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Als Steuerinzidenz werden in der Finanzwissenschaft und in der Steuerlehre Steuerwirkungen bezeichnet die durch eine Veranderung innerhalb des Steuersystems auf die Einkommensverteilung ausgelost werden ohne dass es zu einer Veranderung der Staatsausgaben kommt Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Arten 3 Modellierung 4 Wirtschaftliche Aspekte 5 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDas Fremdwort Inzidenz lateinisch incidens hinzufallend 1 besagt in diesem Zusammenhang dass sich durch Veranderungen der Steuern distributive Auswirkungen ergeben konnen Es werden die Wirkungen einer Veranderung von Steuern oder Abgaben auf die Einkommensverteilung untersucht wobei unterstellt wird dass alle Steueruberwalzungsvorgange abgeschlossen sind 2 Nur durch die Ermittlung der Belastungswirkungen der Besteuerung kann eine Erorterung der Steuergerechtigkeit stattfinden Der Versuch ein optimales Steuersystem zu schaffen ist solange zwecklos wie die Belastungswirkungen verschiedener Steuerarten nicht bekannt sind 3 Deshalb ist die Lehre von der Steuerinzidenz eines der altesten und bedeutendsten Forschungsgebiete der Steuerwissenschaft Arten BearbeitenUnterschieden wird zwischen absoluter Steuerinzidenz Differentialinzidenz und Budgetinzidenz 4 Die absolute spezifische Steuerinzidenz untersucht die Verteilungswirkungen durch die Veranderung einer einzelnen Steuerart bei konstanten Staatsausgaben Die Differentialinzidenz untersucht die distributiven Wirkungen die sich durch den Ersatz einer Steuerart durch eine andere ergeben wobei das gesamte Steueraufkommen und die Staatsausgaben konstant bleiben Bei der Budgetinzidenz werden Staatseinnahmen und Staatsausgaben gleichzeitig und in gleicher Hohe verandert so dass sich das Haushaltsvolumen andert Nur bei der Budgetinzidenz bleiben die Staatsausgaben nicht konstant Edwin Robert Anderson Seligman unterschied 1959 ferner zwischen formeller und materieller tatsachlicher Steuerinzidenz 5 Wahrend sich die formelle Steuerinzidenz aus den Steuergesetzen ergibt beschreibt die materielle Steuerinzidenz jene Wohlstandseinbussen die bei den Steuerpflichtigen oder anderen Personen nach Abschluss aller Uberwalzungsvorgange und Verzerrungen verbleiben 6 Unter Verzerrungen versteht der Autor die Zusatzlast der Besteuerung die dadurch ausgelost wird dass die Steuerpflichtigen versuchen ihre Steuerlast durch Verhaltensanderungen Steuerabwehr zu verringern Modellierung BearbeitenIn einem Modell 7 leben Konsumenten die durch h 1 H displaystyle h 1 H nbsp identifiziert werden In einem hypothetischen Zustand ohne Steuern wahlt jeder Konsument unter Berucksichtigung seiner finanziellen Moglichkeiten ein bestimmtes Guterbundel A displaystyle A nbsp und erreicht hierdurch den Nutzen u 0 displaystyle u 0 nbsp Nach Einfuhrung von Steuern auf das Guterbundel A h displaystyle A h nbsp zahlt jeder Konsument den Steuerbetrag T displaystyle T nbsp an das Finanzamt Dadurch verandert sich durch die Erhohung des Kaufpreises die Budgetgerade Jede neue oder erhohte Steuer verkleinert gegenuber einer Welt ohne Steuern die Menge der Guterbundel die sich der Konsument leisten kann weil sein Konsum teurer wird 8 Formelle und materielle Steuerlast werden nun durch den Vergleich des fiktiven Zustands ohne Steuern und den Zustand mit Steuern charakterisiert Diese unterscheiden sich oberflachlich durch die Steuerbetrage T displaystyle T nbsp Von Bedeutung ist dass die von den Konsumenten nachgefragten Guterbundel in den beiden Zustanden mit oder ohne Steuern verschieden sind Durch die Besteuerung wahlt der Konsument nun das substitutive Guterbundel B h displaystyle B h nbsp das jedoch seinen eigentlichen Praferenzen nicht entspricht wodurch sein Nutzen auf u 1 displaystyle u 1 nbsp sinkt Normalerweise wird ein Konsument durch die Besteuerung zu einem Konsumverzicht Zwangssparen gezwungen und sein Nutzen sinkt um den in Geldeinheiten gemessenen Betrag d u displaystyle delta u nbsp Damit lasst sich die formelle und materielle Steuerlast begrifflich eindeutig definieren Die formelle Steuerlast wird durch T T 1 T h displaystyle T T 1 T h nbsp beschrieben Eine Komponente dieses Vektors entspricht dem Steuerbetrag den der Konsument an das Finanzamt abfuhrt Die materielle Steuerlast oder Steuerinzidenz wird durch den Vektor d u d u 1 d h displaystyle delta u delta u 1 delta h nbsp beschrieben Eine Komponente dieses Vektors entspricht der Nutzeneinbusse die der Konsument durch die Besteuerung erleidet Die Steuerbelastung stellt mithin eine Nutzeneinbusse dar 9 Da sich das Einkommen des Privathaushalts durch die Steuererhebung nicht verandert konnen die Steuereinnahmen gemessen in Gutereinheiten des Guterbundels B h displaystyle B h nbsp durch die Menge A h B h displaystyle A h B h nbsp erfasst werden 10 Wirtschaftliche Aspekte BearbeitenIm Hinblick auf obige Aussagen ist Steuertrager wer die Steuer letztlich aufzubringen hat und somit eine Nutzeneinbusse erleidet wahrend Steuerdestinatar der vom Gesetzgeber vorgesehene Steuertrager ist 11 der jedoch wegen Steueruberwalzung keine Nutzeneinbusse erleidet Die Steuerbelastung eines Privathaushalts manifestiert sich jedoch nicht nur im abzufuhrenden Steuerbetrag Vielmehr ist auch das Ausmass subjektiver Einschrankungen der Wohlfahrt zu berucksichtigen englisch excess burden die mit der Erhebung von Steuern verbunden sind 12 Formelle und materielle Steuerlast unterscheiden sich weil einerseits Steueruberwalzungsvorgange stattfinden und weil die Besteuerung andererseits Verzerrungen auslost Die Steuerinzidenz hangt nicht davon ab ob die Steuer beim Kaufer oder Verkaufer erhoben wird sondern sie hangt von der Nachfrageelastizitat und der Angebotselastizitat ab Die Steuerlast wird tendenziell von den Marktteilnehmern getragen deren Elastizitaten gering sind und die deshalb weniger leicht der Belastung durch Verhaltensanderungen ausweichen konnen Die Steuerinzidenz kann in drei Analyseformen untersucht werden 13 Bei der spezifischen Inzidenz wird die Wirkung einer einzelnen Steuerart untersucht wobei von konstanten Staatsausgaben und von unveranderten ubrigen Steuerarten ausgegangen wird Die spezifische Inzidenz lasst sich eher im Rahmen einer Partialanalyse rechtfertigen die nicht die Gesamtwirtschaft sondern einen einzelnen Markt Mikroebene oder Mesoebene betrachtet Allerdings muss in jedem Einzelfall gepruft werden ob die hierbei gewonnenen Ergebnisse eine Ubertragung auf die Makroebene vertragen Der Vorteil einer Beschaftigung mit der spezifischen Inzidenz liegt auf der didaktischen Ebene weil die partialanalytische Behandlung eines einzelnen Marktes einfacher ist als der Umgang mit gesamtwirtschaftlichen Modellen und in vielen Fallen stimmen die dabei gewonnenen Erkenntnisse mit denen uberein die sich aus einer gesamtwirtschaftlichen Analyse ergeben Bei der Differentialinzidenz werden die Wirkungen analysiert die sich bei der Ersetzung einer bestehenden Steuerart durch eine andere aufkommensgleiche Steuerart ergeben Sie eignet sich besonders bei der Untersuchung der Wirkung von Steuerreformen Gefragt wird beispielsweise welche Wirkung bei einer Senkung der Einkommensteuer bei gleichzeitiger aufkommensneutraler Erhohung der Umsatzsteuer zu erwarten ist Werden Staatseinnahmen und Staatsausgaben gleichzeitig und in gleicher Hohe verandert so dass sich das Haushaltsvolumen andert wird die Budgetinzidenz analysiert 14 Konsequenterweise sollten bei der Analyse nicht nur die Steuerzahlungen berucksichtigt werden sondern auch zugleich die mit den Staatsausgaben verbundenen Nutzengewinne der ubrigen Wirtschaftssubjekte Die Budgetinzidenz Sie stellt die zusammengefassten Belastungswirkungen von Staatseinnahmen und Staatsausgaben dar Bei ihrer Herleitung gilt stets die staatliche Budgetgleichung alle Steuereinnahmen decken staatliche Guterkaufe oder Transferzahlungen Im Rahmen der Steuerlehre bleiben jedoch die mit den Staatsausgaben verbundenen Nutzen offentlicher Guter ausser Betracht Steuerinzidenz es werden hochstens Geldruckflusse an den privaten Sektor modelliert damit sich ein geschlossener Wirtschaftskreislauf ergibt Einzelnachweise Bearbeiten Ursula Hermann Knaurs etymologisches Lexikon 1983 S 223 ISBN 3 426 26074 3 Eggert Winter Ute Arentzen Gabler Wirtschafts Lexikon Band 3 1997 S 2034 Michael Rodi Okonomische Analyse des Offentlichen Rechts 2014 S 169 ff Verlag Th Gabler Hrsg Gablers Wirtschafts Lexikon Band 5 1984 Sp 1441 ISBN 3 409 30383 9 Edwin Robert Anderson Seligman Introduction to the Shifting and Incidence of Taxation 1959 S 202 ff Stefan Homburg Allgemeine Steuerlehre 2000 S 98 ISBN 978 3 8006 2627 4 Elguja Khokrishvili Good Taxation und die Neukonzeption der Einkommens und Gewinnbesteuerung in Georgien 2010 S 13 f Arnold Heertje Heinz Dieter Wenzel Grundlagen der Volkswirtschaftslehre 1997 S 476 ff Heinz Haller Bemerkungen zur progressiven Besteuerung und zur steuerlichen Leistungsfahigkeit in FinanzArchiv 1959 S 35 57 Karl Heinz Moritz Mikrookonomische Theorie des Haushalts 1993 S 112 Horst Zimmermann Klaus Dirk Henke Michael Broer Finanzwissenschaft 2012 S 134 f Bernd Genser Steuerlastindizes 1985 S 27 Diana Maria Scharf Direkte Konsumsteuer und aggregiertes Risiko 2002 S 40 ff Dieter Brummerhoff Finanzwissenschaft 2001 S 401 ISBN 978 3 11 053074 2Normdaten Sachbegriff GND 4057483 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Steuerinzidenz amp oldid 235153416