Praxis Fast alle bedeutenden Reprasentanten der Wiener Schule waren bestrebt die akademische Laufbahn als Universitatslehrer mit der konservatorischen Tatigkeit in Museum und Denkmalpflege zu vereinen Der Begriff Wiener kunsthistorische Schule wurde erstmals von Otto Benesch 1920 verwendet und erlangte durch Julius von Schlossers wissenschaftsgeschichtliche Abhandlung von 1934 allgemeine Verbreitung Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten Vertreter erwahnt Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Pragmatische Kunstgeschichte 1 2 Formalistische Kunstgeschichte 1 3 Idealistische Kunstgeschichte 1 4 Strukturalistische Kunstgeschichte 1 5 Ideologische Kunstgeschichte 1 6 Synthese 2 Literatur Auswahl 3 WeblinksGeschichte BearbeitenPragmatische Kunstgeschichte Bearbeiten Als Stammvater der Wiener Schule gilt Rudolf Eitelberger der sich in den Jahren des Vormarz im privaten Rahmen eine profunde Kunstkennerschaft erworben hatte und 1852 als erster Professor fur Kunstgeschichte an die Universitat Wien berufen wurde Sein Anliegen war die seinerzeit ubliche asthetische Kunstbetrachtung durch historische Fakten zu objektivieren Die kunsthistorische Forschung betrachtete er als Voraussetzung zur Hebung des Geschmacks und zur Verbesserung des zeitgenossischen Kunstschaffens Mit dieser zweckorientierten Einstellung wurde er zu einem der massgeblichen Protagonisten des Historismus in Osterreich Der erste Absolvent des neuen Kunstgeschichtsstudiums bei Eitelberger war Moritz Thausing der 1879 selbst zum zweiten Ordinarius bestellt wurde Er setzte den entscheidenden Schritt uber seinen Lehrer hinaus in Richtung auf eine autonome zweckfreie Wissenschaft und forderte die vollstandige Trennung von Kunstgeschichte und Asthetik Formalistische Kunstgeschichte Bearbeiten Thausings Schuler Franz Wickhoff Professur 1891 und Alois Riegl Professur 1897 erfullten dieses Postulat indem sie Methoden der vergleichenden Stilanalyse entwarfen und jegliches personliche Geschmacksurteil auszuschalten trachteten So gelangten beide zu einer Neubewertung der Spatantike die bis dahin als Verfallsepoche geringgeschatzt worden war Namentlich Riegl als erklarter Anhanger des Positivismus konzentrierte sich auf den rein formalen Bestand des Kunstwerkes und lehnte jede inhaltliche Auseinandersetzung als metaphysische Spekulation ab Idealistische Kunstgeschichte Bearbeiten Nach dem fruhen Tod Riegls und Wickhoffs wurde eine der beiden kunsthistorischen Lehrkanzeln 1909 mit Max Dvorak besetzt der zunachst die Tradition seiner Vorganger fortsetzte Allmahlich wandte sich Dvoraks Interesse aber den inhaltlichen Belangen des Kunstschaffens zu also gerade dem was fur Riegl nicht Gegenstand der Kunstgeschichte gewesen war Unter dem Eindruck des zeitgenossischen Expressionismus gewann Dvorak ein tiefes Verstandnis fur die unklassische Gestaltungsweise des Manierismus Dvoraks idealistische Methode die spater mit dem Terminus Kunstgeschichte als Geistesgeschichte belegt wurde fand in Hans Tietze und Otto Benesch ihre engagiertesten Verfechter Strukturalistische Kunstgeschichte Bearbeiten Auch Max Dvorak starb fruh und 1922 trat Julius von Schlosser dessen Nachfolge an Schlosser verkorperte den Typus des klassisch humanistischen Gelehrten und hegte zeitlebens eine Vorliebe fur die Kunst und Kultur Italiens Er war eng befreundet mit dem italienischen Philosophen Benedetto Croce und dem Munchner Romanisten Karl Vossler unter deren Einfluss er eine kunsthistorische Methode in Anlehnung an sprachwissenschaftliche Modelle entwickelte Von der Stilgeschichte des genialen Kunstlers und seiner singularen Schopfung unterschied er eine Sprachgeschichte der bildenden Kunst die das breite Spektrum des bildnerischen Schaffens umfasst Aus Schlossers Schule gingen neben Ernst Kris Hans Sedlmayr Otto Pacht und Ernst H Gombrich hervor die in den dreissiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts den kunstwissenschaftlichen Strukturalismus begrundeten Meyer Schapiro pragte dafur den Begriff Neue Wiener Schule Ideologische Kunstgeschichte Bearbeiten Eine Sonderstellung nimmt Josef Strzygowski ein der 1909 gleichzeitig mit Max Dvorak auf den zweiten Lehrstuhl berufen worden war Er war ein Gegner der traditionellen Geschichtsauffassung und vertrat eine antiklassische antihumanistische und antiklerikale Einstellung Entgegen dem gelaufigen auf das antike Rom und Hellas bezogenen Geschichtsbild richtete er sein Interesse auf den Orient und meinte dort die Spuren eines ursprunglichen nordischen Wesens zu entdecken das den Gewalten des mediterranen Machtstrebens unterlegen war Mit diesen eigenwilligen Ansichten befand er sich im Gegensatz zum orthodoxen Zweig der Wiener Schule insbesondere zum Erzhumanisten Schlosser der seinerseits Strzygowski als Attila der Kunstgeschichte verfemte Es kam zur volligen auch raumlichen Trennung so dass fortan zwei kunsthistorische Institute nebeneinander existierten Da auch die Methoden seiner Gegner Strzygowskis Anspruche nicht erfullen konnten konstruierte er eine streng tabellarisch aufgebaute Planforschung die absolute Objektivitat garantieren sollte aus heutiger Sicht freilich unpraktikabel ist und lediglich der Untermauerung seiner Theorien diente Strzygowskis Weltanschauung nahm zusehends skurrilere rassistische Zuge an und naherte sich der nationalsozialistischen Ideologie Dennoch wurde sein Institut 1933 mit seiner Emeritierung geschlossen Heute wird ihm das Verdienst zugestanden die Grenzen der abendlandischen Kunstgeschichte erweitert und fur aussereuropaische Kulturen geoffnet zu haben Und seine Wertschatzung abstrakter Kunst die er als spezifisch nordische Qualitat verstand enthalt Ansatze zu einer kunstwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Moderne Trotz immer noch bestehender Vorbehalte hat Strzygowski heute auch seinen angemessenen Platz im Kreis der Wiener Schule Synthese Bearbeiten Die Zeit des Nationalsozialismus bedeutete eine Zasur fur die Wiener Schule Zahlreiche Gelehrte mussten emigrieren und kamen in Kontakt mit den wissenschaftlichen Gedanken anderer Nationen insbesondere des angloamerikanischen Raumes Als deklarierter Nationalsozialist fuhrte Hans Sedlmayr das Institut weiter und stand bei Kriegsende auch vor dem Ende seiner Karriere auf Wiener Boden 1946 ubernahm Karl Maria Swoboda die Leitung des Instituts an dem sich nun eine Synthese der vordem rivalisierenden Schulen Schlossers und Strzygowskis freilich fern von dessen ideologischer Intransigenz herausbildete 1963 wurden wieder zwei Ordinariate fur Otto Pacht und Otto Demus geschaffen Unter den beiden Ottonen stieg Wien zum Mekka der Mittelalterkunstgeschichte auf aber auch der klassischen Moderne widmete sich mit Fritz Novotny ein Fachmann Als jungster dem Erbe der Wiener Schule verpflichteter Gelehrter der dieses individuell weiterentwickelte und fur den wissenschaftlichen Umgang mit der Gegenwartskunst adaptierte darf Werner Hofmann gelten Literatur Auswahl BearbeitenOtto Benesch Die Wiener kunsthistorische Schule In Osterreichische Rundschau Bd 62 1920 S 174 178 Julius von Schlosser Die Wiener Schule der Kunstgeschichte Ruckblick auf ein Sakulum deutscher Gelehrtenarbeit in Osterreich Mitteilungen des Osterreichischen Instituts fur Geschichtsforschung Erganzungsband 13 Heft 2 Wagner Innsbruck 1934 Meyer Schapiro The New Viennese School In The Art Bulletin Bd 18 1936 H 2 S 258 266 PDF Wien und die Entwicklung der kunsthistorischen Methode Akten des XXV Internationalen Kongresses fur Kunstgeschichte 1983 Bd 1 Bohlau Wien Graz 1984 Christopher S Wood The Vienna School reader Politics and art historical method in the 1930s New York 2000 Wiener Schule Erinnerungen und Perspektiven Wiener Jahrbuch fur Kunstgeschichte Bd 53 Bohlau Wien 2004 Edwin Lachnit Die Wiener Schule der Kunstgeschichte und die Kunst ihrer Zeit Zum Verhaltnis von Methode und Forschungsgegenstand am Beginn der Moderne Bohlau Wien Koln Weimar 2005 Matthew Rampley The Vienna School of Art History Empire and the Politics of Scholarship Pennsylvania State University Press University Park 2013 Weblinks BearbeitenMaximilian Hartmuth Golo Maurer Raphael Rosenberg Kunstgeschichte an der Universitat Wien Die Entstehung einer akademischen Wissenschaft 1847 20 Jhdt Stand 1 Juli 2015 abgerufen am 7 Marz 2016 Universitatsprofessoren fur Kunstgeschichte an der Universitat Wien Fruhere Lehrkanzel Kunstgeschichte II Rudolf Eitelberger 1852 1885 Alois Riegl 1897 1905 Max Dvorak 1909 1921 Julius von Schlosser ab 1922 Hans Sedlmayr ab 1936 Karl M Swoboda ab 1946 Otto Pacht ab 1963 Hermann Fillitz ab 1974 Hellmut Lorenz ab 1997 Sebastian Schutze ab 2009 Spatere Lehrkanzel Kunstgeschichte I Moritz Thausing 1873 1884 Franz Wickhoff 1885 1909 Josef Strzygowski 1909 1933 Otto Demus ab 1963 Gunther Heinz ab 1976 Friedrich Teja Bach ab 1994 Sebastian Egenhofer ab 2016 Weitere Lehrkanzeln bzw Universitatsprofessoren Otto Benesch ab 1948 Fritz Novotny ab 1948 Renate Wagner Rieger ab 1964 Gerhard Schmidt ab 1964 Helmut Buschhausen ab 1975 Artur Rosenauer ab 1976 Deborah Klimburg Salter ab 1996 Michael Viktor Schwarz ab 1998 Lioba Theis ab 2005 Raphael Rosenberg ab 2009 Julia Gelshorn 2010 2014 Sebastian Egenhofer 2012 2013 Markus Ritter ab 2012 Noit Banai 2014 2019 Lukas Nickel ab 2016 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wiener Schule der Kunstgeschichte amp oldid 231966511