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Pouvoir constitue ist ein aus dem Franzosischen entlehnter staatsrechtlicher und politikwissenschaftlicher Fachbegriff und bedeutet konstituierte oder verfasste Gewalt womit die an eine Verfassung gebundene Staatsgewalt gemeint ist Pouvoir constitue meint Staatsgewalt im gewaltenteilenden Verfassungsstaat Die verfasste Staatsgewalt unterliegt den entsprechenden Vorgaben durch den pouvoir constituant Verfassungsanderungen im Rahmen der bestehenden Ordnung sind damit Sache des pouvoir constitue in den genannten Grenzen Inhaltsverzeichnis 1 Legitimierung der verfassten Staatsgewalt durch die verfassunggebende Gewalt 2 Die pouvoirs constitues im gewaltenteilenden Verfassungsstaat 3 Die konstituierte Staatsgewalt als Verfassungsanderer 4 Literatur 5 FussnotenLegitimierung der verfassten Staatsgewalt durch die verfassunggebende Gewalt BearbeitenDie Begriffe pouvoir constitue und pouvoir constituant wurden von dem Staatsmann Abbe Sieyes durch sein 1789 zu Beginn der Franzosischen Revolution erschienenes politisches Pamphlet Qu est ce que le tiers etat Was ist der Dritte Stand in die verfassungstheoretische Diskussion eingebracht Im Zeitalter der Aufklarung setzte sich die staatsphilosophische Doktrin der Volkssouveranitat populus est rex das Volk ist Konig immer mehr durch wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe diese Formel fand als Artikel 20 Absatz 2 Eingang ins Grundgesetz Nach diesem demokratischen Legitimitatsprinzip besitzt das Volk als Souveran die verfassunggebende Gewalt den pouvoir constituant das Volk gibt und tragt die Verfassung frz constitution Die Verfassung konstituiert die Staatsgewalt den pouvoir constitue Das Volk als pouvoir constituant gibt sich eine Verfassung Dadurch erst entsteht der pouvoir constitue die verfasste Staatsgewalt Diese existiert ausserhalb der Verfassung nicht und ist an sie unbedingt gebunden Eine Befugnis zur Verfassungsanderung hat sie nur soweit sie dazu vom Volk eine besondere Ermachtigung erhalten hat 1 Die pouvoirs constitues im gewaltenteilenden Verfassungsstaat BearbeitenMit der konstituierten Gewalt sind die Organe und Instanzen gemeint die durch den pouvoir constituant im Wege der Verfassunggebung geschaffen worden sind In freiheitlich demokratischen Verfassungsstaaten ist die konstituierte Staatsgewalt zum Zwecke der Machtbegrenzung nach dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gewaltenteilung organisiert und auf getrennte Staatsorgane verteilt namlich auf Legislative Exekutive und Judikative Deshalb spricht man auch pluralisch von den verfassten Gewalten eben von pouvoirs constitues au pluriel im Plural Alle verfassten Gewalten sind durch die Verfassungsgebende Gewalt konstituiert legitimiert und folglich auch beschrankt welche ihnen ihre Kompetenzen und Funktionen geben und wieder nehmen kann Der pouvoir constituant kann deshalb seinerseits nicht durch den pouvoir constitue ermachtigt geschweige denn beschrankt werden ist er doch dessen Geltungsgrund als sein Schopfer und Herr 2 Die konstituierte Staatsgewalt als Verfassungsanderer BearbeitenKonstituierte Staatsgewalten haben ihren Ursprung in der Verfassung und sind an sie die hochste Norm das Gesetz der Gesetze gebunden Im Akt der originaren Verfassungsgebung kann das Volk jedoch gleichzeitig das Recht zur Anderung der Verfassung auf Organe der konstituierten Staatsgewalt ubertragen indem es diese Moglichkeit der Revision in der Verfassung selbst vorsieht und verankert Durch diese Bevollmachtigung entsteht eine abgeleitete konstituierte verfassunggebende Gewalt ein pouvoir constituant constitue namlich die verfassungsandernde Gewalt In den meisten Verfassungsstaaten erlaubt die Verfassung ihre Anderung nur unter erheblich erschwerten Bedingungen Solche Teilrevisionen welche im Rahmen der Normen einer bestehenden Verfassungsordnung durchgefuhrt werden sei es durch das Parlament oder sei es durch Volksentscheide sind insofern Elemente der konstituierten Staatsgewalt des pouvoir constitue denn Die verfassungsandernde Gewalt ist konstituierte Gewalt weil sie auf der Verfassung beruht und durch die Verfassung gebunden wird sie ist aber bis zu einem gewissen Grad auch konstituierende Gewalt weil sie die Verfassung die Konstitution andert und damit zur Grundlage und zum Massstab der Gesetzgebung wird Der doppelte Bezug konstituiert und konstituierend kommt in der auf G Burdeau zuruckgehenden Bezeichnung pouvoir constituant constitue oder pouvoir constituant institue im Unterschied zum pouvoir constituant originaire zum Ausdruck 3 Im Gegensatz zur Diskontinuitat einer revolutionaren Verfassungsneugebung Totalrevision z B uber eine Verfassunggebende Versammlung in der sich der originare pouvoir constituant des Volkes gleichsam vulkanisch eruptiv in einem historisch bedeutsamen Augenblick manifestiert vollziehen sich Verfassungsanderungen durch den Gesetzgeber des pouvoir constitue im Rahmen der Verfassungskontinuitat und sind lediglich Partialrevisionen Die originare verfassunggebende Gewalt des Volkes bleibt davon unberuhrt und kann gegebenenfalls eine revolutionare Totalrevision der Verfassung durchfuhren Die Verfassungsgebung durch die Verfassungsgebende Gewalt lasst sich deshalb nicht mit der Verfassungsgesetzgebung durch die verfassten Gewalten identifizieren und keineswegs auf diese reduzieren darum kann sie auch nicht an die Grenzen der Verfassungsanderung gebunden werden 4 Literatur BearbeitenMartin Heckel Die Legitimation des Grundgesetzes durch das deutsche Volk In Gesammelte Schriften Band III Staat Kirche Recht Geschichte Jus Ecclesiasticum 58 Mohr Siebeck Tubingen 1997 ISBN 978 3 16 146740 0 S 3 72 Martin Kriele Einfuhrung in die Staatslehre Die geschichtlichen Legitimitatsgrundlagen des demokratischen Verfassungsstaates 6 erweiterte Aufl Stuttgart 2003 ISBN 3 17 018163 7 Hartmut Maurer Verfassungsanderung im Parteienstaat In Festschrift fur Martin Heckel zum siebzigsten Geburtstag hrsg von Karl H Kastner Knut W Norr u Klaus Schlaich Mohr Siebeck Tubingen 1999 ISBN 978 3 16 147158 2 S 821 838 Hauke Moller Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die Schranken der Verfassungsrevision Eine Untersuchung zu Art 79 Abs 3 GG und zur verfassungsgebenden Gewalt nach dem Grundgesetz dissertation de 1 Auflage 2004 ISBN 3 898 25848 3 S 31 Volltext als PDF 831 kB Alois Riklin Emmanuel Joseph Sieyes und die Franzosische Revolution Wallstein Gottingen 2001 ISBN 978 3892447399 Gerhard Robbers Emmanuel Joseph Sieyes Die Idee einer Verfassungsgerichtsbarkeit in der Franzosischen Revolution In Festschrift fur Wolfgang Zeidler hrsg von Walther Furst Roman Herzog und Dieter C Umbach Band 1 de Gruyter 1987 ISBN 3110110571 S 247 264 Fussnoten Bearbeiten Hauke Moller Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes und die Schranken der Verfassungsrevision Eine Untersuchung zu Art 79 Abs 3 GG und zur verfassungsgebenden Gewalt nach dem Grundgesetz Berlin 2004 Onlineveroffentlichung S 31 Martin Heckel Die Legitimation des Grundgesetzes durch das deutsche Volk In Gesammelte Schriften Band III Staat Kirche Recht Geschichte Jus Ecclesiasticum 58 Mohr Siebeck 1997 S 29 Rn 50 Hartmut Maurer Verfassungsanderung im Parteienstaat In Festschrift fur Martin Heckel zum siebzigsten Geburtstag hrsg von Karl H Kastner Knut W Norr und Klaus Schlaich Mohr Siebeck Tubingen 1999 S 832 ohne Hervorhebungen im Original Martin Heckel Die Legitimation des Grundgesetzes durch das deutsche Volk In Gesammelte Schriften Staat Kirche Recht Geschichte Bd III Jus Ecclesiasticum 58 Mohr Siebeck 1997 S 29 30 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pouvoir constitue amp oldid 227790132