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Simon Hayum 27 Januar 1867 in Hechingen 13 August 1948 in Cleveland Ohio 1 war ein Tubinger Rechtsanwalt und Gemeinderat Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Kinder 3 Schriften 4 Wurdigung 5 Einzelnachweise 6 LiteraturLeben BearbeitenSimon Hayum stammte aus einer judischen Familie die in einfachen Verhaltnissen lebte Sein Vater Heinrich Hayum 1824 1888 war Hausierer die aus Rexingen stammende Mutter Auguste geb Freiburger 1830 1916 war mit der Erziehung der sechs Kinder beschaftigt 2 Nach dem Besuch der judischen Volksschule und der Realschule in Hechingen ging er 1880 auf das Eberhard Ludwigs Gymnasium in Stuttgart das er 1885 mit dem Abitur abschloss 3 Die finanzielle Unterstutzung seiner Tante ermoglichte ihm ein Jurastudium 1 Er studierte in Berlin 1885 1886 und 1886 1887 zwischendurch 1887 1888 in Leipzig und in Tubingen 1886 und 1888 1889 wo er 1889 das Examen machte Danach setzte er seine Ausbildung fort indem er das Referendariat beim Amtsgericht Cannstatt und beim Stuttgarter Rechtsanwalt Steiner sowie Promotion in Tubingen machte 1892 schloss er die Ausbildung mit der Dissertation uber den Schiedsvertrag und mit dem zweiten Staatsexamen ab 3 Im gleichen Jahr eroffnete Hayum eine Kanzlei in Tubingen an der Ecke Kirchgasse Kronenstrasse Fur Tubingen hatte er sich ganz bewusst entschieden denn er wollte schnellstmoglich unabhangig sein und war davon uberzeugt dies an einem relativ kleinen Landgericht leichter und obendrein fruher erreichen zu konnen Tubingen hatte damals rund 20 000 Einwohner Sieben Anwalte praktizierten damals in der Stadt Hayum zahlte bald zu den profiliertesten 4 Am 3 Mai 1897 heiratete er in Cannstatt Hermine Weil 8 Februar 1875 29 Mai 1967 eine Tochter des verstorbenen Hechinger Bankiers Julius Weil 1844 1882 Mit ihr hatte er sechs Kinder funf davon erreichten das Erwachsenenalter Zunachst wohnten er und die Familie zur Miete im Zentrum Kronenstrasse Das Anwaltsburo befand sich dann in der Wilhelmstrasse 14 5 1899 zog die Kanzlei in die Uhlandstrasse 15 um in die Raume die bis dahin vom judischen Rechtsanwalt Ludwig Kiefe der aus Altersgrunden aufhorte genutzt wurden 4 Als er sich das leisten konnte kaufte Hayum 1905 das zweigeschossige Haus in dem sich im ersten Stock die Kanzlei befand in der er jetzt mit weiteren Rechtsanwalten als Partnern zusammenarbeitete Die Familie zog dann in den zweiten Stock ein 6 Die Kanzlei sollte schon bald zu der grossten Tubingens werden Die Familie Hayum gehorte zur gebildeten und reichen Oberschicht Deswegen besuchten nicht nur ihre Sohne sondern auch zwei der drei Tochter das Gymnasium und nicht die als schlechter geltende Madchenoberrealschule 7 1913 nahm Hayum seinen Neffen Julius Katz 1887 1948 der ebenfalls Doktor der Rechtswissenschaften war als Sozius in die Kanzlei auf 1929 begann auch sein Sohn Heinz Hayum 1904 1963 ebenfalls ein promovierter Jurist in der Kanzlei zu arbeiten Seit dieser Zeit lautete das Namensschild der Kanzlei Rechtsanwalte Doktores Hayum I Katz und Hayum II 4 Am Ersten Weltkrieg nahm Hayum aus Altersgrunden nicht teil Er unterstutzte aber den Staat finanziell bereits 1914 zeichnete er eine Kriegsanleihe 1 Simon Hayum hielt sich fur einen in jeder Hinsicht assimilierten Juden deswegen suchte er nach gesellschaftlichen Kontakten mit nichtjudischer Bevolkerung Tubingens und ging zu Stammtischen und Kegelgesellschaften Er musste im Nachhinein konstatieren dass er da nicht so recht hereingekommen und sich nicht so recht gefuhlt hat so dass er diese Versuche spater aufgab Es lag daran dass bereits vor 1933 die Kontakte zwischen den Juden und Nichtjuden von einem sozialen Trennstrich gepragt waren 8 Er war allerdings Mitglied im Anwaltsverein und seit 1925 dessen Kassierer Seit 1898 war er Mitglied des Burgervereins und seit der Jahrhundertwende waren er und der Bankier Friedrich Weil als die ersten Juden Mitglieder der Museumsgesellschaft der bildungsburgerlichen Institution Tubingens die sich erst nach dem Ersten Weltkrieg den weiteren Personen der judischen Oberschicht offnete 9 Wie andere Mitglieder der Oberschicht beteiligte er sich regelmassig an Spendenaktionen die von der Ortszeitung Tubinger Chronik organisiert wurden 10 Seit 1919 war Simon Hayum Vorsitzender der Ortsgruppe des Central Vereins deutscher Staatsburger judischen Glaubens 11 und seit 1920 bis 1935 Mitglied der Israelitischen Landesversammlung Wurttembergs 12 und der Landeskirchenversammlung 13 Auch seine Frau Hermine unterstutzte nicht nur finanziell das Sozialamt sondern engagierte sich gesellschaftlich im Judischen Frauenverein und in der Wohlfahrtspflege zum Beispiel richtete sie Anfang der 1930er Jahre in Zeiten der hohen Arbeitslosigkeit in ihrem Haus eine Suppenkuche fur Bedurftige ein 14 Simon Hayum hatte linksliberale Uberzeugungen und dementsprechend engagierte er sich politisch Er war seit 1893 Mitglied der Freisinnigen Volkspartei 15 die 1910 in der Fortschrittlichen Volkspartei aufging und war mehrere Jahre Vorsitzender der Ortsgruppe Tubingen In den Jahren 1908 1912 war er Obmann Vorsitzender des kommunalen Burgerausschusses Wahrend der Revolution 1918 19 war er Vorsitzender des Tubinger Burgerrates der ein Gegengewicht zu den Arbeiter und Soldatenraten bildete Mit der Fortschrittlichen Volkspartei gelangte er 1918 in die Deutsche Demokratische Partei Als Mitglied dieser Partei war er von 1919 bis 1925 Tubinger Gemeinderat er war der Fraktionsvorsitzende und gehorte dem Rechts und Finanzausschuss an Seit 1928 war er erneut Gemeinderat und fuhrte auch jetzt die sechskopfige DDP Fraktion im Rathaus an Als Gemeinderat war Hayum Vertreter einer parteiunabhangigen burgernahen Sachpolitik mit sozialliberalen Akzenten Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten als die Atmosphare des offenen Antisemitismus zunahm fuhlte er sich als Jude im Gemeinderat bedroht Nach dem Beschluss des Ermachtigungsgesetzes am 23 Marz 1933 entschloss er sich der Amtsenthebung zuvorzukommen und reichte am 31 Marz Bitte um Entbindung von seinem Amt ein Der Gemeinderat wurde ohnehin noch am gleichen Tag aufgelost 1 Die antisemitische Stimmung in Tubingen war bereits Anfang der 1930er Jahre ahnlich wie in sonstigem Deutschland so verbreitet dass die Schuler des nahen Gymnasiums sowohl nach Hayum als auch nach dessen Sohn Heinz Spruche wie alter Jud guck nei oder Jude verrecke rufen konnten was fur sie gar keine Konsequenzen hatte obwohl Heinz Hayum im Brief an das Gymnasiumsrektorat die Vorfalle beschrieb und eine Bestrafung nahelegte 16 Die Kanzlei Hayums wurde ab dem 1 April 1933 von der SA boykottiert Die Anzahl der Klienten verminderte sich rapide da immer weniger den Mut hatten die Kanzlei in Anspruch zu nehmen 1 Unter dem Druck des Antisemitismus sah sich Hayum gezwungen die Namensschilder der Kanzlei in der Nacht vom 31 August auf den 1 September 1933 von der Hausfassade und im Hausflur abzumontieren Am 29 Mai 1934 erreichte Familie Hayum die Nachricht des Wurttembergischen Innenministeriums dass infolge des Reichsgesetzes uber die Zulassung von Rechtsanwalten Heinz Hayum zum 1 September aus der Anwaltschaft ausgeschlossen wird Dank der personlichen Fursprache des Tubinger Landgerichtsprasidenten Landerer ist es gelungen beim Wurttembergischen Justizministerium eine Ausnahmeregelung zu erreichen dass Heinz Hayums Zulassung aufrechterhalten blieb unter der Bedingung dass der Vater zum 1 September 1934 seine Anwaltszulassung aufgeben musste Hayums Tochter Dorothee die 1934 Promotion in den Rechtswissenschaften erhielt konnte unter diesen Umstanden keine Zulassung mehr bekommen 4 Dadurch konnte die Kanzlei zunachst von ihm und von Julius Katz weitergefuhrt werden Simon Hayum war weiterhin in der Kanzlei tatig und konnte seine Mandanten unterstutzen solange eine personliche Erscheinung des Anwalts beim Gericht nicht notwendig war Der andauernde Mangel an Klienten fuhrte 1935 zum finanziellen Ruin der Kanzlei Auch im Alltag erlebte Simon Hayum seit 1933 Diskriminierungen Er wurde sowohl von seinen Klienten als auch von der sonstigen Bevolkerung gemieden bzw isoliert Um Beleidigungen zu entgehen mieden Hayum und seine Frau die fruher fur sie selbstverstandlichen Besuche von Restaurants Konzerten und Theatervorstellungen 1 Julius Katz ist die Situation unertraglich geworden und er schied am 1 Oktober 1935 aus der Kanzlei aus und emigrierte danach in die Schweiz Da Heinz Hayum ab Januar 1936 im Berliner Bankhaus eines Verwandten arbeiteten sollte gelang es ihm Erlaubnis fur eine Vertretung in Tubingen zu erreichen Diese Vertretung ubernahm der in Tubinger Uhlandstrasse aufgewachsene und in Bad Cannstatt praktizierende Rechtsanwalt Erich Dessauer 1887 1944 der zu diesem Zeitpunkt gezwungen war seine Kanzlei in Cannstatt aufzugeben Dank Dessauer existierte die Kanzlei formell bis zum 5 September 1938 dem Tag an dem Heinz Hayum seinen Tubinger Wohnsitz aufgab und nach Seattle emigrierte 4 Am 10 November 1938 dem Tag nach der Pogromnacht wurde Hayum von der Gestapo heimgesucht die bei ihm die Ortsgruppenakten des Central Vereins deutscher Staatsburger judischen Glaubens beschlagnahmte 1 Im Zuge der Fluchtvorbereitung verkauften die Hayums das Haus in der Uhlandstrasse am 30 Dezember 1938 weit unter Wert an die Stadt 1 Hermine Hayum verschenkte einen Teil des Hausrats an die Hausangestellten auch die ehemaligen 17 Nachdem Oberburgermeister Adolf Scheef sie vor der drohenden Verhaftung gewarnt hatte 1 fluchteten Hayum und seine Frau am 1 Februar 1939 uber Stuttgart nach Zurich ohne sich um den Trennungsschmerz zu vermeiden von der alten bettlagerigen Mutter Hermines zu verabschieden 18 Alle ihre Kinder und Enkel waren bereits fruher in die USA emigriert Die Einrichtungsgegenstande des Hauses wurden anschliessend versteigert danach richtete es die SA Standarte als ihren Sitz ein Die Hayums lebten zwei Jahre in Zurich bis sie benotigte Erlaubnisse fur die Weiterfahrt bekamen und am 8 Marz 1941 uber Genf und Barcelona in die USA losfuhren und am 8 April in New York ankamen Sie lebten bis 1947 in Queens New York Moglicherweise wegen des sich verschlechternden Gesundheitszustandes Simon Hayums wechselten sie zu ihrer Tochter Edith die mit ihrem Mann in Cleveland lebte Dort verstarb Hayum an einem Herzinfarkt im Alter von 81 Jahren und wurde auch dort beerdigt 3 Erich Dessauer der sich zur Flucht nicht durchdringen konnte wurde in Auschwitz ermordet 4 Kinder BearbeitenLuise 12 April 1898 23 April 1899 Margarete 1 Mai 1900 Juli 1992 1920 Louis Koppel studierte drei Semester Jura Edith 25 Marz 1902 August 1970 Siegfried Koppel Kindergartnerin Heinz 10 August 1904 9 Februar 1963 Ellen Oppenheimer Jurist Julius 20 Mai 1906 2001 1945 Doris Greenberg Bankbeamter Dorothee 28 April 1912 1950 1935 Heinz Oppenheim schloss ihr Jurastudium 1934 mit Promotion abSchriften BearbeitenDer Schiedsvertrag Dissertation an der Universitat Tubingen Tubingen Druck von W Armbruster amp O Riecker 1892 Erinnerungen aus dem Exil Lebensweg eines Tubinger Burgers hrsg von der Geschichtswerkstatt Tubingen Tubingen Kulturamt 2005 ISBN 3 910090 66 4 Kleine Tubinger Schriften Bd 29 Wurdigung Bearbeiten2009 beschloss der Tubinger Gemeinderat einen Teil der Strasse Hundskapfklinge auf dem Osterberg in Simon Hayum Strasse umzubenennen 19 Am 12 Dezember 2011 wurde am Haus Uhlandstrasse 15 eine Gedenktafel der Rechtsanwaltskammer Tubingen enthullt die alle dort tatigen Rechtsanwalte wurdigt 4 Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i Martin Ulmer Zerstorte Demokratie S 32 34 Zerstorte Hoffnungen S 61 a b c Simon Hayum in der Datenbank Judische Familien in Sud West Zugang nur fur angemeldete Benutzer a b c d e f g Kanzlei in der Uhlandstrasse Schwabisches Tagblatt 10 Dezember 2011 Eva Maria Klein Martin Ulmer Geschichte einer Vertreibung S 123 Ann Katrin Gehrung Judische Spuren in Tubingen S 3 Zerstorte Hoffnungen S 42 Zerstorte Hoffnungen S 47 Zerstorte Hoffnungen S 50 Zerstorte Hoffnungen S 52 Zerstorte Hoffnungen S 53 Simon Hayum Erinnerungen aus dem Exil S 13 Simon Hayum Erinnerungen aus dem Exil S 235 Zerstorte Hoffnungen S 62 u 70 Simon Hayum Erinnerungen aus dem Exil S 22 Brief vom 9 Juli 1932 Stadtarchiv Tubingen Benigna Schonhagen Tubingen unterm Hakenkreuz S 85 Zerstorte Hoffnungen S 63 Ulrike Baumgartner Es war nie Auswanderung immer nur Flucht Die Vertreibung der Juden aus Tubingen In Zerstorte Hoffnungen S 276 nach der Autobiografie von Simon Hayum Andrea Bachmann Simon Hayum StrasseLiteratur BearbeitenAnn Katrin Gehrung Judische Spuren in Tubingen ein Stadtspaziergang hrsg von der Geschichtswerkstatt Tubingen Tubingen 2014 Martin Ulmer Zerstorte Demokratie Zwangsweise ausgeschiedene Tubinger Stadtrate 1933 Eine Dokumentation hrsg von der Geschichtswerkstatt Tubingen Tubingen Kulturamt 2013 ISBN 978 3 941818 16 3 Kleine Tubinger Schriften 39 Andrea Bachmann Simon Hayum Strasse In Schwabisches Tagblatt 1 September 2011 Zerstorte Hoffnungen Wege der Tubinger Juden hrsg von der Geschichtswerkstatt Tubingen Tubingen Kulturamt Stuttgart Theiss 1995 ISBN 3 8062 1216 3 Beitrage zur Tubinger Geschichte 8 Benigna Schonhagen Wilfried Setzler Judisches Tubingen Haigerloch Medien und Dialog 1995 ISBN 3 933231 08 6 Benigna Schonhagen Tubingen unterm Hakenkreuz Tubingen Kulturamt Stuttgart Theiss 1991 ISBN 3 8062 0838 7 Beitrage zur Tubinger Geschichte 4 Eva Maria Klein Martin Ulmer Geschichte einer Vertreibung Die Familie Hayum In Benigna Schonhagen hrsg Nationalsozialismus in Tubingen Vorbei und vergessen Tubingen 1992 S 121 130 Hayum Simon In Joseph Walk Hrsg Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918 1945 Munchen Saur 1988 ISBN 3 598 10477 4 S 141 Lilli Zapf Die Tubinger Juden Tubingen Katzmann 1978 4 Auflage 2008 ISBN 978 3 7805 0326 8Normdaten Person GND 13134790X lobid OGND AKS VIAF 33128337 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Hayum SimonKURZBESCHREIBUNG Tubinger Rechtsanwalt und GemeinderatGEBURTSDATUM 27 Januar 1867GEBURTSORT HechingenSTERBEDATUM 13 August 1948STERBEORT Cleveland Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Simon Hayum amp oldid 228141470