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In seinem Versuch einer Genitaltheorie erschienen 1924 im Internationalen Psychoanalytischen Verlag bemuht sich Sandor Ferenczi mit an psychoanalytischem Material gewonnenen Kategorien aufs Feld der Biologie vorzudringen die bisherige mehr flachenhafte Wissenschaft vom Leben durch einen Tiefenbiologie zu erganzen Ausgehend von der Beobachtung dass beim Samenerguss ursprunglich zum Dickdarm und zur Harnrohre gehorende Triebqualitaten aufs Geschlechtsorgan verschoben und dort in amphimiktischer Vermengung verdichtet worden seien halt es Ferenczi fur moglich dass solche Energieverschiebungen in der Wechselbeziehung der Organe gang und gabe und einer Analyse zuganglich seien im Rahmen einer neuen bioanalytischen Wissenschaft die die psychoanalytischen Kenntnisse und Arbeitsweisen methodisch auf die Naturwissenschaften ubertragt So lasse sich beispielsweise die Autotomie Tendenz als Parallele zur Verdrangung interpretieren die Zuruckziehung der Besetzung von unlustbetonten Vorstellungen hatte dann organische Vorbilder Jedes Organ besasse in dem Fall eine gewisse Individualitat in jedem einzelnen wiederhole sich der Grundkonflikt der einem bei der Analyse des menschlichen Gemuts begegnet Anstelle der verdrangten Einzelorgane ziehe das Geschlechtsteil deren Besetzung an und fuhre sie analog dem bei verschiedenen Tieren vorkommendes Abwerfen von meist spater wieder nachwachsenden Korperteilen in Form des Ejakulates ab Besondere Bedeutung kommt der nach Ferenczi sowohl im psychischen wie im organischen Leben vorherrschenden Regressionstendenz zu Im biologisch Unbewussten lebten die Arbeitsweise und Organisation scheinbar langst uberholter Phasen der Individual und Artentwicklung fort und lenkten nicht nur die manifeste Organbetatigung sondern uberwaltigten in Ausnahmezustanden wie Schlaf Genitalitat oder organischer Krankheit die oberflachlichen Lebensbetatigungen ebenso wie in den Neurosen und Psychosen das normale Bewusstsein von psychologischen Archaismen uberflutet werde Im Schlaf wie im Begattungsakt regrediere das ganze psychische zum Teil aber auch das organische Wesen auf die antenatale und wahrscheinlich auch auf die phylogenetisch alte Lebensform indem es bestrebt sei die langst uberwundene Mutterleibs und Seewassersituation das Leben entstammt dem Meer darzustellen worin Ferenczi schliesslich noch viel archaischere und primitivere Ruhetendenzen etwa den Trieb zum Anorganischen vermutet Die Frage nach Sinn und Zweck der Evolution konne sich so von selbst in die Frage nach ihren Motiven umwandeln die alle in der Vergangenheit wurzeln Ferenczi nimmt hierzu an dass Schlaf Begattung innere Befruchtung und intrauterine Entwicklung lauter Einrichtungen zur Wiederaufrichtung einer anscheinend uberwundenen Entwicklungsperiode seien analog der Wiederkehr des Verdrangten Eigentlich legt Ferenczi nahe will der Mensch zuruck ins Salzwasser die biologische Zensur hindere ihn aber daran wie beim Winterschlafer die Regression zur Poikilothermie bei Absinken der Korpertemperatur unter eine gewisse Grenze durch plotzliche Warmeproduktion ruckgangig gemacht werde und lenke so die eigentlich zur Regression drangenden Krafte im Sinne der Anpassung Wenngleich in Fachkreisen weitgehend auf Ablehnung stossend und aus dem Kanon psychoanalytischer Schriften gestrichen bezeichnete Sigmund Freud 1933 den Versuch einer Genitaltheorie als Ferenczis glanzendste und gedankenreichste Leistung Man lege die kleine Schrift mit dem Urteil beiseite das ist beinahe zuviel fur einmal ich werde es nach einer Weile wieder lesen Aber nicht nur mir allein geht es so 1 Der amerikanische Anthropologe Weston La Barre fand den Versuch einer Genitaltheorie berauschend und gibt zu wie Geza Roheim Ferenczi viel zu verdanken 2 Einzelnachweise Bearbeiten S Freund Sandor Ferenczi GW XVI 267ff The Human Animal University of Chicago Press 1954 S 352 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Versuch einer Genitaltheorie amp oldid 223940006