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Als Spontanremission wird die Symptomreduktion oder Uberwindung einer Krankheit oder psychischen Storung ohne eine medizinische oder therapeutische Intervention bezeichnet 1 Im Bereich der Onkologie also bei Krebs wird dies auch als Spontanregression bezeichnet Fur Spontanremissionen nannten Everson und Cole in ihrem Buch von 1966 folgende Definition Als Spontanremission bezeichnet man ein komplettes oder teilweises Verschwinden eines bosartigen Tumors in Abwesenheit aller Behandlungen oder mit Behandlungen fur die bisher kein Wirksamkeitsnachweis gefuhrt werden konnte Im Falle von Krebsen des blutbildenden Systems spricht man von Spontanremission bei soliden Tumoren von Spontanregression diese beiden Begriffe werden jedoch haufig synonym benutzt 2 Beides sind Formen der Spontanheilung bei Krebs Auch bei psychischen Storungen spielt Spontanremission eine bedeutende Rolle Deshalb ist die Wirksamkeit einer Psychotherapie immer gegen die Besserungsrate durch Spontanremission zu prufen d h ob die Therapie daruber hinaus einen signifikanten zusatzlichen Effekt bringt 3 Dabei bedeutet spontan nicht ohne Ursachen welche sich aus den normalen Veranderungen der Lebenssituation ergeben konnen Heute geht man davon aus dass die Besserungsrate durch Psychotherapie einer Spontanremission uberlegen ist 4 Inhaltsverzeichnis 1 Spontanremission bei Krebs 1 1 Ursachen 1 2 Ubersichtsartikel 2 Spontanremission bei psychischen Storungen 2 1 Berucksichtigung bei der Effektivitatskontrolle von Psychotherapie 2 1 1 Gegenwartiger Stand 2 2 Haufigkeit von Spontanremission 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseSpontanremission bei Krebs BearbeitenMan nahm lange an dass Spontanremissionen bei Krebs ein seltenes Phanomen sind und dass sie sich bei bestimmten Krebsformen haufen und bei anderen Krebsformen selten sind haufiger bei malignen Melanomen Nierenzellkarzinomen malignen Lymphomen und kindlichen Neuroblastomen seltener bei Bronchial und Mammakarzinomen kolorektalen Karzinomen invasiven Zervixkarzinomen Magen oder Ovarialkarzinomen und akuten Leukamien 5 In einem Ubersichtsartikel wurde eine Haufigkeit von 1 100 000 Krebserkrankungen geschatzt 6 wobei dieser Wert in der Realitat deutlich nach oben oder unten abweichen kann Denn zum einen werden nicht alle Spontanremissionen erfasst entweder weil der Fall nicht gut dokumentiert wurde weil die behandelnden Arzte den Fall nicht publizierten oder weil der betreffende Patient sich schlicht nicht wieder in der Klinik einfand Auf der anderen Seite ist seit 100 Jahren kaum ein Krebspatient unbehandelt so dass der Einfluss der jeweiligen Behandlung unklar ist Dennoch handelt es sich bei Spontanheilungen bei Krebs ohne Zweifel um ein reales Phanomen fur das man in der Literaturdatenbank PubMed uber 1000 publizierte Fallstudien findet Moglicherweise ist jedoch die Haufigkeit von Spontanregressionen zumindest bei kleinen Tumoren deutlich hoher als bislang angenommen wurde In einer Mammographiestudie von 2008 wurde eine um 22 erniedrigte kumulative Inzidenz von Brustkrebs bei der Kontrollgruppe ohne Mammographie im Vergleich mit der mit Mammographiegruppe gefunden dieser Befund wurde in der Arbeit ausfuhrlich diskutiert und letztendlich als Spontanheilungsquote von 22 bei Brustkrebs interpretiert 7 ein Wert der ebenfalls in einer Arbeit von 2006 gefunden wurde 8 Ursachen Bearbeiten In medizinischen Kreisen wird als Ursache von Spontanremissionen bei Krebs haufig der programmierte Zelltod Apoptose oder die Inhibition der Angiogenese Gefassneubildung in Tumoren angegeben 5 Doch weder Apoptose noch Angiogenese sind Ursachen sondern biologische Mechanismen auf zellularer Ebene die ihrerseits einen Ausloser benotigen In vielen Krebszellen ist die Apoptose durch Mutationen ausgeschaltet die Angiogenese durch Mutationen angeschaltet Krebs existiert weil gerade diese beiden Mechanismen nicht mehr korrekt funktionieren 9 Eine andere Hypothese besagt dass Spontanregressionen bei Krebs in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit heftigen fiebrigen Infekten zu stehen scheinen 6 Wenn es sich bei dieser zeitlichen Koinzidenz um einen ursachlichen Zusammenhang handeln sollte sollten sich fiebrige Infekte auch vorbeugend prophylaktisch bemerkbar machen d h das Risiko an Krebs zu erkranken senken Diese Annahme wurde durch die Zusammenfuhrung von mehr als 30 epidemiologischen Studien erhartet 10 Ubersichtsartikel Bearbeiten Rohdenburg beschreibt im Jahre 1918 185 beobachtete Spontanremissionen 11 Fauvet berichtet uber 202 Falle zwischen 1960 und 1964 12 Boyd berichtet 1966 uber 98 Falle 13 Cole und Everson berichten von 176 Fallen im Zeitraum von 1900 bis 1960 14 15 16 Challis berichtet von 489 Fallen in den Jahren 1900 1987 17 Brendon O Regan und Caryle Hirschberg Hirshberg berichten hingegen 1993 von 1385 Spontanremissionen bei Krebs im gleichen Zeitraum zwischen 1900 und 1987 18 Spontanremission bei psychischen Storungen BearbeitenSpontanremission ist auch fur psychischen Storungen relevant Spontan ist nicht mit ohne Ursache gleichzusetzen Margraf und Schneider definieren sie deshalb als eine ohne professionelle Einwirkung auftretende Remission Remission wiederum als Ruckgang bzw Nachlassen psychischer oder korperlicher Storungszeichen 19 In den verschiedensten Modellen zu Ursachen psychischer Storungen ist ein gemeinsamer Nenner dass psychische soziale und biologische Faktoren zu deren Entstehung Auslosung und Unterhaltung beitragen konnen Diese unterliegen auch unabhangig von Behandlungen einer Veranderung mit Auswirkung auf die Storungen Psychisch stark Belastete werden ggf im Laufe der Zeit auch durch positive Anderung der Lebensumstande weniger belastet das soziale Umfeld kann sich andern Andere nicht professionelle Hilfe aus der Umgebung Anwendung von Bewaltigungsstrategien das Mobilisieren eigener Ressourcen sowie Veranderungen biologischer Prozesse etc konnen dazu beitragen dass Besserungen auftreten Auch biologische Faktoren unterliegen Veranderungen mit Auswirkung auf die Storungen 20 21 22 Berucksichtigung bei der Effektivitatskontrolle von Psychotherapie Bearbeiten Eine wichtige Debatte zur Bedeutung der Spontanremission bei Psychotherapie geht auf Untersuchungen von Hans Jurgen Eysenck aus dem Jahr 1952 zuruck der zum Schluss kam dass es durch Psychotherapie zu keiner Besserung bei neurotischen Storungen kame die uber der Spontanremissionsrate liegen wurde Unbehandelte neurotische Patienten wurden nach einer Dauer von rund 2 Jahren zu 2 3 ebenfalls eine deutliche Besserung zeigen Die dadurch ausgelosten Diskussionen stellten die Wirksamkeit von Psychotherapie infrage weil dann Veranderungen vor allem durch die vergangene Zeit bzw die Veranderung der Lebensumstande entstanden waren Die damals verwendeten 24 Studien 19 eklektisch und 5 psychoanalytisch orientiert entsprechen allerdings nicht mehr dem heutigen Stand der Psychotherapie und ihrer Wirksamkeitsforschung Eysenck bleibt der Verdienst auf dieses Problem aufmerksam gemacht zu haben und auch in Erfolgsstudien zur Psychotherapie unbehandelte oder anders behandelte Kontrollgruppen zu verwenden 23 24 25 Rachman stellte klar dass Eysenck nicht allein die vergangene Zeit als Ursache der Spontanremission ansieht und die Abwesenheit einer formalen psychiatrischen Behandlung meint Eysenck habe 1963 eine Theorie vorgeschlagen welche z B das Diskutieren der Probleme mit Verwandten dem Rechtsanwalt Priester oder mit Nachbarn Beforderungen finanziellen Auftrieb oder eine gluckliche Liebesaffare als Beitrage zum Prozess der Spontanremission sieht 26 Margraf schatzt ein dass die Diskussion uber die Spontanremission die wichtige Funktion einer Klarung unspezifischer Wirkfaktoren und ihrer Bedeutung fur den psychotherapeutischen Prozess hatte 24 Gegenwartiger Stand Bearbeiten Reimer u a unterscheiden spontane Verbesserungen wahrend einer Behandlung von durch die spezifische Intervention bedingten Veranderungen Faktoren die fur die Spontanremission verantwortlich gemacht werden konnen allerdings auch wahrend einer spezifischen Intervention auftreten und die Veranderungen mit bewirken positive Veranderungen der Lebensumstande auch in Wechselwirkung mit der Psychotherapie eintreten Nicht alle Patienten reagieren aber gleich positiv darauf es gibt Verschlechterungen unerwunschte Nebenwirkungen oder keine Veranderung Sie verweisen auf ein Modell von Lambert aus dem Jahr 1977 welches daran ansetzt dass die Varianz der Erfolgskriterien in den Gruppen mit Intervention gegenuber den Kontrollgruppen zunimmt Die Anteile fur Verschlechterung Keine Veranderung Spontane Verbesserung und Therapeutische Veranderung in beiden Gruppen mussen ermittelt und verglichen werden Dabei ist die kurzfristige und langfristige Wirksamkeit zu unterscheiden 27 Die Wirksamkeit von Therapien ist deshalb so zu belegen dass die Besserungsrate uber derjenigen von Spontanremission liegt Bei der Beurteilung ist auch zu beachten dass viele Falle ohne Therapie nicht stabil bleiben bzw sich verschlechtern konnen 3 In einem Ubersichtsartikel geben Herpertz und Matzke an dass Psychotherapie schulenubergreifend heute in etwa eine 4 mal bessere Remissionsrate erreicht als entsprechend der Spontanremission zu erwarten ware 4 Margraf und Schneider halten die altere Auffassung dass die meisten neurotischen Storungen von allein abheilen wurden fur heute weitgehend widerlegt 19 Haufigkeit von Spontanremission Bearbeiten Bergin 1970 setzt den Anteil der Spontanremission auf 30 an seine Aussage beruhe auf der Bildung des Medians von 14 Studien wo die Raten zwischen 0 und 56 liegen 26 Wittchen gibt aus Ergebnissen einer Langzeituntersuchung Beobachtung von 1974 bis 1981 an dass fur Angststorungen die symptomatische Remission in allen Angstgruppen niedrig war die Remission psychosozialer Storungen dagegen gunstiger 28 6 fur Panikstorungen 53 1 fur einfache und soziale Phobien Bei Zwangsstorungen war keine spontane Remission feststellbar bei Panikstorungen 14 3 bei Agoraphobien 19 2 und bei einfachen und sozialen Phobien von 18 8 als volle Remission 28 Siehe auch BearbeitenSelbstheilungskraft SpontanheilungLiteratur BearbeitenSpontanheilung bei Krebs Gibt es die unerwartete Genesung Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in der Helmholtz Gemeinschaft Online letzte Aktualisierung am 26 Marz 2015 Beatrice Wagner Wenn der Krebs von selbst heilt Memento vom 30 Juni 2007 im Internet Archive In Medical Tribune 1 2006 S 21 Siegfried Hoc Spontanremissionen Ein reales aber seltenes Phanomen In Deutsches Arzteblatt 2005 102 46 A 3162 B 2671 C 2501 Herbert Kappauf Wunder sind moglich Spontanheilung bei Krebs Herder Verlag Freiburg 2003 ISBN 3 451 28108 2 Kristina Kreisel Krebspatientin plotzlich gesund Kann eine Spontanheilung funktionieren FOCUS online vom 28 Juni 2019 Mirko Smiljanic Spontanheilung bei Krebs Radiolexikon Gesundheit auf deutschlandfunk de vom 25 September 2018 Burkhard Reinartz Befund und Befindlichkeit Eine Lange Nacht uber Krankheit Heilung und Gesundheit auf deutschlandfunk de vom 22 April 2017 Margit Pratschko Brustkrebs Spontanheilung kommt haufig vor FOCUS online vom 19 November 2013 Ulrike Viegener Selbstheilung Kraft durch Spiritualitat Pharmazeutische Zeitung vom 16 Dezember 2013Weblinks BearbeitenThe Radical Remission Project Ein Projekt fur Patienten mit Spontanremission zur Eingabe ihrer Krankengeschichte englisch Einzelnachweise Bearbeiten Spontanremission in Pschyrembel online W H Cole T C Everson Spontaneous Regression of Cancer WB Saunders Philadelphia PA 1966 OCLC 1290804 a b Spontanremission in DORSCH Lexikon der Psychologie online a b Sabine C Herpertz und Burkhard Matzke Psychotherapie eine Ubersicht in Hans Jurgen Moller Gerd Laux Hans Peter Kapfhammer Hrsg Psychiatrie Psychosomatik Psychotherapie Band 3 S 903 ff Springer Verlag 2017 online auf springermedizin de a b Siegfried Hoc Spontanremissionen Ein reales aber seltenes Phanomen In Deutsches Arzteblatt 102 Ausgabe 46 vom 18 November 2005 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dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www fevertherapy eu Rohdenburg Fluctuations in the growth energy of tumors in man with esspecial reference to spontaneous recession In J Cancer Res 3 1918 S 193 225 J Fauvet Spontaneous cancer cures and regressions In Rev Prat 14 11 Jun 1964 S 2177 2180 W Boyd The spontaneous regression of cancer Charles Thomas Publ Springfield Ill 1966 OCLC 2668338 W H Cole Spontaneous regression of cancer and the importance of finding its cause In Natl Cancer Inst Monogr 44 Nov 1976 S 5 9 PMID 799760 W H Cole T C Everson Spontaneous Regression of Cancer WB Saunders Philadelphia PA 1966 OCLC 1290804 Everson Cole Spontaneous Regression of Cancer Preliminary Report In Ann Surg 144 3 September 1956 S 366 380 PMID 13363274 PMC 1465423 freier Volltext G B Challis H J Stam The spontaneous regression of cancer A review of cases from 1900 to 1987 In Acta Oncol 29 5 1990 S 545 550 PMID 2206563 O Regan Brendan Carlyle Hirschberg Spontaneous Remission An Annotated 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und durch Gesprachspsychotherapie in Detlev v Zerssen Hans Jurgen Moller Affektive Storungen Diagnostische epidemiologische biologische und therapeutische Aspekte Springer Verlag 2013 S 243 a b Stanley Rachman Wirkungen der Psychotherapie Springer Verlag 2013 S 31 Christian Reimer Jochen Eckert Martin Hautzinger Eberhard Wilke Psychotherapie Ein Lehrbuch fur Arzte und Psychologen Springer Verlag 2007 H U Wittchen Der Langzeitverlauf unbehandelter Angststorungen Wie haufig sind Spontanremissionen Verhaltenstherapie 1991 1 273 282Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Spontanremission amp oldid 238921183