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Das so genannte Zigeunerlager Koln Bickendorf auch als Schwarz Weiss Platz bezeichnet diente in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1935 der Unterbringung von Sinti in deren eigenen Wohnwagen oder in Baracken Es gilt als Vorbild vergleichbarer Einrichtungen im Deutschen Reich und spielte wie diese eine entscheidende Rolle beim Volkermord an dieser ethnischen Gruppe Alle Bewohner des Lagers wurden unter rassenhygienischen Gesichtspunkten erfasst selektiert und spater in Arbeits und Konzentrationslager der deutschen Ostgebiete deportiert Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Platz zunachst weiter von Roma genutzt bis er im Jahre 1958 endgultig geschlossen wurde Kriminalbeamte bei der Ausweiskontrolle einer Frau wahrend einer Razzia am Schwarz Weiss Platz Dezember 1937 Inhaltsverzeichnis 1 Vorlaufer 2 Schwarz Weiss Platz 2 1 Belegung 2 2 Leben im Lager 3 Selektion und Deportation 4 Nachkriegszeit 5 Einzelnachweise 6 Siehe auch 7 LiteraturVorlaufer BearbeitenSchon in der Weimarer Republik aber auch in den fruhen Jahren des Nationalsozialismus richteten kommunale Behorden Lagerplatze fur Sinti und Roma ein Diese waren etwa durch hohe Platzmieten schnell wechselnde Standorte oder mangelhafte Ausstattung so angelegt dass ihre Nutzer zum schnellen Weiterziehen veranlasst werden sollten Ziel war die Vertreibung der Sinti und Roma aus der eigenen ortlichen Zustandigkeit Ihre Benutzung war grundsatzlich freiwillig denn den Zigeunern war es zumindest gestattet alternativ private Quartiere oder Wohnungen anzumieten Im Jahre 1928 lebten auf privaten Stellplatzen in Koln uber 400 Sinti und Roma Schwarz Weiss Platz BearbeitenWahrend der Weltwirtschaftskrise waren in Koln zigeunerhafte Behelfsbauten in bis zu 90 wilden Siedlungen entstanden Unter den Bewohnern waren auch viele fahrende Leute wie Schausteller und Zigeuner Derartige Lager waren den Nationalsozialisten aus sozial und ordnungspolitischen letztlich aber aus ideologischen Grunden ein Dorn im Auge Ansammlungen sozialer kultureller oder wirtschaftlicher Abweichungen von der nationalsozialistischen Norm sollten aus der Volksgemeinschaft ausgesondert werden d h aus der Innenstadt entfernt saniert und am Stadtrand konzentriert werden In Koln wurde im Jahre 1934 ein Gelande an der Venloer Strasse 888 am Bahndamm des Guterbahnhofs Bickendorf und dem Sportplatz des Vereins Schwarz Weiss ausgemacht auf dem das Lager fur die Kolner Zigeuner erbaut wurde Ziel dieser Bemuhungen war nicht mehr die Vertreibung der Sinti und Roma sondern die konzentrierte systematische Unterbringung und Uberwachung dieser Bevolkerungsgruppe fernab des Stadtzentrums Am 23 April 1935 wurde die unbefestigte Platzanlage fertiggestellt Sie wurde vom Bahndamm und von einem Stacheldrahtzaun begrenzt und verfugte uber eine absperrbare Zufahrt die von einem auf dem Gelande mit seiner Familie wohnhaften SS Lagerverwalter bewacht wurde Belegung Bearbeiten Ab Mai 1935 wiesen Polizei und Wohlfahrtsamt die in Koln residierenden oder ankommenden Sinti und Roma systematisch auf den Bickendorfer Lagerplatz ein Zunachst liessen sich zahlreiche Bewohner von Wohnwagen von den Qualitaten des neuen Schwarz Weiss Platzes uberzeugen und raumten die privaten und wilden Lagerplatze der Stadt freiwillig Bald aber kam es auch zu Zwangsraumungen etwa im Falle von 40 Bewohnern eines privatrechtlich legal angemieteten Platzes an der Riehler Strasse Auch wer in einer festen Wohnung lebte konnte eingewiesen werden wenn Leistungen des Wohlfahrtsamtes bezogen wurden Schliesslich lebten im Jahr 1937 bis zu 500 Menschen in 65 Wohnwagen und zwei Baracken auf dem Schwarz Weiss Platz Leben im Lager Bearbeiten nbsp Wohnwagen und Bewohner auf dem Schwarz Weiss Platz Foto der Reichsstelle Ritter Dezember 1937 Die Bewohner des Zigeunerlagers waren mit Armut beengten Wohnverhaltnissen und permanenten Kontrollmassnahmen der Lagerverwaltung und der Polizei konfrontiert Der bewaffnete SS Lagerverwalter bestimmte die Aufstellung der Wohnwagen und verwaltete eine Kartei aller Bewohner des Platzes Bei ihm hatte sich an und abzumelden wer den Platz betreten und verlassen wollte Ab 1937 wurde ein nachtliches Ausgehverbot verhangt und das Lager durfte nur noch tagsuber zu Fuss verlassen werden Wer nicht im Lager wohnte durfte es auch als Besucher nicht betreten Soweit sie als solche identifiziert waren wohnten Sinti und Roma auch im Lager streng getrennt von deutschen Volksgenossen Es gab eine Wasserstelle mit mehreren Zapfhahnen Die 9 Quadratmeter engen Wohnwagen waren mit durchschnittlich acht Personen uberbelegt Die Wagen befanden sich meist in marodem Zustand und boten im Winter keine ausreichende Warmeisolation Auf dem Platz gab es lediglich zehn Toiletten deren Schlussel ebenfalls vom Lagerverwalter verwahrt und nur einzeln bei Bedarf herausgegeben wurden Um Bewohner ohne ausreichendes Einkommen kummerte sich das stadtische Wohlfahrtsamt das eine Mitarbeiterin fur den Platz abstellte Sie verteilte bei Bedarf Brennmaterial Lebensmittelgutscheine meist aber Naturalien an bedurftige Bewohner Allerdings waren diese Leistungen meist abhangig von abgeleisteter Pflichtarbeit Uberhaupt wurde grosser Wert auf die Erbringung von Arbeitsleistung durch die Lagerbewohner gelegt Die Kolner Kriminalpolizei unterhielt als erste Polizeibehorde des Deutschen Reiches ein eigenes Kommissariat fur Zigeuner das regelmassig im Lager operierte Neben der vollstandigen karteimassigen Erfassung aller in Koln lebenden Zigeuner gehorten die Durchsetzung des Zigeunerpasses und die vorbeugende Verbrechensbekampfung bei den Lagerbewohnern zu dessen Aufgaben Dies fuhrte immer wieder zu Festnahmen von Menschen die ihren Lebensunterhalt nicht belegen konnten durch Faulenzerei auffielen keinen Willen zu geregelter Arbeit gezeigt hatten oder anderweitig straffallig geworden waren Im gunstigsten Fall wurden die Betroffenen einer Zwangsarbeit bei Kolner Behorden oder dem Militar zugefuhrt Aber auch Deportationen von im Sinne der NS Ideologie asozialen Bewohnern des Platzes in Konzentrationslager kamen vor Bei der Aktion Arbeitsscheu Reich etwa wurde am 21 Juni 1938 das gesamte Lager umstellt um alle arbeitsfahigen aber nicht in einem Arbeitsverhaltnis stehenden Bewohner zu verhaften Bis zu 30 Bewohner des Schwarz Weiss Platzes wurden zunachst ins Gefangnis gebracht und spater ins KZ Sachsenhausen deportiert Bis zum Jahr 1940 blieb es bei sporadischen oder anlassbezogenen Zugriffen und Deportationen Selektion und Deportation Bearbeiten nbsp Robert Ritter und eine Mitarbeiterin mit einem Jungen im Lager der Sinti und Roma in Koln 1936 Die Erfassung aller im Deutschen Reich lebenden Zigeuner war die Aufgabe der Rassenhygienischen und Bevolkerungsbiologischen Forschungsstelle im Reichsgesundheitsamt in Berlin unter der Leitung des Arztes und Rassenforschers Robert Ritter Wesentliches Ziel des Instituts war es den Ursprung soziologischer Erscheinungen in den Gesetzen der Genetik zu erforschen und zu belegen Dieser mutmassliche Zusammenhang sollte spater zu einem ideologischen Baustein fur die physische Vernichtung unangepasster Menschen werden Im Jahre 1937 veranstaltete eine Arbeitsgruppe der Forschungsstelle eine vorgebliche Blutspendenaktion fur die sogar eine geringe Bezahlung der Lagerbewohner vorgesehen war und verband damit eine erste rassenbiologische Erfassung Die schloss neben der Erhebung umfangreicher genealogischer Informationen auch die Vermessung von Korperteilen Bestimmung der Augenfarbe die Abgabe von Finger und Handabdrucken und die Abgabe von Haarproben ein Ein zweiter Ortstermin der Forschungsstelle im Jahr 1938 war fur alle Bewohner verpflichtend Nach Kriegsbeginn 1939 wurde das Verlassen des augenblicklichen Aufenthaltsortes allen Zigeunern im Deutschen Reich untersagt fur Zuwiderhandlungen war die Deportation in ein KZ vorgesehen Diese Massnahme half den Rasseforschern bei der luckenlosen Erfassung aller als Zigeuner und Zigeunermischlinge kategorisierten Personen einschliesslich derjenigen die ausserhalb des Schwarz Weiss Platzes etwa in angemieteten Wohnungen lebten Wahrend Anfang der 1940er Jahre im Lager auch die medizinische Versorgung auf ein Minimum reduziert wurde erstellte das Reichssicherheitshauptamt RSHA mit Hilfe der Daten der Forschungsstelle Ritter die Deportationslisten fur die erfassten Personen Am 16 Mai 1940 umstellte ein Kommando aus Polizeikraften Wehrmachtsangehorigen und SS den Schwarz Weiss Platz Sie verhafteten alle Sinti und Roma unter dem Vorwand sie wurden zum Schutz vor Bombenangriffen nach Polen evakuiert wo sogar kleine Hauser fur alle Familien in Aussicht gestellt wurden Tatsachlich wurden die Lagerbewohner zu einem Sammellager in den Kolner Messehallen gefahren Dort wurden sie weiteren Untersuchungen unterzogen fotografiert entlaust und gesaubert Wertsachen mussten abgegeben werden allen Personen wurde am Korper und im Zigeunerausweis ihre Nummer der Deportationsliste aufgestempelt In den nachsten Tagen stiessen weitere Sinti und Roma aus dem Rheinland und aus Westfalen dazu bis schliesslich am 21 Mai 1940 rund 1000 Menschen vom Bahnhof Deutz in Viehwaggons eingepfercht nach Osten gefahren wurden Dort fanden sie nach langem Leidensweg durch Arbeitslager Ghettos und Konzentrationslager meist den Tod Das Lager auf dem Schwarz Weiss Platz wurde danach aufgelost wobei man die Wohnwagen verbrannte Nachkriegszeit Bearbeiten nbsp Gedenktafel an der Bahnunterfuhrung Venloer Strasse 2005 Die genaue Zahl der Todesopfer aus dem Kolner Zigeunerlager ist nicht bekannt Aus Zeitzeugenberichten lasst sich abschatzen dass nur 100 der rund 500 Bewohner nach 1945 lebend nach Koln zuruckkehrten Einige Uberlebende siedelten sich wieder am Schwarz Weiss Platz an um auf vermisste Familienmitglieder zu warten Noch immer unter widrigen Bedingungen immerhin aber selbstbestimmt schufen sie zusammen mit lokalen Obdachlosen eine wilde Siedlung In den ersten Nachkriegsjahren gab es Versuche der Behorden diesem Phanomen mit der Anwendung der NS Terminologie und sogar der NS Vorschriften zum Umgang mit Zigeunern zu begegnen Noch einmal im Jahre 1952 wurden die Bewohner anderer Platze in Koln behordlich aufgefordert diese zu raumen und auf den Schwarz Weiss Platz zu ziehen Diese Anweisung wurde allerdings nicht vollzogen Im Jahre 1958 die Auflosung des Platzes war schon 1952 beschlossen worden lebten wieder 51 Sinti und Romafamilien auf dem Platz neben 131 Familien mit anderen ethnischen Hintergrunden Am 21 November dieses Jahres wurden sie mit ihren Wohnwagen auf einen Platz bei Koln Roggendorf gebracht Nach Raumung des gesamten Platzes wurde das Areal einem neuen Gewerbegebiet zugeschlagen und bebaut Im Jahre 1990 50 Jahre nach der Verschleppung der Kolner Sinti und Roma zog der Kunstler Gunter Demnig mit Hilfe einer Schablone eine 16 Kilometer lange Farblinie vom ehemaligen Schwarz Weiss Platz zum Deutzer Bahnhof von dem aus im Mai 1940 1000 als Zigeuner bezeichnete Menschen deportiert wurden Die Spur der Erinnerung wurde aus dem Schriftzug Mai 1940 1000 Roma und Sinti gebildet 1 Die Linie ist heute nicht mehr erhalten An markanten Punkten der Strecke wurden aber kurze Abschnitte aus Bronze mit der gleichen Aufschrift in den Boden eingelassen An der Bahnunterfuhrung nahe dem ehemaligen Schwarz Weiss Platz wurde in diesem Zuge eine Gedenktafel angebracht Einzelnachweise Bearbeiten Museen Koln Spuren legen Ein Strich durchs Vergessen Stadt Koln abgerufen am 29 November 2020 Siehe auch BearbeitenDenkmaler und Erinnerungsorte zum Nationalsozialismus in KolnLiteratur BearbeitenKarola Fings Frank Sparing Das Zigeunerlager in Koln Bickendorf 1935 1958 in 1999 Zeitschrift fur Sozialgeschichte des 20 und 21 Jahrhunderts 1991 Heft 3 Karola Fings Frank Sparing Rassismus Lager Massenmord Die nationalsozialistische Zigeunerverfolgung in Koln Schriften des NS Dokumentationszentrums der Stadt Koln Bd 13 Emons Verlag Koln 2005 ISBN 3897054086 50 962948 6 889077 Koordinaten 50 57 46 6 N 6 53 20 7 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zigeunerlager Koln Bickendorf amp oldid 244783341