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Die Schizosphare ist die oberste Lage der Lithosphare Sie zeichnet sich durch ihre Sprodigkeit aus wodurch das Entstehen der Hauptmasse flacher Erdbeben ermoglicht wird Sie reicht von der Erdoberflache bis in etwa 15 Kilometer Tiefe unter Orogenen auch bis zu 20 Kilometer Darunter wird sie von der Sprod duktilen Ubergangszone abgelost Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie 2 Definition 3 Erstbenennung und Historisches 4 Spannungszustand 5 Untergrenze 6 Auswirkungen auf die Plastosphare 7 Charakteristische Strukturen der Schizosphare 8 Assoziierte Gesteine 9 Photogalerie 10 Siehe auch 11 EinzelnachweiseEtymologie Bearbeiten nbsp Steilstehende Aufschiebungen am Monte Chiadenis in den nordlichen Karnischen AlpenDer neugeschaffene Fachbegriff Schizosphare Englisch schizosphere ist eine Zusammensetzung der altgriechischen Begriffe sxῐ zw und sfaira sxῐ zw skhizō ist die 1 Person Singular Prasens des Verbs sxῐ zein mit der Bedeutung spalten trennen auseinanderbrechen Das Substantiv sfaira sphaira hat die Bedeutung Ball Kugel aber auch Kreis Reich Einflussgebiet Projektil Geschoss und bezieht sich hier auf die Erdkugel Definition BearbeitenDie Schizosphare ist die ausserste Hulle der festen oberen Erdkruste und uberlagert die Plastosphare Im Gegensatz zur Plastosphare ist sie aufgrund ihres sproden Bruchverhaltens seismisch aktiv 1 Sie unterscheidet sich somit durch ihre Rheologie fundamental von der unterlagernden duktilen Plastosphare in der Kriechprozesse Englisch creep vorherrschen Dies ist das Zweilagenmodell mit einer oberen sproden Zone in der Deformation mittels Reibungsgleitung entlang diskreter Storungsflachen stattfindet und einer unteren duktilen Zone in der die Deformation durch plastisches Fliessen erfolgt Beide Zonen werden durch einen abrupten sprod plastischen Ubergang voneinander getrennt der vermutlich durch die untere Grenze der nachweisbaren Seismizitat angezeigt wird Experimentelle Untersuchungen wie auch die Deformationsgefuge in Myloniten zeigen hingegen dass keine scharfe Grenze sondern ein breites Ubergangsfeld mit semi sprodem Verhalten zwischen diesen beiden Extremen liegt Erstbenennung und Historisches BearbeitenDer Begriff Schizosphare wurde erstmals im Jahr 2002 von Christopher H Scholz mittels seines Lehrbuchs The mechanics of earthquakes and faulting 2 in die geophysikalische Fachliteratur eingefuhrt Als Vorlaufer des Begriffs Schizosphare hatte er aber bereits 1988 eine obere sprode Zone von einer unteren duktilen Zone abgetrennt 3 Das Zweilagenmodell von Christopher Scholz war aber nur eine Neudefinition die geophysikalischen Grundlagen waren schon wesentlich fruher gelegt worden So hatte beispielsweise Harry Fielding Reid im Jahr 1910 in seinem Bericht uber das Erdbeben von San Francisco 1906 erkannt dass tektonische Spannungszustande episodisch durch Erdbeben in der oberen Erdkruste abgebaut werden wohingegen in grosserer Tiefe verteilte und mittels thermischer Prozesse gesteuerte langsame Kriechprozesse den Spannungsaufbau unterbinden und so einen eventuellen Sprodbruch dort verhindern 4 In den 30er Jahren erlaubten es dann seismologische Fortschritte genaue Herdtiefenmessungen vorzunehmen Diese offenbarten dann bei der uberwiegenden Anzahl von Beben den recht flachen Ursprung seismischer Wellen James B Macelwane resumierte im Jahr 1936 dass diese Tatsache eben auf den fundamentalen rheologischen Unterschied zwischen dem obersten und dem tieferen Bereich der Erdkruste zuruckzufuhren ist 5 Weiter konstatierte er dass die Hypozentren wider Erwarten an der Basis der seismischen Schicht auftreten und dass sie somit eine Tiefe von 10 bis 15 Kilometer einnehmen Die Einsichten von James Macelwane wurden erst 1980 durch William Francis Brace und David L Kohlstedt und durch Stephen Homer Kirby verbessert 6 7 Durch ihre im Labor gewonnenen Daten konnten sie ein einfaches rheologisches Modell der kontinentalen Lithosphare erstellen Brace Goetze Strength Profiles Dieses Modell wurde schliesslich von Christopher Scholz im Jahr 1988 modifiziert 8 Spannungszustand Bearbeiten nbsp Brace Goetze Relation links und Verteilung der angetroffenen Gesteine unterhalb einer Verwerfung nbsp Brace Goetze Relation fur die gesamte LithosphareDer Spannungszustand in der oberen Erdkruste kann generell durch die Brace Goetze Relation Englisch Brace Goetze Strength Profiles beschrieben werden Hierbei folgt die Schizosphare dem linearen Byerlee Gesetz bei dem die Zunahme der Scherfestigkeit des Gesteins proportional mit der Tiefe erfolgt Mit Beginn der Plastosphare nimmt die Scherfestigkeit jedoch exponential mit der Tiefe ab da sie jetzt dem duktilen Verformungsgesetz von Quarz folgt Die maximale Scherfestigkeit wird im Schnittpunkt der beiden Kurven erreicht siehe oberes Diagramm links Der coseismische Belastungsvorgang Englisch loading des zyklischen Erdbebenprozesses senkt den Schnittpunkt in die Tiefe ab und die Scherfestigkeit nimmt jetzt ein neues Maximum ein Die Ursache hierfur liegt in einer drastisch angestiegenen Verformungsrate Englisch strain rate wahrend des Bebens Dieser Zusammenhang ist in der unteren Abbildung gut zu erkennen das Maximum der Scherfestigkeit liegt bei geringer Verformungsrate Mitte weniger tief als bei hoher Verformungsrate rechts Mit Ausklingen des Erdbebens tragen dann postseismische Kriechvorgange dazu bei dass das ursprungliche Gleichgewicht allmahlich wiederhergestellt wird d h das exponentiale duktile Verformungsgesetz fur Quarz blaue Kurven wandert wieder langsam nach oben in hohere Bereiche Die untere Abbildung schliesst den Bereich unterhalb der Moho mit ein der bereits durch die Rheologie von Olivin grune Kurven gekennzeichnet wird Dies ist das als Sageblatt bekannt gewordene Profil in dem die Differentialspannung sd gegen die Tiefe z abgetragen ist Untergrenze BearbeitenIm Verlauf eines grossen Erdbebens wird die Schizosphare ausgehend vom Hypozentrum des Bebens von einem coseismischen Bruch bzw Verwerfung durchzogen Eine Ausbreitung in die unterlagernde Plastosphare findet nicht statt in den meisten Fallen wird aber die Erdoberflache mit bedeutender Verzogerung erreicht Die Grenze zwischen den beiden Spharen ist wie in der Definition schon angedeutet nicht starr sondern wird durch das jeweilige Beben festgelegt Der Grund hierfur ist ein Ubergangsbereich zwischen den beiden Spharen Englisch brittle ductile transition zone abgekurzt BDT in dem beide Rheologien auftreten Die Untergrenze liegt generell jedoch tiefer als der uber lange Zeitraume hinweg ermittelte Ubergang vom sproden zum viskosen Verhalten Dieser Ubergang dessen Tiefe bei etwa 11 Kilometer einsetzt wird gewohnlich mit dem Beginn des langsamen Verformens durch Dislokationskriechen in Quarz gleichgesetzt und durfte somit einer Temperatur von rund 300 C entsprechen 9 Dies ist gleichbedeutend mit dem Beginn der niedriggradigen Metamorphose Englisch low grade metamorphism Im Suden Kaliforniens liegt der Ubergangsbereich Sprod Duktil zwischen 10 bis 20 Kilometer Tiefe und in der Mehrzahl der Falle nicht tiefer als 14 Kilometer 10 In Orogenen wie beispielsweise den Helleniden befindet sich die BDT bei 20 bis 22 Kilometer steigt aber nach Ostnordosten in Richtung Backarc Becken im Bereich der nordostlichen Agais wieder bis auf 10 Kilometer an was sich durch Krustenverdunnung und erhohten Warmefluss erklart 11 Auswirkungen auf die Plastosphare BearbeitenVon Erdbeben induzierte Spannungsanderungen in der Schizosphare wirken sich auch auf die oberste Plastosphare aus Die so gut wie augenblicklich Englisch kick einsetzende Belastung wahrend eines Bebens unter hoher Differentialspannung bewirkt in der Plastosphare sprode und kristallplastische Verformungen auf die sodann bei abfallender Spannung Kriechvorgange folgen So wird wahrend des Kicks Belastungsstoss Quarz in einem tieftemperierten plastischen Regime deformiert und unterliegt wahrend der folgenden Spannungsrelaxation mit anschliessender Ruckkehr zum Langzeitszustand dem Dislokationskriechen unter abfallender Verformungsrate Englisch strain rate der Kriechvorgang ist bei abfallender Verformungsrate definiert Jede Stufe im Spannungszyklus von Erdbeben hinterlasst ganz charakteristische Mikrostrukturen in den betroffenen Gesteinen Diese Zusammenhange lassen sich auch im Gefuge aufgetauchter metamorpher Gesteine beobachten 12 13 Charakteristische Strukturen der Schizosphare Bearbeiten nbsp KataklasitCharakteristisch fur die Schizosphare sind den Gesteinsverband durchschlagende Diskontinuitaten Hierzu gehoren Klufte Bruche Gange und Storungen Abschiebungen Aufschiebungen bzw Uberschiebungen und Seitenverschiebungen Da Gesteine gegenuber Zugspannungen sehr empfindlich reagieren sind in Oberflachennahe oft samtliche Arten von Kluftsystemen ausgebildet Kluftrisse konnen sich mit bis zu halber Schallgeschwindigkeit ausbreiten Die bei Erdbeben an Verwerfungen auftretenden Werte erreichen jedoch bis zu dreifache Schallgeschwindigkeit und erlangen somit die Geschwindigkeit von Scherwellen Assoziierte Gesteine BearbeitenIn den verwobenen anastomisierenden Storungen sind in Oberflachennahe zusammenhaltloser Kakirit Storungsletten Englisch fault gouge und Brekzien anzutreffen Diese werden ab 3 bis 4 Kilometer Tiefe von Kataklasiten und Pseudotachyliten abgelost Letztere reichen bis in den sprod duktilen Ubergang hinein Mylonite entstehen mit Erreichen des sprod duktilen Ubergangs und gehen bei etwa 28 Kilometer Tiefe in Blastomylonite uber Photogalerie Bearbeiten nbsp Kluftflachen sind typisch fur die Schizosphare Die radialplumose Besenstruktur Englisch plumose fracture gibt das explosionsartige Ausbreiten der Rissbildung zu erkennen hier nach rechts Sie stellt ein ausgezeichnetes Analogon fur den Erdbebenvorgang im Allgemeinen dar nbsp Mikrobruche in einem Granit aus der San Andreas Verwerfung unter gekreuzten Polarisatoren nbsp Harnischstriemung aus Calcit und Chlorit auf felsischem Vulkanit Sierra Nevada nbsp Horst und Grabenstrukturen im Death Valley nbsp Flache Aufschiebung Death Valley nbsp Sitenverschobener vulkanischer Aschenkegel Death Valley nbsp Hintereinandergeschaltete kleine Verwerfungsstaffeln nbsp Rezente Verwerfung quert den Badwater Fan Death Valley nbsp PseudotachylitadernSiehe auch BearbeitenBruch Geologie Erdbeben Erdkruste Kluft Geologie Reibung Rheologie Storung Geologie Einzelnachweise Bearbeiten Y Ben Zion Collective behavior of earthquakes and faults Continuum discrete transitions progressive evolutionary changes and different dynamic regimes In Rev Geophys 46 RG4006 2008 doi 10 1029 2008RG000260 Christopher H Scholz The mechanics of earthquakes and faulting 2nd Edn Cambridge University Press Cambridge 2002 Christopher H Scholz The brittle plastic transition and the depth of seismic faulting In Geologische Rundschau Band 77 1988 S 319 328 doi 10 1007 Bf01848693 H F Reid The California Earthquake of April 18 1906 In The Mechanics of the Earthquake vol 2 Carnegie Institution Washington D C USA 1910 James B Macelwane Problems and progress on the geologico seismological frontier In Science Band 83 1936 S 193 198 William F Brace und David Kohlstedt Limits on lithospheric stress imposed by laboratory experiments In Journal of Geophysical Research Band 85 1980 S 6248 6252 Stephen Kirby Tectonic stress in the lithosphere Constraints provided by the experimental deformation of rock In Journal of Geophysical Research Band 85 1980 S 6353 6363 Christopher H Scholz A further note on earthquake size distributions In Bulletin of the Seismological Society of America Band 88 1988 S 1325 1326 M Stipp und K Kunze Dynamic recrystallization near the brittle plastic transition in naturally and experimentally deformed quartz aggregates In Tectonophysics Band 448 2008 S 77 97 C Marone und Christopher H Scholz The depth of seismic faulting and the upper transition from stable to unstable regimes In Geophysical Research Letters Band 15 1988 S 621 624 doi 10 1029 GL015i006p00621 M Maggini und R Caputo The Schizosphere Plastosphere boundary through rheological modelling across and along a fold and thrust belt case studies from the Hellenides Greece and seismotectonic applications In GNGTS Sessione 1 2 2008 M Kuster und B Stockhert High differential stress and sublithostatic pore fluid pressure in the ductile regime microstructural evidence for short term postseismic creep in the Sesia Zone Western Alps In Tectonophysics Band 303 1999 S 263 277 C A Trepmann und B Stockhert Quartz microstructures developed during non steady state plastic flow at rapidly decaying stress and strain rate In Journal of Structural Geology Band 25 2003 S 2035 2051 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schizosphare amp oldid 234371333