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Theo der Pfeifenraucher um 1790 um 1820 in Kleinbasel ist der fiktive Name eines Mannes dessen Skelett 1984 in einem ehemaligen Armenfriedhof bei der Theodorskirche in Kleinbasel gefunden wurde Benannt wurde er nach der Kirche in deren Friedhof er gefunden wurde Theos Schadel frontal Inhaltsverzeichnis 1 Kleinbasel um 1800 2 Der Friedhof 3 Der Fund 4 Das Projekt 5 Erste Untersuchungen 6 Zahne 7 Wer war Theo 8 Die Suche nach Nachfahren 8 1 Christian Friedrich Bender 1783 1816 8 2 Achilles Itin 1786 1816 9 Plastische Gesichtsrekonstruktion 10 Neue genetische und genealogische Forschungen 11 Weitere Anwendungen des Verfahrens 12 Literatur 13 Weblinks 14 EinzelnachweiseKleinbasel um 1800 BearbeitenKleinbasel gehorte zwar seit dem Mittelalter zur Stadt Basel blieb aber durch seine Lage am rechten Rheinufer in mancherlei Hinsicht eigenstandig Hier lebten mittelstandische Gewerbler mit ihren Familien und Hausangestellten Die Volkszahlung von 1799 ergab fur das dicht besiedelte Kleinbasel eine Bevolkerung von knapp 3000 Personen hinzu kamen nicht erfasste Personen wie Durchreisende oder Taglohner Als Theo zur Welt kam war die Mittlere Brucke die einzige Verbindung uber den Rhein in der Region die Wettsteinbrucke wurde erst 1879 gebaut Die Lebensader Kleinbasels war damals der Teich ein Netz von Kanalen mit Wasser aus dem Fluss Wiese fur das Gewerbe Genutzt wurde er von Sagereien Farbereien und Walkereien von Gerbern und Mullern fur Gipsmuhlen Tabakstampfen und anderes 1823 trieb der Teich insgesamt 64 Rader an 34 davon waren Getreidemuhlen 1 Durch die zahlreichen Abwasser und Fakalien waren die Kanale stark verunreinigt Der Kleinbasler Teich wurde erst zwischen 1907 und 1917 zugeschuttet An ihn erinnert heute noch das Teichgasslein zwischen Claragraben und Ochsengasse Auf der sudlichen und ostlichen Seite Kleinbasels die nicht von Wasserlaufen durchflossen wurde lebten viele Kleinbasler von der Landwirtschaft als Weinbauern oder Schiffsleute 2 nbsp Kleinbasel um 1795 rechts die Theodorskirche Radierung von Christian von Mechel Ausschnitt nbsp Kleinbasel zu Beginn des 19 JahrhundertsDer Friedhof BearbeitenDas ehemalige Rebgelande im Westen der Theodorskirche wurde 1779 vom Ratsmitglied Remigius Merian erworben und nach der letzten Weinlese zur langst benotigten Erweiterung des regularen Kirchhofs hergerichtet am 5 Oktober 1779 fand die erste Beerdigung statt Der neue Friedhof war von einer Mauer umgeben und wurde nach ihrem ehemaligen Besitzer Merianscher Totenacker genannt In ihm wurden vorwiegend Angehorige der sozialen Unterschicht beigesetzt Da aber seine Kapazitat schnell erschopft war wurden 1805 mit dem Kleeacker und 1831 mit dem Mattelein zwei weitere neue Areale als Friedhofe genutzt aber auch diese Massnahmen erwiesen sich nicht als nachhaltig 1832 richtete man ausserhalb der Stadt beim Messeplatz einen neuen Friedhof fur die stark gewachsene Basler Bevolkerung ein Der Meriansche Totenacker bei der Theodorskirche wurde per 1 Mai 1833 geschlossen In den 54 Jahren verstarben in Kleinbasel insgesamt 4334 Personen Sie wurden dort in den verschiedenen Friedhofen begraben ein Grossteil von ihnen auf dem kleinen Merianschen Totenacker Auf ihm wurden Einwohner von Kleinbasel beerdigt Handwerker Kleingewerbler Fuhrleute Fischer und ihre Familienangehorigen Alle Beerdigten wurden im Sterberegister der St Theodor Kirchgemeinde mit Vor und Nachnamen Alter und oft auch mit Beruf und Herkunft verzeichnet Auf dem Gelande des ehemaligen Totenackers steht heute das 1855 56 erbaute Theodorsschulhaus nbsp Die Lage des Friedhofs bei der Theodorskirche damals noch Rebgelande Darstellung aus dem Plan von Matthaus Merian 1615 nbsp Situationsplan 1 Theodorskirche 2 Allerheiligenkapelle 3 Pfarrhof 4 Kartausgasse 5 Theodorsgraben 6 Claragraben 7 Sonderfriedhof 8 Friedhof Kleeacker 9 Friedhof Mattelein 10 Merianscher Totenacker mit dem Grab von Theo nbsp Gebiet des alten Merianschen Totenackers Die Grabungen von 1984 sind farblich hervorgehoben Blau Fundorte aus der jungeren Phase grun altere Phase rot Lage des Grabes von TheoDer Fund Bearbeiten nbsp Der Fundort auf dem Trottoir der Rebgasse Hinten die TheodorskircheIn diesem Schulhaus sollte 1984 eine Warmepumpenheizung eingebaut werden was den Bau neuer Leitungen erforderlich machte Da im Bereich westlich der Theodorskirche neben dem Schulhaus mit der Aufdeckung von Grabern gerechnet werden musste wurden die Grabungsarbeiten von der Archaologischen Bodenforschung Basel Stadt begleitet Im Winter 1984 stiessen die Arbeiter im westlichen Bereich des ehemaligen Merianschen Totenackers auf die Reste von 24 Grabern Theo lag in der Mitte eines Sechserstapels im Grab 19 und war in Sudwest Nordost Lage in gestreckter Ruckenlage beerdigt worden Von einem Sarg waren kaum noch Spuren zu erkennen Das Skelett wurde vollstandig geborgen nur die Fussknochen mussten im Boden verbleiben da die Grubenwand aus statischen Grunden nicht abgetragen werden konnte Die Nachbargraber 15 17 und 22 waren 90 Grad verdreht nordwest sudostorientiert und lagen tendenziell weniger tief Theos Grab wurde als spater datiert als diese aber fruher als das gleich orientierte Grab 20 zu seinen Fussen Dies bedeutet dass Theo vor der Endphase des Friedhofs beerdigt worden war Dass diese Graber der alteren Phase zum Teil hoher lagen als die Graber der jungeren Phase hangt moglicherweise damit zusammen dass in der Verordnung bezuglich der Leichenbestattung vom 25 Februar 1814 gefordert wurde die an Nervenfieber Flecktyphus Verstorbenen in besonders tief liegenden Grabern zu bestatten um das Aufsteigen von giftigen Dampfen zu verhindern Die Archaologen folgerten daraus dass diese Anderung der Bestattungsweise moglicherweise mit der grossen Typhusepidemie von 1814 zusammenhing Die alteren Graber waren nordwest sudostorientiert und eher flach angelegt wahrend die Graber der jungeren Phase sudwest nordostorientiert waren und tendenziell tiefer im Boden eingebracht wurden Theo war also offenbar weder zu Beginn dieser jungeren Bestattungsphase von 1814 noch zur letzten um 1833 bestattet worden sondern wohl in den 1820er Jahren Insgesamt wurden 24 Skelette geborgen ins Naturhistorische Museum Basel gebracht und dort in der Sammlung archiviert 3 Das Projekt BearbeitenIdentifizierte historische Skelette liegen meist von Personen der sozialen Oberschicht vor Deren Grabstatten liegen oft in Kirchen und die Umstande der Grablegung sind gut dokumentiert Das Projekt zur Identifizierung von Theo stellt also insofern eine Ausnahme dar als hier ein Namenloser identifiziert werden sollte ein Nobody aus der Unterschicht Die Forschungen zu Theos Skelett und seiner Person waren auch der Beginn der umfangreichen Burgerforschung Basel BBS in dem heute 2019 rund 70 freiwillige wissenschaftliche Mitarbeitende historische Quellen transkribieren und Daten bearbeiten Die zahlreichen Dokumente des Staatsarchivs Basel Stadt aus dem 18 und 19 Jahrhundert in schriftlicher und bildlicher Form erleichterten die Nachforschungen enorm Natur und geisteswissenschaftliche Disziplinen arbeiten zusammen und erganzen sich wobei der genealogischen Forschung eine Schlusselfunktion zukommt Die Leitung des Projekts liegt beim Anthropologen Gerhard Hotz Kurator am Naturhistorischen Museum Basel 4 Ein weiteres Projekt der Burgerforschung waren zum Beispiel auch die Nachforschungen zu Anna Catharina Bischoff Erste Untersuchungen BearbeitenIm Rahmen einer Ubung des Instituts fur prahistorische und naturwissenschaftliche Archaologie IPNA der Universitat Basel untersuchten zwei Studenten der Anthropologe Simon Kramis und der Historiker Fabian Link im Jahr 2004 das Skelett aus dem Grab 19 Ihnen fielen zwei ovale fast kreisrunde Lucken im Gebiss des jungen Mannes auf die bei den jungen Forschern die Neugierde weckte und zu weiteren Untersuchungen des Skeletts fuhrten Diese ergaben dass es sich beim Verstorbenen um einen Mann handelte der im Alter zwischen 28 und 32 Jahren verstorben war Wo Theo zur Welt kam ist nicht bekannt Eine Strontiumisotopenanalyse von drei seiner Backenzahne ergab dass er mit grosser Wahrscheinlichkeit bis zu seinem 14 Lebensjahr in der Region Basel gelebt hatte Untersuchungen von Zahnzement und Knochen zeigten dass er als junger Mann mindestens zwei Stressphasen durchlitten hatte und Anzeichen von beginnender Arthrose aufwies Er war mit 1 60 Meter eher klein und hatte sich auch wahrend des Wachstums ausgewogen ernahrt Dies lasst darauf schliessen dass er nicht zu den Armsten gehort hatte Wie Analysen der Arm und Schlusselbeinknochen ergaben war Theo mit grosser Wahrscheinlichkeit ein rechtshandiger Handwerker 5 Theo verstarb zu jung die Lebenserwartung eines Dreissigjahrigen betrug im 19 Jahrhundert 49 Jahre In den Jahren vor seinem Tod war er gesund und gut ernahrt Sein Skelett zeigte keinerlei gravierende Krankheiten oder schwere Mangelernahrung an Als Todesursache kommt neben einer Verletzung der Weichteile durch Gewalteinwirkung auch eine Infektionskrankheit mit schnellem Verlauf in Frage die keine Spuren am Skelett hinterliess Zahne Bearbeiten nbsp Gebiss mit den beiden charakteristischen ZahnluckenTheos Zahne waren stark von Karies befallen oder abgestorben Abgesehen davon fallen die bereits erwahnten ovalen Lucken auf der linken Seite des Gebisses auf die bei leicht geoffnetem Kiefer beinahe einen kreisrunden Querschnitt erhalten Untersuchungen mit dem Rasterelektronenmikroskop zeigten feine Kratzspuren auf der Zahnoberflache die auf einen Abnutzungsprozess durch das Keramikmundstuck einer Tonpfeife hinwiesen und durch die darin enthaltenen feinen Quarzkornchen verursacht worden waren 6 Solche Abrasionen traten vom 17 bis zum 19 Jahrhundert beinahe weltweit auf Tonpfeifen waren damals weit verbreitet Ausgrabungen auf Friedhofen mit gut dokumentierten Angaben zu den Verstorbenen zeigten dass exzessives Rauchen von Tonpfeifen die auch wahrend der Arbeit ohne Zuhilfenahme der Hande geraucht werden konnten eher in sozial schwachen und hart arbeitenden Bevolkerungsschichten verbreitet war 7 Da das tonerne Mundstuck harter war als der Zahnschmelz schliff es sich mit der Zeit in die umliegenden Zahne ein Dadurch wurde das weichere Dentin freigelegt und der Abnutzungsprozess verstarkte sich Pfeifenlocher entstehen nach funf bis zehn Jahren intensiven Rauchens Demzufolge muss Theo ein langjahriger Raucher gewesen sein der der handwerklich arbeitenden Bevolkerungsschicht angehorte nbsp Tonpfeife wie sie Theo geraucht haben konnte nbsp Gerberwerkstatt in Liestal zwei Gerber mit Pfeife im Mund Holzschild um 1820 nbsp Metzgermeister Johannes David Bienz 1755 1829 mit einer Deckelpfeife Aquarell von Wilhelm Oser um 1820Wer war Theo BearbeitenAuf dem kleinen Merianschen Totenacker der vom 5 Oktober 1779 bis 1 Mai 1833 in Gebrauch war gab es weder Grabsteine noch Gedenktafeln noch einen Lageplan nichts erinnerte an die Toten die hier beerdigt worden waren Im Staatsarchiv Basel Stadt hingegen fand sich das Sterberegister der St Theodor Kirchgemeinde in dem die Namen Berufe Sterbealter und Geburtsorte aller in Kleinbasel Verstorbenen aufgefuhrt waren Angaben zum Bestattungsplatz hingegen fehlten es war nicht angegeben ob ein Verstorbener in der Kirche St Theodor im Merianschen Totenacker oder einem anderen der Friedhofe Kleinbasels seine letzte Ruhestatte fand Von den 4334 Personen die zwischen dem 5 Oktober 1779 und 1 Mai 1833 in Kleinbasel verstarben waren 2069 mannlich Einer von ihnen musste Theo sein Da Theos Alter auf rund 30 Jahre bestimmt werden konnte fielen alle Kandidaten weg die junger als 26 und alter als 34 waren was den Kreis der in Frage kommenden auf 134 verkleinerte Zu weiteren 16 Mannern fand sich in einem besonderen Verzeichnis dem Steinbuch der Hinweis dass sie in der Theodorskirche beerdigt wurden Diese 16 kamen demnach aus der sozialen Oberschicht da nur diese sich einen besseren Bestattungsort leisten konnten 118 Namen blieben ubrig Da Theo zur jungeren Bestattungsphase gehorte und diese von den Archaologen in Zusammenhang mit der grossen Typhusepidemie von 1814 gebracht wurde wurden alle vor 1814 verstorbenen Manner von der Liste gestrichen 25 Manner blieben ubrig Der Zusammenhang mit der Typhusepidemie ist jedoch bis heute nicht nachgewiesen Sollte sich diese Annahme als falsch erweisen musste sich die Suche auf die vor 1814 verstorbenen Personen fokussieren Da Theo wahrend seiner Arbeit standig die Pfeife im Mund gehabt haben musste und Rauchen bei Tatigkeiten im Holz und Textilgewerbe verboten war musste die Wahrscheinlichkeit dass er einen solchen Beruf ausgeubt hatte eher gering sein Theos Tatigkeit lag eher in den Berufen in denen feinmotorische Fahigkeiten gefragt waren wie Seiler Backer oder Schneider 8 9 Alle Informationen rund um Theo und seinen Lebensalltag wurden in einer Datenbank erfasst Diese berucksichtigte alle Kandidaten die als Theo in Frage kommen konnten und wies jedem aufgrund der Informationen zu Theos Profil eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zu Theo zu sein 2008 verzeichnete die Datenbank noch zwolf sogenannte Top Kandidaten die eine Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent aufwiesen mit Theo identisch zu sein 2008 2009 wurde erstmals der Versuch unternommen Theos DNA aus dem Skelett zu isolieren Es gelang aus einem Backenzahn nicht verunreinigtes Zahnbein zu entnehmen und daraus Fragmente der mitochondrialen DNA zu isolieren Mitochondriale DNA wird von der Mutter an ihre Kinder vererbt aber nur Tochter konnen sie an die nachste Generation weitergeben Um herauszufinden ob einer der zwolf Topkandidaten Theo war mussten also Nachfahren auf der weiblichen Linie gefunden werden um deren DNA mit derjenigen von Theo zu vergleichen Genealogische Nachfahrensforschungen auf der weiblichen Linie sind anspruchsvoll und zeitaufwandig da bei jeder Heirat Frauen den Namen ihres Ehemanns annahmen 10 Die Suche nach Nachfahren BearbeitenAus der 12er Liste konnten durch genealogische Nachforschungen die Namen von funfzehn moglichen Nachfahren der Top Kandidaten bestimmt werden Sie wurden zusammen mit der Liste der zwolf Kandidaten am 10 Marz 2010 der Presse mitgeteilt in der Hoffnung dass noch lebende Nachkommen Verwandte erkennen wurden Auch Fernsehen Radio und Printmedien berichteten uber die Suche 11 Aus Grunden des Nachfahrenschutzes wurde darauf geachtet dass nur Namen von potentiellen Nachfahren publiziert wurden die bereits seit hundert Jahren verstorben waren der Nachfahrenschutz tritt mit dem Ableben einer Person fur die Dauer von 100 Jahren in Kraft 12 13 Mogliche NachfahrenName Vorname Geburtsjahr Sterbejahr OrtBrogli Otto 1887 1924 MuhlhausenBurgin Adelheid 1875 Frankfurt MontreuxCatelli Sacher Emma 1896 1972 SissachCavaignac Spitteler Bertha 1874 1948 ArgentinienErni Albert 1880 1955 RothenfluhErni Maria 1886 1964 RothenfluhSacher Frieda 1902 1979 GelterkindenSacher Rosa 1894 1965 GelterkindenSenn Heinrich 1887 1949 BaselSenn Johannes 1883 1960 BaselSpitteler W Eugen 1866 1937 Baraderos ArgentinienSpitteler Zocu W Theophil 1870 1927 San Carlos ArgentinienWirz Adolf 1907 1984 BaselWuthrich Karl 1906 1984 BaselWuthrich Max 1904 1985 BaselIn der Tat meldeten sich zwanzig Personen von denen die meisten auch Nachfahren der Theo Kandidaten waren Da sie aber Nachkommen der mannlichen Linie waren waren sie nicht Trager der mitochondrialen DNA und es konnte kein DNA Abgleich vorgenommen werden Darum wurde das genealogische Vorgehen angepasst Nun sollten ausgehend von der 12er Liste durch aufwandige genealogische Familienforschungen Nachfahren der potentiellen Theo Kandidaten gefunden werden Bei etlichen Kandidaten brachen die verwandtschaftlichen Linien ab und es war nicht moglich noch lebende Nachfahren zu finden Mit einer Ausnahme Johannes Bieler Aber der DNA Abgleich ergab einen negativen Bescheid und Bieler konnte von der 12er Liste gestrichen werden Elf Kandidaten blieben ubrig elf KandidatenID Nr Name Vorname Alter Geburtsjahr Beruf1 Bender Christian Friedrich 33 1784 Glasermeister2 Itin Achilles 31 1786 Vater Stadtsoldat3 Kestenholz Peter 29 1789 Pfannenflicker4 Gessler Johann Jakob 32 1782 Weissgerber5 Merian Johann 30 1784 Vater Seiler6 Lang Niklaus 28 1794 Handelscommis7 Schmid Johann Jakob 33 1782 Muhlenmacher8 Kunz Valentin 33 1789 Seifensieder9 Perrot Franz Georg 26 1793 Handelscommis10 Wohnlich Friedrich 31 1783 Weissbacker11 Hediger Jakob 27 1789 FabrikarbeiterHinter diesen Namen verbergen sich mitunter tragische Schicksale Die folgenden Angaben zu den Lebensumstanden und der familiaren Situation der ersten beiden Kandidaten die Theo gewesen sein konnten beruhen einerseits auf den Recherchen der Genealoginnen der Burgerforschung Basel BBS Marina Zulauf Ursula Fink Diana Gysin und Beat Stadler die in den verschiedenen Archiven suchten anderseits auf genealogischen und berufsspezifischen Nachforschungen Alle Ergebnisse stammen aus Dokumenten die in direktem Zusammenhang mit den zwei Mannern stehen Theo hiess mit grosser Wahrscheinlichkeit Christian Friedrich Bender oder Achilles Itin Da bei keinem von ihnen Nachfahren uber die weibliche Linie gefunden werden konnten blieb eine sichere Identifikation bisher aus Gemeinsam ist den Mannern dass sie einen Migrationshintergrund hatten ihre Familien also von auswarts nach Basel kamen da sie sich in der Stadt eine bessere wirtschaftliche Zukunft erhofften Nur Bender schaffte es sich eine berufliche Existenz aufzubauen Zwei der zehn Kandidaten schieden durch Selbstmord aus dem Leben Christian Friedrich Bender 1783 1816 Bearbeiten nbsp Basler Rheinfront um 1842 Benders wohnten im funften leicht zuruckversetzten Haus von links Federzeichnung von Anton Winterlin Ausschnitt nbsp Anzeige der Witwe Bender im Avis Blatt eine Woche nach Christian Benders TodChristian Friedrich Bender kam am 23 Dezember 1783 in Bouxwiller im Unterelsass zur Welt Im Oktober 1808 wurde er aufgrund einer Niederlassungs und Gewerbsbewilligung als Glaser in Basel in die Zunft Zum Himmel aufgenommen Wann und warum er nach Basel kam ist nicht bekannt Am 30 September 1806 heiratete er Sara Bauler die Tochter eines gut situierten Schneidermeisters Die Benders wohnten in einem schmalen zweistockigen Haus an der Rheingasse 21 Zum Zeitpunkt von Benders Tod lebten von den neun Kindern des Paares noch funf Am 16 November 1816 nahm sich Bender morgens sechs Uhr das Leben indem er sich mit einem Rasiermesser die Kehle durchschnitt Der Schnitt wurde mit grosser Kraft gefuhrt und ging bis auf den Halswirbel Seine Frau Sara gab zu Protokoll sie wollte ihm zu Hulfe eilen allein er stiess sie mit Gewalt weg wo Er sich sogleich noch einen zweyten Schnitt machte Probierschnitte wie sie bei derartigen Selbsttotungen oft vorgenommen werden unterblieben Am selben Tag fanden drei behordliche Untersuchungen statt aus deren detaillierten Beschreibungen in den Protokollen viel uber eine durchschnittliche Familie im 19 Jahrhundert bekannt wird Grund fur seine Tat soll gemass Benders Frau eine Gemuths Krankheit gewesen seyn die sie religiosen Zweifeln und Angsten zuschrieb Denkbar ist jedoch auch dass die Frau eine Krankheit vorschob damit ihr Mann ein ehrliches Grab innerhalb des Kirchhofes erhielt und nicht ausserhalb der Friedhofsmauern verscharrt wurde wie das damals fur Selbstmorder ublich war Heute ergeben sich aber hinsichtlich der Umstande seines Todes mehrere Zweifel einiges deutet auf eine Fremdeinwirkung hin Wie den Protokollen zu entnehmen wurde der Tatort nach der Tat stark verandert Warum war am fruhen Morgen der Wundarztgeselle so schnell zur Stelle Warum wurde der Tote mit dessen Hilfe vom Boden des Schlafzimmers auf das Bett im benachbarten Zimmer gelegt Bender soll sich im Stehen getotet haben warum waren die Leintucher des Bettes im Schlafzimmer voller Blut Viele Fragen bleiben offen Aufgrund der Tatsache dass die Halsmuskeln der rechten Seite vollstandig durchtrennt waren auf der linken Seite aber fast unversehrt blieben lasst sich schliessen dass Bender den Schnitt von rechts oben nach links unten fuhrte er musste also Linkshander gewesen sein Sollte sich nun herausstellen dass Theo identisch mit Christian Friedrich Bender war dann konnte das darauf hinweisen dass Bender umgebracht wurde Theo war Rechtshander Benders Korpergrosse wurde bei der Untersuchung seines Todes vermessen Sie betrug ca 1 60 Meter genau die fur Theo berechnete Grosse Theos Halswirbelsaule hat sich leider nicht erhalten sonst hatten eventuell vorhandene Schnittspuren nachgewiesen werden konnen Die geschaftstuchtige Sara Bender fuhrte den Glaserbetrieb ihres Mannes dank einer Sondergenehmigung weiter Im August 1818 heiratete sie den Glasermeister Adam Uehlinger bekam zwei weitere Kinder verstarb am 26 Juni 1839 im Alter von 55 Jahren und hinterliess ein beachtliches Vermogen von knapp 20 000 Franken Achilles Itin 1786 1816 Bearbeiten nbsp Achilles Itins Eintrag im Taufbuch der Theodorskirche vom 2 Marz 1786 nbsp Taufeintrag von Maria Sara Itin der jungsten Schwester von Achilles Itin im Kirchenbuch von St Theodor vom 15 August 1835 Links zwischen den Namen der Eltern der Vermerk Stadtsoldat Achilles Itin wurde als drittes von sieben Kindern in Basel geboren Als Paten wurden am 2 Marz 1786 im Taufbuch der Theodorskirche der Theologieprofessor Jakob Meyer und der Farbermeister und Grossrat Achilles Miville eingetragen vielleicht ein Zeichen der Wohltatigkeit gegenuber der notleidenden Familie Die Familie lebte vermutlich zur Untermiete in armlichen Verhaltnissen in zwei oder drei Zimmern im Bezirk der Kirchgemeinde St Theodor in Kleinbasel Der Vater war Stadtsoldat und musste die neunkopfige Familie mit zehn Franken Monatslohn ernahren Der Bruder Hans Jakob Itin arbeitete als Fuhrknecht bei der Stadt Ob sie von der Stadt unterstutzt worden sind ist nicht bekannt Achilles durfte als lediger Sohn ebenfalls bei der Familie gewohnt haben zusammen mit den nicht verheirateten Schwestern Die alteste Schwester heiratete 1811 den Witwer und Seidenweber Isaac Roth Von ihren sieben Kindern verstarben die drei jungsten als Kleinkinder der zweite Sohn Jacob Conrad Roth ertrank dreizehnjahrig im Rhein Zwei von Achilles Schwestern gebaren je eine uneheliche Tochter Eines der Madchen kam gehor und sprachlos zur Welt Sie gebar spater zwei uneheliche Kinder die beide kurz nach der Geburt starben Drei der unverheiratet gebliebenen Schwestern verstarben wie ihr Vater im Armenspital in Liestal Achilles Itin blieb ledig und verstarb im Alter von 30 Jahren am 14 November 1816 ein paar Monate nach seiner Mutter Uber seine Berufstatigkeit und die Todesursache ist nichts bekannt Plastische Gesichtsrekonstruktion Bearbeiten nbsp GesichtsrekonstruktionIm Jahr 2001 stellte der Historiker Fabian Link unter der Anleitung des Anthropologen und Bildhauers Gyula Skultety eine Gesichtsrekonstruktion von Theo her Link stellte ihn als um die 40 Jahre alten Mann mit Falten und einem von harter Arbeit gezeichneten Gesicht dar Spatere ausfuhrlichere Untersuchungen zum Sterbealter von Theo ergaben dass Theo schon im Alter von 30 Jahren verstarb Mit den neuen Angaben gestaltete Gyula Skultety Theo als jungeren Mann 14 Die Rekonstruktion zeigt demnach eine plausible Variante von Theos Aussehen zum Zeitpunkt seines Todes Neue genetische und genealogische Forschungen BearbeitenMit neu entwickelten Methoden gelang in der forensischen Genetik in Berlin 2015 Fragmente der nuklearen DNA Theos aus einer Knochenprobe zu isolieren Hier musste die Nachfahrensuche auf der mannlichen Linie geschehen So konnte ein Nachfahre eines weiteren in Frage kommenden Mannes Pfannenflicker Peter Kestenholz in Liestal aufgespurt werden Doch die Analyse seiner DNA ergab dass keine Verwandtschaft vorlag Ein weiterer Kandidat konnte unter gewissen Vorbehalten von der Liste gestrichen werden es verblieben also noch zehn Bei Recherchen uber die mannliche Linie besteht die Moglichkeit von sogenannten Kuckuckskindern die die vaterliche Linie mit fremder DNA unterbrechen Ein genetischer Nachfahrensabgleich ist dann nicht mehr moglich Wenn also bei einem potentiellen Nachfahren Theos keine Verwandtschaft nachgewiesen wird kann der Kandidat nicht mit hundertprozentiger Sicherheit von der Kandidatenliste gestrichen werden Eine zweite Spur zum Top Kandidaten Achilles Itin fuhrt in die USA Hier steht die Kontaktaufnahme noch an ein erster Versuch scheiterte Um die Moglichkeiten zu verbessern Theos Nachfahren zu finden wurde in Zusammenarbeit mit der Universitat Potsdam Institute of Biochemistry and Biology Adaptive Evolutive Genomik YSEQ und der Forensischen Genetik Berlin eine Gesamtgenom Sequenzierung Whole Genome Sequence von Theo durchgefuhrt 15 Die gewonnenen Daten werden in DNA Datenbanken wie zum Beispiel GEDmatch hochgeladen die anstatt der mutterlichen und vaterlichen Linien ca 1 Million autosomale Marker vergleichen Als wichtigste Aussage konnte bisher bestimmt werden dass Theo der exakten mitochondrialen Haplogruppe U 3546A sowie der Y chromosomalen Haplogruppe R1b S22194 mit den weiteren privaten Mutationen BY47236 T und BY126769 G angehort 16 Werden nun Ubereinstimmungen bestehender Genmarker mit denjenigen von Theo festgestellt wurden die betroffenen Personen angeschrieben Sollten diese nachweislich Vorfahren aus Basel haben konnte dies zur Bestimmung von Theos Identitat fuhren So ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit bis das Ratsel um Theo gelost werden kann Weitere Anwendungen des Verfahrens BearbeitenSolche Verfahren werden bereits bei sogenannten Cold Case Ermittlungen erfolgreich angewandt Schwere Verbrechen konnen aufgrund alter DNA Proben des Morders ohne Vorkenntnisse zu seiner Identitat fuhren Eine Sequenzierung des Genoms aus der Zellkern DNA wurde auch bei Otzi vorgenommen 17 Literatur BearbeitenGerhard Hotz Liselotte Meyer Simon Kramis Fabian Link Denise Cueni Theo der Pfeifenraucher Aus dem Leben eines Kleinbaslers um 1800 In Basler Stadtbuch 2007 S 173 177 Gerhard Hotz et al Theo der Pfeifenraucher Leben in Kleinbasel um 1800 Naturhistorisches Museum Basel Christoph Merian Verlag Basel 2010 18 Gerhard Hotz Stefanie Doppler Marie Louise Gamma Diana Gysin Odette Haas Guido Helmig Ludwig Huber Simon Kramis Fotios Alexandros Karakostis Liselotte Meyer Genevieve Perreard Lopreno Jurgen Rauber Lutz Roewer Jessica Rothe Albert Spycher Ursula Wittwer Backofen und Marina Zulauf Semmler 2017 Theo der Pfeifenraucher ein genealogisch naturwissenschaftliches Identifizierungsprojekt Jahrbuch Schweizerische Gesellschaft fur Familienforschung Bd 44 29 61 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Theo der Pfeifenraucher Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Burgerforschung Basel Burgerprojekt erforscht Basel im 19 Jahrhundert Archaologische Bodenforschung Basel Stadt Rene Ammann in Beobachter vom 28 Marz 2018 Guido Kleinhubbert Der Fall Theo hat seine Frau ihn getotet Spiegel Online 52 2017 Website des Transkriptionsteams Theo der Pfeifenraucher Projekt der Universitat BaselEinzelnachweise Bearbeiten Basler bauten ch Philipp Senn in Theo der Pfeifenraucher Christoph Merian Verlag Basel 2010 S 114 ff Gerhard Hotz et al Theo der Pfeifenraucher Christoph Merian Verlag Basel 2010 S 32 ff Burgerforschung Basel Gerhard Hotz et al Theo der Pfeifenraucher Christoph Merian Verlag Basel 2010 S 45 ff Lukas M Kofmehl Georg Schulz Hans Deyhle Andreas Filippi Gerhard Hotz and Simon Kramis Computed tomography to quantify tooth abrasion Proceedings of SPIE 7804 2010 Simon Kramis Tonpfeifenraucher aus Basler Friedhofen Anthropologische und historische Aspekte des Tabaktrinckens Knasterkopf Fachzeitschrift fur Tonpfeifen und historischen Tabakgenuss Band 19 2007 Seite 41 44 Fotios Alexandros Karakostis Gerhard Hotz Joachim Wahl Heike Scherf amp Katerina Harvati Occupational manual activity is reflected on the patterns among hand entheses American Journal of Physical Anthropology 2017 Fotios Alexandros Karakostis Gerhard Hotz Joachim Wahl Heike Scherf amp Katerina Harvati A repeatable geometric morphometric approach to the analysis of hand entheseal three dimensional form American Journal of Physical Anthropology 2018 Bzbasel ch NZZ 12 Marz 2010 Genealogisch Heraldische Gesellschaft der Regio Basel Genealogisch Heraldische Gesellschaft der Regio Basel geschichte unibas ch Gerhard Hotz et al Theo der Pfeifenraucher ein genealogisch naturwissenschaftliches Identifizierungsprojekt Jahrbuch Schweizerische Gesellschaft fur Familienforschung Bd 44 51f Jessica Rothe Institut fur Rechtsmedizin Charite Berlin Bericht zur Gesamtgenom Sequenzierung von Theo 8 November 2019 Interview Dr Eduard Egarter Vigl aus Otzi ein Archaologiekrimi von Christine Sprachmann Erstausstrahlung 3sat 10 August 2011 merianverlag chPersonendatenNAME Theo der PfeifenraucherKURZBESCHREIBUNG fiktiver Name eines Mannes dessen Skelett 1984 in einem ehemaligen Armenfriedhof gefunden wurdeGEBURTSDATUM um 1790STERBEDATUM um 1820STERBEORT Kleinbasel Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Theo der Pfeifenraucher amp oldid 221760554