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Die Polanen lateinisch Polani Poleni Paliani polnisch Polanie waren nach traditioneller Forschungsmeinung ein in Grosspolen seit dem 8 Jahrhundert ansassiger westslawischer Stamm an dessen Spitze die Piasten ab den 960er Jahren dem ersten historisch belegbaren Herrschaftsverband im heutigen Polen vorgestanden hatten Auf den Namen dieses Stammes wird die Bezeichnung der Polen als Volk zuruckgefuhrt Traditionelle Vorstellung der Siedlungsgebiete slawischer Stamme um das Jahr 1000 Die neuere Forschung geht inzwischen zunehmend davon aus dass es keinen Stamm der Polanen gegeben hat Vielmehr sei die sachsische Fremdbezeichnung als Polanen das Ergebnis der um das Jahr 1000 vollendeten piastischen Herrschaftsgrundung gewesen und nicht der ursprungliche Name eines Personenverbandes von dem diese Entwicklung zum Ende des 9 Jahrhunderts ihren Ausgang nahm Die Polanen sind zu unterscheiden vom ostslawischen Stamm der Poljanen am Dnepr um Kiew Inhaltsverzeichnis 1 Name 2 Geschichte 3 Literatur 4 AnmerkungenName BearbeitenDie Bedeutung des Namens Polani wird meist hergeleitet vom slawischen polje Feld Boden also die auf dem Feld leben oder ahnlich Moglich ist aber auch eine Zusammensetzung mit slawisch po am bei wie bei Pomoranen po more am Meer Polaben po Labem an der Elbe Polasien po lasie am Wald Der zweite Bestandteil la n le n ware dann allerdings unklar Nach anderer stark umstrittener Auffassung leitet sich das Wort von polac oder polewac fur be giessen ab und bezeichnete dann die Getauften 1 Geschichte BearbeitenDie Historiographie des Ostfrankenreiches verwendet etwa ab dem Jahr 1000 die Bezeichnungen Polenia Polonia fur das piastische Herrschaftsgebiet sowie polani poleni fur die dort lebenden Menschen Altere sachsische oder slawische Schriftquellen die Polanen nennen wurden existieren nicht 2 Bei den in der Volkertafel des Bayerischen Geographen aufgefuhrten Goplanen handelt es sich entgegen alteren Vermutungen polnischer Historiker nicht um die Polanen insbesondere liegt auch keine Verschreibung vor 3 Der erste verburgte Herrscher der spater so benannten Piasten Mieszko I 25 Mai 992 in den sachsischen Quellen wahlweise als rex Konig dux Herzog Furst Heerfuhrer comes Graf oder marchio Markgraf betitelt herrschte nach den unklaren Vorstellungen der sachsischen Annalisten und Chronisten wahlweise uber Ljachen Wandalen Slawen oder einfach Barbaren als Untertanen Sein Herrschaftsgebiet wird abwechselnd als Licicaviki civiatas Schinesghe Gnezdun civitas oder Herrschaft des Nordens bezeichnet Ein Stamm der Polanen wird nicht erwahnt 4 Das anderte sich mit den Nachrichten uber seinen Sohn und Nachfolger Boleslaw Chrobry Boleslaw wird in der um 1000 entstandenen Vita sancti Adalberti episcopi Pragensis des Johannes Canaparius nach neuerer Auffassung stammt sie von Notker von Luttich als dux Palaniorum bezeichnet Denselben Titel tragt Boleslaw in einem Eintrag der Hildesheimer Annalen fur das Jahr 1015 Auch Thietmar von Merseburg fuhrt den Stammesnamen in Boleslaws Titel den er in seiner zwischen 1012 und 1018 verfassten Chronik zum Jahr 1003 einen rector Polenorum nennt Daruber hinaus verwendet er zum Jahr 1002 die Gebietsbezeichnung Polenia um die Herkunft eines Wolodei a Polenia Wolodej aus Polenia zu beschreiben der 1002 in Bohmen an die Macht gebracht wurde Zuvor war die Gebietsbezeichnung Polonia bereits um das Jahr 1001 in einem Hymnus aus dem Kloster Reichenau erschienen 5 Die erste slawische Quelle ware ein auf die Zeit zwischen 1003 und 1005 datierter Denar von Boleslaw Chrobry Dieser tragt die Aufschrift PRINCE P S POLONIE 6 Dann folgt erst die zwischen 1113 und 1118 in Kiew entstandene Nestorchronik mit einer legendenhaften aber zeitgemassen Entstehungsgeschichte der Polanen aus den Ljachen Lendizen Slawen kamen auch und liessen sich an der Weichsel nieder und nannten sich Ljachen und von diesen Ljachen nannten sich die einen Poljanen andere Ljachen Lusitzer andere Masowier andere Pomoranen Fur die Herkunft des Stammesnamens gibt es in der Forschung zwei unterschiedliche Erklarungen Beide sehen einen unmittelbaren Zusammenhang mit der aufsehenerregenden Reise des ostfrankischen Kaisers Otto III nach Gnesen im Jahr 1000 Wahrend die traditionelle Auffassung meint hierdurch sei die bis dahin unbekannte slawische Selbstbezeichnung der Bewohner Grosspolens als Polanen im Westen bekannt geworden geht die neuere Forschung davon aus die sachsischen Chronisten hatten den Namen Polanen erfunden um Land und Leute eindeutig bestimmen zu konnen 7 Literatur BearbeitenEduard Muhle Die Piasten Polen im Mittelalter Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 61137 7 Przemyslaw Urbanczyk Before the Poles problems of ethnic identification in Polish archaeology of the Early Middle Ages in Walter Pohl Matthias Mehofer Hrsg Archaeology of Identity Archaologie der Identitat Osterreichische Akademie der Wissenschaften Wien 2010 S 203 209 Anmerkungen Bearbeiten Ubersicht zum Meinungsstreit bei Andrzej Pleszczynski The Birth of a Stereotype Polish Rulers and Their Country in German Writings C 1000 A D Brill Leiden 2011 ISBN 978 90 04 18554 8 S 139 145 Eduard Muhle Die Piasten Polen im Mittelalter C H Beck Wissen 2709 Verlag C H Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 61137 7 S 14 f Jerzy Strzelczyk Die Bedeutung der Grundung des Erzbistums Gnesen und die Schaffung einer kirchlichen Organisation fur die Ausformung einer kirchlichen Kulturlandschaft in Siedlungsforschung Archaologie Geschichte Geographie Bd 20 Bonn 2002 S 41 63 hier S 46 Christian Lubke Das ostliche Europa Munchen 2004 ISBN 3 88680 760 6 S 32 Eduard Muhle Die Piasten Polen im Mittelalter C H Beck Wissen 2709 Verlag C H Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 61137 7 S 14 Uber Adalbert von Prag heisst es darin Polania ergo tanti sepeliens floret martyryii pignora siehe H Kowalewicz Sequentiae Cantica medii aevi polono latina Band 1 Warszawa 1964 S 13 znaleziska org Eduard Muhle Die Piasten Polen im Mittelalter Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 61137 7 S 14 Johannes Fried Gnesen Aachen Rom Otto III und der Kult des hl Adalbert Beobachtungen zum alteren Adalbertsleben In Michael Borgolte Polen und Deutschland vor 1000 Jahren Die Berliner Tagung uber den Akt von Gnesen Europa im Mittelalter 5 Akademie Verlag Berlin 2002 ISBN 3 05 003749 0 S 235 279 ebenso Sebastian Brather Volker Stamme und gentes Archaologische Interpretationen und ethnische Identitaten In Heinrich Beck Dieter Geuenich Heiko Steuer Hrsg Altertumskunde Altertumswissenschaft Kulturwissenschaft Ertrage und Perspektiven nach 40 Jahren Reallexikon der Germanischen Altertumskunde DeGruyter Berlin Boston 2012 ISBN 978 3 11 027360 1 S 401 428 hier S 414 Sebastian Brather Archaologie der westlichen Slawen Siedlung Wirtschaft und Gesellschaft im fruh und hochmittelalterlichen Ostmitteleuropa de Gruyter Berlin New York 2008 Reallexikon der germanischen Altertumskunde Bd 61 ISBN 978 3 11 020609 8 S 75 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Polanen amp oldid 237469207