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Die Theresienkapelle die heute im Singener Industriegebiet liegt wurde 1946 47 von deutschen Kriegsgefangenen unter franzosischer Besatzung erbaut Arbeiter und Planer lebten zur Zeit des Baus in denselben Baracken in denen zuvor von 1941 bis 1945 sogenannte Ostarbeiter untergebracht waren Nach der Auflosung des Lagers im September 1948 wurde die Kirche kaum genutzt und verfiel Sie konnte nur durch das Engagement von Singener Burgern unter anderem Wilhelm Waibel gegen viele Widerstande erhalten werden Die Theresienkapelle im Herbst 2018 Inhaltsverzeichnis 1 Die Theresienwiese als Lager fur Zwangsarbeiter aus Polen und der Sowjetunion 2 Kriegsgefangenenlager der franzosischen Besatzungsmacht 3 Der Bau der Theresienkapelle 4 Wilhelm Waibel 5 Die Kapelle heute 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseDie Theresienwiese als Lager fur Zwangsarbeiter aus Polen und der Sowjetunion BearbeitenSeit 1939 kamen Fremdarbeiter und Kriegsgefangene im Dritten Reich als Arbeitskrafte zum Einsatz Darunter waren beispielsweise Polen Serben Niederlander oder Franzosen Der Mangel an Arbeitskraften hatte seine Ursache in der massiven Mobilisierung fur die Wehrmacht seit dem Uberfall auf die Sowjetunion und der dadurch als notwendig angesehenen Steigerung der Produktion in der Rustungsindustrie Da sie grundsatzlich als Feinde betrachtet wurden sah man keine Schwierigkeiten darin die Bevolkerung der eroberten Staaten als Zwangsarbeiter in Deutschland einzusetzen Zu den bereits genannten Fremdarbeitern kamen seit 1941 auch noch sowjetische Kriegsgefangene die Ostarbeiter Diese standen in der Hierarchie noch weiter unten als die Polen oder Franzosen Die massenweise Rekrutierung von Arbeitern erfolgte durch die Deportation mit der Eisenbahn Zudem wurden junge Menschen durch Anwerbeversuche angelockt versprochen wurde ihnen sowohl ein hoherer Lebensstandard als auch gute Arbeitsbedingungen Vielen in der uberwiegend landlichen Bevolkerung schien in manchen Regionen zum Beispiel im Gebiet Poltawa in der Ukraine das Angebot eine gute Gelegenheit zu sein ein neues Leben unter besseren Bedingungen neu anzufangen Es gab zwar Vorschriften und Regelungen fur den Einsatz von Ostarbeitern die den Anschein von Legalitat und Rechtmassigkeit hatten jedoch zeigen mehrere Berichte dass diese nicht eingehalten wurden weil es beispielsweise keine Vertrage uber Arbeitslohne oder gerechte Behandlung gab Auch das Aluminium Werk Singen die Georg Fischer AG und Maggi sollten mit Arbeitskraften zu versorgen werden und erhielten deswegen Zwangsarbeiter aus dem Osten Es lebten etwa 1300 dieser Ostarbeiter in den Baracken auf der Theresienwiese in der Nahe der genannten Singener Firmen Die damals 13 jahrige Belarussin Sinaida Dorofejeva aus dem Dorf Bluew Kreis Rogatschew schildert in einem Brief aus dem Fruhjahr 1989 ihren Weg nach Singen Die Seufzer die Schreie das Schluchzen das ist bis zum heutigen Tage in meinen Ohren Ich ging in Filzstiefeln mit Lochern in der Sohle ohne Strumpfe und wir wurden begleitet von der Polizei Man fuhr uns weiter im Gepackwagen die Fenster waren vergittert die Ture verschlossen Wir fuhren vor allem nachts Auf den Stationen schlugen wir mit Handen und Fussen gegen die Turen Man liess uns heraus und in Anwesenheit der deutschen Aufseher mussten wir unserer Notdurft verrichten In Singen kamen wir am 10 Dezember 1942 an Man fuhrte unsere Kolonne in ein Lager in einer Aluminium Fabrik Dort waren viele Madchen aus der Ukraine aus dem Kreis Symska Aus Weissrussland waren nur wenige Wir sahen furchtbar aus Das Lager war von einem festen Zaun umgeben oben war Stacheldraht und es gab Turme mit Wachen 1 Kriegsgefangenenlager der franzosischen Besatzungsmacht Bearbeiten nbsp GedenktafelIm Marz 1945 uberschritten Verbande der 1 Franzosischen Armee die Grenze bei Karlsruhe Nachdem am 24 April 1945 die ersten Panzer der Franzosen Singen erreicht hatten ubernahmen sie die Stadt ohne jegliche Versuche der Verteidigung In der Nacht zuvor waren knapp 80 der Singener Bevolkerung aus ihrer Heimatstadt in die nahegelegene Schweiz geflohen und so blieben von 21 500 Einwohnern nur 4 000 zuruck Aufgrund der kampflosen Ubergabe kehrten sie jedoch noch am 24 April zuruck 2 Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8 Mai 1945 wurde in den Konferenzen von Jalta 04 11 Februar 1945 und Potsdam 17 Juli 2 August 1945 Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt Frankreich welches den Status einer Siegermacht erhalten hatte besetzte dabei Gebiete im Sudwesten Deutschlands Singen lag nun also in der franzosischen Zone Die Theresienwiese wurde jetzt fur die Unterbringung von deutschen Kriegsgefangenen genutzt bis September 1948 Sie lebten in denselben Baracken die von 1942 bis 1945 als Lager fur die Zwangsarbeitern die sogenannten Ostarbeitern verwendet wurden Der Bau der Theresienkapelle BearbeitenDer franzosische Kommandant des Singener Kriegsgefangenenlagers Jean Le Pan de Ligny wollte die Gefangenen auf der Theresienwiese sinnvoll beschaftigen und organisierte von 1946 bis 1947 den Bau einer Kapelle die auf dem Fundament eines Luftschutzbunkers errichtet wurde Am Bau dieses Gotteshauses waren hauptsachlich 14 Personen beteiligt wobei Kommandant Ligny vor allem bei der Materialbeschaffung half Die Leitung ubernahm der ehemalige Architekt Wilhelm Gottschalk der bisher allerdings keine Erfahrungen mit dem Kirchenbau hatte Gipsermeister Fritz Horst konnte den anderen Beteiligten bei der Maurer und Gipsarbeit zur Hand gehen Die Wand und Glasmalereien stammen von Heinz Ort Er arbeitete vor der Zeit als Gefangener in dem Beruf eines Grafikers und schuf die Wandfresken des Hl Johannes und der St Theresia Helmut Weber schmiedete die Beleuchtungskorper wobei die beiden grossen Deckenleuchter besondere Meisterwerke darstellen Sie mussten allerdings im Lauf der Zeit auf Grund von Renovierungsarbeiten abgehangt und ausgetauscht werden und befinden sich inzwischen auf dem Dachboden der Kapelle Weitere beteiligte Personen waren Alfred Bader Hans Busch Jakob Eschbach Eugen Gauss Eugen Holz Hans und Reinhold Meier Wilhelm Muller sowie Karl Sommermann 1947 wurde die Kapelle geweiht Auf Grund der Schliessung des Lagers im September 1948 verfiel die Theresienkapelle allmahlich und konnte nur durch den Einsatz von Singener Burgern als Andenken an das Lager erhalten bleiben Seit den 1980er Jahren ist die Kapelle ein Kulturdenkmal 3 Wilhelm Waibel BearbeitenWilhelm Josef Waibel genannt Willi Waibel wuchs in der Singener Sudstadt auf Er war lange Jahre bei der Georg Fischer AG in der EDV tatig gewesen Dort stiess er auf Akten welche den Einsatz von Zwangsarbeiter dokumentierten Daraufhin kummerte er sich 40 Jahre lang um die Aufarbeitung ihrer Geschichte bei den ansassigen Industrieunternehmen unter anderem bei Maggi Anfangs waren seine Versuche erfolglos da die Unterlagen von 1933 bis 1945 in einigen Archiven offenbar nicht mehr gefunden werden konnten Im Laufe der Zeit sichtete er jedoch etwa 1500 Zwangsarbeiterakten der grossen Industriefirmen aus Singen Aus dieser Erfahrung heraus suchte er spater Kontakt zu ehemaligen Zwangsarbeitern und rief 1993 die Stadtepartnerschaft zwischen Singen und Kobeljaky in der Ukraine ins Leben Ausserdem setzte er sich fur den Erhalt der Theresienkapelle ein 2016 erhielt er fur seine Verdienste die Ehrenburgerschaft der Stadt Singen Die Kapelle heute BearbeitenSeit dem Jahr 2015 gilt die Theresienkapelle als Gedenkstatte fur folgende drei Zeitschichten die Erfahrung des Nationalsozialismus und des Zwangsarbeitereinsatzes in der Singener Industrie die unmittelbaren Nachkriegsjahre den Umgang mit der Diktaturerfahrung im Gedachtnis der bundesrepublikanischen GesellschaftAusserdem wird die Kapelle heute von der italienischen Gemeinde der Missione Cattolica Italiana Singen Villingen fur ihre Gottesdienste genutzt Literatur BearbeitenLudmilla Owdijenko Wir sind keine Feinde mehr Erinnerungen ukrainischer Zwangsarbeiter und ihrer Tochter Singen 2014 ISBN 978 3 00 046837 7 Britta Panzer Carmen Scheide Hrsg 70 Jahre Theresienkapelle Stadtarchiv Singen 2017 ISBN 978 3 942058 12 4 Antje Rotzinger Ein starkes Zeichen der Versohnung Die Theresienkapelle in Singen In Landesamt fur Denkmalpflege im Regierungsprasidium Stuttgart Hrsg Denkmalpflege in Baden Wurttemberg Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege 4 2020 S 293 297 Wilhelm Waibel Schatten am Hohentwiel Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Singen Labhard Verlag Konstanz 1995 ISBN 3 926937 22 X Weblinks BearbeitenSeite des Fordervereins Theresienkapelle Singen e V Broschure des Fordervereins Theresienkapelle Singen e V Seite der Landeszentrale fur politische Bildung uber die Theresienkapelle Die Theresienkapelle als Veranstaltungsort auf tagblatt ch Homepage der Missione Cattolica Italiana Singen Villingen Einzelnachweise Bearbeiten Wilhelm Waibel Schatten am Hohentwiel Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Singen Labhard Verlag Konstanz 1995 ISBN 3 926937 22 X S 39 ff Britta Panzer Carmen Scheide 70 Jahre Theresienkapelle Zwangsarbeit Gefangenschaft und Gottesdienst Stadtarchiv Singen Hohentwiel 2017 ISBN 978 3 942058 12 4 S 91 93 Rotzinger S 293 47 755722222222 8 8513333333333 Koordinaten 47 45 20 6 N 8 51 4 8 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Theresienkapelle Singen amp oldid 227265069