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Die Villa rustica von Walldorf war ein grosses romerzeitliches Landgut moglicherweise eine kaiserliche Domane auf dem Gebiet der heutigen Stadt Walldorf im Rhein Neckar Kreis des Landes Baden Wurttemberg Restaurierte Grundmauern im Gewerbegebiet Walldorf Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Archaologische Befunde 2 1 Holzbauphase 2 2 Steinbauphase 2 2 1 Hauptgebaude 2 2 2 Wirtschaftsgebaude und Horrea 3 Befundsicherung und Denkmalschutz 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLage Bearbeiten nbsp Restaurierte Grundmauern im Gewerbegebiet WalldorfTopographisch befand sich das Anwesen am Rande der Oberrheinebene nahe einem in diese hineinragenden durch glaziale Anwehungen entstandenen Auslaufer des Vorgebirges des Kraichgaus Der Platz war vermutlich frei von Hochwassern und wurde durch einen kunstlichen vom Leimbach herangefuhrten Frischwasserkanal sowie durch Brunnen uber hinreichend Trink und Brauchwasser versorgt Uber einen weiteren Transportzwecken dienenden Kanal war das Landgut mit dem Vicus von Wiesloch verbunden Im modernen siedlungs und verkehrsgeographischen Bild befindet sich das heutige Bodendenkmal sudlich ausserhalb der Stadt Walldorf am Rande eines Gewerbegebietes An der Einmundung der Dietmar Hopp Allee in die Landstrasse 723 sind restaurierte Mauerzuge im Gelande sichtbar gemacht und mit Infotafeln versehen worden Die archaologischen Ausgrabungen des Anwesens waren durch intensive Bautatigkeiten erforderlich geworden durch die der Bestand des Gebaudekomplexes bedroht war Die Baumassnahmen bestanden in der Verlegung der Bundesstrasse 39 und der Erschliessung eines Neubaugebietes in dem Walldorfer Gewerbeareal Die Ausgrabungen wurden in zwei Kampagnen in den Jahren 1995 und 2001 2002 von der Archaologische Denkmalpflege des Landesdenkmalamtes Baden Wurttemberg unter der Leitung von Britta Rabold durchgefuhrt Archaologische Befunde BearbeitenDabei wurde auf einer Flache von insgesamt rund vier Hektar eine weitlaufige leicht trapezoidformige mit einer Umfassungsmauer eingefriedete sich von Nordost nach Sudwest erstreckende Anlage identifiziert Innerhalb der Einfriedung liessen sich insgesamt 16 Gebaude aus zwei unterschiedlicher Bauphasen vollstandig oder teilweise feststellen und voneinander differenzieren wobei sich die generelle geographische Ausrichtung zwischen der Holz und der Steinbauphase geringfugig anderte Die Einfriedung selbst war vermutlich ebenfalls zweiphasig wofur ein auf 80 Meter Lange nachvollziehbares Grabchen neben der Sudwestmauer spricht das moglicherweise den Verlauf eines alteren Holzzaunes markiert Innerhalb der Umfriedung konnten verschiedene Wege identifiziert werden deren einer unmittelbar auf das Hauptgebaude zulief Ein weiteres Wegstuck befand sich an einem Durchlass an der Nordwestmauer wo gleichzeitig ein kleineres Steinhaus Gebaude 14 unmittelbar an die Mauer angesetzt worden war Dieses Gebaude wurde daher als mogliches Pfortnerhauschen interpretiert 1 nbsp Infotafel mit Lageplan des Anwesens projiziert auf den modernen Stadtplan nbsp Restaurierte Grundmauern im Gewerbegebiet WalldorfDie in den Publikationen zur Villa rustica und hier verwendeten Nummerierungen der Befunde entsprechen nicht der Nummerierung auf der vor Ort angebrachten und nebenstehend abgebildeten Infotafel Insgesamt gliedert sich die Innenbebauung wie folgt Nr Befund Nr Infotafel Bauphase Funktion1 2 Stein Hauptgebaude2 Holz unbestimmt3 3 Stein unbestimmt reprasentativ4 4 Holz Speichergebaude Magazin5 5 Stein 2 Kalkbrennofen6 6 Stein Horreum7 Holz unbestimmt8 unbestimmt9 7 Stein unbestimmt mit Brunnen10 unbestimmt11 unbestimmt12 8 Stein Horreum mit Darren Muhlsteine13 9 Stein Horreum14 10 Stein Pfortnerhaus15 unbestimmt16 1 Holz HauptgebaudeHolzbauphase Bearbeiten nbsp Infotafel mit den Grundrissen der HauptgebaudeZur Holzbauphase die sich grob auf das erste Jahrhundert datieren lasst gehoren namentlich ein Haupthaus Gebaude 16 ein weiteres grosses als Speicher oder Magazingebaude gedeutetes rechteckiges Bauwerk Gebaude 4 sowie verschiedene kleinere Gebaude mit derselben Bauausrichtung Das rund 500 m grosse Hauptgebaude war bedingt durch den Umstand dass der Nachfolgebau nicht auf dessen Grundriss aufsetzte sondern eine andere Ausrichtung erhielt sehr gut erhalten Die Fachwerkstruktur war noch gut sichtbar Bruchstucke des Innenputzes der Wande und Decken zeigten eine aufwendige und qualitativ hochwertige Bemalung bei der florale Ornamente Ranken und konzentrische Kreise dominierten Als Bodenbelag diente ein Estrich aus Kalkmortel Der in etwa symmetrische aber nicht streng rechtwinklige Grundriss zeigte eine grosse Halle die auf allen Seiten von langlich rechteckigen Raumen umgeben war Die Halle selbst war mit einer ein sudostlich angrenzender Raum mit zwei Herdstellen beheizbar Auffallig und ungewohnlich ist ein aus den Fluchten des Gebaudes herausspringender Raum an der sudostlichen Ecke des Bauwerks Das mutmassliche Speichergebaude nahm mit seinen Abmessungen von 25 m mal 11 m eine Flache von 275 m in Anspruch und zeichnete sich noch deutlich im anstehenden Boden ab 1 Steinbauphase Bearbeiten In der folgenden nicht naher datierten Steinbauphase wurde die Ausrichtung der Gebaude aus der generell von Nordost nach Sudwest verlaufenden Ausrichtung um einige Grad gegen den Uhrzeigersinn nach Norden gedreht Es kam jedoch zu keiner Anderung in der Funktion des Anwesens Die alteren Holz und Fachwerkgebaude wurden nicht abgebrannt sondern niedergelegt was auch den guten Erhaltungszustand der oben beschriebenen alteren Bauten erklart 1 Hauptgebaude Bearbeiten Das Hauptgebaude der Steinbauphase Gebaude 1 war ein Risalitbauwerk aus dessen imposanter 50 Meter langer Vorderfront zwei Eckrisalite hervorsprangen Der nordwestliche Eckrisalit war nachgewiesenermassen hypokaustiert und wurde durch ein angebautes Praefurnium beheizt Fur den sudwestlichen wird analog mit einiger Sicherheit vermutet dass er ebenfalls beheizbar war Im Estrich des nordwestlichen Eckrisalits fanden sich noch die Abdrucke genagelter romischer Schuhe Beide Risalite waren uber eine Portikus miteinander verbunden welche die Vorderfront des Gebaudes reprasentativ gestaltete Hinter der Portikus befand sich eine zentrale Halle oder aber ein offener Hof mit quadratischem Grundriss der beidseitig von verschiedenen Raumen flankiert wurde Untersuchungen der Mauerwerksverbindungen zeigten dass die Risalite und die Portikus moglicherweise erst zu einem spateren Zeitpunkt an das Kerngebaude angebaut worden sind Rechtwinklig versetzt zum Hauptgebaude befand sich ein weiterer Grossbau Gebaude 3 dem eher eine reprasentative denn eine wirtschaftliche Funktion zugewiesen wurde Zusammen mit dem Hauptgebaude bildete Gebaude 3 einen Hof an dessen ubrigen Randern mehrere Brunnen gegraben worden waren In diesem Kontext zu sehen ist auch ein kleiner Steinbau Gebaude 9 gegenuber dem Hauptgebaude auf der Gegenseite des Hofes in dessen Innerem sich ein holzverschalter Brunnen befand 1 Wirtschaftsgebaude und Horrea Bearbeiten nbsp Infotafel mit den Grundrissen zweier HorreaDie zur Errichtung der Baulichkeiten des Anwesens erforderliche nicht unerhebliche Menge Kalk wurde offenbar an Ort und Stelle produziert Dafur spricht die Identifizierung zweier Kalkbrennofen Gebaude 5 neben der Nordostecke des oben beschriebenen Gebaudes 9 Insgesamt drei Gebaude Gebaude 6 12 und 13 wurden als Horrea angesprochen Als mit Abstand grosste Wirtschaftsgebaude beherrschten sie die Anlage und verweisen auf den moglichen Zweck des uberdurchschnittlich grossen Landgutes siehe weiter unten Gebaude 6 befand sich in der ostlichen Ecke des Areals etwa 12 bis 15 Meter von einem kunstlich angelegten Bachlauf entfernt Es bedeckte mit seinen Abmessungen von rund 18 m mal 24 m eine Flache von 432 m Seine 1 2 m starken zweischaligen Aussenwande waren in Abstanden von zwei Metern durch pfeilerartige Konstruktionen verstarkt die auf machtigen Steinsubstruktionen mit einer Seitenlange von 1 5 m und einer Hohe von 0 6 m ruhten Ein zweiter Speicherbau Gebaude 12 befand sich in der nordlichen Ecke des Gelandes knapp acht Meter von dem genannten Bachlauf entfernt Seine ursprunglichen Abmessungen betrugen wohl rund 16 m mal 30 m 480 m In seinem Inneren waren nachtraglich wohl gegen Ende des zweiten Jahrhunderts drei Darren eingebaut worden die zur Trocknung von Flachs und Getreide dienten Bei der Konstruktion der Darren waren Muhlsteinfragmente sekundar verwendet worden Dies und die Nahe zu dem kunstlichen Wasserlauf regte die Archaologen zu der Vermutung an dass sich auf dem Gelande auch eine noch nicht lokalisierte Muhle befunden haben konnte Das dritte und grosste Horreum Gebaude 13 war leider bereits durch die modernen Baumassnahmen gestort und nur noch in Resten erhalten Die noch vorhandenen Reste erlaubten jedoch die Rekonstruktion eines Grossgebaudes mit einer Grundflache von uber 1000 m Das Bauwerk wurde von mindestens je zwei langs und querverlaufenden Steinsubstruktionen gestutzt weitere Unterbauten werden vermutet Die Stutzpfeiler besassen einen Umfang von ein mal einem Meter und waren mehrere Meter lang Diese heute noch im Gelande befindlichen Sandsteinblocke lassen die Dimensionen des Gebaudes erahnen Sie standen auf Unterkonstruktionen mit den Abmessungen von jeweils 3 5 m mal 1 5 m mal 1 0 m die aus Sand und Kalk sowie Ziegelsteinen zusammengefugt waren Die Grosse und Komplexitat der Anlage insbesondere die Existenz des gewaltigen Speichergebaudes 13 das normal fur romische Militaranlagen aber vollig untypisch fur zivile villae rusticae ist liessen die Vermutung aufkommen dass es sich bei dem Walldorfer Anwesen nicht um ein privatwirtschaftlich betriebenes Landgut sondern moglicherweise um eine staatliche Domane handelte deren Aufgabe vermutlich in der Versorgung der Truppen des Neckar Odenwald Limes und spater des so genannten Vorderen Limes bestand 1 Da kein Zerstorungshorizont identifiziert werden konnte kann davon ausgegangen werden dass die Villa rustica kein gewaltsames Ende fand sondern mit dem Ruckzug der romischen Truppen und der Ruckverlegung des Limes an den Rhein um 259 260 womit die mutmassliche Funktion der Domane auch ihren Zweck erfullt hatte eine planmassige Raumung der Anlage vorgenommen wurde Befundsicherung und Denkmalschutz BearbeitenEinige Grundmauern konnten restauriert werden und wurden so gut dies in einem Gewerbegebiet moglich ist in als Grunanlagen gestaltete Freiflachen integriert Hinweistafeln vor Ort erlautern den Aufbau und den historischen Hintergrund des Komplexes Die Villa rustica bei Walldorf ist ein Bodendenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes des Landes Baden Wurttemberg DSchG Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig Zufallsfunde an die Denkmalbehorden zu melden Literatur BearbeitenBritta Rabold Villa rustica und hallstattzeitlicher Brunnen in Walldorf In Fuhrer zu archaologischen Denkmalern in Deutschland Band 36 Heidelberg Mannheim und der Rhein Neckar Raum Theiss Stuttgart 1999 ISBN 3 8062 1407 7 S 230 235 Britta Rabold Romisches Landgut oder kaiserliche Domane bei Walldorf Rhein Neckar Kreis In Archaologische Ausgrabungen in Baden Wurttemberg 2001 2001 S 138 142 Britta Rabold Zum Abschluss der Ausgrabungen des romischen Landgutes bei Walldorf Rhein Neckar Kreis In Archaologische Ausgrabungen in Baden Wurttemberg 2002 2002 S 125 129 Britta Rabold Walldorf HD Romisches Landgut oder kaiserliche Domane In Dieter Planck Hrsg Die Romer in Baden Wurttemberg Theiss Stuttgart 2005 ISBN 3 8062 1555 3 S 356 358 Britta Rabold Reprasentationsbau und Magazine Romisches Landgut oder kaiserliche Domane In Archaologische Nachrichten aus Baden 78 79 2009 S 40 41 Digitalisat Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Villa rustica bei Walldorf Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Volker Kronemayer in Zusammenarbeit mit Volker Reinhard Villa rustica bei Walldorf auf dem Landesbildungsserver Baden Wurttemberg abgerufen am 13 April 2021Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Britta Rabold Walldorf HD Romisches Landgut oder kaiserliche Domane In Dieter Planck Hrsg Die Romer in Baden Wurttemberg Theiss Stuttgart 2005 ISBN 3 8062 1555 3 S 356 358 49 296643 8 6497962 Koordinaten 49 17 47 9 N 8 38 59 3 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Villa rustica Walldorf amp oldid 233294699