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Sadschʿ arabisch سجع DMG saǧʿ ist eine Form der arabischen Reimprosa die unter anderem im Koran Verwendung findet Mit der Dichtung hat sie die Verwendung des Reims gemeinsam allerdings ist sie nicht den strengen Kriterien des Versmasses unterworfen Bereits zu Beginn des 9 Jahrhunderts war die Reimprosa ein beliebter literarischer Stil bei der Abfassung von Briefen Predigten chutba Ansprachen und in den Vorworten literarischer Werke Charakteristisch ist sie auch fur den Stil mittelalterlicher Adab Literatur und der Makame Sie wurde daruber hinaus in der persischen und osmanischen Literatur beliebt In der nachklassischen und modernen arabischen Literatur ist die Reimprosa selten Ein letztes bedeutendes Beispiel fur den literarischen Stil sind vor allem die band Verse des 19 Jahrhunderts Inhaltsverzeichnis 1 Sadschʿ im Koran 2 Stilmittel der Rhetorik 3 Literatur 4 EinzelnachweiseSadschʿ im Koran BearbeitenVor allem der in der mekkanischen Periode Mohammeds entstandene Korantext mit seinen kurzen Versen zeichnet sich durch diese Sprachform aus Aber insgesamt sind alle Suren und Teilstucke von Suren in Reimprosa abgefasst Die Klangwirkung der koranischen Reimprosa veranschaulicht die Koranubersetzung von Friedrich Ruckert Sure 90 Vers 1 16 lautet Soll ich schworen bei dieser Stadt Beim Saemann und seiner Saat Wir erschufen den Menschen zu harter Tat Meint er dass Niemand Gewalt auf ihn hat Er spricht O wie vieles Gut ich zertrat Meint er dass Niemand gesehn ihn hat Wer hat ihm die Augen bereitet Und die Lippen ihm geweitet Und auf den Scheideweg ihn geleitet Doch er erklimmt nicht den hohen Rand Weisst Du was ist der hohe Rand Zu losen der Gefangenen Band Zu speisen wenn der Hunger im Land Den Waisen der dir anverwandt Den Armen der dir unbekannt Die Verse der Sure 96 die in der islamischen Tradition als der Rahmen zum ersten Offenbarungserlebnis Mohammeds verstanden werden lauten in der Ubersetzung des Orientalisten Hubert Grimme wie folgt Trag vor in des Herren Namen Der euch schuf aus blutigem Samen Trag vor Er ist der Geehrte Der mit dem Schreibrohr lehrte Was noch kein Menschenohr horte Doch der Mensch ist storrischer Art Nicht achtend dass Er ihn gewahrt Doch zu Gott fuhrt einst die Fahrt 1 Nach den neuen Erkenntnissen der Koranforschung nimmt der Korantext eine Mittelstellung zwischen Poesie und Prosa ein denn die Suren werden einerseits als Versreihen andererseits als Satzreihen verstanden 2 Der deutsche Orientalist Theodor Noldeke hat in seiner heute noch wegweisenden Studie Zur Sprache des Korans I Der Koran und die Arabija 3 die stilistischen Eigentumlichkeiten der koranischen Redekunst anhand von zahlreichen Beispielen dargestellt und die Ansicht vertreten dass Mohammeds Umgang mit dem Sadschʿ in vieler Hinsicht Mangel aufweise und oft nicht das Niveau der zeitgenossischen oder fruhislamischen Dichter erreiche Die oft beobachteten Wiederholungen von Reimwortern die Schlusssatze der Verse dienten demnach oft nur zur Ausfullung des Reims oder wenigstens zu einer gewissen Abrundung Und Des wenn auch noch so unvollkommenen Reimes wegen musste der Rede viel Zwang angetan werden Muhammed hat gewiss viel uber den Inhalt seiner Offenbarung meditiert ehe er sie ans Licht gab aber wenig uber ihre Form 4 Mohammed wurde von seinen Gegnern oft als Dichter bezeichnet da man die sprachliche Form des Korans als poetische Form empfunden hat 5 Im Gegensatz zur Poesie andert man aber in der Reimprosa den Reim haufig dies ist auch im Koran zu beobachten Die meisten Reime in der Sprache des Korans gehen auf eine geschlossene Silbe mit einem langen Vokal un in ad ar usw aus 6 In der Koranexegese wird die koranische Sprache nicht als Poesie und nur vereinzelt als rhetorische Reimprosa angesehen vielmehr spricht man von Trennungseinheiten der Verse die der Funktion der Reime im Allgemeinen auch entsprechen 7 Stilmittel der Rhetorik BearbeitenIn der aussenkoranischen Literatur ist Saǧʿ die kennzeichnende Form aller Beredsamkeit geworden und galt als eine Art des poetischen Ausdrucks 8 Im Islam wird Reimprosa in Heilspruchen und selbst dem Propheten Mohammed zugeschriebenen Schutzgebeten verwendet Letztere fanden auch in die kanonischen Sammlungen der Hadithliteratur Eingang So lasst man Mohammed sprechen Allahumma inni aʿuḏu biK min ʿilmin la yanfaʿwa min qalbin la yaḫsaʿwa ʿainin la tadmaʿ Herrgott ich suche Zuflucht bei Dir vor Wissen das nicht nutzt vor dem Herzen das nicht demutig ist vor Augen die keine Tranen vergiessen Mohammed 9 Zugleich warnt die religiose Lehre davor Furbitten in Saǧʿ zu sprechen da seine Ursprunge im heidnischen Altertum liegen 10 Die unterschiedlichen Verwunschungsformen von Feinden und politischen Rivalen hat man in ebenfalls Reimprosa vorgetragen Der beruhmte al Muḫtar ibn Abi ʿUbaid aṯ Ṯaqafi Anfuhrer der Revolte der Aliden zwischen 685 und 687 Herr von Kufa 11 sprach oft in Reimprosa seine gefurchteten Spruche sind vor allem bei at Tabari und al Baladhuri uberliefert Den gegen seinen Feind Asmaʾ ibn Ḫariǧa gerichteten Fluch formulierte er mit gewaltigen Worten die als Beispiel des arabischen Saǧʿ in der profanen Literatur wie folgt lauten la tanzilanna narun mina s samaʾtasuquha riḥun ḥalikatun dahmaʾḥatta taḥriqa dara Asmaʾ wa al Asmaʾ Wahrlich Feuer wird vom Himmel herunterkommen begleitet von pechschwarzem dunklem Wind bis es das Haus von Asmaʾ und seiner Familie verbrennt al Muḫtar ibn Abi ʿUbaid aṯ Ṯaqafi 12 Charakteristisch fur diese Sprachform ist es dass sie nicht den strengen Regeln der Metrik unterworfen ist sondern als Prosa hier als Fluch durch die Reime beeindruckt die durch die Weglassung der grammatischen Endungen im Auslaut des letzten Wortes am Ende der Zeilen entstehen Als Asmaʾ von diesem Fluch erfuhr sprach er Es ist keines Bleibens wenn der Lowe gebrullt hat Anschliessend verliess er seinen Wohnort Kufa und wanderte nach Syrien aus 13 Es ist anzumerken dass Reimprosa wie auch die dichterische Form des Raǧaz bereits in der vorislamischen Zeit auch als Ausdruck religioser Bezeugung galt 14 Diese Sprachformen hat man allerdings schon in der umayyadischen Zeit als die primitive Sprache der Beduinen verurteilt denn in einer von al Baladhuri verzeichneten Episode lasst man den im Irak gefurchteten Statthalter Al Haddschadsch ibn Yusuf 714 uber einen in diesem Stil hier Raǧaz sprechenden Araber sagen ich horte al Ḥaǧǧag als er auf dem Minbar von Wasit wie folgt sprach verdammt ist dieser Sklave der B Hudhail 15 Bei Gott kein Wort hat er davon gelesen was Gott Mohammed herabgesandt hatte Was er sagt ist nichts anderes als Raǧaz des Beduinen Bei Gott hatte ich ihn gefasst hatte ich die Erde mit seinem Blut getrankt 16 Die Iraker beschimpft er mit Worten die mit dem Reim aq aus dem Wort Iraq enden ya ahla ʾl Iraqwa ahl as siqaqwa ahl an nifaqwa masawiʾ ʾl aḫlaq Burger des Irak Leute der Zweitracht Leute der Heuchelei und der niedertrachtigen Charakterart Al Haddschadsch ibn Yusuf 17 Literatur BearbeitenP Freimark Das Vorwort als literarische Form in der arabischen Literatur Dissertation Munster 1967 Ignaz Goldziher Abhandlungen zur arabischen Philologie Brill Leiden 1896 S 59 71 Klaus Kreiser Werner Diem Hans Georg Majer Hrsg Lexikon der islamischen Welt Bd 3 S 67 Verlag W Kohlhammer Stuttgart Berlin Koln Mainz 1974 ISBN 3 17 002162 1 Angelika Neuwirth Koran In Helmut Gatje Hrsg Grundriss der arabischen Philologie Bd II Literaturwissenschaft Dr Ludwig Reichert Verlag Wiesbaden 1987 S 96 135 bes 117 119 Surenstruktur und Surentypen Theodor Noldeke Geschichte des Qorans 2 Auflage bearbeitet von Friedrich Schwally Erster Teil Uber den Ursprung des Qorans Leipzig 1909 S 34 44 Theodor Noldeke Neue Beitrage zur semitischen Sprachwissenschaft Strassburg 1910 S 1 30 Devin Stewart Sajʿ in the Qurʾan Prosody and Structure in Journal of Arabic Literature 21 1990 101 139 Encyclopaedia of Islam New Edition Brill Leiden Bd 8 S 732 Einzelnachweise Bearbeiten Nach Rudi Paret Mohammed und der Koran 8 Auflage Kohlhammer Stuttgart Berlin Koln 2001 S 54 55 Angelika Neuwirth Koran S 117 In Theodor Noldeke Neue Beitrage zur semitischen Sprachwissenschaft Strassburg 1910 S 1 30 Theodor Noldeke Neue Beitrage zur semitischen Sprachwissenschaft S 6 Theodor Noldeke Geschichte des Qorans Bd 1 S 36 Theodor Noldeke Geschichte des Qorans S 39 Theodor Noldeke Geschichte des Qorans S 37 Ignaz Goldziher 1896 S 59 60 Text auf Arabisch bei Ignaz Goldziher 1896 S 68 Anm 4 Ubersetzung mit Varianten Ignaz Goldziher 1896 S 68 und Anm 5 Claude Cahen Der Islam I Vom Ursprung bis zu den Anfangen des Osmanenreiches Fischer Weltgeschichte Band 14 1968 S 40 41 Text auf Arabisch bei Ignaz Goldziher 1896 S 73 Ignaz Goldziher 1896 S 73 H A R Gibb Arabic Literature Oxford 1963 S 14 15 34 35 M J Kister Labbayka Allahumma Labbayka In Jerusalem Studies in Arabic and Islam JSAI 2 1980 S 41 42 Gemeint sind mit dem hier genannten Stamm der B Hudhail die in ihren Kreisen gepflegten und beruhmten poetischen Lieder Dazu siehe Julius Wellhausen Skizzen und Vorarbeiten Erstes Heft 2 Lieder der Hudhailiten Arabisch und Deutsch Berlin 1884 S 104ff 1 M J Kister 1980 S 42 Anm 61 mit der Transkription des arabischen Originals uber die einfaltigen Raǧaz Gedichte der Kameltreiber siehe Ignaz Goldziher 1896 S 95 Anm 2 Ignaz Goldziher 1896 S 64 Anm 3 auf Arabisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sadschʿ amp oldid 236349747