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Nivellierte Mittelstandsgesellschaft ist ein soziologisches Konzept zur Charakterisierung der Sozialstruktur der Bundesrepublik Deutschland das 1953 von dem Soziologen Helmut Schelsky vorgestellt wurde Inhaltsverzeichnis 1 These 2 Herleitung 3 Rezeption 4 Siehe auch 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseThese BearbeitenSchelsky publizierte zum ersten Mal seine These von der Nivellierten Mittelstandsgesellschaft 1953 im Rahmen seiner Studie Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart 1 Der Begriff diente zur Kennzeichnung der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland in den Nachkriegsjahren der er konzedierte es gabe fast keine Bevolkerungsgruppe fast keine Familie mehr deren Schicksal nicht in einem sozialen Aufstiegs oder Abstiegsvorgang bestande Beide Richtungen der sozialen Mobilitat wirken aber in der Herausbildung des gleichen sozialen Verhaltens und eines gleichen sozialen Status zusammen einer sozial standortlabilen nivellierten klein burgerlich mittelstandisch sich verhaltenden Gesellschaftsschicht 2 Mit Verweis auf den Soziologen Peter Drucker und dessen Werk The Concept of Corporation New York 1946 beschreibt er diese nivellierte Mittelstandsgesellschaft als eine Gesellschaft die in ihrem Selbstbewusstsein auf eine Mittellage hin nivelliert sei die von der Uberwindung der Spannung zwischen Ober und Unterschicht lebe 3 Der Nivellierung des realen wirtschaftlichen und politischen Status folge dabei weitgehend eine Vereinheitlichung der sozialen und kulturellen Verhaltensformen und fuhre zu einem Lebenszuschnitt den man gemessen an der alten Schichtenstufung in der unteren Mitte lokalisieren und daher als kleinburgerlich mittelstandisch bezeichnen konne Als Ursache fur den Nivellierungsprozess sieht er den universalen Konsum der industriellen und publizistischen Massenproduktion die bei jedem das Gefuhl entwickeln konne nicht mehr ganz unten zu sein sondern an der Fulle und dem Luxus des Daseins schon teilhaben zu konnen 4 Seine Position eines Schichtenmodells war als Antithese 5 gegen altere und laufende Vorstellungen einer Klassengesellschaft gerichtet Vornehmlich beruhten Schelskys Beispiele auf den spezifischen soziookonomischen Gegebenheiten der deutschen Nachkriegszeit die ab Mitte der 1950er Jahre in das sogenannte Wirtschaftswunder mundeten Politische Maxime des die Soziale Marktwirtschaft pragenden Wirtschaftsministers und spateren Bundeskanzlers Ludwig Erhard CDU war Wohlstand fur Alle Herleitung BearbeitenDie Entwicklung hin zu einer Nivellierten Mittelstandsgesellschaft hat sich so Schelsky in Deutschland bereits seit der Zeit des Nationalsozialismus abgezeichnet Sie ist aber generell in den industriell burokratischen Gesellschaften der westlichen Welt und wahrscheinlich auch in den sozialistischen Gesellschaften des Ostblocks festzustellen Schelsky stutzte sich bei dieser Argumentation z T auf die damals viel rezipierten Nivellierungsannahmen des US amerikanischen politischen Theoretikers James Burnham die dieser bereits 1941 in seinem Werk Das Regime der Manager dargelegt hatte Rezeption BearbeitenDie Ergebnisse des Wirtschaftswunders wirkten sich auf die Einstellungen grosser Teile der Bevolkerung aus so dass Schelskys Begriff in der Soziologie in den Massenmedien und in der sonstigen Offentlichkeit vielfach diskutiert und haufig ubernommen wurde Schelsky war damals wohl der bekannteste lebende deutsche Soziologe ahnlich wie Ulrich Beck in den 1990er Jahren was allerdings nicht nur mit seinem Blick fur aufkommende Themen sondern auch mit seinem Organisationstalent und seiner Podiumsprasenz erklarbar ist Seiner Aussage widersprachen u a Vertreter einer Klassentheorie insbesondere marxistische Wissenschaftler Zum Beispiel kritisierte der Sozialphilosoph Leo Kofler Schelskys Theorie stark Der liberale Soziologe Ralph Dahrendorf lehnte bereits 1957 in seinem Werk Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft Schelskys Auffassung ab und betonte die empirisch feststellbaren sozialen Ungleichgewichte Die Vorstellung einer nivellierten vereinheitlichten Gesellschaft hielt er fur eine Variante des nationalsozialistischen Konzeptes der Volksgemeinschaft das ebenfalls von einer quasi harmonischen Einheit der Gesellschaft ausging und deren soziale Spaltung in Klassen oder Subgruppen leugnete Auch Rene Konig wandte sich entschieden gegen den Begriff Als die bundesrepublikanischen Medien Mitte der 1960er Jahre uber Schelskys nationalsozialistische Vergangenheit berichteten wurden seine Aussagen damit in Verbindung gebracht Die Einwande hatten jedoch auch wegen des Kalten Krieges bis zur 68er Studentenbewegung relativ wenig Resonanz in der Offentlichkeit Sobald in den 1970er Jahren der normale wirtschaftliche Krisenzyklus auch in der Bundesrepublik Deutschland fur grossere soziale Unterschiede sorgte verlor die zeitbezogene Wendung von der Nivellierten Mittelstandsgesellschaft an Uberzeugungskraft und Bedeutung Im Laufe der Globalisierung und auf Grund der Verteilungskonflikte einer schwach wachsenden Wirtschaft verschwand er ab den 1970er Jahren fast vollends aus der Offentlichkeit Zur Charakterisierung der Sozialstruktur in Deutschland entstand nun z B der Begriff Zwei Drittel Gesellschaft Siehe auch BearbeitenFahrstuhleffektWeblinks BearbeitenHans Braun 1989 Helmut Schelskys Konzept der nivellierten Mittelstandsgesellschaft und die Bundesrepublik der 50er Jahre in Archiv fur Sozialgeschichte 29 S 199 223 Illusionen und Hoffnungen made in Germany Interview mit Hans Ulrich Wehler in Welt online 10 August 2008 Das Wunderland Der westdeutsche Traum von Gerechtigkeit Die nivellierte Mittelstandsgesellschaft wurde nie Realitat Ralf Hanselle In Das Parlament Nr 38 14 September 2009 Die ewige Mitte Gustav Seibt in der Sueddeutschen Zeitung vom 20 Mai 2008 kostenpflichtig Einzelnachweise Bearbeiten Helmut Schelsky Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart Darstellung und Deutung einer empirisch soziologischen Tatbestandsaufnahme 2 Auflage Ferdinand Enke Stuttgart 1954 Helmut Schelsky Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart 2 Auflage S 222 Helmut Schelsky Wandlungen der deutschen Familie S 224 Helmut Schelsky Wandlungen der deutschen Familie 2 Auflage S 224 Helmut Schelsky Die Bedeutung des Klassenbegriffes fur die Analyse unserer Gesellschaft Hrsg Helmut Schelsky Auf der Suche nach der Wirklichkeit Diederichs Dusseldorf Koln 1963 S 354 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nivellierte Mittelstandsgesellschaft amp oldid 237058664