www.wikidata.de-de.nina.az
Als psychische Deprivation von lateinisch deprivare berauben bezeichnet man den psychischen Zustand des Organismus der durch ungenugende Befriedigung der grundlegenden seelischen Bedurfnisse entsteht Dieser Zustand kann entstehen wenn es nicht gelingt eine enge und von intensiven Gefuhlen gepragte Beziehung zum Mitmenschen aufzubauen Bindungstheorie Der Begriff psychische Deprivation geht auf Zdenek Matejcek zuruck 1 Inhaltsverzeichnis 1 Begriffliche Abgrenzung 2 Theorie der psychischen Deprivation 3 Geschichte der Deprivationsforschung 4 Ursachen der Deprivation 4 1 Isolation und ihre Folgeerscheinungen 4 2 Trennung und ihre Folgeerscheinungen 4 3 Heimkinder 4 4 Partielle Gemeinschaftserziehung 4 5 Familie 4 6 Im Individuum angelegte Bedingungen der Deprivation 5 Diagnose von Deprivationsschaden 6 Therapeutische Massnahmen 7 Praventivmassnahmen 8 Literatur 9 EinzelnachweiseBegriffliche Abgrenzung BearbeitenDer Begriff bezieht sich ausschliesslich auf ein psychisches Mangelleiden von dem in erster Linie das in Entwicklung begriffene Kind betroffen sein kann Daneben wird Deprivation als Mangelleiden infolge ungenugender Ernahrung physische Deprivation mangelnder Sinnesreize sensorische Deprivation mangelnder sprachlicher Stimulation Sprachliche Deprivation sozialer Isolation Soziale Deprivation usw unterschieden Enger gefasste Deprivationsbegriffe werden fur die mangelnde Gefuhlsbindung zwischen Mutter und Kind maternal deprivation Mary Ainsworth und zwischen Vater und Kind paternal deprivation sowie fur die Folgen eines langeren Krankenhaus oder Heimaufenthaltes Hospitalismus usw verwendet Ein weiter gefasster Begriff wird fur den Mangel an Erziehung padagogisches Defizit verwendet Matejcek vermeidet absichtlich den Begriff Deprivationssyndrom weil er dazu verleiten konne darunter eine inhaltlich genau definierte Gruppe von pathologischen Merkmalen zu verstehen die sich ebenso diagnostizieren liessen wie andere somatische oder psychische Erkrankungen 1 Die Psychische Deprivation kann auch mehrschichtig begriffen werden in dem die Bedingungen des Mangels fur eine wirksame Interaktion des Kindes mit der Umwelt differenziert werden Mangel an der Gesamtstimulation Menge Intensitat und Art der Reize Mangel an Gelegenheiten fur ein wirksames Lernen bzw fur das Begreifen kognitiver Struktur Mangel an Voraussetzungen fur das Aufbauen einer spezifischen Beziehung bzw an emotionaler Abhangigkeit die zur inneren Sicherheit verhilft Mangel an Voraussetzungen fur die Aneignung personlich sozialer Rollen keine soziale Unabhangigkeit fehlende Identitat Theorie der psychischen Deprivation BearbeitenEs gibt noch keine einheitliche Theorie der psychischen Deprivation Matejcek unterscheidet vier psychische Grundbedurfnisse von denen immer zwei polar sind als Grundtendenz des Menschen zum aktiven Kontakt mit der umgebenden Welt Alfred Adler sprach von der Sozialnatur des Menschen Das Bedurfnis nach Variabilitat das Veranderlichkeit der Reize Menge Modalitat Intensitat und neue fortschreitende Stimulation einschliesst Das Bedurfnis nach Stabilitat um im Wechsel der Geschehnisse eine Dauerstruktur Ordnung und Gesetzmassigkeit zu finden und damit eine Kontinuitat von Vergangenem Gegenwartigem und Kunftigem herzustellen Das Bedurfnis nach Abhangigkeit Liebe Bindung Beziehung als Bindung zu spezifischen Menschen im Besonderen und zur Aussenwelt im Allgemeinen die zum Fundament der Lebenssicherheit wird Das Bedurfnis nach Unabhangigkeit mit der personlichen Separation von der Umwelt zur Erreichung der Autonomie bewussten Identitat oder sozialen Rolle im sozialen Netz der Welt Erst wenn das Kind die Einzigartigkeit und Dauerhaftigkeit der Umweltobjekte und deren personlichen Sinn und Wert kennenlernt kann es zu ihnen spezifische Beziehungen bilden Wenn sich ein Kind normal entwickeln soll mussen alle seine Grundbedurfnisse harmonisch der jeweiligen Entwicklungsphase angepasst befriedigt sein Werden diese Bedurfnisse uber einen langeren Zeitraum und in erheblichem Ausmass nicht oder nur einseitig befriedigt wird die psychische Entwicklung des Kindes ungunstig beeinflusst In der Umwelt des Kindes braucht es gewisse Bedingungen die die Befriedigung der psychischen Grundbedurfnisse erlauben Alle Kulturen und die in ihnen bestehenden Erziehungssysteme rechnen mit einer gewissen Regulierung Angebot an Stimulationen Einfuhrung in die Ordnung der Dinge und Handlungen Art des Kontaktes mit dem Kind Zeitpunkt der Unabhangigkeit in dieser Richtung Geschichte der Deprivationsforschung BearbeitenIn der Menschheitsgeschichte wurden mehrfach Behauptungen aufgestellt ein Herrscher habe Experimente mit Kleinkindern durchgefuhrt in denen nicht mit ihnen gesprochen wurde z B durch eine stumme Pfleger oder sie z T sogar bewusst emotional vernachlassigt wurden um die Ursprache der Menschheit d h ohne das Sprachvorbild von Bezugspersonen herauszufinden Der antike griechische Geschichtsschreiber Herodot ca 485 425 v Chr behauptete das uber den 200 Jahre fruher lebenden Pharao Psammetich I 664 610 v Chr Salimbene von Parma uber den von ihm uberaus negativ gesehenen romisch deutschen Kaiser Friedrich II von Hohenstaufen 1194 1250 2 und spatere Autoren uber Jakob IV von Schottland 1473 1513 3 und den indischen Grossmogul Akbar 1542 1605 4 mindestens die Versuchs Kinder von Friedrich II sollen an der Vernachlassigung gestorben sein 2 Allerdings ist der Wahrheitsgehalt solcher Behauptungen mehr als unsicher Kritische Autoren weisen die Behauptungen experimentellen Kindesmissbrauchs vor allem durch Psammetich I und Jakob IV 4 vermutlich aber auch die angeblich todlichen Versuche durch Friedrich II 2 als sehr unwahrscheinlich zuruck allein das Experiment von Akbar habe wohl stattgefunden 4 aber dort wurden die Kinder wohl lediglich durch stumme Ammen aufgezogen ohne dass eine emotionale Vernachlassigung berichtet wurde 5 Seit dem 20 Jahrhundert geistert vor allem das angebliche Experiment Friedrichs II durch einige psychologische oder padagogische Veroffentlichungen als vermeintlicher Beweis fur die lebens wichtige Bedeutung emotionaler Zuwendung fur Kleinkinder nbsp Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Ein spanischer Bischof schrieb in seinem Tagebuch von 1760 Im Findelhaus wird ein Kind traurig und viele gehen durch ihre Traurigkeit zugrunde Ein wesentlicher Beitrag zu dieser Thematik wurde von dem osterreichischen Padiater Meinhard von Pfaundler geleistet Er konnte nachweisen dass Spitalsschadigungen bei Sauglingen und Kindern in Kliniken mit der Muttertrennung in Verbindung zu bringen sind von daher die Bezeichnung Hospitalismus bisweilen auch Hospitalmarasmus genannt 6 Dies ist nicht nur ein Thema fur Institutionen in denen Kinder untergebracht werden sondern es gibt Hospitalismus auch in Familien Kindesvernachlassigung Weitere systematisch wissenschaftlichen Arbeiten stammen aus den 1930er Jahren von der Wiener Schule Charlotte Buhlers Von dieser Grundlage gehen die umfangreichen psychoanalytisch orientierten Studien von Rene A Spitz aus die er in seinem Buch Vom Saugling zum Kleinkind darlegte Harry Harlow konnte in Tierexperimenten nachweisen dass auch bei Primaten psychische Storungen auftraten wenn keine adaquate Mutter Kind Beziehung aufgebaut werden konnte John Bowlby fasste fur die WHO 1952 in Maternal care and mental health und 1962 zusammen mit Ainsworth in Deprivation of Maternal Care die internationalen Ergebnisse der bisherigen Forschung zusammen Die uberwiegende Mehrheit der modernen Arbeiten uber die Kinderentwicklung stutzt sich auf die Bindungstheorie von John Bowlby und Mary Ainsworth 7 Ursachen der Deprivation BearbeitenDie Ursachen psychischer Deprivation sind sehr vielfaltig zum Beispiel Depression bei der Mutter Im Allgemeinen konnen es Lebenssituationen wie Isolation oder Trennung Separation sein in denen dem Subjekt Kinder Erwachsene Primaten nicht in ausreichendem Masse und fur genugend lange Zeit die Moglichkeit zur Befriedigung seiner grundlegenden psychischen Bedurfnisse gegeben wird Isolation und ihre Folgeerscheinungen Bearbeiten Ainsworth empfahl 1961 nur diejenigen Situationen als Isolation zu bezeichnen in denen sich noch keine spezifische Beziehung zur ersten Bezugsperson Mutter Vater usw hatte entwickeln konnen Beispiele schwerster Isolation sind die sogenannten Wolfskinder oder der Fall Kaspar Hauser Die totale Isolation von menschlicher Gemeinschaft ist die schwerste Deprivationssituation Als deren Folge ist das Kind in der geistigen und korperlichen Entwicklung stark zuruckgeblieben die Sprache nicht entwickelt und nutzliche soziale Gewohnheiten sind nicht ausgebildet Geschwindigkeit und Ausmass der Erholungsfahigkeit hangen vom Schweregrad der Deprivation ab Auch wenn es zur Besserung der intellektuellen Entwicklung kommt bleiben gewohnlich schwere Storungen der Personlichkeit zuruck Trennung und ihre Folgeerscheinungen Bearbeiten Als Trennung oder Separation wird eine Situation bezeichnet bei der es zu einer Unterbrechung schon existierender spezifischer Beziehungen zwischen dem Kind und seiner sozialen Umgebung kommt Kurzere und langere Trennungen sind eine normale haufig vorkommende Lebenssituation und deren Auswirkungen konnen je nach den individuellen Entwicklungs und Personlichkeitsbedingungen sehr verschieden sein Heimkinder Bearbeiten Untersuchungen die die Entwicklung von Heimkindern mit Familienkindern vergleichen zeigen bei den Heimkindern fast immer eine gewisse intellektuelle und emotionale Entwicklungsverzogerung Retardierung bezuglich Sprachentwicklung und sozialem Verhalten sowie Angstlichkeit und Aggressivitat Das Heimmilieu wirkt sich auf Kinder bis drei oder funf Jahren besonders nachteilig aus Beobachtungen innerhalb bestimmter Zeitabstande zeigten dass Sauglinge die in Familien aufwuchsen 75 ihrer Wachzeit Kontakt mit anderen Menschen hatten und nur 25 dieser Zeit passiv den Handlungen ihrer Beziehungspersonen folgten Bei Heimkindern war es je nach Betreuungsschlussel fast umgekehrt 8 Bessere Entwicklungsbedingungen konnen aber durch wirkungsvolle Massnahmen standige positive personliche Beziehung zwischen Erzieher und Kind sensorische Anregung heilpadagogische Einstellung kleine Kindergruppen Anpassung an die Familienerziehung usw erreicht werden Die Entwicklungsunterschiede der einzelnen Heimkinder hangen vor allem davon ab wie sie aufgrund ihrer individuellen psychischen Grundausstattung mit dem Heimmilieu interagieren Partielle Gemeinschaftserziehung Bearbeiten Die Gefahr einer Deprivation hangt in erster Linie von folgenden drei Faktoren ab Erstens in welchem Ausmass die Einrichtungen der Gemeinschaftserziehung die Erziehung der Familie erganzen oder ersetzen In Wocheneinrichtungen Wochenkrippen Wochenkindergarten Internate aus denen die Kinder nur am Wochenende nach Hause kommen wird die Erziehung der Familie fast vollig ersetzt Zweitens vom Alter der Kinder Sauglinge Kleinkinder Kindergartner Schulen mit Horte und drittens von der Betreuungsform Betreuungsschlussel Kleingruppen Tagespflege Anregungswert usw und der Personlichkeit der Erzieher Bindungsverhalten Erfahrung und Bildung Ausgeglichenheit und Stabilitat Bei einer teilweisen Gemeinschaftserziehung Tageseinrichtungen wie Kinderkrippe Kindergarten Schulhort Ganztagsschule usw spielen die Familie und die Einstellung zum Kind eine wichtige Rolle und haben einen grossen Einfluss auf die fruchtbare erzieherische Zusammenarbeit und einen wirksamen Entwicklungsstimulus Als komplizierende Faktoren die elterlicherseits etwa als Reaktion auf die Trennung vom Kind in Erscheinung treten wurden zum Beispiel ubertriebene Angst Schuldgefuhle eine Kompensation der Trennung durch vorbehaltlose Nachgiebigkeit sowie ein Drang nach stetiger Sicherung der Liebe des Kindes festgestellt Die teilweise Gemeinschaftserziehung Tageskrippe kann dort einen positiven Einfluss ausuben wo die Erziehung in der Familie vernachlassigt wird oder emotional unausgeglichen ist Als wichtigster Gesichtspunkt beim Vergleich verschiedener Betreuungsformen ist das Alter des betreuten Kindes zu berucksichtigen Vom Sauglingsalter bis im Alter von drei Jahren ist das Kind stark von der Person des erwachsenen Erziehers abhangig Fur Matejcek haben Krippen fur Kleinkinder im Wesentlichen eine Behelfsfunktion wobei vor allem zwei Probleme bei Krippenkindern festgestellt wurden Anpassungsschwierigkeiten und eine zwei bis dreimal hohere Krankheitsanfalligkeit verglichen mit Familienkindern Wahrend das Gefahrdungspotential fur psychische Deprivation bei einer Dauerbetreuung von Kindern unter drei Jahren in Heimen als gefahrlich angesehen werden muss ist ihre Situation in Tageskrippen hochstens belastend Bei Tageskrippenkindern bleibt die Gefuhlsbindung zu Mutter und Vater und zum Daheim bestehen doch unterliegt sie einer gewissen Belastung weil sie durch zusatzliche unbestandige Beziehungen erganzt wird Unter optimalen Verhaltnissen konnten keine wesentlichen Unterschiede bei der somatischen und seelischen Entwicklung von Tageskrippenkindern und Familienkindern festgestellt werden Familie Bearbeiten Der Familie kommt auch in der heutigen Gesellschaft eine zentrale Bedeutung fur die psychische Entwicklung zu Die partiellen Gemeinschaftseinrichtungen Kinderkrippen usw konnen die Erziehung in der Familie wohl erganzen aber nicht ersetzen Wahrend am Lebensanfang in der Regel die Mutter die erste Bezugsperson ist spielt mit zunehmendem Alter des Kindes jedes Familienmitglied Vater Geschwister eine Rolle um die lebenswichtigen Bedurfnisse physische emotionale intellektuelle und moralische zu erfullen Spater werden auch das soziale Umfeld der Familie und ihre Einbettung in der Gemeinschaft fur die Entwicklung der kindlichen Personlichkeit wichtig Ist die Familie nicht in die Gemeinschaft integriert Emigrantenfamilien Prominentenfamilien usw kann sich das nachteilig auswirken Die Gesamtatmosphare der Familie mit ihrem engen Zusammenleben aller Mitglieder bestimmt die Personlichkeit des Kindes nachhaltig Wenn eine der wichtigsten Beziehungspersonen fehlt und sich nicht ersetzen lasst ist das Kind in besonderer Weise durch Deprivation bedroht wobei der Zeitpunkt des Ausfalles und dessen Ursache uneheliches Kind Scheidung Tod Militardienst Krieg unterschiedlich zur Deprivation beitragen Die grosste Gefahr fur die Entwicklung eines Kleinkindes bildet die fehlende Mutter wenn sie nicht adaquat ersetzt werden kann Die bisherige Entwicklungstheorie des Sauglings und Kleinkinds hat sich allerdings mit der Rolle des Vaters kaum befasst und lasst in dieser Hinsicht keine gesicherten Aussagen zu 9 10 Der Mangel an einer formal vollstandigen Familie kann von den verbliebenen Familienmitgliedern durch liebevolle Zuwendung kompensiert werden Deshalb konnen auch Kinder aus vater oder mutterlosen Familien gesund heranwachsen Es gibt jedoch auch grob verwahrlosende oder gewalttatige Familienverhaltnisse bei denen die Kinder bei einer Einweisung in ein Kinderheim aufbluhen Ob die Berufstatigkeit der Eltern oder auch des alleinerziehenden Elternteils sich ungunstig auf die Entwicklung auswirkt hangt unter anderem davon ab ob der Beruf Befriedigung gibt und ob genugend Zeit bleibt um fur die Entwicklung ihres Kindes sorgen zu konnen und eine gute Ersatzpflege vorhanden ist Ein mangelnder emotionaler Austausch zwischen Eltern und Kind kann auch Ursache fur eine Depression Neurose oder Psychose sein Kinder die sich durch die Atmosphare von Gefuhlskalte in einem Zustand vollstandiger emotionaler Isolierung befinden haben vielfach einen einseitigen emotionalen Entwicklungsruckstand weil sie nur intellektuell gefordert werden Noch schwerer wirken ausgesprochene Gefuhlsablehnung Feindseligkeit oder Grausamkeit wodurch die Kinder emotional und sozial isoliert sind und schwer traumatisiert werden Im Individuum angelegte Bedingungen der Deprivation Bearbeiten Unter psychischer Deprivation ist die individuelle Verarbeitung mangelnder gefuhlsmassiger Anregung dem das Kind in einer Deprivationssituation ausgesetzt ist zu verstehen Das Bindungsstreben geht aktiv vom Saugling aus da seine Bedurfnisbefriedigung in den ersten Lebensmonaten auf der Ebene emotionaler Wahrnehmung geschieht In der Dyade von Mutter und Kind entsteht dann durch das kontinuierliche emotionale Interesse der Mutter am Kind ein gefuhlsmassiger Austausch der zur Grundlage fur diese und weitere Beziehungen wird Die gleichen Deprivationsbedingungen konnen sich je nach Alter und Entwicklungsstand auf Kinder unterschiedlich auswirken In den ersten sechs Monaten reagieren Sauglinge bei einem Mangel an verschiedenartigen sinnlichen und emotionellen Anregungen und Reizen mit undifferenzierten globalen psychosomatischen Reaktionen In dieser Entwicklungsphase braucht das Kind eine elementare unspezifische soziale Stimulation Ungefahr nach dem siebten Lebensmonat sind es anaklitische oder analoge Reaktionen die bei einem Mangel plotzlich und mit voller Kraft auftreten Zu diesem Zeitpunkt ist das Kind in der Lage das Gesicht der Mutter oder die Hauptbezugsperson von anderen fremden Personen zu unterscheiden und hat nun das Bedurfnis eine spezifische Beziehung die ihm ein Sicherheitsgefuhl gibt zu ihr aufzubauen Bei Kindern die eine solche Beziehung nicht entwickeln konnten ist die Fahigkeit Beziehungen zu Menschen aufzunehmen schwer und oft dauerhaft geschadigt Die Empfindlichkeit auf diese Art von Deprivation dauert etwa bis zum dritten Lebensjahr Auch relativ kurze Trennungen von der Mutter bzw der Bezugsperson konnen in dieser Zeit Storungen hervorrufen Nach dem dritten Lebensjahr findet eine Ausweitung der Beziehungen auf die ganze Familie einschliesslich Geschwistern und Grosseltern statt und sie gibt dem Kind nun die emotionalen Reize fur sein Sicherheitsgefuhl Bei ungenugender Stimulation kann nun anstelle der mutterlichen Deprivation die Familiendeprivation auftreten Mit etwa sechs Jahren ist das gut entwickelte Kind so selbststandig schulreif dass es neue Beziehungen ausserhalb der Familie Nachbarskinder Lehrer Schulklasse aufbauen und eine zeitweilige Trennung von der Familie aushalten kann Diagnose von Deprivationsschaden BearbeitenDie Diagnose einer Deprivationsstorung erfordert aufgrund ihrer Komplexitat die interdisziplinare Zusammenarbeit von Eltern Kinder und Jugendlichen Psychotherapeut Padiater Kinder und Jugendpsychiater Psychologe Sozialarbeiter Padagoge eventuell Neurologe usw Dabei mussen der Zustand des Kindes physische und psychische Entwicklung Defizite und Starken die Familiensituation Personlichkeit der Eltern Trennungserlebnisse und die sozialen okonomischen und kulturellen Gegebenheiten und Erziehungsmoglichkeiten abgeklart und bewertet werden Im klassischen Bild der psychischen Deprivation eines kleinen Kindes findet man unter anderem meist einen markanten Ruckstand in der Sprachentwicklung da die Sprache sich ausschliesslich uber die Beziehung entwickelt Neben ausgepragt auftretendem Stammeln ist die Verspatung in Bezug auf die Grammatik und der arme Wortschatz auffallend Personliche Furworter und Satzverbindungen lernen sie sehr spat uber das 3 Lebensjahr hinaus zu benutzen Die fruhe Unerfahrenheit im Vergleichen von wirklichen Gegenstanden mit ihrer Abbildung ergibt eine Verzogerung beim Begreifen des symbolischen Charakters eines graphischen Zeichens worin eine der Wurzeln ihres Misserfolges im Lesen und Schreiben in den ersten Klassen gesehen wird 1 Die rechtzeitige Diagnose erhoht die Chancen fur die Wirksamkeit von Heil und erzieherischen Massnahmen Padiater und Erzieher sollten deshalb die Symptome von Deprivationsfolgen kennen Therapeutische Massnahmen BearbeitenZu den therapeutischen Massnahmen zahlen die Reaktivierung angemessene Zufuhr von Reizen das Neu Lernen Reididaxis Heillernen die Reedukation Psychotherapie und die Resozialisation Soziotherapie Familientherapie Die gewohnlich ungenugende Befriedigung der emotionalen Bedurfnisse des Kindes kann durch die Korrektur der bisherigen emotionalen Erfahrungen behoben werden Dazu muss eine enge Gefuhlsbindung zwischen Therapeut und Kind aufgebaut werden die dann fur das Kind zur Brucke fur schrittweise neue reichere und realistischere Beziehungen werden kann Die Personlichkeit des Therapeuten ist normalerweise fur den therapeutischen Erfolg entscheidender als die Art der therapeutischen Methode Die ersten Studien in den 1940er Jahren waren in Bezug auf den Erfolg von therapeutischen Massnahmen noch sehr pessimistisch Obwohl diese heute optimistischer beurteilt werden bleibt die Therapie und Heilung solcher Kinder oft sehr langwierig Deshalb kommt der wirksameren und okonomischeren Prophylaxe eine besondere Bedeutung zu Es ist wahrscheinlich dass wenn mit therapeutischen Massnahmen vor dem achten bis zehnten Lebensjahr begonnen wird eine mehr oder weniger vollstandige Ruckbildung der Deprivation erwartet werden kann Es gibt jedoch noch die ganze Schulzeit hindurch und auch spater Ansatzpunkte Erfolg im Sport Berufsubergang Ehe Elternrolle Ubernahme von Verantwortung fur Mitmenschen usw an denen eine Beeinflussung der Deprivation ansetzen kann 1 Eine Unterbringung in einer guten Pflegefamilie eventuell mit Unterstutzung von Fachleuten kann in vielen Fallen sehr hilfreich sein Praventivmassnahmen BearbeitenBei der Pravention muss grundsatzlich beachtet werden dass die Reize aus der Umwelt der Entwicklungsstufe des Kindes entsprechen sollten weil eine zu fruhe oder verspatete Stimulation unwirksam oder schadlich sein konnen Die grundlegenden Voraussetzungen Sinngebung Verhaltensregeln Stabilitat der Umgebung fur das intellektuelle und soziale Lernen mussen gesichert sein Fur eine gesunde Entwicklung sind dauerhafte positive Beziehungen zwischen dem Kind und den primaren Erziehern notwendig Dem Kind muss die Eingliederung in die Gemeinschaft ermoglicht werden Eine besondere Bedeutung kommt der Aufklarung der Eltern uber Fragen des Zusammenlebens der Ehepartner der Entwicklungspsychologie und Padagogik des Kindes der inneren Einstellung zur fruhzeitigen Erziehung der Kinder der gesellschaftlichen Werte usw zu Lange bevor das Kind geboren wird bilden sich die Eltern ihre Einstellung zu ihm aufgrund ihrer eigenen Kindheitserfahrungen und ihren Beziehungen zu den eigenen Eltern Nach Matejcek dient die Aufklarung der Eltern die der Deprivation der Kinder einer Generation vorbeugt zugleich der Pravention von Deprivation kunftiger menschlicher Generationen Praventivmassnahmen erfordern flankierende Massnahmen durch die Sozialpolitik des Staates die Aufklarung der Offentlichkeit und von jungen Eltern Paar und Familienberatung ein Gesundheitsdienst als Auffangnetz fur durch Deprivation bedrohte Kinder Hilfen fur unvollstandige und zerruttete Familien Unterstutzung zur Vereinbarung von Familie und Beruf Hilfen fur Pflegefamilien usw Literatur BearbeitenJohn Bowlby Maternal Care and mental health World Health Organization Geneva 1952 John Bowlby Mary D Salter Ainsworth et al Deprivation of Maternal Care World Health Organization Geneva 1962 Rene A Spitz Vom Saugling zum Kleinkind Naturgeschichte der Mutter Kind Beziehungen im ersten Lebensjahr Klett Cotta Verlag Stuttgart 1996 ISBN 3 608 91823 X englische Erstausgabe The First Year of Life 1965 Josef Langmeier Zdenek Matejcek Psychische Deprivation im Kindesalter Kinder ohne Liebe Verlag Urban amp Schwarzenberg Munchen Wien Baltimore 1977 ISBN 3 541 07901 0 John Bowlby Mary D Salter Ainsworth Mutterliebe und kindliche Entwicklung E Reinhardt Munchen Basel 1995Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Josef Langmeier Zdenek Matejcek Psychische Deprivation im Kindesalter Kinder ohne Liebe Verlag Urban amp Schwarzenberg Munchen Wien Baltimore 1977 ISBN 3 541 07901 0 a b c Wi Po Waisenkinderversuche In Lexikon der Psychologie 2000 Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg Victoria A Fromkin Stephen D Krashen Susan Curtiss David Rigler Marilyn Rigler The Development of Language in Genie a Case of Language Acquisition Beyond the Critical Period PDF 3 3 MB In Brain and Language 1974 1 1 S 81 107 hier S 82 Fn 3 a b c Robin N Campbell Robert Grieve Royal Investigations of the Origin of Language In Historiographia Linguistica 12 1981 9 1 2 S 43 74 doi 10 1075 hl 9 1 2 04cam Abul Fazal The Akbar NAmA of Abu l Fazl translated from the Persian transl H Beveridge 1902 1939 Reprinted 1993 3 vols in 2 Delhi Low Price Publications zitiert von M Miles Sign Gesture amp Deafness in South Asian amp South West Asian Histories A Bibliography with Annotation and Excerpts from India also from Afghanistan Bangladesh Burma Myanmar Iraq Nepal Pakistan Persia Iran amp Sri Lanka c1200 1750 Archiviert am 22 Februar 2008 im Internet Archiv Meinhard von Pfaundler 1924 Uber Anstaltsschaden an Kindern Monatsschrift fur Kinderheilkunde 29 661 ff Die Mutterfigur ist lebenswichtig fur das Kind englisch J Koch Ein Versuch der Analyse des Einflusses von Heimbedingungen auf die neuropsychologische Entwicklung 4 12 Monate alter Kinder In Cslka Pediat 1961 Cathleen Erin McGreal The father s role in the socialization of his infant In Infant Mental Health Journal Volume 2 Issue 4 S 216 225 Winter 1981 Abstract Die Mutter Kind Beziehung und die Vater Kind Beziehung werden zum Beispiel durch Grossmann und Grossmann 2005 als gleichwertig betrachtet und zugleich die sichere Bindung an die Mutter und die feinfuhlige Herausforderung durch den Vater als optimale Bedingungen fur die Entwicklung des Kindes angesehen Siehe K Grossmann K E Grossmann Bindungen das Gefuge psychischer Sicherheit Klein Cotta Stuttgart 2005 Zitiert nach Klaus Hurrelmann Matthias Grundmann Sabine Walper Hrsg Handbuch Sozialisationsforschung 7 Auflage Beltz 2008 ISBN 978 3 407 83160 6 S 132 138Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Psychische Deprivation amp oldid 236638300