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Tatsachliche Anhaltspunkte ist ein Begriff des deutschen Verfassungsschutzrechts Er ist zentral bei der Frage ob Bestrebungen z B gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder Tatigkeiten z B geheimdienstliche im Sinne des 3 Bundesverfassungsschutzgesetz BVerfSchG vorliegen die das Bundesamt fur Verfassungsschutz zur Sammlung und Speicherung von Informationen ermachtigen und verpflichten Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Pruf und Verdachtsfall 3 Beobachtungsobjekte und Verbote 4 Verwandte Begriffe 5 Literatur 6 EinzelnachweiseDefinition BearbeitenEine Legaldefinition des Begriffs existiert nicht Als unbestimmter Rechtsbegriff unterliegt er in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle 1 Nach hochstrichterlicher Rechtsprechung und Kommentar Literatur verlangt das Tatbestandsmerkmal tatsachliche Anhaltspunkte im Verfassungsschutzrecht mehr als blosse Vermutungen Spekulationen Mutmassungen oder Hypothesen die sich nicht auf beobachtbare Fakten stutzen konnen Andererseits ist eine Gewissheit nicht erforderlich Es mussen vielmehr konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstande als Tatsachen basis fur den Verdacht vorliegen die bei vernunftiger Betrachtung und unter Berucksichtigung nachrichtendienstlicher Erfahrungen auf das Vorliegen tatsachlicher Anhaltspunkte hindeuten Zur Annahme eines Verdachts kann ferner die Gesamtschau aller vorhandenen tatsachlichen Anhaltspunkte fuhren auch wenn jeder fur sich genommen einen solchen Verdacht noch nicht zu begrunden vermag 1 2 3 Der Bundesgesetzgeber hat die Voraussetzung der tatsachlichen Anhaltspunkte im BVerfSchG bereits auf Ebene der Aufgabenzuweisung verankert wohingegen solche Einschrankungen gesetzessystematisch regelmassig erst im Bereich der Befugnisse zu finden sind 4 Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum BVerfSchG war die Formulierung nicht enthalten BT Drs 11 4306 Daher kann keine amtliche Begrundung als Auslegungshilfe herangezogen werden Nach der Rechtsprechung zum BVerfSchG aus dem Jahr 1990 ist der Begriff sehr weit auszulegen Einige Landesverfassungsschutzgesetze erhalten die Formulierung tatsachliche Anhaltspunkte fur den Verdacht wobei sich daraus keine inhaltliche Abweichung vom BVerfSchG ergibt 4 Zweck der Anknupfung an tatsachliche Anhaltspunkte ist dass kein Tatigwerden der Verfassungsschutzbehorden bei blossen Mutmassungen Hypothesen Prognosen und Annahmen erfolgt 5 Vielmehr bedarf es objektiver Anhaltspunkte die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit verfassungsfeindlicher Umtriebe u A im Einzelfall in sich schliessen 6 Tatsachliche Anhaltspunkte liegen bereits dann vor wenn ein die Schutzguter objektiv beeintrachtigendes Verhalten festgestellt werden kann Die Bearbeitung durch den Verfassungsschutz soll dann feststellen ob fur eine Bestrebung der subjektive Tatbestand vorliegt Unerheblich ist ob die fraglichen Verhaltensweisen rechtmassig oder illegal sind Pruf und Verdachtsfall BearbeitenDas Vorliegen tatsachlicher Anhaltspunkte begrundet die Erforderlichkeit zur weiteren Prufung des Sachverhalts nicht schon eine Feststellung dass eine Bestrebung extremistisch sei Die anschliessende Prufungsphase wird Pruffallbearbeitung genannt die Bestrebung gilt als Pruffall Der Verfassungsschutz ist gehalten sich zunachst ausschliesslich durch offen und jedermann zugangliche Quellen ein Bild von einer Bestrebung zu machen 7 Hat der Verdacht sich in einer gewissen Weise erhartet ohne schon eine abschliessende Kategorisierung einer Bestrebung als extremistisch treffen zu konnen fuhrt der Verfassungsschutz die Verdachtsfallbearbeitung durch die Bestrebung gilt als Verdachtsfall In der Verdachtsfallbearbeitung ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel sowie die Speicherung personenbezogener Daten erlaubt 8 Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ist im Wesentlichen eine Frage der Verhaltnismassigkeit 7 Beobachtungsobjekte und Verbote BearbeitenLiegt ein Verdachtsfall vor oder gilt eine Bestrebung im Sinne von 3 Abs 1 BVerfSchG als gesichert erwiesen gilt die Bestrebung als Beobachtungsobjekt 9 Wahrend der Beobachtung konnen sich genugend tatsachliche Anhaltspunkte ergeben die ein Verbot rechtfertigen Ein vom Bundesamt fur Verfassungsschutz eingerichtetes Beobachtungsobjekt wird auch als Bundesbeobachtungsobjekt bezeichnet Mehrere Personenzusammenschlusse konnen als ein Sammelbeobachtungsobjekt zusammengefasst werden dazu gehoren die Reichsburger und Selbstverwalter sowie die Demokratiefeindliche und oder sicherheitsgefahrdende Delegitimierung des Staates vor allem Querdenker Bewegung Vereinigungen deren Zwecke oder deren Tatigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmassige Ordnung oder gegen den Gedanken der Volkerverstandigung richten sind verboten Art 9 Abs 2 GG 3 Abs 1 Satz 1 VereinsG Bei Vereinen und Teilvereinen deren Organisation oder Tatigkeit sich uber das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt ist fur die Feststellung des Verbotes das Bundesministerium des Innern und fur Heimat zustandig 3 Abs 2 Nr 2 VereinsG 10 Parteien die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhanger darauf ausgehen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeintrachtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefahrden sind verfassungswidrig Art 21 Abs 2 GG Die Verfassungswidrigkeit stellt das Bundesverfassungsgericht fest Art 21 Abs 4 GG 13 Nr 2 BVerfGG Mit der Feststellung sind die Auflosung der Partei und das Verbot eine Ersatzorganisation zu schaffen zu verbinden 46 Abs 2 BVerfGG Verwandte Begriffe BearbeitenAhnliche Begriffe im deutschen Strafrecht sind der Tatverdacht und der Anfangsverdacht Literatur BearbeitenBernadette Droste Handbuch des Verfassungsschutzrechts 1 Auflage Boorberg Stuttgart u a 2007 ISBN 978 3 415 03773 1 Kapitel Tatsachliche Anhaltspunkte S 175 181 Einzelnachweise Bearbeiten a b Urteil 5 A 130 05 In http www justiz nrw de OVG NRW 12 Februar 2008 abgerufen am 26 September 2019 Rn 286 Wolf Rudiger Schenke Kurt Graulich Josef Ruthig Sicherheitsrecht des Bundes BPolG BKAG ATDG BVerfSchG BNDG VereinsG 2 Auflage C H Beck Munchen 2019 ISBN 978 3 406 71602 7 8a BVerfSchG Rn 7 Urteil 6 C 22 09 In https www bverwg de BVerwG 21 Juli 2010 abgerufen am 26 September 2019 Rn 30 a b Bernadette Droste Handbuch des Verfassungsschutzrechts 1 Auflage Boorberg Stuttgart u a 2007 ISBN 978 3 415 03773 1 Kapitel Tatsachliche Anhaltspunkte S 176 Bernadette Droste Handbuch des Verfassungsschutzrechts 1 Auflage Boorberg Stuttgart u a 2007 ISBN 978 3 415 03773 1 Kapitel Tatsachliche Anhaltspunkte S 177 Hermann Borgs Maciejewski Frank Ebert Das Recht der Geheimdienste Boorberg Stuttgart u a 1986 ISBN 3 415 01258 1 B 2 Rn 8 a b Bernadette Droste Handbuch des Verfassungsschutzrechts 1 Auflage Boorberg Stuttgart u a 2007 ISBN 978 3 415 03773 1 Kapitel Tatsachliche Anhaltspunkte S 178 Bundesamt fur Verfassungsschutz BfV gibt das Prufergebnis zu der Partei Alternative fur Deutschland AfD bekannt Nicht mehr online verfugbar In https www verfassungsschutz de 15 Januar 2019 archiviert vom Original am 1 Februar 2019 abgerufen am 26 September 2019 Bundesamt fur Verfassungsschutz stuft AfD Teilorganisation Der Flugel als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein Pressemitteilung Nicht mehr online verfugbar In BfV 12 Marz 2020 archiviert vom Original am 18 Marz 2020 abgerufen am 18 Marz 2020 Vereinsverbote Nicht mehr online verfugbar In BMI Archiviert vom Original am 27 Marz 2018 abgerufen am 18 Marz 2020 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tatsachliche Anhaltspunkte amp oldid 237242128 Pruffall