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Virtuelle Arbeit ist ein Konzept der Analytischen Mechanik bzw der Technischen Mechanik und bezeichnet sowohl die Arbeit die eine Kraft an einem System bei einer virtuellen Verschiebung verrichtet 1 als auch die Arbeit die eine virtuelle Kraft an einer realen Verschiebung leistet Unter einer virtuellen Verschiebung versteht man eine Gestalt oder Lageanderung des Systems die mit den Bindungen z B Lager vertraglich und instantan sonst aber willkurlich und ausserdem infinitesimal klein ist Das Prinzip der virtuellen Arbeit resultiert aus dem Prinzip der virtuellen Leistung und wird ebenso zur Berechnung des Gleichgewichts in der Statik und zum Aufstellen von Bewegungsgleichungen d Alembertsches Prinzip verwendet Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 1 1 Virtuelle Verschiebung virtuelle Arbeit 1 2 System im Gleichgewicht 1 3 Prinzip der virtuellen Arbeit 1 4 Prinzip der virtuellen Arbeit in konservativen Systemen 2 Beispiel 3 Prinzip der virtuellen Arbeit fur dynamische Systeme 4 Alternativen 5 Anmerkungen 6 Literatur 7 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenVirtuelle Verschiebung virtuelle Arbeit Bearbeiten Im Folgenden wird ein N Teilchensystem betrachtet das durch Zwangsbedingungen eingeschrankt ist Eine virtuelle Verschiebung d x i displaystyle delta mathbf x i nbsp ist eine fiktive infinitesimale Verschiebung des i displaystyle i nbsp ten Teilchens die mit den Zwangsbedingungen vertraglich ist Die Abhangigkeit von der Zeit wird nicht betrachtet Anm 1 Die s displaystyle s nbsp holonomen Zwangsbedingungen f l x 1 x N t 0 l 1 s displaystyle f l mathbf x 1 dots mathbf x N t 0 quad l 1 dots s nbsp werden erfullt durch Verwendung von n 3 N s displaystyle n 3N s nbsp generalisierter Koordinaten q k displaystyle q k nbsp d x i k 1 n x i q k d q k displaystyle delta mathbf x i sum k 1 n frac partial mathbf x i partial q k delta q k nbsp Die holonomen Zwangsbedingungen werden also durch Auswahl und entsprechende Reduzierung der generalisierten Koordinaten explizit eliminiert Zur Erfullung auch der anholonomen Zwangsbedingungen unterliegen die d q k displaystyle delta q k nbsp Anm 2 weiteren Bedingungen z B r displaystyle r nbsp differentiellen nicht integrablen Gleichungen k a k l d q k 0 l 1 r displaystyle sum k a k l delta q k 0 quad l 1 ldots r nbsp Die virtuelle Arbeit welche die Kraft F i displaystyle mathbf F i nbsp bei virtueller Verschiebung d x i displaystyle delta mathbf x i nbsp am i displaystyle i nbsp ten Teilchen verrichten wurde ist d W i F i d x i displaystyle delta W i mathbf F i cdot delta mathbf x i nbsp System im Gleichgewicht Bearbeiten Ist das N displaystyle N nbsp Teilchensystem im Gleichgewicht so ist fur jedes Teilchen die Beschleunigung gleich Null x i 0 displaystyle ddot mathbf x i 0 nbsp Daher muss die resultierende Kraft auf jedes Teilchen gleich Null sein F i m i x i 0 displaystyle mathbf F i m i ddot mathbf x i 0 nbsp Ist das System im Gleichgewicht ist die virtuelle Arbeit der Kraft F i displaystyle mathbf F i nbsp bei Verschiebung d x i displaystyle delta mathbf x i nbsp gleich Null da die Kraft selbst verschwindet d W i F i d x i 0 displaystyle delta W i mathbf F i cdot delta mathbf x i 0 nbsp Somit ist auch die Summe uber die von allen Kraften bei virtuellen Verschiebungen geleistete Arbeit gleich Null i 1 N F i d x i 0 displaystyle sum i 1 N mathbf F i cdot delta mathbf x i 0 nbsp Die resultierenden Krafte F i displaystyle mathbf F i nbsp kann man zusammensetzen aus eingepragten Kraften F i e displaystyle mathbf F i e nbsp und Zwangskraften F i z displaystyle mathbf F i z nbsp F i F i e F i z displaystyle mathbf F i mathbf F i e mathbf F i z nbsp Eingesetzt in obige Beziehung i 1 N F i e d x i i 1 N F i z d x i 0 displaystyle sum i 1 N mathbf F i e cdot delta mathbf x i sum i 1 N mathbf F i z cdot delta mathbf x i 0 nbsp Prinzip der virtuellen Arbeit Bearbeiten Meist steht die Zwangskraft F i z displaystyle mathbf F i z nbsp senkrecht zur virtuellen Verschiebung d x i displaystyle delta mathbf x i nbsp so dass F i z d x i 0 displaystyle mathbf F i z cdot delta mathbf x i 0 nbsp gilt Dies ist z B der Fall wenn die Bewegung auf Kurven oder Flachen begrenzt ist Es gibt allerdings Systeme bei denen einzelne Zwangskrafte Arbeit verrichten F i z d x i 0 displaystyle mathbf F i z cdot delta mathbf x i neq 0 nbsp Das Prinzip der virtuellen Arbeit fordert nun dass die Summe aller von den Zwangskraften verrichteten virtuellen Arbeiten bei einem System im Gleichgewicht verschwindet i 1 N F i z d x i 0 displaystyle sum i 1 N mathbf F i z cdot delta mathbf x i 0 nbsp Fur die eingepragten Krafte bedeutet das Prinzip der virtuellen Arbeit i 1 N F i e d x i 0 displaystyle Rightarrow sum i 1 N mathbf F i e cdot delta mathbf x i 0 nbsp Man beachte dass das Prinzip der virtuellen Arbeit nur ein Gleichgewichtsprinzip der Statik ist Die Erweiterung auf die Dynamik liefert das D Alembertsche Prinzip Prinzip der virtuellen Arbeit in konservativen Systemen Bearbeiten In konservativen Systemen sind alle eingepragten Krafte von einem Potential V displaystyle V nbsp ableitbar F i e x i V V x i displaystyle mathbf F i e nabla mathbf x i V frac partial V partial mathbf x i nbsp In diesem Fall lasst sich das Prinzip der virtuellen Arbeit i 1 N F i e d x i i 1 N V x i d x i 0 displaystyle sum i 1 N mathbf F i e cdot delta mathbf x i sum i 1 N frac partial V partial mathbf x i cdot delta mathbf x i 0 nbsp darstellen in der Form d V 0 displaystyle delta V 0 nbsp Hierbei ist das Symbol d displaystyle delta nbsp als Variationszeichen im Sinne der Variationsrechnung aufzufassen d V 0 displaystyle delta V 0 nbsp bedeutet damit die erste Variation der Potentiellen Energie Beispiel Bearbeiten nbsp Gelenkig gelagerter Winkelhebel die virtuelle Verschiebung ist durch den Drehwinkel dF charakterisiert An einem Winkelhebel der frei drehbar auf einer Achse gelagert ist greifen 2 eingepragte Krafte F 1 displaystyle mathbf F 1 nbsp und F 2 displaystyle mathbf F 2 nbsp an Die virtuellen Verschiebungen der Kraftangriffspunkte sind d x 1 displaystyle delta mathbf x 1 nbsp und d x 2 displaystyle delta mathbf x 2 nbsp Die virtuelle Arbeit der eingepragten Krafte ist damit F 1 d x 1 F 2 d x 2 0 displaystyle mathbf F 1 delta mathbf x 1 mathbf F 2 delta mathbf x 2 0 nbsp Weil der Winkelhebel als starr angesehen wird sind die Grossen d x 1 displaystyle delta mathbf x 1 nbsp und d x 2 displaystyle delta mathbf x 2 nbsp nicht unabhangig voneinander Ihre Abhangigkeit kann man durch die Variation d F displaystyle delta Phi nbsp der generalisierten Koordinate F displaystyle Phi nbsp ausdrucken Kleinwinkelnaherung d x 1 a 1 d F und displaystyle delta mathbf x 1 a 1 delta Phi quad text und nbsp d x 2 a 2 d F displaystyle delta mathbf x 2 a 2 delta Phi nbsp dd Betrachtung in 2 Dimensionen N 1 Teil Winkelhebel s 1 holonome Zwangsbedingung d x 1 a 1 d x 2 a 2 tan d F d F displaystyle frac delta mathbf x 1 a 1 frac delta mathbf x 2 a 2 tan delta Phi approx delta Phi nbsp r 0 nicht holonome Zwangsbedingungen n 2N s 1 generalisierte Koordinate F displaystyle Phi nbsp Damit wird die virtuelle Arbeit F 1 a 1 F 2 a 2 d F 0 displaystyle mathbf F 1 a 1 mathbf F 2 a 2 delta Phi 0 nbsp Da die Gleichung fur beliebige d F displaystyle delta Phi nbsp gilt muss der Klammerausdruck identisch 0 sein F 1 a 1 F 2 a 2 displaystyle Rightarrow mathbf F 1 a 1 mathbf F 2 a 2 nbsp Also bleibt das System im Gleichgewicht d h es kippt weder nach rechts noch nach links wenn die Krafte multipliziert mit ihrer Achsdistanz gleich gross sind Prinzip der virtuellen Arbeit fur dynamische Systeme Bearbeiten Hauptartikel D Alembertsches Prinzip Die virtuelle Arbeit der Zwangskrafte bzw momente ist bei dynamischen Systemen gleich Null Druckt man die virtuellen Verschiebungen in den generalisierten Koordinaten aus so konnen mit dem Prinzip der virtuellen Arbeit Bewegungsgleichungen fur grosse Mehrkorpersysteme aufgestellt werden Alternativen BearbeitenNeben dem Prinzip der virtuellen Arbeit wird auch das Prinzip der virtuellen Leistung verwendet Sein wesentlicher Unterschied liegt darin dass statt virtuellen Verschiebungen hier virtuelle Geschwindigkeitsvariationen benutzt werden In der Statik wird dieses Prinzip selten angewendet jedoch erweist sich seine Erweiterung auf dynamische Systeme das Prinzip von Jourdain als vorteilhaft da dort nichtholonome Bedingungen elegant berucksichtigt werden konnen Anmerkungen Bearbeiten Aus dem totalen Differential einer Funktion g q 1 q n t displaystyle g q 1 dots q n t nbsp also einem Ausdruck der Form d g i 1 n g q i d q i g t d t displaystyle mathrm d g sum i 1 n frac partial g partial q i mathrm d q i frac partial g partial t mathrm d t nbsp entsteht die gesuchte virtuelle Anderung d g i 1 n g q i d q i displaystyle delta g sum i 1 n frac partial g partial q i delta q i nbsp Der Begriff instantan ist dadurch mathematisiert Die verallgemeinerten Koordinaten konnen von der Zeit abhangen obwohl das erneut nicht eingeht da nur der momentane Wert benotigt wird Literatur BearbeitenHerbert Goldstein Charles P Poole John L Safko Klassische Mechanik 3 Auflage Wiley VCH 2006 ISBN 978 3 527 40589 3 Danilo Capecchi History of Virtual Work Laws A History of Mechanics Prospective Birkhauser 2012 Mailand ISBN 978 88 470 2055 9 Karl Eugen Kurrer The History of the Theory of Structures Searching for Equilibrium Ernst und Sohn Berlin 2018 S 27 31 S 476 481 S 811 814 S 821 824 und S 929 931 ISBN 978 3 433 03229 9 Einzelnachweise Bearbeiten Rolf Mahnken Lehrbuch der Technischen Mechanik Statik Grundlagen und Anwendungen Springer ISBN 978 3 642 21710 4 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Virtuelle Arbeit amp oldid 214982024