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Die Steuergerechtigkeit ist ein wesentlicher Grundsatz des Steuerrechts und spezieller Ausdruck des grundrechtlich zugesicherten Gleichheitssatzes gemass Art 3 Abs 1 GG Inhaltsverzeichnis 1 Historische Grundlagen 2 Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung 3 Selbststandige und Nichtselbststandige 4 Minimalvorgaben 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHistorische Grundlagen BearbeitenEin moderner Staat benotigt zur Finanzierung seiner vielfaltigen Aufgaben Einnahmen die im Wesentlichen durch die Besteuerung seiner Burger erzielt werden Bereits im Altertum verlangte die jeweilige Obrigkeit Abgaben Der Okonom Adam Smith vertrat bereits 1776 die Ansicht dass die Burger eines jeden Staates zum Unterhalt der Regierung moglichst genau im Verhaltnis zu ihren jeweiligen Fahigkeiten beitragen sollen und galt damit als erster Verfechter der Steuergerechtigkeit In seinem Buch Der Wohlstand der Nationen warnte er 1776 vor der Steuerflucht wenn die Besitzer beweglichen Kapitals bei hohen Steuern ihr Vermogen in irgendein anderes Land bringen 1 Er stellte hierin die Besteuerungsgrundsatze der Gleichmassigkeit englisch equality Bestimmtheit englisch certainty Bequemlichkeit englisch convenience und Billigkeit englisch economy auf Der preussische Finanzminister Johannes von Miquel entwickelte 1891 ein modernes Einkommensteuersystem Aufgrund der Einfuhrung einer allgemeinen Steuererklarungspflicht und der progressiven Besteuerung diente es anderen deutschen Landern als Vorbild In einem demokratischen Gemeinwesen mussen die Besteuerungsgrundsatze wegen der Legitimationsproblematik offengelegt werden da die Durchsetzung und die praktische Umsetzung allgemeiner Besteuerungsregeln eng mit der Akzeptanz der Steuergesetze durch den Burger verknupft ist Das wiederum beruhrt die Steuergerechtigkeit und der damit zusammenhangenden steuerlichen Auswirkungen auf das Einkommensgefuge Grundsatz der Gleichheit der Besteuerung BearbeitenDie Steuergerechtigkeit fordert dass sich die Steuer an der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit des Steuerzahlers orientiert Leistungsfahigkeitsprinzip und dass sie in sich schlussig ausgestaltet ist Folgerichtigkeitsprinzip 2 Als fundamentaler Besteuerungsgrundsatz ist sie unverzichtbarer Bestandteil des Steuersystems Auch unter dem Aspekt der Akzeptanz der jeweiligen Besteuerung ist eine moglichst gerechte Verteilung der Steuerlast erforderlich Ein Steuersystem das den gesellschaftlichen Interessengruppen ausgeliefert ist wird von den Burgern als ungerecht empfunden und zum eigenen Vorteil ausgenutzt Steuerumgehungsmoglichkeiten konnen das Rechtsempfinden mit der Bedrohung der Einnahmeerzielung Abwanderung ins Ausland erheblich storen Die individuelle wirtschaftliche Leistungsfahigkeit hangt als Mass fur die Steuerlast von der wirtschaftlichen Position des Steuerzahlers ab Hier wird unterschieden zwischen horizontaler Steuergerechtigkeit Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfahigkeit sind auch gleich hoch zu besteuern vertikaler Steuergerechtigkeit Steuerpflichtige mit ungleicher Leistungsfahigkeit mussen auch unterschiedlich besteuert werden Daraus ergeben sich drei Probleme Woran soll die Leistungsfahigkeit gemessen werden Indikatorenproblem Wie soll der Steuertarif ausgestaltet werden Wie soll das Gerechtigkeitspostulat in den Steuergesetzen umgesetzt werden Als Indikator der Leistungsfahigkeit gelten das Einkommen der Konsum und in gewissem Umfang auch das Vermogen Die Einkommensteuer und die Korperschaftsteuer besteuern das Einkommen die Umsatzsteuer den Konsum die Erbschaftsteuer und die Vermogensteuer das Vermogen Dabei stellt sich die Frage des Verhaltnisses zwischen direkten und indirekten Steuern Probleme zeigen sich bei der Eingrenzung des steuerpflichtigen Einkommens Nach der Reinvermogenszugangstheorie sollen alle erzielten Einnahmen und Wertsteigerungen bzw Vermogensmehrungen zwischen zwei Stichtagen besteuert werden Nach der Quellentheorie sollen nur regelmassig zufliessende Einnahmen besteuert werden Weiterhin wurden die sogenannte Opfertheorie entwickelt die von einem sinkenden Grenznutzen des Einkommens ausgeht Grenznutzen Je mehr Geld ein Individuum besitzt desto geringer ist der Nutzen des einzelnen Euros Man vergleiche z B eine Person die mit 100 Euro einen ganzen Monat uberleben muss mit einer Person die im Monat 10 000 Euro zur Verfugung hat Bei ersterer ist der Nutzen jedes einzelnen Euros gross bei letzterer kommt es auf einen Euro mehr oder weniger nicht an Die Opfertheorie wird jedoch nicht als eindeutiges und schlussiges Konzept zur Ausgestaltung der vertikalen Leistungsfahigkeit verstanden Selbststandige und Nichtselbststandige BearbeitenEin besonderer Fall ist die Umsetzung des Grundsatzes der Gleichheit der Besteuerung bei der Besteuerung von Einkunften aus selbstandiger Arbeit einerseits und den Einkunften aus nichtselbstandiger Arbeit andererseits Das Nettoeinkommen eines Selbstandigen reprasentiert zum einen die Entlohnung fur das Unternehmerrisiko welches er eingegangen ist sowie eine Rendite fur das Kapital welches er investiert hat und ggf auch die Entlohnung fur seinen personlichen Einsatz Stattdessen konnte er seine Arbeitskraft auch auf dem Arbeitsmarkt anbieten und Einkunfte aus nichtselbstandiger Arbeit beziehen In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage ob die beiden Einkunftsarten gleich besteuert werden sollten Wenn ein Steuersystem Begunstigungen fur Selbstandige vorsieht kann das ein Anreiz sein eine selbstandige Tatigkeit anzustreben Die Folge konnten Neugrundungen von kleineren Firmen und Subcontracting Firmen sein Andererseits kann eine deutlich hohere Besteuerung von Einkunften aus selbstandiger Arbeit die Produktivkrafte in ein Angestelltenverhaltnis drangen Neben nur unwesentlich hoheren gleich hohen oder sogar niedrigeren Einkunften aus selbstandiger Arbeit nimmt hier der Faktor der Risikoaversion vor Jobverlust proportional zu und fuhrt zu einer hoheren individuellen Bewertung des Angestelltenverhaltnisses im Vergleich zur Selbstandigkeit Unter Annahme einer gleichen Besteuerung von selbstandiger Arbeit und nichtselbstandiger Arbeit also gleichem x und mind r gt 0 displaystyle r gt 0 nbsp oder i gt 0 displaystyle i gt 0 nbsp ergibt sich ein proportional hoheres Nettoeinkommen aus selbstandiger Arbeit im Vergleich zum Nettoeinkommen aus nichtselbstandiger Arbeit Kapitaleinkommen sind zur Vergleichbarkeit vernachlassigt E 1 1 r 1 i L 1 x 1 displaystyle E 1 1 r cdot 1 i cdot L 1 x 1 nbsp E 2 L 1 x 2 displaystyle E 2 L cdot 1 x 2 nbsp E 1 displaystyle E 1 nbsp Nettoeinkommen aus selbstandiger Arbeit E 2 displaystyle E 2 nbsp Nettoeinkommen aus nichtselbstandiger Arbeit r displaystyle r nbsp fiktive Entlohnung fur Unternehmerwagnis i displaystyle i nbsp fiktiver Zinssatz fur Eigenkapital Entschadigung fur Zinszahlungen fur Fremdkapital L displaystyle L nbsp Lohn fur Arbeitsleistung x 1 x 2 displaystyle x 1 x 2 nbsp Steuersatze R G displaystyle RG nbsp ReservationsgrenzeMuss ein Individuum entscheiden ob es Einkunfte aus selbstandiger Arbeit oder aus nichtselbstandiger Arbeit beziehen will kann dies nicht objektiv beurteilt werden aufgrund der individuellen Reservationsgrenze und der individuellen Bewertung der Einkunftssicherheit E 1 gt R G lt E 2 displaystyle E 1 gt RG lt E 2 nbsp Festzustellen ist aber dass mit einem niedrigeren x 1 displaystyle x 1 nbsp also Steuerbegunstigungen fur Einkunfte aus selbstandiger Arbeit E 1 displaystyle E 1 nbsp proportional grosser wird als E 2 displaystyle E 2 nbsp und die Wahrscheinlichkeit dass bei mehr Individuen die Reservationsgrenze uberschritten wird proportional auch grosser wird Andererseits wird aber auch deutlich dass ein hoher Steuersatz x 1 displaystyle x 1 nbsp das Individuum direkt in ein Angestelltenverhaltnis drangt Neben nur unwesentlich hoheren gleichen oder sogar niedrigeren Einkunften E 1 displaystyle E 1 nbsp nimmt hier auch der Faktor der Risikoaversion vor Jobverlust proportional zu und lasst das Individuum das Angestelltenverhaltnis noch hoher bewerten also die R G displaystyle RG nbsp nach oben verschieben Minimalvorgaben BearbeitenIn Deutschland haben sich durch Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die folgenden Minimalvorgaben zur Bestimmung der steuerlichen Leistungsfahigkeit herausgebildet Steuerfreiheit des Existenzminimums Dem Steuerzahler muss nach der Besteuerung genugend Geld fur ein menschenwurdiges Leben bleiben Als Untergrenze dieses Mindestbedarfs wird der Sozialhilfesatz fur Bedurftige verwendet Familiensteuergerechtigkeit Die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenuber Angehorigen muss berucksichtigt werden Gleichmassigkeit der Besteuerung Rechtsformneutralitat Unabhangig davon welche Rechtsform fur ein Unternehmen gewahlt wird sollten vergleichbare wirtschaftliche Sachverhalte eine gleiche steuerliche Belastung erzeugen Soziale Steuergerechtigkeit Anreize zur wirtschaftlichen Unabhangigkeit zum Sparen und zur Eigentumsbildung Allerdings darf durch eine zu scharfe Steuerprogression mit dem Ziel der Umverteilung 3 4 die Leistung nicht so stark bestraft werden dass Leistungstrager ins Ausland abwandern Literatur BearbeitenJurgen Borchert Sozialstaatsdammerung Riemann Verlag Munchen 2013 ISBN 9783570501603 Ulrich Schneider Mehr Mensch Gegen die Okonomisierung des Sozialen Westend Verlag Frankfurt am Main 2014 ISBN 978 3 86489 079 6 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Steuergerechtigkeit Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Adam Smith Der Wohlstand der Nationen 1776 Book 5 Chapter 26 BVerfG Beschluss vom 22 Februar 1984 Az 1 BvL 10 80 BVerfGE 66 214 223 Statistisches Bundesamt Lohn und Einkommensteuerstatistik 2001 Einkommen 2001 Berechnung der Umverteilung durch SteuernBitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4057437 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Steuergerechtigkeit amp oldid 239022916