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Der Ornstein Uhlenbeck Prozess oft abgekurzt OU Prozess oder noch kurzer O U ist ein spezieller stochastischer Prozess welcher nach den beiden niederlandischen Physikern George Uhlenbeck 1900 1988 und Leonard Ornstein 1880 1941 benannt ist Er ist neben der geometrischen Brownschen Bewegung einer der einfachsten und gleichzeitig wichtigsten uber eine stochastische Differentialgleichung definierten Prozesse Im Vasicek Modell zur Zinssatzmodellierung werden Ornstein Uhlenbeck Prozesse verwendet Funf Pfade von unterschiedlichen Ornstein Uhlenbeck Prozessen mit s 1 8 1 m 0 Inhaltsverzeichnis 1 Definition und Parameter 2 Losung der Differentialgleichung 3 Eigenschaften 4 Stochastischer Anfangswert und stationarer Ornstein Uhlenbeck Prozess 4 1 Erwartungswert und Kovarianzfunktion 4 2 Stationaritat 4 3 Stabilitat 5 Levy Prozesse 6 Literatur 7 EinzelnachweiseDefinition und Parameter BearbeitenSeien a m R displaystyle a mu in mathbb R nbsp und 8 s gt 0 displaystyle theta sigma gt 0 nbsp Konstanten Ein stochastischer Prozess X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp heisst Ornstein Uhlenbeck Prozess mit Anfangswert a displaystyle a nbsp Gleichgewichtsniveau m displaystyle mu nbsp Steifigkeit 8 displaystyle theta nbsp und Diffusion s displaystyle sigma nbsp wenn er das folgende stochastische Anfangswertproblem lost d X t 8 m X t d t s d W t X 0 a displaystyle mathrm d X t theta cdot mu X t mathrm d t sigma mathrm d W t X 0 a nbsp wobei W t displaystyle W t nbsp ein Standard Wienerprozess ist Die Parameter lassen sich einfach interpretieren und somit bei der Modellierung einer stochastischen Zeitreihe einfach als Stellschrauben verwenden m displaystyle mu nbsp ist das gleichgewichtige Niveau des Prozesses englisch mean reversion level Liegt X t displaystyle X t nbsp uber diesem Wert so ist der Driftterm 8 m X t displaystyle theta mu X t nbsp negativ und die Drift wird den Prozess tendenziell nach unten ziehen Ist X displaystyle X nbsp kleiner so ist die Drift positiv und der Prozess wird in Erwartung nach oben gezogen 8 displaystyle theta nbsp englisch mean reversion speed oder mean reversion rate gibt an wie stark die oben beschriebene Anziehungskraft von m displaystyle mu nbsp ist Fur kleine Werte von 8 displaystyle theta nbsp verschwindet dieser Effekt fur grosse Werte wird sich X displaystyle X nbsp sehr steif um m displaystyle mu nbsp entwickeln s displaystyle sigma nbsp gibt an wie stark der Einfluss von W t displaystyle W t nbsp also des Zufalls auf den Prozess ist Fur s 0 displaystyle sigma 0 nbsp wird X displaystyle X nbsp einfach exponentiell gegen m displaystyle mu nbsp konvergieren bei starker Diffusion wird diese Konvergenz zufallig gestort Der Unterschied zum ebenfalls mit dem mean reversion Mechanismus ausgestatteten Wurzel Diffusionsprozess oder der geometrischen Brownschen Bewegung besteht im Wesentlichen darin dass beim OU Prozess der Diffusionsterm s d W t displaystyle sigma mathrm d W t nbsp konstant also unabhangig von X displaystyle X nbsp ist Dies fuhrt dazu dass der OU Prozess im Gegensatz zu den anderen beiden auch negative Werte annehmen kann Losung der Differentialgleichung BearbeitenIm Gegensatz zum Wurzel Diffusionsprozess ist die obige Differentialgleichung explizit losbar wenn auch nicht wie bei der geometrischen brownschen Bewegung integralfrei darstellbar Mit der Losung c e 8 t displaystyle ce theta t nbsp der zugehorigen homogenen Gleichung d U t 8 U t d t displaystyle mathrm d U t theta U t mathrm d t nbsp fuhrt Variation der Konstanten auf den Ansatz X t Y t e 8 t displaystyle X t Y t e theta t nbsp also Y t X t e 8 t displaystyle Y t X t e theta t nbsp Wendet man auf die Funktion h R R R X t t X t e 8 t displaystyle h colon mathbb R times mathbb R to mathbb R X t t mapsto X t e theta t nbsp einerseits die Itō Formel andererseits die gewohnliche Kettenregel der Differentialrechnung an so erhalt man d Y t 8 X t e 8 t d t e 8 t d X t e 8 t 8 m d t s e 8 t d W t displaystyle mathrm d Y t theta X t e theta t mathrm d t e theta t mathrm d X t e theta t theta mu mathrm d t sigma e theta t mathrm d W t nbsp Die obige Identitat von 0 bis t displaystyle t nbsp aufintegriert wobei X 0 a displaystyle X 0 a nbsp ergibt die Losung X t a e 8 t m 1 e 8 t s 0 t e 8 t s d W s displaystyle X t ae theta t mu 1 e theta t sigma int 0 t e theta t s mathrm d W s nbsp Eigenschaften Bearbeiten nbsp Vergleich von Wiener Prozessen oben und Ornstein Uhlenbeck Prozessen unten mit gleicher Diffusion s 1 Ein Ornstein Uhlenbeck Prozess ist ein Gauss Prozess Dies erkennt man an der obigen Losung Der Integrand ist deterministisch also ist der Wert des Ito Integrals stets normalverteilt Wie fur jeden Gauss Prozess ist die Verteilung des Ornstein Uhlenbeck Prozesses durch seine Erwartungswert und Kovarianzfunktion eindeutig bestimmt Diese ergeben sich alsE X t a e 8 t m 1 e 8 t t 0 displaystyle mathrm E X t ae theta t mu 1 e theta t quad t geq 0 nbsp dd undCov X s X t s 2 2 8 e 8 s t e 8 s t s t 0 displaystyle operatorname Cov X s X t frac sigma 2 2 theta e theta s t e theta s t quad s t geq 0 nbsp dd Die univariaten Verteilungen der X t displaystyle X t nbsp fur t gt 0 displaystyle t gt 0 nbsp sind Normalverteilungen X t N a e 8 t m 1 e 8 t s 2 2 8 1 e 2 8 t displaystyle X t sim mathcal N left ae theta t mu 1 e theta t frac sigma 2 2 theta 1 e 2 theta t right nbsp dd Ein Ornstein Uhlenbeck Prozess mit nichtstochastischem Anfangswert a displaystyle a nbsp besitzt eine konstante Erwartungswertfunktion im Fall a m displaystyle a mu nbsp Ein Ornstein Uhlenbeck Prozess mit nichtstochastischem Anfangswert a displaystyle a nbsp ist nicht stationar wie man an der Kovarianzfunktion erkennt die nicht nur von der Zeitdiffererenz s t displaystyle s t nbsp abhangt Mit stochastischem Anfangswert existiert ein stationarer Ornstein Uhlenbeck Prozess siehe weiter unten Ein Ornstein Uhlenbeck Prozess ist ein gaussscher Markow Prozess Ein Ornstein Uhlenbeck Prozess ist wie auch der Wurzel Diffusionsprozess ein affiner Prozess Ein Ornstein Uhlenbeck Prozess entspricht einem Tiefpass gefilterten weissen Rauschen mit einem linearen IIR Tiefpassfilter 1 Ordnung mit Grenzfrequenz f c 8 2 p displaystyle f c frac theta 2 pi nbsp 1 Sein Spektrum ist daher fur niedrige Frequenzen flach wie beim weissen Rauschen und fur hohe Frequenzen proportional zu 1 f wie beim roten Rauschen Im Gegensatz zum rein weissen und roten Rauschen ist das Spektrum des Ornstein Uhlenbeck Prozess damit quadratintegrierbar und der Prozess besser als ideales weisses oder rotes Rauschen auf physikalische Situationen anwendbar die grundsatzlich amplituden bandbreiten und leistungslimitiert sind Ein Ornstein Uhlenbeck Prozess entspricht auch einem Hochpass gefilterten Wiener Prozess mit einem linearen IIR Hochpassfilter 1 Ordnung mit Grenzfrequenz f c 8 2 p displaystyle f c frac theta 2 pi nbsp siehe Abbildung Dies geht direkt aus der Definition hervor die zu einem bestehenden Wiener Prozess den linearen Filterterm 8 m X t d t displaystyle theta cdot mu X t mathrm d t nbsp addiert der tiefe Frequenzkomponenten dampft Im Gegensatz zum skaleninvarianten Wiener Prozess besitzt der Ornstein Uhlenbeck Prozess damit eine Zeitskala und ist in dieser Hinsicht komplizierter Fur Zeitskalen deutlich kleiner als 1 8 kann der Ornstein Uhlenbeck Prozess jedoch durch den Wiener Prozess approximiert werden Es gilt im Sinne der Verteilungskonvergenz 2 l n X n t t 0 D W t t 0 displaystyle left frac lambda sqrt n X nt right t geq 0 xrightarrow mathcal D W t t geq 0 nbsp Stochastischer Anfangswert und stationarer Ornstein Uhlenbeck Prozess BearbeitenEin Ornstein Uhlenbeck Prozess mit stochastischen Anfangswert X 0 N m 0 s 0 2 displaystyle X 0 sim mathcal N mu 0 sigma 0 2 nbsp ist X t X 0 e 8 t m 1 e 8 t s 0 t e 8 t s d W s t 0 displaystyle X t X 0 e theta t mu 1 e theta t sigma int 0 t e theta t s mathrm d W s quad t geq 0 nbsp Erwartungswert und Kovarianzfunktion Bearbeiten Ein Ornstein Uhlenbeck Prozess mit stochastischen Anfangswert X 0 N m 0 s 0 2 displaystyle X 0 sim mathcal N mu 0 sigma 0 2 nbsp hat die auf den Anfangswert X 0 displaystyle X 0 nbsp bedingte Erwartungswertfunktion E X t X 0 X 0 e 8 t m 1 e 8 t t 0 displaystyle mathrm E X t X 0 X 0 e theta t mu 1 e theta t quad t geq 0 nbsp und die auf den Anfangswert bedingte Kovarianzfunktion Cov X s X t X 0 s 2 2 8 e 8 s t e 8 s t s t 0 displaystyle operatorname Cov X s X t X 0 frac sigma 2 2 theta e theta s t e theta s t quad s t geq 0 nbsp Hieraus ergeben sich mit E X t E E X t X 0 displaystyle mathrm E X t mathrm E mathrm E X t X 0 nbsp die unbedingte Erwartungswertfunktion E X t m 0 e 8 t m 1 e 8 t t 0 displaystyle mathrm E X t mu 0 e theta t mu 1 e theta t quad t geq 0 nbsp und mit C o v X s X t E C o v X s X t X 0 C o v E X s X 0 E X t X 0 displaystyle mathrm Cov X s X t mathrm E mathrm Cov X s X t X 0 mathrm Cov mathrm E X s X 0 mathrm E X t X 0 nbsp die unbedingte Kovarianzfunktion Cov X s X t s 2 2 8 e 8 s t e 8 s t s 0 2 e 8 s t s t 0 displaystyle operatorname Cov X s X t frac sigma 2 2 theta e theta s t e theta s t sigma 0 2 e theta s t quad s t geq 0 nbsp Die weiter oben angegebenen Erwartungswert und Kovarianzfunktionen fur einen Ornstein Uhlenbeck Prozess mit nichtstochastischem Anfangswert a displaystyle a nbsp erhalt man als Spezialfall fur m 0 a displaystyle mu 0 a nbsp und s 0 2 0 displaystyle sigma 0 2 0 nbsp Stationaritat Bearbeiten Da ein Ornstein Uhlenbeck Prozess ein Gauss Prozess ist fallen die Konzepte der Stationaritat im engeren Sinn und der Stationaritat im weiteren Sinn zusammen Fur den speziellen stochastischen Startwert X 0 N m 0 s 0 2 displaystyle X 0 sim mathcal N mu 0 sigma 0 2 nbsp mit m 0 m und s 0 2 s 2 2 8 displaystyle mu 0 mu quad text und quad sigma 0 2 frac sigma 2 2 theta nbsp erhalt man einen stationaren Ornstein Uhlenbeck Prozess X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp mit der Erwartungswertfunktion m t E X t m t 0 displaystyle mu t mathrm E X t mu quad t geq 0 nbsp und der Kovarianzfunktion g s t C o v X s X t s 2 2 8 e 8 s t s t 0 displaystyle gamma s t mathrm Cov X s X t frac sigma 2 2 theta e theta s t quad s t geq 0 nbsp Alle Zufallsvariablen X t displaystyle X t nbsp des stationaren Ornstein Uhlenbeck Prozess X t t 0 displaystyle X t t geq 0 nbsp haben dieselbe univariate Wahrscheinlichkeitsverteilung X t N m s 2 2 8 t 0 displaystyle X t sim mathcal N left mu frac sigma 2 2 theta right quad t geq 0 nbsp Stabilitat Bearbeiten Der stationare Ornstein Uhlenbeck Prozess kann durch folgende Stabilitatseigenschaft erganzt werden Fur jeden Ornstein Uhlenbeck Prozess mit nichtstochastischem Startwert a displaystyle a nbsp gilt lim t E X t m t lim t a e 8 t m 1 e 8 t m 0 displaystyle lim t to infty mathrm E X t mu t lim t to infty left ae theta t mu 1 e theta t mu right 0 nbsp und lim min s t C o v X s X t g s t lim min s t s 2 2 8 e 8 s t e 8 s t s 2 2 8 e 8 s t 0 displaystyle lim min s t to infty mathrm Cov X s X t gamma s t lim min s t to infty left frac sigma 2 2 theta e theta s t e theta s t frac sigma 2 2 theta e theta s t right 0 nbsp Da die Verteilungen von Gauss Prozessen durch ihre Erwartungswert und Kovarianzfunktion festliegen bedeutet dies dass sich alle Ornstein Uhlenbeck Prozesse die mit nichtstochastischem Anfangswert starten fur fortschreitende Zeit dem stationaren Ornstein Uhlenbeck Prozess mit der Erwartungswertfunktion m displaystyle mu nbsp und der Kovarianzfunktion g displaystyle gamma nbsp annahern Levy Prozesse Bearbeiten nbsp Pfad eines Cauchy OU ProzessesWird die definierende Differentialgleichung von einem anderen Levy Prozess als der brownschen Bewegung angetrieben so erhalt man auch einen nicht gaussschen Ornstein Uhlenbeck Prozess Literatur BearbeitenG E Uhlenbeck L S Ornstein On the Theory of the Brownian Motion In Physical Review 36 Jahrgang Nr 5 1 September 1930 ISSN 0031 899X S 823 841 doi 10 1103 PhysRev 36 823 englisch Daniel T Gillespie Exact numerical simulation of the Ornstein Uhlenbeck process and its integral In Physical Review E 54 Jahrgang Nr 2 1 August 1996 ISSN 1063 651X S 2084 2091 doi 10 1103 PhysRevE 54 2084 PMID 9965289 englisch Einzelnachweise Bearbeiten Enrico Bibbona Gianna Panfilo Patrizia Tavella The Ornstein Uhlenbeck process as a model of a low pass filtered white noise In Metrologia 45 Jahrgang Nr 6 5 Dezember 2008 ISSN 0026 1394 S S117 S126 doi 10 1088 0026 1394 45 6 S17 englisch L C G Rogers and D Williams Diffusions Markov Processes and Martingales Vol 1 Cambridge University Press Cambridge 2000 S 54 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ornstein Uhlenbeck Prozess amp oldid 237810424