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Maria Stuart verfasst von Stefan Zweig ist die bekannteste Biografie der schottischen Konigin Maria Stuart aus der Feder eines deutschsprachigen Autors Erstausgabe bei ReichnerZweig portratiert die vor ihm oft gegensatzlich dargestellte Maria Stuart ebenso anschaulich wie Elisabeth I ihre grosse Gegenspielerin auf dem englischen Thron 1935 erstmals bei Reichner veroffentlicht uberzeugt die romanhafte Biografie bis heute Leser wie Kritiker durch ungebrochene Suggestivitat 1 faktische Genauigkeit psychologischen Scharfsinn pointierte Urteile und sprachliche Brillanz Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Entstehung 3 Pramissen 4 Form 4 1 Genre 4 2 Stil 4 3 Shakespeare 4 4 Wertungen 5 Maria und Elisabeth 6 Rezeption 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenMaria Stuart ist gerade einmal sechs Tage alt als sie Konigin von Schottland wird Sogleich beginnt man auch um sie zu werben wobei das protestantische England unter Heinrich VIII letztlich gegenuber dem starksten Mitkonkurrenten dem katholischen Frankreich unter Heinrich II das Nachsehen hat Als Funfjahrige bringt man Maria an den franzosischen Hof wo ihr eine vorzugliche Bildung und Erziehung zuteilwird und sie Seite an Seite mit ihrem kunftigen Gemahl Franz II aufwachst Er ist 15 und sie 16 als sie den Thron Frankreichs besteigen Ein gutes Jahr spater ist Maria Witwe Von ihrer Schwiegermutter Katharina de Medici verdrangt kehrt sie 1561 in ihre Heimat zuruck Schottland ist religios gespalten obwohl selbst glaubige Katholikin bis in den Tod weist Maria die aufstrebenden Protestanten allen voran ihren Halbbruder Lord Moray einen klug taktierenden Machtpolitiker nicht in die Schranken Weniger nachgiebig zeigt sich Maria hingegen in einer anderen Frage die noch weit mehr Konfliktpotenzial birgt Sie erhebt Anspruch auf den englischen Thron Elisabeth I die diesen seit 1558 innehat entstammt der zweiten Ehe Heinrichs VIII deren Legitimitat nicht unumstritten ist ein Makel der ihrer Grosscousine Maria nicht anhaftet Zwar wird Elisabeth im Vertrag von Edinburgh 1560 als Konigin von England anerkannt doch Maria weigert sich diesen zu ratifizieren Zudem fuhrt sie in ihrem koniglichen Wappen neben der schottischen und franzosischen auch die englische Krone Ihr Wunsch Elisabeth moge sie personlich als ihre rechtmassige Nachfolgerin anerkennen erfullt sich nicht Ihre grosse Rivalin die zeitlebens unvermahlt und kinderlos bleibt ist erst bereit einzulenken als es gilt einen der Brautwerber Marias zu verhindern den sie als weitere Bedrohung empfindet Lord Darnley einen Enkel ihrer Tante und somit wie Maria auch Anwarter auf ihren Thron Elisabeths Zugestandnis kommt zu spat Am 29 Juli 1565 wird die Ehe zwischen Maria und Darnley geschlossen Wiewohl beiderseits auf Liebe gegrundet stellt sich bald schon Ernuchterung ein Im gleichen Mass wie Darnleys Arroganz zunimmt verfliegt Marias Leidenschaft fur ihn Die Gunst die sie nun ihrem italienischstammigen Privatsekretar David Rizzio bezeigt weckt Darnleys Eifersucht zusatzlich genahrt durch Geruchte das Kind das Maria tragt sei nicht von ihm Auch den einheimischen Lords ist der fremde Emporkommling ein Dorn im Auge Beide Parteien schliessen sich zu einem Mordkomplott zusammen das sie mit voller Absicht im Gemach der Konigin in ihrer Gegenwart vollziehen Das brutale Verbrechen verandert Maria von nun an beginnt auch sie zu taktieren und zu tauschen Als Ersten hintergeht sie ihren Gatten sie gewinnt ihn zuruck aber nur in der Absicht den Rucken frei zu haben um mit Unterstutzung tatkraftiger Manner die sie ebenfalls auf ihre Seite zieht die Zugel der Macht wieder fester in Handen zu halten Der verwegenste ihrer Mitstreiter der unabhangigste und ihr treuester zugleich ist Bothwell Zu ihm entbrennt Maria in heisser Liebe Wann und wie genau ihr gegenseitiges Vertrauen in Leidenschaft umschlagt bleibt ungewiss Ehebruch begehen beide Der Eroberer Bothwell versteht ihre Beziehung als Episode Maria als die Passion ihres Lebens Halten und an sie binden kann ihn nur eins die Krone Frei ist diese nicht Allerdings will man sich von dem der sie tragt dringend befreien daruber sind sich die schottischen Lords mit Maria einig noch bevor sie von ihrem Verhaltnis mit Bothwell wissen sie versichern ihr das Richtige zu tun das Wie solle sie ihnen uberlassen In der Nacht des 10 Februar 1567 kommt es zu einer gewaltigen Explosion in Kirk o Field wo Darnley sich aufhalt man findet ihn tot im Garten Bothwell erwirkt vor Gericht seinen Freispruch und gilt gleichwohl als Hauptschuldiger Dunkle Schatten fallen auch auf Maria mehrere Indizien sprechen fur ihre Mitwisser wenn nicht gar Mittaterschaft ihre Rolle als Lockvogel fur das Opfer ihr beredtes Schweigen nach dessen Tod die ebenso hastige wie heimliche Heirat mit Bothwell und die Agonie in die sie danach verfallt Die Lords wenden sich nun gegen sie unter Druck trennt sie sich von Bothwell dankt zugunsten ihres einjahrigen Sohnes ab und wird in Loch Leven Castle festgesetzt Nach einem Jahr entkommt sie spektakular schart Getreue um sich unterliegt in einer Entscheidungsschlacht und flieht auf politisches Asyl hoffend weiter nach England Elisabeths erster Impuls ist Maria ihrer koniglichen Wurde gemass zu empfangen Unter dem Einfluss ihrer Ratgeber ruckt sie davon ab und macht zur Bedingung zuvor musse Maria von jeglichem Verdacht der Beihilfe zu Darnleys Ermordung befreit sein Zunachst halt Maria dem entgegen nur jemand ihres Ranges sprich Elisabeth selbst als Richter anzuerkennen lenkt aber schliesslich ein und stellt sich der vom englischen Kronrat anberaumten Konferenz auf der als Hauptbelastungsmaterial gegen sie auch ihre Kassettenbriefe an Bothwell vorgebracht werden Das Verfahren endet uneindeutig Maria wird weder schuldig noch freigesprochen Dieses Nicht vor noch zuruck wird nun zum Dauerzustand fur sie uber mehr als 15 Jahre Zwar gewahrt man ihr ein wurdiges Leben halt sie aber gefangen zwar lasst man sie konspirieren weiss aber uber alles Bescheid Erst Mitte der 1580er Jahre spitzt sich die Lage zuungunsten Marias zu Ihr Sohn Jakob verweigert sich ihrem Versuch einer Aussohnung und sichert sich stattdessen hinter ihrem Rucken die Thronfolge Elisabeths ein Schmahbrief Marias an Elisabeth lasst eine Verstandigung beider in weite Ferne rucken die Gegenreformation bedroht akut das Leben der englischen Konigin Unter Federfuhrung ihres Staatssekretars Walsingham wird eine Intrige eingefadelt die darauf abzielt Maria dazu zu bringen einen Anschlag auf Elisabeth schriftlich gutzuheissen Das gelingt Der Prozess gegen Maria endet mit dem Todesurteil Elisabeth zogert ein halbes Jahr bevor sie es unterzeichnet Am 8 Februar 1587 wird Maria enthauptet Hauptpersonen nbsp Maria Stuart nbsp Elisabeth I nbsp Lord Darnley nbsp Bothwell nbsp Marias Sohn JakobEntstehung BearbeitenNach Abschluss seiner Arbeiten uber Marie Antoinette und Erasmus von Rotterdam hatte Zweig nach eigenem Bekunden genug von Biographien und wollte eigentlich einen lange geplanten Roman schreiben Ein Besuch im Londoner British Museum brachte ihn von seinem Vorhaben ab Angeregt durch den dort ausgestellten handschriftlichen Bericht uber die Hinrichtung Maria Stuarts kaufte er sich ein Buch uber sie Es verklarte sie als Heilige Das zweite das er sich besorgte behauptete ungefahr genau das Gegenteil Darauf erkundigte sich Zweig nach einem wirklich verlasslichen Buch uber sie doch keiner konnte ihm eins nennen Das weckte seine Neugier vollends Wochenlange Recherchen in Bibliotheken folgten sodass er ohne es recht zu wissen selbst uber Maria Stuart zu schreiben begann erneut in Form einer Biografie Als er Anfang 1934 nach Osterreich heimfuhr stand sein Entschluss fest ins liebgewordene London zuruckzukehren um sie dort in Stille zu vollenden Im Jahr darauf wurde sie dann bei Reichner Wien erstveroffentlicht 2 Pramissen BearbeitenZu seiner Neugier bekennt sich Zweig gleich mit dem allerersten Satz Das Klare und Offenbare erklart sich selbst das Geheimnis aber wirkt schopferisch Damit zielt er direkt auf das was Maria Stuart fur viele Leser wie Autoren so anziehend macht wofur sie als das geradezu klassische Kronbeispiel gilt ihr unausschopfbarer Geheimnisreiz Noch innerhalb der kurzen Einleitung jedoch schrankt Zweig dies ein und reduziert das Mysterium Maria auf ein menschliches Mass An sich ist der Charakter der Maria Stuart gar nicht so geheimnisvoll er ist uneinheitlich nur in seinen ausseren Entwicklungen innerlich aber vom Anfang bis zum Ende einlinig und klar Zweigs Neugier ist mit dieser Erkenntnis nicht erloschen sie hat sich im Zuge der Recherchen nur verschoben Was ihn als Biograf Marias entzundet ist die Entdeckung dass er in ihr den Typus einer Frau verkorpert sieht die ihre Erlebnisfahigkeit nicht sorgsam auf ihre Lebensspanne verteilt sondern in wenigen Jahren bundelt in einer einzigen Leidenschaft auslebt Dies ist die zentrale These seiner Deutung der Person Maria Stuart Neben dem Versprechen einer gewissen Entmystifizierung und der Verheissung auf einen sehr seltenen und erregenden Frauentypus wirbt Zweig einleitend aber auch in eigener Sache Aus seiner Sicht sind diejenigen die ihm vorausgingen seien es Biografen oder Dichter fast ausnahmslos mit dem Makel behaftet dass sie in irgendeiner Weise befangen waren hauptsachlich national oder religios Davon sieht er sich selbst frei Er nimmt fur sich in Anspruch nicht weniger leidenschaftlich zu sein und doch zugleich unparteiisch er kann und will Subjektivitat nicht vollig ausschliessen und strebt dennoch Urteile an die er mit bestem Wissen und Gewissen als Objektivitat empfindet er weiss dass die ausschliessliche Wahrheit unerreichbar ist und versteht sich als Biograf gleichwohl als wirklicher Wahrheitssucher 3 Form BearbeitenGenre Bearbeiten Die ebenso grundlich recherchierte wie leicht verstandliche Biografie lasst sich keinem Subgenre eindeutig zuordnen Zwar wird ein Verzeichnis der Hauptpersonen vorangestellt ahnlich wie bei einem Drama ein vollstandiges Namens oder Schlagwortregister fehlt hingegen Vor allem aber verzichtet Zweig auf jeglichen Nachweis uber die von ihm verwendeten Quellen Obwohl er erkennbar aus vielen schopft und alle richtungsweisenden Ereignisse aus Marias Leben einfliessen lasst erhebt seine Biografie daher keinen wissenschaftlich akademischen Anspruch Ein biografischer Roman ist Maria Stuart aber auch nicht Anders als beispielsweise Schiller in seinem gleichnamigen Drama erfindet Zweig nichts was nicht uberliefert ware weder Zitate noch ganze Szenen Allerdings malt er diese aus versetzt sich gelegentlich in die Innenwelt seiner Protagonisten und gibt deren mogliche Gedanken und Gefuhle so wieder als waren es tatsachliche Zeitweise verfahrt er also ohne dies kenntlich zu machen wie ein auktorialer Erzahler Fur den Leser wird das Geschilderte dadurch naturlich lebendiger Auch der Gebrauch des historischen Prasens tragt dazu bei Stil Bearbeiten Stellvertretend fur viele andere Textpassagen hier der Schluss des achten Kapitels in dem die Planung und Ausfuhrung des Mordes an Rizzio Marias Privatsekretar geschildert wird Bis in die letzte Einzelheit ist die Verschworung gelungen Im Hofe schwimmt in einer Blutlache die zerfleischte Leiche ihres besten Dieners an der Spitze ihrer Feinde steht der Konig von Schottland denn ihm ist die Krone jetzt zugesprochen indes sie selbst nicht einmal mehr das Recht besitzt ihr eigenes Zimmer verlassen zu durfen Mit einem Ruck ist sie von der hochsten Stufe herabgesturzt ohnmachtig verlassen ohne Helfer ohne Freunde umstellt von Hass und Hohn Alles scheint fur sie verloren in dieser furchtbaren Nacht aber unter dem Hammer des Schicksals hartet sich ein heisses Herz Immer findet gerade in den Augenblicken da es ihre Freiheit ihre Ehre ihr Konigtum gilt Maria Stuart mehr Kraft in sich selbst als bei allen ihren Helfern und Dienern Stefan Zweig Maria Stuart 4 Mehreres fallt ins Auge Zum einen die Akkumulationen Alliterationen und Metaphern Beispiele fur Stilmittel die Zweig des Ofteren gebraucht Zum anderen der fur ihn nicht untypische hohe Ton Drittens die Sorgfalt die er auf die Gestaltung der Kapitelubergange verwendet indem er fur gewohnlich mit einer gedanklichen Verallgemeinerung und einer dramaturgischen Spannungssteigerung schliesst um beides dann mit dem ersten Satz des nachfolgenden Kapitels variierend zu wiederholen Im vorliegenden Fall lautet der Anfangssatz von Kapitel 9 Gefahr ist im menschlichen Sinne fur Maria Stuart immer ein Gluck 5 Shakespeare Bearbeiten Analogien aus Literatur und Mythologie dienen Zweig dazu insbesondere die Phase in Marias Leben noch tiefer auszuleuchten die er mit Tragodie einer Leidenschaft uberschreibt ihre Beziehung zu Bothwell dem vermutlichen Hauptdrahtzieher bei der Ermordung ihres zweiten Mannes Lord Darnley Erhellendes findet sich in mehreren der bekanntesten Dramen Shakespeares den Zweig als Zeitgenossen Marias und Elisabeths zu Rate zieht und als Kenner der menschlichen Psyche bewundert So vergleicht er Shakespeares Idee Romeos grosser Liebe zu Julia eine Verliebtheit in irgendeine Rosalinde vorausgehen zu lassen mit den zwei Phasen des Erwachens von Marias Liebesleidenschaft zunachst entzundet durch die Begegnung mit Darnley dann voll entfacht durch die mit Bothwell Marias Hast bei ihrer dritten Heirat wiederum erinnert ihn an Hamlets Mutter Gertrud die ebenso ubersturzt den Morder ihres Gatten ehelicht Als das Referenzdrama schlechthin gilt Zweig Macbeth weniger des Schauplatzes Schottland und des Verbrechens Konigsmord wegen als vielmehr weil die Seelenzustande der Protagonisten nach vollbrachter Tat sich frappierend ahneln zunehmende Verhartung bei Macbeth Bothwell Einsamkeit Freudlosigkeit Agonie bei Lady Macbeth Maria Die Frage ob dies als Schuldeingestandnis auch fur Maria zu werten ist lasst Zweig offen 6 Wertungen Bearbeiten Der Leser von Zweigs Biografie gewinnt von allem den geschilderten Ereignissen wie den darin verwickelten Personen ein klares Bild Das liegt zunachst einmal daran dass der Autor sich von allem was er erzahlt selbst ein klares Bild gemacht hat Dass er seine Erzahlung bestandig auch mit Wertungen versieht wird dem Leser mitunter erst bewusst wenn Zweig sich dezidiert distanziert das tut er nicht oft und nur einmal namentlich Schiller Dass er wenn andere Beurteilungskriterien versagen als letzten Massstab die Psychologie zu Rate zieht gehort zu seinen Pramissen auf die er sich eingangs festgelegt hat Nicht selten argumentiert er aber auch historisch und politisch Der kunstlichen und unwahrhaftigen Legende beispielsweise die Maria im Nachhinein zur schottischen Patriotin stilisieren will setzt er entgegen damalige Herrscher hatten noch nicht national gedacht mit einer Ausnahme Elisabeth 7 Dieser Unterschied den Zweig an anderer Stelle noch verallgemeinert Maria sei generell mehr dem Alten verhaftet und Elisabeth eher dem Neuen zugewandt gewesen 8 ist nur eins von vielen Beispielen das zeigt dass der Autor gerade in der fur seine Glaubwurdigkeit so entscheidenden Frage ob er beiden Koniginnen gleichermassen gerecht wird keinesfalls einseitig Partei ergreift fur die deren Titel seine Biografie tragt Beiden bekundet er Lob wie Kritik Hochachtung ebenso wie Unverstandnis Dennoch gibt es dazu auch andere Ansichten Anka Muhlstein beispielsweise beurteilt in ihrer Doppelbiografie uber die beiden Koniginnen Zweigs Position wie folgt Der von ihr Maria Stuart faszinierte Schriftsteller entschuldigt alle Fehler seiner Heldin und wirft einen gnadenlosen Blick auf ihre Rivalin Elisabeth I deren Schuld es ware nicht wie alle anderen Frauen zu sein Dieter Wunderlich der diese Ausserung in seiner Rezension von Zweigs Biografie zitiert widerspricht ihr entschieden Anlass zur Kritik sieht er eher in dem Frauenbild das sich in manchen Aussagen Zweigs ausdrucke 9 Maria und Elisabeth BearbeitenDas sechste Kapitel einer der analytischen Kristallisationspunkte des Buches widmet Zweig dem Vergleich zwischen den zwei Hauptpersonen seiner Biografie Maria Stuart und Elisabeth I Beide erweisen sich nicht nur im dramaturgischen Sinne als Protagonistin und Antagonistin Wahrend Zweig das ihnen Gemeinsame auf einer knappen Seite abhandelt verwendet er nicht weniger als zehn auf die Unterschiede Die wichtigsten Gemeinsamkeiten zwischen Maria und Elisabeth gewinnt er durch eine einfache Gegenuberstellung Gemessen an ihren zeitgenossischen mannlichen Pendants auf Europas Konigsthronen seien beide Frauen Personlichkeiten grossten Formats gewesen und hatten jene an Intelligenz Bildung Kunstsinn und Ehrgeiz bei weitem uberragt Davon abgesehen verkorperten sie jedoch ein geradezu idealtypisches Gegensatzpaar 10 Den in seinen Augen diametralen Verlauf ihrer Lebenslinien skizziert er so Elisabeth hat es im Anfang schwer und Maria Stuart am Ende Maria Stuarts Gluck und Macht steigen leicht hell und schnell auf wie ein Morgenstern am klaren Himmel aber ebenso steil und jah vollzieht sich ihr Sturz Ihr in einigen wenigen Katastrophen kulminierendes Leben pradestiniere sie geradezu fur die Tragodie wogegen eine episch breite Darstellung sich besser eigne um Elisabeths langsam und beharrlich sich vollziehenden Aufstieg nachzuzeichnen Der biografische Gegensatz zwischen beiden Koniginnen dass die eine mit der Krone geboren ist wie mit dem eigenen Haar wahrend die andere sich ihre Stellung erkampft erlistet erobert hat musste so Zweigs Uberzeugung zwingend ihre Charaktere bis tief hinein in jede Schwingung und Tonung unterschiedlich pragen Gleichwohl habe jede daraus eine andere Kraft entwickelt 10 Bei Maria Stuart erzeugt die Leichtigkeit und Muhelosigkeit mit der sie alles zu fruh zugeteilt bekam eine ganz ungewohnliche Leichtfertigkeit und Selbstsicherheit sie schenkt ihr jenen verwegenen Wagemut der ihre Grosse ist und ihr Verhangnis Rasch und hitzig wie einen Schwertgriff fasst sie ihre Entschlusse und so wie sie als verwegene Reiterin mit einem Riss am Zugel uber Hurden und Hindernisse hinwegsetzt meint sie auch uber alle Schwierigkeiten und Fahrnisse der Politik mit dem blossen beschwingten Mut hinubersturmen zu konnen Herrschen bedeute fur sie eine Steigerung der Daseinslust ein Kampfspiel ritterlicher Art fur Elisabeth hingegen ein Schachspiel ein Denkspiel eine stete gespannte Anstrengung Vorsichtig und angstlich als waren sie aus Glas halt Elisabeth Krone und Zepter fest eigentlich verbringt sie ihr ganzes Leben in Sorge und Unentschlossenheit Dennoch habe sich ihr ewiges Zaudern und Zogern auf lange Sicht im staatspolitischen Sinne als grosse Starke erwiesen Denn wenn Maria Stuart nur sich selbst so lebt Elisabeth ihrem Lande sie nimmt als Realistin ihr Herrschertum pflichthaft Maria Stuart dagegen die Romantikerin ihr Konigtum als vollig unverpflichtende Berufung 10 Es sei darum kein Zufall gewesen so Zweig dass Maria Stuart die Vorkampferin der alten der katholischen Religion gewesen und Elisabeth Schirmherrin der neuen der reformatorischen Maria Stuart und dies macht ihre Figur so romantisch steht und fallt fur eine vergangene fur eine uberholte Sache als ein letzter kuhner Paladin Sie beharrt starr im Ubernommenen sie kommt uber die dynastische Auffassung des Konigtums nicht hinaus Das Land ist nach ihrer Meinung an den Herrscher gebunden nicht aber der Herrscher an sein Land eigentlich ist Maria Stuart all diese Jahre nur Konigin uber Schottland gewesen und niemals eine Konigin fur Schottland Das genaue Gegenteil aus Zweigs Sicht verkorpert Elisabeth Aus ihrem Ungluck als Frau hat sie das Gluck ihres Landes gestaltet Ihren ganzen Egoismus ihre ganze Machtleidenschaft hat die Kinderlose die Mannerlose ins Nationale umgestaltet Nichts hat Elisabeth einen solchen Rang unter den Monarchen jener Epoche gegeben als dass sie nicht Herrin uber England sein wollte sondern bloss Verwalterin des englischen Volkswillens Dienerin einer nationalen Mission sie hat den Zug der Zeit verstanden der vom Autokratischen ins Konstitutionelle fuhrt 10 Als grossartig bezeichnet Zweig zusammenfassend den Gegensatz zwischen Maria und Elisabeth in Raum Zeit und seinen Gestalten um sein Lob im gleichen Satz durch einen Tadel einzuschranken Ware doch nur die Art nicht so erbarmlich kleinlich in der er durchfochten wird Schuld an diesem Mangel so meint er ohne Umschweife sei die Schwache ihres Geschlechts der Umstand dass trotz ihrem uberragenden Format beide Frauen immerhin Frauen bleiben Spekulativ fahrt er fort Standen statt Maria Stuart und Elisabeth zwei Manner zwei Konige gegenuber es kame sofort zu scharfer Auseinandersetzung zu klarem Krieg Anspruch stellte sich schroff gegen Anspruch Mut gegen Mut Der Konflikt Maria Stuarts und Elisabeths dagegen entbehrt dieser hellen mannlichen Aufrichtigkeit er ist ein Katzenkampf ein Sich Umschleichen und Belauern mit verdeckten Krallen ein hinterhaltiges und durchaus unredliches Spiel Nein die Chronik des Krieges zwischen Elisabeth und Maria Stuart ist kein Heldenlied sondern ein perfides Kapitel aus Machiavelli psychologisch zwar ungemein erregend aber moralisch abstossend weil eine zwanzigjahrige Intrige und nie ein ehrlicher klingender Kampf 10 Neben diesem Rankespiel worin sich beide Frauen eher ahneln als unterscheiden gibt es noch einen zweiten Vergleichsaspekt den Zweig vielleicht nicht weniger angreifbar als einen primar geschlechtsspezifischen behandelt Er betrifft ihre Fahigkeit oder Bereitschaft zu personlicher Liebe Bindung Hingabe Hier liegt der Gegensatz offen zutage Was die Eine entschlossen gesucht hat die Andere ewig schwankend gemieden Maria hat drei Mal geheiratet und drei Kinder zur Welt gebracht darunter eine Fehlgeburt von Zwillingen Elisabeth bleibt trotz zahlreicher Werbungen unvermahlt und kinderlos Elisabeths Ungluck als Frau ist bis heute nicht zweifelsfrei ergrundet auch Zweig fugt den Spekulationen keine eigenen hinzu und zitiert lediglich zwei zeitgenossische Quellen darunter Maria die diesen wunden Punkt in ihrem Schmahbrief nicht auslasst Elisabeth sei korperlich nicht wie alle andern Frauen Immerhin scheint Zweig gewiss dass eine korperliche oder seelische Hemmung Elisabeth in den geheimsten Zonen ihres Frauentums verstort hat Aus ihrer innern Unsicherheit erklart sich ihm auch das Unberechenbare ihrer Entschlusse und letztendlich auch dass sie einer volligen Selbsthingabe nicht fahig gewesen sei 10 Genau in diesem Punkt der volligen Selbsthingabe ist Zweig von Marias individueller Entfaltung fasziniert Dass er sie so eng an eine vermeintliche Geschlechtsspezifik bindet wirkt freilich aus heutiger Sicht etwas antiquiert wenn nicht gar unangemessen In jungen Jahren habe Maria lange Zeit weibliche Zuruckhaltung geubt sei auffallend sensitiv wie jede wahrhaft weibliche Natur gewesen bevor sie dann ihre eigentliche ihre wahre Kraft erst an einer Leidenschaft im ganzen nur einmal in ihrem Leben entdeckt habe Da aber spurt man wie ungemein stark sie Frau ist wie sehr triebhaftes und instinkthaftes Wesen wie willenlos gekettet an ihr Geschlecht Denn in diesem grossen Moment ihrer Ekstase schwinden plotzlich wie weggerissen die oberen die kulturellen Krafte in der bislang kuhlen und gemessenen Frau dahin und vor die Wahl gestellt zwischen ihrer Ehre und ihrer Leidenschaft bekennt sich Maria als wirkliche Frau nicht zu ihrem Konigtum sondern zu ihrem Frauentum Nichts schenkt ihrer Gestalt eine solche Grosszugigkeit als dass sie um einzelner volldurchlebter Daseinsaugenblicke willen Reich und Macht und Wurde geradezu verachtlich hingeworfen hat 10 Rezeption Bearbeiten Psychologische Deutungen altern rasch wie aller Zeitgeist aber Stefan Zweigs Schilderung wirkt kaum verstaubt sondern ungebrochen suggestiv Er bedient sich des Kunstgriffs Geschichte das zufallige verworrene Geschehen erst in ein klares Bild zu fassen Spieler und Gegenspieler zu charakterisieren als habe er sie gekannt Dann erst nachdem ihm alles Poesie Episode eines Romans Novelle oder Szene eines Dramas geworden ist deutet er Jens Bisky Stefan Zweig Maria Stuart 1 Maria Stuart stiess auf grosse Begeisterung Die Biographie wurde bereits 1935 in zehn Sprachen ubersetzt inzwischen gibt es Ubersetzungen in 31 Sprachen und sie wurde in internationalen Zeitungen rezensiert Joseph Gregor Theaterwissenschaftler und Zweigs Nachfolger als Librettist fur Richard Strauss vergleicht sie in der Neuen Freien Presse mit den starksten Novellen Zweigs und schreibt u nd das ist das Ruhmendste das sich von der historischen Dichtung sagen lasst denn ihre Gestalten treten auf nicht als lebten sie oder hatten sie gelebt sondern als lebten und wirkten sie in uns selbst Joseph Gregor Stefan Zweigs Maria Stuart In Neue Freie Presse vom 5 Mai 1935 S 28 29 11 Strauss selbst aussert sich in einem Brief vom 4 Mai 1935 an Zweig zu dem Werk und bezeichnet es als sehr interessant hebt aber im gleichen Satz den genialen Instinkt hervor mit dem Schiller auch hier wieder das essentielle des Stoffes erfasst habe 11 Die auf Zweigs Werk basierende Oper Maria Stuart mit einem Libretto von Jakow Gordin und der Musik von Sergei Michailowitsch Slonimski wurde 1984 in Leipzig gezeigt nachdem sie in Russland uraufgefuhrt worden war 12 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikiquote Maria Stuart Zitate Maria Stuart Projekt Gutenberg DEEinzelnachweise Bearbeiten a b Jens Bisky in Suddeutsche Zeitung 2 Juni 2007 Zitiert nach Dieter Wunderlich Stefan Zweig Maria Stuart Stefan Zweig Die Welt von gestern Stockholm 1942 Zitate nach Die Welt von gestern Kapitel 17 Projekt Gutenberg DE alte Rechtschreibung Stefan Zweig Maria Stuart Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1959 S 7 11 alte Rechtschreibung Stefan Zweig Maria Stuart Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1959 S 160 161 alte Rechtschreibung Stefan Zweig Maria Stuart Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1959 S 162 alte Rechtschreibung Stefan Zweig Maria Stuart Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1959 S 209 S 229 S 237 S 270 274 alte Rechtschreibung Stefan Zweig Maria Stuart Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1959 S 105 S 10 S 85 alte Rechtschreibung Stefan Zweig Maria Stuart Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1959 S 109 alte Rechtschreibung Dieter Wunderlich Stefan Zweig Maria Stuart a b c d e f g Stefan Zweig Maria Stuart Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 1959 S 99 110 alte Rechtschreibung a b zitiert nach Ulrike Tanzer in Stefan Zweig Handbuch S 421 Ulrike Tanzer 11 4 Maria Stuart 1935 In Arturo Larcati Klemens Renoldner Martina Worgotter Hrsg Stefan Zweig Handbuch De Gruyter Boston Berlin 2018 ISBN 978 3 11 030415 2 S 421 422 abgerufen uber de Gruyter online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Maria Stuart Stefan Zweig amp oldid 235768812