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Ein Webstuhl ist eine mechanische Vorrichtung zur Herstellung von Geweben Nach DIN ISO 5247 1 ist die Bezeichnung Webstuhl einer von Hand getriebenen Webeinrichtung vorbehalten 1 Tatsachlich benutzt man jedoch in der Umgangssprache und oft auch in der Fachliteratur den Ausdruck Webstuhl fur alle Webeinrichtungen einschliesslich Webmaschinen 2 Indischer HandwebstuhlIslandischer GewichtswebstuhlArbeit am Trittwebstuhl Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Aufbau eines Flachwebstuhls 3 Webstuhl im 3 Jahrtausend 4 Einzelnachweise 5 Siehe auch 6 WeblinksGeschichte BearbeitenDa die Vorlaufer unserer Webstuhle aus verganglichen Materialien bestanden gibt es kaum Zeugnisse uber deren Aussehen Man ist folglich auf fruhgeschichtliche Texte bildliche Darstellungen und Ausgrabungen angewiesen 3 Obwohl zuverlassige Angaben fehlen wird angenommen dass man die Kette ursprunglich waagerecht aufspannte dann zur senkrechten Anordnung uberging und schliesslich wieder zur waagerechten zuruckkehrte 4 Manche Forscher sehen aber den senkrechten Gewichtswebstuhl als altestes Webgerat an Dieser Webstuhl war zwar sehr weit verbreitet ob diese Konstruktion aber alter ist als der besonders bei den Nomaden anzutreffende Pflockwebstuhl oder der vor allem in China schon fruh nachweisbare Ruckenband oder Huftwebrahmen lasst sich ebenfalls nicht exakt beantworten 5 Die Existenz von Webtechniken kann indirekt bereits fur das 6 vorchristliche Jahrtausend nachgewiesen werden da Gewebe im anatolischen Catalhoyuk gefunden wurden 6 7 Auch die ab etwa 6000 v Chr ubliche Keramikbemalung die sich von Anatolien uber Sudosteuropa Sesklo Karanowo Starcevo Kultur bis nach Mitteleuropa Linearbandkeramik ausbreitete weist manchmal geometrische Muster auf wie sie fur Web oder Flechttechniken typisch sind An Fundstellen dieser Kulturen wurden auch keramische Webgewichte fur Gewichtswebstuhle gefunden 8 Der aufrecht stehende Gewichtswebstuhl fand schon fruh in verschiedenen Regionen eine weite Verbreitung Die Germanen und Kelten stellten in Mitteleuropa wahrend der Eisenzeit Gewebe darauf her Ein Beweis fur die Verwendung des Gewichtswebstuhls in den Regionen nordlich der Alpen existiert in Form einer Vasenzeichnung aus der Hallstattzeit die in Sopron Ungarn gefunden wurde Dieser Webstuhltyp lasst sich auch in Griechenland auf Kreta auf Zypern und Vorderasien nachweisen Darstellungen auf Vasen aus dem 6 4 vorchristlichen Jahrhundert belegen dies Vermutet wird dieser Webstuhl sogar auch fur Alt China aber die Hinweise darauf sind ausserst sparlich 9 10 Die alteste Abbildung eines horizontalen Webrahmens ist eine Ritzzeichnung auf der Innenseite einer Keramikschale vom Fundplatz Badari Agypten sie wird auf etwa 4400 v Chr datiert Die Schale Badari Grab 3802 ist zusammen mit etwa gleich alten Leinresten im Londoner Petrie Museum of Egyptian Archaeology ausgestellt 11 12 Aus dem Mittleren Reich 2137 1781 v Chr in Agypten das zeitlich etwa mit der Fruhbronzezeit in Mitteleuropa ubereinstimmt gibt es aus dem Grab des Meketre eine Modellszene die das Weben mit horizontalen Webrahmen zeigt 13 Dieses Webgerat wurde aber nicht nur in Agypten genutzt sondern stammt wahrscheinlich ursprunglich aus dem nordlichen Teil des Fruchtbaren Halbmondes von wo es sich auch bis nach Indien ausbreitete 14 15 In China war der Ruckenband oder Huftwebrahmen vermutlich das erste Webgerat das auch zu der horizontalen Webtechnik gehort Dabei wurden die Kettfaden zwischen zwei parallel angeordneten Holzstaben gespannt Der Kettbaum wurde an einem Posten oder Baum fest gemacht der Warenbaum war an einem Gurt den die Weberin um die Hufte gelegt hatte befestigt Durch die Bewegung des Korpers konnte die Kette gelockert oder gespannt werden Die Weberin konnte den Kettbaum auch von der sitzenden Weberin direkt mit den Fussen gehalten werden Auch in anderen Landern Indochinas und auch in Japan ist der Ruckenbandwebstuhl nachgewiesen und auch bei den Ureinwohnern Sudamerikas findet man diese einfachen Webegerate 16 17 Aber in China ergaben sich schon fur die Zeit der Streitenden Reiche 475 221 v Chr und der Han Zeit erste Hinweise auf die Nutzung eines Schragwebstuhls mit Trittvorrichtungen an dem der Weber mit den Fussen durch das Treten auf Pedale Tritte die mittels Schnuren verbundenen Schafte und die darin eingezogenen Kettfaden hoben und senkten Dabei wurde das Webfach gebildet Die Webleistung konnte erheblich verbessert werden 18 In Europa erfolgte die Einfuhrung des Trittwebstuhls wahrscheinlich ab dem 11 Jahrhundert Eine grundlegende Anderung der Webtechnik bis etwa zur Mitte des 18 Jahrhunderts erfolgte nicht mehr Der Trittwebstuhl hatte bis dahin den senkrechten Gewichtswebstuhl verdrangt Aber die Erfindung des fliegende Schutzen des Englanders John Kay hat im Jahr 1733 etwa die dreifache Leistung des Webstuhls ca 40 m Schuss pro Minute gegenuber dem damaligen Standard gebracht Das Schiffchen mit Schussgarn wird mit sogenannten Treibern durch das Webfach geschossen Die Treiber befinden sich an beiden Seiten des Webstuhls im Schutzenkasten verbunden mit einer Schnurvorrichtung Der Weber bringt durch einen ruckartigen Zug an der Schnur den Treiber in Bewegung 19 Edmond Cartwright hat im Jahr 1785 mit der Erfindung des sogenannten power loom die erste mechanisierte Webmaschine konstruiert Die bisher ausschliesslich verwendeten Hand Webstuhle wurden insbesondere in den Industrielandern verhaltnismassig schnell durch Webmaschinen ersetzt Ein funfzehnjahriger Junge konnte angeblich zwei Webmaschinen bedienen und brachte so etwa die dreieinhalbfache Leistung gegenuber einem Handweber 20 Aufbau eines Flachwebstuhls Bearbeiten nbsp Schema eines Flachwebstuhls Die Walze rechts a ist der Kettbaum Die Walze links b ist der Warenbaum auf den das fertige Gewebe aufgerollt wird Bei einem Flachwebstuhl verlaufen die Kettfaden waagerecht Sie werden vom Kettbaum a abgewickelt und zum Warenbaum b transportiert In der Mitte des Webstuhls sind zwei Schafte c quer zu den Kettfaden angeordnet Jeder Schaft besteht aus einer oberen und einer unteren waagerechten Tragschiene die mit Drahten verbunden sind An jedem Schaft ist eine Reihe von Litzen f senkrecht aufgehangt Durch die sogenannten Augen Offnungen in der Mitte der Litzen verlaufen die Kettfaden Durch die Mechanik wird jeweils ein Schaft angehoben und gleichzeitig der andere Schaft gesenkt Mit den Schaften werden zugleich die Litzen und damit auch die Kettfaden auf und ab bewegt Wahrend ein Kettfaden angehoben wird werden die benachbarten Kettfaden gesenkt Dadurch wird die Kette Gesamtheit der Kettfaden gespreizt und bildet ein Fach fur den Schutzen i auch Schiffchen genannt Durch den Schuss mit dem Schiffchen wird der Schussfaden quer zu den Kettfaden eingetragen anschauliches Video siehe 21 Das Weberblatt h befindet sich zwischen den Schaften und dem Warenbaum Nach jedem Schuss wird das Weberblatt in Richtung Warenbaum bewegt Das Weberblatt druckt dadurch den neu eingetragenen Schussfaden an das schon fertige Gewebe an und presst die Faden aneinander Eine ahnliche Darstellung desselben Aufbaus befindet sich auch unter Aufbau und Funktionsweise einer einfachen Webmaschine Webstuhl im 3 Jahrtausend Bearbeiten nbsp Pakistanische Gefangnisinsassen bei der Arbeit an Webstuhlen 2010 nbsp Handgewebter indischer Sari source source Tonaufnahme eines HandwebstuhlsIn einigen Entwicklungslandern sind immer noch mehr Handwebstuhle als Webmaschinen fur gewerbliche Zwecke im Betrieb In Indien wurden im Jahr 2010 auf ca 2 4 Millionen Handwebstuhlen uber 80 Anteil an der weltweiten Kapazitat mehr als 7 Milliarden m Gewebe produziert 22 Neue Webstuhle werden in Indien fur etwa 1000 Euro angeboten 23 In Europa gibt es nur noch Designer Webwerkstatten fur exklusive Erzeugnisse 24 Beschaftigung von Betreuten in karitativen und erzieherischen Anstalten 25 Privatpersonen betreiben Handweben als Hobby Einzelnachweise Bearbeiten DIN ISO 5247 1 Textilmaschinen und Zubehor Webmaschinen Einteilung und Begriffe Mai 2005 Autorenkollektiv Weberei Technik Arbeitgeberkreis Gesamttextil Frankfurt Main 1988 ISBN 3 926685 39 5 S 0 02 Erika Arndt Handbuch Weben Geschichte Materialien und Techniken des Handwebens 2 uberarbeitete Auflage Haupt Verlag Bern 2014 ISBN 978 3 258 60102 1 S 10 Hugo Glafey Die Textilindustrie Die Herstellung textiler Flachengebilde Verlag von Quelle amp Meyer Leipzig 1913 S 43 44 Stefan Mecheels Herbert Vogler Josef Kurz Kultur amp Industriegeschichte der Textilien Wachter GmbH Bonnigheim 2009 ISBN 978 3 9812485 3 1 S 70 Antoinette Rast Eicher Sabine Karg Lise Bender Jorgensen The use of local fibres for textiles at Neolithic Catalhoyuk In Antiquity Band 95 Nr 383 Oktober 2021 ISSN 0003 598X S 1129 1144 doi 10 15184 aqy 2021 89 cambridge org abgerufen am 21 Mai 2023 Marla Mallett A Weaver s View of the Catal Huyuk Controversy 1989 abgerufen am 21 Mai 2023 englisch LBK Ralph Einicke Linienbandkeramik LBK In Hans Jurgen Beier und Ralph Einicke Hrsg Das Neolithikum im Mittelelbe Saale Gebiet und in der Altmark Eine Ubersicht und ein Abriss zum Stand der Forschung WILKAU HASSLAU 1994 30 Stefan Mecheels Herbert Vogler Josef Kurz Kultur amp Industriegeschichte der Textilien Wachter GmbH Bonnigheim 2009 ISBN 978 3 9812485 3 1 S 71 Erika Arndt Handbuch Weben Geschichte Materialien und Techniken des Handwebens 2 uberarbeitete Auflage Haupt Verlag Bern 2014 ISBN 978 3 258 60102 1 S 13 E J W Barber Prehistoric Textiles Princeton University Press 1991 ISBN 0 691 00224 X S 83 Almut Bohnsack Spinnen und Weben Entwicklung von Technik und Arbeit im Textilgewerbe Rasch Verlag Bramsche 2002 ISBN 978 3935326810 S 44 Abbildung des Modells im Grab des Meketre Quelle Website des UCL Stefan Mecheels Herbert Vogler Josef Kurz Kultur amp Industriegeschichte der Textilien Wachter GmbH Bonnigheim 2009 ISBN 978 3 9812485 3 1 S 67 E J W Barber Prehistoric Textiles Princeton University Press 1991 ISBN 0 691 00224 X S 90 E J W Barber Prehistoric Textiles Princeton University Press 1991 ISBN 0 691 00224 X S 80 81 Stefan Mecheels Herbert Vogler Josef Kurz Kultur amp Industriegeschichte der Textilien Wachter GmbH Bonnigheim 2009 ISBN 978 3 9812485 3 1 S 71 73 Stefan Mecheels Herbert Vogler Josef Kurz Kultur amp Industriegeschichte der Textilien Wachter GmbH Bonnigheim 2009 ISBN 978 3 9812485 3 1 S 98 S 210 John Kay Famous Inventor englisch Power Loom spartacus educational com englisch Wie funktioniert ein Webstuhl Video mit anschaulicher Erlauterung entstanden im LVR Industriemuseum Euskirchen Tuchfabrik Muller Note on Handloom Sector Government of India Ministry of Textiles 30 Dezember 2015 englisch Angebote neuer Webstuhle in Indien Beispiel Beispiel Sakkomanufaktur in Hamburg Teppichweberei in Basel Beispiel fur Handweberei in einer sozialtherapeutischen Anstalt Himmelschlusselhof TexingSiehe auch BearbeitenWeben Liste von TextilmuseenWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Webstuhl Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Normdaten Sachbegriff GND 4064913 1 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Webstuhl amp oldid 233924072