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Die Spinnerei Kunz war im 19 und 20 Jahrhundert eine grosse Textilunternehmung zur Herstellung von Baumwollgarn in der Gemeinde Windisch im Schweizer Kanton Aargau an der Reuss Das technik und architekturgeschichtlich wertvolle Bauensemble zahlt zu den Kulturgutern nationaler Bedeutung 1 und bildet einen Abschnitt des Industriekulturpfads am Wasserschloss Heute ist der ehemalige Industriestandort unter dem Namen Kunzareal ein Immobilienentwicklungsgebiet Ehemalige Spinnerei Kunz bei Windisch Inhaltsverzeichnis 1 Standort 2 Grunder 3 Fabrikgeschichte 4 Kunzareal 5 Bilder 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseStandort BearbeitenDie Wasserkraft der Reuss diente unterhalb des alten wichtigen Flussubergangs zwischen Windisch und Gebenstorf seit dem Ancien Regime dank dem dort gegebenen starken Gefalle mehreren Wasserwerken Auf der linken Seite standen bei der Siedlung Unterwindisch seit etwa 1790 eine Sagerei eine Lohstampfe eine Gipsmuhle und eine Ole Ein nahe am linken Reussufer gebautes Streichwehr leitete einen kleinen Teil des Flusses auf deren Wasserrader 2 Auf der rechten Seite befand sich bei Gebenstorf eine Getreidemuhle mit einem eigenen Teilstreichwehr Alle diese Anlagen wurden vom Spinnereikomplex abgelost Grunder BearbeitenDer Textilunternehmer Heinrich Kunz 1 Marz 1793 in Oetwil am See 21 August 1859 in Uster der seit 1811 Spinnereien in Schaffhausen Wetzikon und Uster gegrundet hatte kaufte 1828 das Gewerbeareal in Windisch und errichtete dort eine vielteilige Industrielandschaft mit Kraftwerk und Doppelstreichwehr und grossen Spinnereigebauden in monumentaler klassizistischer Gestalt 3 Bis 1845 kaufte Kunz weitere Spinnereien in Adliswil Linthal Rorbas und Kemptthal Mit rund 150 000 Spindeln in seinen Betrieben galt er damals uber die Schweiz hinaus als der grosste Spinnereiunternehmer Uberliefert ist indessen auch ein vielfach aktenkundig gewordenes rucksichtsloses Verhalten von Heinrich Kunz den Arbeitskraften in seinen Fabriken gegenuber 4 Fabrikgeschichte BearbeitenAm 29 Dezember 1827 bewilligte die Gemeindeversammlung von Windisch den Verkauf des Gewerbequartiers in Unterwindisch an Heinrich Kunz der am 4 August 1828 vom Kanton Aargau die Wasserrechtskonzession zum Bau einer Baumwollspinnerei an der Reuss erhielt 5 Von Johann Hartmann dem Muller von Gebenstorf kaufte Heinrich Kunz die Reussmuhle mit deren Wasserrecht und legte diesen Betrieb still Bis 1829 und 1835 liess er die beiden symmetrisch angelegten sechsstockigen Fabrikgebaude mit je mit einem unterschlachtigen Wasserrad beidseits des Kanals bauen heute die Alte Spinnerei genannt 1828 bewilligte der Grosse Rat des Kantons Aargau der Spinnerei Kunz mit einem eigenen Schiff die Arbeiter aus Gebenstorf direkt bei der Fabrik uber die Reuss fuhren zu durfen was den Arbeitsweg um eine halbe Stunde verkurzte Doch weil viele Arbeiter im gegenuberliegenden Dorf wohnten konnte bald nur noch ein kleiner Teil von ihnen auf diese Weise direkt zur Fabrik gelangen Deshalb genehmigte der Kanton im Jahr 1834 den Bau eines Fussstegs Die leichte Holzbrucke wurde 1916 abgebrochen und durch eine Betonbrucke ersetzt nbsp Ehemalige Schleuse neben dem linken FangwehrWegen der gross dimensionierten Flussbauwerke bei der neuen Fabrik kam es zu jahrelangen heftigen Auseinandersetzungen Einerseits wehrten sich die Schiffleute und Flosser auf der Reuss gegen das neue Flusshindernis das ihnen eine gefahrliche Passage im Wasserweg zumutete und andererseits wollten die Kantonsbehorden zunachst die nicht ganz den Bedingungen der Wasserrechtskonzession entsprechende Wehranlage nicht akzeptieren Nach mehreren Verhandlungen erteilte der Kanton Aargau im Jahr 1840 Heinrich Kunz schliesslich doch eine neue grosszugigere Konzession 6 Die Klagen der Flussschifffahrt waren wirkungslos geblieben Die Fabrik durfte nun sogar bei niedrigem Wasserstand das gesamte Wasser der Reuss in ihren Werkkanal ableiten Ankommende Schiffe mussten indessen weiterhin unentgeltlich durch die vom Kanton bereits fruher vorgeschriebene im Jahr 1835 fertiggestellte Schleuse neben dem Streichwehr gefuhrt werden Fur Flosse stand bei normalem Wasserstand noch eine schmale Passage in der Flussmitte zwischen den beiden seitlichen Fangwehren in das Tosbecken offen Um 1829 entstand eine kleine Fabrikantenvilla neben der Spinnerei in Windisch und von 1837 an errichtete das Unternehmen an der Kanalstrasse fur Mitarbeitende ein erstes eigenes Wohnhaus Bis zum Ende des 19 Jahrhunderts kamen noch 10 Arbeiterwohnhauser Kosthauser und Hauser fur Angestellte in Unterwindisch und Gebenstorf dazu 7 Das zusammen mit der 1829 vollendeten Spinnerei 1 erbaute an dessen sudlicher Schmalseite angegliederte Gutmannshaus wurde als Wohnhaus fur Heinrich Kunz erstellt Das villenahnliche Gebaude prasentiert sich als klassizistischer Baukorper mit einem flach geneigten von einer Balustrade umgebenen Walmdach In Gliederung und Fensterdetails ist dem Gutmannshaus das ehemalige Wachterhaus spater Fabrikschulhaus sehr ahnlich Es durfte vom selben Baumeister erstellt worden sein 8 9 nbsp Alte Fabrikschule der Spinnerei KunzUm 1830 wurde um Ufer der Reuss das so genannte Wachterhaus gebaut ein unmittelbar neben der Fussgangerbrucke liegender einstockiger Kleinbau Das im klassizistischen Stil ausgefuhrte Gebaude hat einen quadratischen Grundriss und einen saulengestutzten Vorbau Das 3 m auf 3 9 m messende Haus diente seit 1838 der Fabrikschule Es ist das einzige im Aargau erhaltene Beispiel dieser Baugattung Seit 1828 waren die Fabrikanten von Gesetzes wegen verpflichtet private Schulen einzurichten und den bei ihnen beschaftigten Kindern wahrend mindestens sechs Stunden pro Woche Unterricht erteilen zu lassen 10 11 12 Nach dem Tod des Grunders im Jahr 1859 fuhrten seine Neffen Heinrich Zollinger und Johannes Wunderli Zollinger das Unternehmen weiter Sie erwarben bis 1880 andere Spinnereibetriebe in der Ostschweiz und zahlten schliesslich mit einem Maschinenpark von 245 000 Spindeln und rund 2 700 Beschaftigten zu den grossten Arbeitgebern in der schweizerischen Textilindustrie In Windisch konnten sie dank zusatzlicher Antriebsenergie 1870 eine noch grossere Fabrik heute die Neue Spinnerei neben den alteren Gebauden errichten 1865 hatten sie die verfugbare Wasserkraft mit dem Ersatz der Wasserrader durch vier Jonvalturbinen von Escher Wyss amp Co und der Verlangerung des Fabrikkanals auf uber einen Kilometer vermehrt Erst kurz vor der Mundung der Reuss in die Aare im Gebiet des Wasserschlosses bei der Brucke der 1856 gebauten Eisenbahnlinie Brugg Baden der Schweizerischen Nordostbahn stromt das Kanalwasser in die Reuss zuruck Die seit 1893 als Wunderli Zollinger amp Cie vormals Heinrich Kunz aktive Unternehmung wurde 1898 in eine Aktiengesellschaft die AG der Spinnereien von Heinrich Kunz umgewandelt In den Jahren 1907 bis 1908 baute die Aktiengesellschaft den Betrieb komplett um Neben dem Wasserkraftwerk entstand ein Dampfkraftwerk fur die Produktion eigener elektrischer Energie und die Fabrikgebaude umfassten neu nur noch vier Stockwerke 1912 erwarb der Textilkonzern W Wolf amp Sohne in Stuttgart die Aktien der Spinnerei Kunz mit den vier noch zum Betrieb gehorenden Werken Linthal Windisch Rorbas und Adliswil In Unterwindisch baute der neue Eigentumer 1917 das heute noch erhaltene reprasentative Verwaltungsgebaude Am Fabrikkanal errichtete die Firma ein neues Turbinenhaus mit einer Propellerturbine und mit dem Umbau der Sperranlage vom alten Nadelwehr in eine Wehranlage aus Eisen konnte der Fluss noch etwas hoher gestaut werden Nach der Stilllegung der Schleuse beim Kanaleinlauf erhielt das alte Streichwehr der von Heinrich Kunz seinerzeit erworbenen Muhle am rechten Flussufer eine Kahnrampe Das Industrieunternehmen Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon ubernahm 1941 aus dem Bestand der ab 1938 enteigneten W Wolf amp Sohne 13 14 die Kunz Gruppe mit der Fabrik in Windisch Um 1970 erganzte ein weiteres grosses Spinnereiwerk nach einem modernen Entwurf des Zurcher Architekten Roland Rohn die Industriesiedlung am Reusskanal 1996 zog sich Oerlikon Buhrle aus dem Textilgeschaft zuruck und fand mit dem Konsortium Hacontex AG Zollikon und Niggler amp Kupfer S p A Capriolo Italien einen Kaufer fur den Betrieb 15 Kunzareal BearbeitenIn der Zeit von 1991 bis 2002 stellte die Spinnerei Kunz schrittweise die Produktion ein Seit 2003 benutzt die Schweizer Armee einen Teil des Kunzareals als Rekrutierungszentrum 2006 verwaltete die Kunz Areal AG das Firmengelande das seit dem Jahr 2009 zu den Liegenschaften der Basler Gesellschaft HIAG Immobilien gehort Das Wasserkraftwerk ging mit einer neuen Wasserrechtskonzession in den Besitz der Axpo Kleinwasserkraft AG uber die es bis 2016 vom Elektrizitatswerk Altdorf erneuern liess 16 Bilder Bearbeiten nbsp Spinnerei Kunz Windisch nbsp Die ersten Fabrikgebaude der Spinnerei Kunz Betonbrucke uber die Reuss nbsp An der Reuss oberhalb des Stauwehrs nbsp Links Streichwehr bei Gebenstorf rechts Wehr beim Fabrikkanal im Hintergrund Unterwindisch nbsp Ehemaliges Verwaltungsgebaude nbsp Moderne Architektur Werkhalle um 1970 nbsp Ehemaliges Fabrikschulhaus Warterhaus Bild von 1998 nbsp Gutmannshaus Bild von 1989 nbsp Gutmannshaus Spinnerei Kunz Windisch Zustand 2017Siehe auch BearbeitenSpinnerei Steiner Liste der Kulturguter in WindischLiteratur BearbeitenDie Spinnereien von Windisch 1828 1928 Heinrich Kunz der Spinnerkonig In Brugger Neujahrsblatter 39 1929 S 43 53 Adolf Rey Die Entwicklung der Industrie im Kanton Aargau Aarau 1937 Robert Kuhnis Die Geschichte der Wassernutzung an der Reuss in Windisch In Brugger Neujahrsblatter 90 1980 S 49 72 Max Baumann Geschichte von Windisch vom Mittelalter zur Neuzeit Windisch 1983 S 507 594 T Marty Heinrich Kunz der Spinnerkonig Europas In Heimatspiegel 1993 Nr 9 S 66 71 Nr 10 S 74 79 Norbert Lang Bruno Meier Spinnerei Kunz in Windisch Grobinventar und Wurdigung Industriekulturpfad Limmat Wasserschloss Dokumentation 1 Baden 1993 Ueli Ruegg Spinnerei Kunz Unterwindisch 1828 2002 Planungsgeschichte Architektur Kunstgeschichte Hintergrunde In Brugger Neujahrsblatter 113 2003 S 155 186 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Spinnerei Kunz Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Sarah Brian Scherer Kunz Heinrich In Historisches Lexikon der Schweiz Website Kunzareal VAMUS Industriekultur Spinnerei Kunz Pro Natura Kleinwasserkraftwerk WindischEinzelnachweise Bearbeiten Architekturgeschichtliche Wurdigung bei Ruegg 2003 Kuhnis 1980 S 50 Ruegg 2003 S 183 185 Baumann 1983 Brugger Neujahrsblatter 1919 S 48 Kuhnis 1980 S 62 Dokumentation Vamus Industriekultur Aargau Baumann 1983 KGS Kurzinventar ZSO Brugg Region Inventarnummer 15900 Kanton Aargau Verordnung uber die Fabrikschule vom 1 Mai 1828 auf ag ch PDF 2 2 MB abgerufen am 25 September 2017 Baumann 1983 KGS Kurzinventar ZSO Brugg Region Inventarnummer 15900 Zur Geschichte von W Wolf amp Sohne Dokumente Landesarchiv Baden Wurttemberg Hauptstaatsarchiv Stuttgart zur Einziehung 1941 Spinnerei Linthal AG Geschichte der Spinnerei Heinrich Kunz Linthal Abgerufen am 15 Februar 2020 Aargauer Zeitung 30 Juni 2015 uber den Ausbau der Wasserkraft Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Spinnerei Kunz amp oldid 229788928