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Turkmenische Teppiche auch afghanische Teppiche genannt 1 gehoren zur Gruppe der Orientteppiche und werden von turkmenischen Stammen hergestellt die im Gebiet zwischen dem Amudarja Fluss Kaspischem Meer Aralsee und im Grenzgebiet zwischen den modernen Staaten Iran und Afghanistan leben Traditionell knupfen sie Teppiche und kleinformatige Knupfgewebe in unterschiedlichen Grossen wie Hauptteppiche Hali Vorhange fur den Zelteingang Ensi oder Hatschlu und andere Haushaltsgegenstande wie Umrahmungen fur den Zelteingang Khalyk oder Kapunuk Zelttaschen Torba grosse Behalter Tschowal kleinere Beutel Mafrasch Satteltaschen Khordschin Schmuckdecken fur Tiere Asmalyk und Zeltbander Turkmenische Teppiche aus einer deutschen Sammlung Von links nach rechts Zeltbandfragment der Tekke Turkmenen Mitte oben eine Tekke Torba Zelttasche aus der Smith Group Darunter eine ausserst seltene Tekke Torba mit 15 Gols Darunter ein Tekke Ensi Rechts davon ein Zeltbandfragment der Salor Aussen rechts ein fruher Tekke Hauptteppich wohl von vor 1800 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtlicher Uberblick 2 Material und Farben 3 Muster und Ornamente 4 Kommerzialisierung und Wiederbelebung der Tradition 5 Literatur 6 Galerie Turkmenische Teppiche 7 EinzelnachweiseGeschichtlicher Uberblick BearbeitenDie Geschichte Turkmenistans ist gepragt von Wanderbewegungen Bundnissen Stammeskriegen und sogar durch die gewaltsame Ausrottung ganzer Volksstamme Unser Wissen um die Geschichte der Turkmenenstamme und ihrer Wanderungen sowie die Charakteristiken ihrer jeweils spezifischen Strukturen und Muster erlaubt es uns einen Teppich oder ein anderes Knupfgewebe einem bestimmten Stamm und einem bestimmten Abschnitt seiner Geschichte zuzuordnen Die Vielfalt der Farben und Ornamente wie auch deren mogliche symbolische Bedeutung ist Gegenstand umfangreicher oft kontroverser Forschungen 2 3 In der bildenden Kunst der Turkmenen blieben viele archaische Muster bis ins fruhe 20 Jahrhundert hinein erhalten 4 Die ursprunglichen Turkmenen waren ein altes Persisch sprechendes Volk in den Steppen des westlichen Zentralasien Ihre militarische Organisation in Stammen geht wahrscheinlich auf Einflusse der Hunnen zuruck 5 6 Ein turkischer Einfluss kam mit den Hephthaliten im 6 Jahrhundert n Chr sowie in grosserem Ausmass mit der Einwanderung der Oghusen im 9 und 10 Jahrhundert Die ursprungliche Bevolkerung ging dabei in den Oghusen auf und wurde islamisch 6 Der Mongolensturm im 13 Jahrhundert fuhrte zur Zerstorung der Stadte und landwirtschaftlichen Bewasserungssysteme und warf die Turkmenen in die nomadische Lebensweise zuruck die sie wahrend ihrer ganzen spateren Geschichte beibehalten haben Die turkmenischen Nomaden lebten im Grenzgebiet zwischen machtigeren Staaten wie dem Perserreich Choresmien und dem Usbeken Khanat Unabhangiger als ihre Nachbarvolker konnten sie viel von ihrer traditionellen Kultur bewahren Im Lauf des 19 Jahrhunderts gerieten die Turkmenen unter die Herrschaft des Russischen Reichs Nach dem Ende der Sowjetunion wurde die fruhere Turkmenische Sozialistische Sowjetrepublik zum unabhangigen Staat Turkmenistan Material und Farben Bearbeiten nbsp Zwei Turkmenen auf einem Hauptteppich Hali mit dem Tekke Gol ca 1905 1915 Die Wolle turkmenischer Teppiche ist typisch fur nomadische Knupfgewebe von hoher Qualitat und langflorig Im Grundgewebe werden Schafwolle Ziegenhaar und Baumwolle verwendet Der Flor ist aus Wolle und enthalt manchmal auch Seide In nahezu allen turkmenischen Teppichen ist Krapprot aus Farberkrapp die dominierende Farbe Krapp wurde lokal gewonnen und erlaubt Farbungen in unterschiedlichen Abstufungen Die unterschiedlichen Stamme farbten in unterschiedlichen Rotstufen Die uberwiegende Verwendung von Krapprot in turkmenischen Teppichen erzeugt auf den ersten Blick einen monotonen Eindruck die kleineren Ornamente sind jedoch in vielfaltigen Farben geknupft Turkmenische Teppiche konnen sowohl mit symmetrischen als auch asymmetrischen Knoten geknupft werden letztere nach rechts oder links offnend Unregelmassige Knoten kommen ebenfalls haufig vor einschliesslich ubersprungener Kettfaden Knoten uber drei oder vier sowie einzelne Kettfaden oder Knoten die uber einen gemeinsamen Kettfaden geknupft wurden wiederum in symmetrischer oder auch asymmetrischer Knupfung Die Kettfaden sind haufig tief gestaffelt Flor Kette und Schuss sind meist sehr ausgewogen Das Verhaltnis horizontaler zu vertikalen Knoten ist oft nahe 1 1 Teppiche die in dieser Art geknupft wurden sind sehr dicht und haltbar 4 Muster und Ornamente BearbeitenDas wichtigste Muster in turkmenischen Teppichen ist das Gul ein medaillonartiges vieleckiges Muster welches in Reihen uber dem gesamten Feld angeordnet ist Die einzelnen Stamme verwendeten jeweils spezielle Gul denen somit heraldische Bedeutung zukommt 7 Allgemein werden Haupt oder Primar Gol von sekundaren weniger kompliziert ausgearbeiteten Gul unterschieden wobei Gul den Oberbegriff fur diese Art Ornament darstellt 7 Unterschiedliche Gul wurden auf speziellen Teppichtypen oder Haushaltsgegenstanden verwendet Hauptteppiche zeigen normalerweise das Haupt Gol des Stammes wahrend auf den Zeltvorhangen oder Taschen spezielle Gul erscheinen 4 Haupt Gol auf turkmenischen Teppichen sind unter anderen 3 8 Gulli oder Guschli Gol Gelapptes Gol das ein quadratisches Ornament einschliesst aus dem in jedem Viertel je drei dreiblattrige gestielte Striezel hervortreten Dieses Gol wurde von den Tekke Salor und Ersari sowie manchmal auch von den Saryk verwendet Gulli bedeutet Blume auf Turkmenisch Guschli abgeleitet von Kusch oder Ghusch bedeutet Vogel Tauk Nuska Gol Geviertelt und mit diagonal entgegengesetzten Farben zeigt jedes Viertel des Gol zwei stilisierte Tiere Das Gol wurde von vielen Stammen verwendet hauptsachlich von den Arabatschi Chodor einigen Gruppen der Yomuden und Ersari einschliesslich der Kizil Ayak Tekke Gol Abgeleitet vom Gulli Gol Das Gol ist auf die Schnittpunkte eines dunkelblauen Rasters gesetzt welches das Teppichfeld uberzieht und jedes Gol in vier diagonal entgegengesetzt gefarbte Abschnitte unterteilt Die gestielten dreiblattrigen Ornamente des Gulli Gol sind im Tekke Gol zu pfeilartigen Ornamenten stilisiert Saryk Gol Ahnlich dem Tekke Gol jedoch nicht auf einem Gitter angeordnet Es findet sich oft auf Hauptteppichen der Saryk wird auch als Tschowal Gol bezeichnet weil es auch auf grossen Taschen Tschowal verwendet wird Dyrnak Gol Wortlich Kamm Gol Rautenformiges Gol mit nach aussen zeigenden Hakenreihen die Kammen ahnlich sehen gegenuberliegende Hakenreihen sind in der gleichen Farbe gehalten Ein Gol des Yomuden Stammes Kepse Gol Hauptsachlich von den Yomuden verwendetes rautenformiges Gol von zweifarbigen Zinnenmustern umgeben Adler Gol Mindestens zwei wenn nicht drei Gruppen von Teppichen zeichnen sich durch dieses Golmuster aus das noch keinem speziellen Stamm zugeschrieben werden konnte C Gol Achteck innerhalb eines Achtecks gefullt mit kleinen Mustern die dem Buchstaben C ahneln Man nimmt an dass der Bund der Saloren bestehend hauptsachlich aus den eigentlichen Saloren und den Saryk ursprunglich aus dem Amudarjatal und den Oasen Sudturkmenistans einschliesslich Merws stammt Sie verwendeten helle Rottone aus Farberkrapp Das typische Salor Gol hat die Form einer gelappten Rosette ist in aufrechter Kreuzform geteilt und mit kleineren Motiven gefullt Seine vier zentralen Viertel sind in diagonal gegenubergestellten Farben gefarbt Dieser Stil der Farbgebung wird auch als zentralasiatisch bezeichnet Die Gol sind solcherart auf dem Feld arrangiert dass sie darauf zu schwimmen scheinen und einen Eindruck von diagonaler Bewegung entstehen lassen 4 Eine weitere Gruppe von turkmenischen Teppichen wurde von L Mackie und J Thompson als S Gruppe bezeichnet und als Produkte der Saloren erkannt 9 Die Teppiche der S Gruppe sind asymmetrisch linksoffnend geknupft Die Kettfaden sind elfenbeinfarben abwechselnd tief gestaffelt die Schussfaden sind aus zweistrangig gezwirnter brauner Wolle manchmal auch rot gefarbt Ihr Flor ist weniger dicht als der anderer turkmenischer Teppiche aber recht hoch Manchmal wurde Seide verwendet doch selten Baumwolle Die rote Farbe ist meist Krapprot aber Lac und andere Cochenillefarben wurden ebenfalls nachgewiesen Altere Saryk Teppiche sind oft mit symmetrischen Knoten geknupft 9 Tekke Teppiche zeichnen sich durch das Tekke Gol aus Sie sind asymmetrisch und meist rechtsoffnend geknupft Nur selten sind die Kettfaden tief gestaffelt Krapprot seltener Cochenillerot wurden zum Farben verwendet ab dem 19 Jahrhundert auch synthetische Farben Die Kettfaden sind oft aus elfenbeinfarbenem Garn mit einem starken Anteil elfenbeinfarbenen Ziegenhaars Die Rander sind mit dunkelblauem Garn befestigt 10 Yomuden Teppiche weisen eine ahnliche Struktur auf mit noch geringer gestaffelten Kettfaden Die rote Feldfarbe der Yomudenteppiche ist gedampfter mit brauner Tonung Die Knoten sind asymmetrisch linksoffnend Typische Gol sind das Dyrnak und Kepse Gol 10 Die haufigste Feldfarbe der Chaudyr Teppiche ist ein purpurnes Kastanienbraun Die Farbe Weiss tritt mehr hervor auch Hell und Dunkelblau Grun und Gelb Die Kettfaden bestehen aus dunkler Wolle die Schussfaden oft aus weisser Baumwolle Die Knupfung ist asymmetrisch rechtsoffnend wodurch Chaudyr von den sonst sehr ahnlichen Yomudenteppichen unterschieden werden konnen Haufig sieht man das Tauk Nuska Gol 11 Andere Stamme die Teppiche knupfen sind die Arabatschi Ersari und Beschiri Kommerzialisierung und Wiederbelebung der Tradition BearbeitenWahrend des 19 Jahrhunderts wurden in Russland und Afghanistan Teppiche in turkmenischer Tradition kommerziell hergestellt und kamen unter dem Handelsnamen Bucharateppiche in den Export Die Farben und die Qualitat des Materials und der Muster reichten nicht an die traditionellen Knupfungen heran Mit dem Ende der Sowjetunion entstanden aus den ehemaligen Sowjetrepubliken unabhangige Nationalstaaten die sich heute bemuhen die traditionelle Kultur des Teppichknupfens oft mit handversponnener mit Naturfarben gefarbter Wolle wiederzubeleben Literatur BearbeitenValentina G Moshkova Carpets of the people of Central Asia of the late XIX and XX centuries Edited and translated by George W O Bannon and Ovadan K Amanova Olsen Photography by Gary McKinnis G W O Bannon Tucson AZ 1996 ISBN 0 9653421 0 7 Ubersetzung von Valentina G Moshkova Kovry narodov Srednej Azii konca XIX nachala XX vekov Materialy ekspedicij 1929 1945 gg Fan Tashkent 1970 Robert Pinner Murray L Eilland jr Between the Black Desert and the Red Turkmen carpets from the Wiedersperg collection Published on the occasion of an Exhibition Between the Black Desert and the Red Turkmen Carpets from the Wiedersperg Collection Fine Arts Museums of San Francisco M H De Young Memorial Museum 18 Dezember 1999 25 Juni 2000 Fine Arts Museums San Francisco CA 1999 ISBN 0 88401 099 6 Elena Tsareva Turkmen Carpets Masterpieces of Steppe Art from 16th to 19th Centuries The Hoffmeister Collection Arnoldsche Art Publishers Stuttgart 2011 ISBN 978 3 89790 342 5 englisch deutsch Galerie Turkmenische Teppiche Bearbeiten nbsp Kameldecke der Yomuden Asmalyk Turkmenistan 18 19 Jh 75 124 cm nbsp Asmalyk Yomuden nbsp Zelttur Ensi oder Hatschlu der Yomuden nbsp Russischer Buchara Teppich mit Muster im turkmenischen Stil nbsp Russischer Buchara Teppich mit Muster im turkmenischen StilEinzelnachweise Bearbeiten Afghan carpet Encyclopaedia Britannica abgerufen am 3 Dezember 2020 Antique Collectors Club Oriental Rugs Band 5 Uwe Jourdan Turkoman Oriental Textile Press Woodbridge 1989 ISBN 1 85149 136 8 a b Robert Pinner Murray L Eilland jr Between the Black Desert and the Red 1999 a b c d Elena Tsareva Turkmen Carpets 2011 K Ataev Nekotorye dannye po etnografii turkmen shihov In Trudy Instituta istorii arheologii i etnog rafii akademiya nauk Turkmenskoj SSR Bd 7 1963 ZDB ID 306065 2 S 77 78 Einige ethnographische Daten zu den turkmenischen Schiks a b Akbar S Ahmed David M Hart Hrsg Islam in tribal societies From the Atlas to the Indus Routledge amp Kegan Paul London u a 1984 ISBN 0 7100 9320 9 a b Valentina G Moshkova Carpets of the people of Central Asia of the late XIX and XX centuries 1996 George W O Bannon The Turkoman carpet Duckworth London 1974 a b Louise W Mackie Jon Thompson Hrsg Turkmen Tribal Carpets and Traditions The Textile Museum Washington DC 1980 a b Anette Rautenstengel Volker Rautenstengel Ali Pakbin Studien zur Teppich Kultur der Turkmenen A Rautenstengel Hilden 1990 ISBN 3 9802596 0 9 Kurt Munkacsi Dividing the Chaudor In Hali Nr 26 1994 ISSN 0142 0798 S 96 107 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Turkmenischer Teppich amp oldid 238284431