www.wikidata.de-de.nina.az
Dieser Artikel behandelt den mathematischen Beruf Zum Roman von Dieter Jorgensen siehe Der Rechenmeister Rechenmeister bezeichnet einen zunachst mittelalterlichen Beruf der in der Fruhen Neuzeit besondere Bedeutung erlangte Die Rechenmeister unterrichteten Rechnen und Elementarmathematik auf Deutsch oder der jeweiligen Volkssprache Sie kamen damit dem wachsenden Bedarf nach der durch den rasch zunehmenden Handel entstand Im lateinischen kirchlichen Schulwesen spielte Mathematik keine wesentliche Rolle Die Rechenmeister schufen zu Beginn des 16 Jahrhunderts sogenannte Rechenbucher die meist zum Unterricht an ihren privaten Rechenschulen dienten Daneben verfassten auch mathematische Schriftsteller und Stadtschreiber vornehmlich zum Selbststudiumgeeignete Werke Rechenbucher gehorten zu den ersten lehrhaften und volkssprachlichen Schriften die gedruckt wurden Die Rechenmeister der fruhen Neuzeit die sich auch mit Aufgaben aus der Algebra befassten wurden im deutschsprachigen Raum auch Cossisten genannt abgeleitet von Coss einer Bezeichnung fur Rechenbucher mit Algebraaufgaben von italienisch cosa Sache womit die Variablen in einer Aufgabe bezeichnet wurden Inhaltsverzeichnis 1 Vernachlassigte Grundausbildung 2 Handel verlangte Rechenfertigkeit 3 Privatlehrer und Schriftsteller als Ausbilder 4 Unterschiedliche Zahlensysteme 5 Bekannte Rechenmeister und ihre Werke 6 Literatur 7 AnmerkungenVernachlassigte Grundausbildung BearbeitenElementares Rechnen existierte in den offentlichen Schulen des 15 Jahrhunderts praktisch nicht Im 16 Jahrhundert bezog nur etwa die Halfte der Schulordnungen Teile der Mathematik in den Unterricht mit ein jedoch selten als gleichberechtigtes Unterrichtsfach Man lernte in deutschen Schulen des Spatmittelalters das Lesen und spater das Schreiben der deutschen Sprache fur mathematische Bildung ubers Zahlenlesen und Zahlenschreiben und das kleine Einmaleins hinaus war kein Platz Mathematik wurde wenn uberhaupt meist im Rahmen des wochentlich eine Stunde umfassenden Musikunterrichts mitbehandelt Wer mehr wissen wollte musste sich privat darum kummern 1 In den Lateinschulen beanspruchte der Lateinunterricht die meiste Zeit Praktische Teile der Mathematik wurden nicht gelehrt Kaufmannisches Rechnen fehlte ganz Die Mathematik kam erst auf den Universitaten in Form von Arithmetik und Geometrie im Quadrivium des Studiums der sieben freien Kunste der Artistenfakultat zum Tragen Handel verlangte Rechenfertigkeit BearbeitenDer Bedarf an der Kenntnis des Rechnens stieg mit der Entwicklung des Handels um 1500 drastisch an Die Geldwirtschaft hatte den Tauschhandel abgelost Die Grosskaufleute und auch andere hatten jetzt Buch zu fuhren Zahlen zu schreiben und zu rechnen Da sie das nicht im heimischen Kontor lernen konnten schickten die reichen Kaufleute ihre Sohne hierzu in die grossen hochentwickelten Handelszentren nach Italien Innerhalb der Stadte nordlich der Alpen wuchs der Ruf nach allgemeiner mathematischer Bildung Privatlehrer und Schriftsteller als Ausbilder BearbeitenLehrer an niederen stadtischen Schulen oder Privatschulen die meist noch in der offentlichen Verwaltung tatig waren schlossen nach und nach die Lucke Sie nannten sich Rechenmeister und eroffneten eigene Rechenschulen Sie ubernahmen mit ihrem Unterricht eine Bildungsaufgabe die von den existierenden Schulen nicht oder nur unzureichend wahrgenommen wurde In grosseren Stadten vereinigten sie sich zu Innungen mit ahnlichen Satzungen und Gebrauchen wie die Handwerkszunfte und bildeten auch den Nachwuchs heran Auch ohne Patent einer staatlichen Unterrichtsbehorde war so eine Qualitatsgarantie fur Bildung und personliche Integritat gegeben Besonderen Ruf hatten die Rechenschulen von Nurnberg Augsburg und Ulm Unterschiedliche Zahlensysteme BearbeitenDie Griechen und die Romer besassen eine Zahlschrift die zum Rechnen nahezu untauglich war Diesen Nachteil glich jedoch der Abacus fur die einfachen Rechenarten aus Er wurde spater im Mittelalter durch das Rechenbrettund das fur das 16 Jahrhundert charakteristische Rechnen auf Linien abgelost Die uns heute vertrauten indischen Ziffern kamen bereits uber das arabisierte Spanien in das Abendland Die Vermittler zwischen Indien und Europa waren die Araber Sie hatten schon im 8 Jahrhundert Kenntnis von der Zahlschrift der Inder Wesen und Wert der indischen Ziffern erkannte man in Mitteleuropa noch nicht Die Informationen verkummerten in den gelehrten Klosterstuben Die indischen Ziffern gelangten um 1200 dank Leonardo von Pisa ein zweites Mal von Italien nach Deutschland Die Bevolkerung nordlich der Alpen brachte allerdings dem neuen welschen System grosses Misstrauen entgegen Insbesondere die bislang nicht benotigte Ziffer 0 verunsicherte stark denn alleine stehend bedeutete sie Nichts dagegen vervielfachte sie zusammen mit anderen Ziffern die links daneben stehende Ziffer gleich um 10 Zudem schien sie handschriftlich zu leicht in eine 6 oder 9 falschbar Und ausserdem kam man ja problemlos mit der teutschen romischen Notation beim Schreiben und Lesen und dem Rechnen auf Linien aus Zwar wurden auch beim Rechnen auf Linien Vielfache von 10 als Basiswerte die Einer mit funffachen Hilfsbasiswerten die Funfer genutzt in einem durch Linien und Zwischenraume gekennzeichneten Stellenwertsystem allerdings arbeitete man nicht mit Zahlzeichen sondern mit Recheneinheiten die mit Rechenpfennigen dargestellt wurden Solange nicht gerechnet sondern nur dargestellt werden musste war die von den Romern ubernommene Zahlendarstellung einfach sicher und praktisch Man hatte sich so an sie gewohnt dass man von den teutschen Zahlen sprach Zum Rechnen standen drei Verfahren zur Verfugung Das Fingerrechnen Die noch lange gebrauchliche herkommliche Methode auch wenn sie in der Literatur kaum erwahnt wird Das Rechenbrett oder das Rechnen auf Linien Ein Verfahren das dem heute noch in Asien gebrauchlichen eindrucksvoll schnellen Abacus ahnlich ist Das Ziffernrechnen Der Urvater der Rechenmeister aus dem Hochmittelalter der geniale Patriziersohn Leonardo da Pisa Fibonacci hatte schon 300 Jahre zuvor bei den Arabern das indische 10er Stellenwertsystem mit neun Ziffernzeichen inklusive der Ziffer Null kennengelernt und den mathematischen Umgang in seinem Meisterwerk liber abaci beschrieben Aus einer angesehenen Kaufmannsfamilie stammend legte er die Grundlagen fur die weit entwickelte kaufmannische Rechen und Buchhaltungskunst in den oberitalienischen Handelsstadten Bekannte Rechenmeister und ihre Werke Bearbeiten Auszug Fibonacci Leonardo da Pisa vielleicht um 1180 vielleicht nach 1241 gilt als bedeutendster Mathematiker des MittelaltersLiber abbaci 1202 erstes von einem Praktiker maestro d abaco in Volkssprache statt in Latein geschriebenes Werk uber die fur die kaufmannische Praxis wichtigen Rechenoperationen dd Ulrich Wagner um 1490 wirkte als Rechenmeister zu NurnbergBamberger Rechenbuch 1482 und 1483 dd Johannes Widmann um 1460 nach 1498 Magister der freien Kunste und Lehrer der Mathematik an der Universitat Leipzig fuhrte die Symbole und fur die Rechenoperationen Plus und Minus in der Literatur einMercantile Arithmetic oder Behede und hubsche Rechenung auff allen kauffmanschafft 1489 mit Entlehnungen aus dem Bamberger Rechenbuch dd Balthasar Licht wirkte als Rechenmeister um 1500Algorithmus linealis cum pulchris conditionibus Regule detri septem fractionum dd Johann Huswirth Sanensis wirkte um 1500 als deutscher Mathematiker wegen seines latinisierten Namens wird als Geburtsort Sayn im Westerwald vermutetEnchiridion novus Algorismi Rechnen auf Linien dd Gregor Reisch um 1470 in Balingen Wurttemberg 1525 in Freiburg im Breisgau studierte um 1487 in Freiburg trat dem Karthauser Orden bei und wurde Prior in Freiburg und Beichtvater von Kaiser Maximilian I Margarita philosophica 1503 fur das Rechnen auf Linien dd Unbekannter Verfasser Algorithmus Mehrere Schriften ab Wende 15 16 Jh dd Bis zum Zeitpunkt vor Kobel behandelten alle in deutscher Sprache abgefassten Rechenbucher ausschliesslich das Ziffernrechnen wahrend das Rechnen auf Linien mit dem Titel Algorithmus linealis in lateinisch gelehrt wurde Jakob Kobel 1462 in Heidelberg 1533 in Oppenheim Stadtschreiber zu Oppenheim Buchdrucker Verleger mathematischer Schriftsteller 2 Eynn Newe geordent Reche buchlein vf den linien mit Rechepfenigen 1514 Eynn Newe geordnet Vysirbuch 1515 Mit der Kryde od Schreibfedern Rechepuchlein 1520 Vom vrsprung der Teilung Mass vn Messung dess Ertrichs der Ecker 1522 Rechnen vnd Visieren 1532 Geometrei Von kunstlichem Messen vnd absehen 1575 dd Adam Ries 1492 in Staffelstein Oberfranken 1559 vermutlich in Annaberg Erzgebirge bekanntester Rechenmeister der damaligen Zeit eroffnete im Herbst 1525 in Annaberg Sachsen eine RechenschuleRechnung auff der linihen 1518 Rechenung auff der linihen und federn 1522 Coss Manuskript 1524 Druck 1992 Ein Gerechent Buchlein auff den Schoffel Eimer vnd Pfundtgewicht Manuskript 1533 Druck 1536 auch bekannt als Annaberger Brotordnung Rechenung nach der lenge auff den Linihen vnd Feder 1550 dd Petrus Apianus Bienewitz 1495 in Leisnig 1552 in Ingolstadt Professor der Astronomie in IngolstadtEyn newe vnd wolgegrundte vnderweysung aller Kaufmannsrechnung 1527 dd Andreas Reinhard 1571 in Schneeberg Erzgebirge 1613 ebenda Drei Register Arithmetischer ahnfeng zur Practic um 1598 99 dd Literatur BearbeitenTechnische Universitat Bergakademie Freiberg Hrsg Rechenmeister und Cossisten der fruhen Neuzeit Freiberger Forschungshefte Reihe D Bd 201 Akademische Buchhandlung Freiberg 1996 ISBN 3 86012 031 X Anmerkungen Bearbeiten Richard Hergenhahn Jakob Kobel seine Bedeutung als mathematischer Schriftsteller In Oppenheimer Hefte Nr 13 Dezember 1997 ZDB ID 32639 2 S 2 73 Richard Hergenhahn Jakob Kobel 1460 1533 Stadtschreiber zu Oppenheim Feldmesser Visierer Verleger Druckherr Schriftsteller und Rechenmeister In Technische Universitat Bergakademie Freiberg Hrsg Rechenmeister und Cossisten der fruhen Neuzeit Akademische Buchhandlung Freiberg 1996 S 63 82 Normdaten Sachbegriff GND 4435338 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rechenmeister amp oldid 231344867