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Louise Hartung 5 Januar 1905 in Munster 24 Februar 1965 in Berlin 1 war eine deutsche Sangerin und Padagogin Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte sie an fuhrender Stelle im Berliner Hauptjugendamt massgeblich beim Aufbau einer demokratischen Jugendarbeit mit Sie initiierte zahlreiche progressive Initiativen des Amts u a die Montags Lesekreise Hartung wurde der allgemeinen Offentlichkeit 2016 durch die Veroffentlichung ihres mehrjahrigen Briefwechsels mit ihrer Freundin Astrid Lindgren bekannt Inhaltsverzeichnis 1 Jugend Ausbildung und Karriere als Sangerin 2 Zeit des Nationalsozialismus 3 Nachkriegszeit 4 Freundschaft mit Astrid Lindgren 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseJugend Ausbildung und Karriere als Sangerin BearbeitenLouise Hartung war das jungste von acht Geschwistern 2 Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt Drei ihrer Bruder fielen im Ersten Weltkrieg 3 Schon fruh zeigte sich ihre musikalische Begabung Nach der Schulzeit machte sie zunachst eine Gesangsausbildung fur die klassische italienische Oper gefolgt von musikalischem Kabarett und Liedern der deutschen Romantik Nach Studienaufenthalten in Paris Mailand und Berlin u a als Schulerin der bekannten Opernsangerin Sara Cahier zog sie 1925 26 endgultig nach Berlin In Berlin lernte Hartung eine Reihe fuhrender Intellektueller und Kunstler kennen sie wurde Teil der Boheme in den Goldenen Zwanzigerjahren Sie war mit der schwedischen Malerin und Kunstsammlerin Nell Walden befreundet die lange Jahre gemeinsam mit ihrem damaligen Mann Herwarth Walden die Kunstlerzeitschrift Der Sturm herausgegeben hatte sowie mit der Schauspielerin und Sangerin Lotte Lenya 1928 wirkte sie in der Urauffuhrung der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill mit Hartung gab Konzerte und nahm mehrere Grammophonplatten auf Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenNach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 unterstutzte Hartung Kurt Weill bei seiner Emigration Gemeinsam mit Selma Stern Taubler vertrat sie ihn und Lenya bei der Regelung ihrer Scheidung im gleichen Jahr da das Paar sich im Ausland befand 4 Lenya vermittelte Hartung 1933 eine Rolle in London am Savoy Theatre Nach ihrer Ruckkehr nach Deutschland wurde sie aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen und bekam fur mehrere Jahre ein Auftrittsverbot Sie blieb in Berlin und hielt sich mit freiberuflichen Tatigkeiten als Fotografin am Rande der Kunstszene uber Wasser Einige Zeit konnte sie als Regieassistentin und Fotografin bei Lucie Hoflich Leiterin der Schauspielschule des Deutschen Theaters zu Berlin arbeiten Als sie wieder auftreten durfte gab sie gemeinsam mit der Pianistin Hertha Klust Liederabende Hartung und die Sopranistin Maria Schreker mit der Hartung zusammenlebte waren wahrend des Kriegs gezwungen an Wehrmachtskonzerten an der Front in der Sowjetunion und in Frankreich teilzunehmen um ihre Auftrittserlaubnis nicht erneut zu verlieren Zusammen mit Schreker versteckte Hartung judische Freunde in ihrem gemeinsamen Haus in Potsdam und schutzte in ihrem Wochenendhaus in Caputh ein Ehepaar vor der Deportation 5 Wie viele andere Frauen zum Kriegsende in Berlin erlitt sie sexuelle Gewalt durch Angehorige der Roten Armee Nachkriegszeit BearbeitenNach Kriegsende war Hartung zunachst arbeitslos 1947 wurde sie vom Magistrat von Berlin im Hauptamt Kunst angestellt 6 Bereits 1926 war sie in die SPD eingetreten nun engagierte sie sich in der Lokalpolitik So war sie von 1946 bis 1950 Landesparteitagsdelegierte von 1946 bis 1950 sowie von 1953 bis 1954 Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung 1949 50 war sie Bezirksratin fur Jugend in Wilmersdorf und 1950 kandidierte sie fur das Stadtparlament 6 Mit ihrer beruflichen Arbeit trug sie massgeblich zum Wiederaufbau der Kunstszene in Berlin bei Anfangs spezialisierte sie sich auf den Bereich der klassischen Musik Als Sachbearbeiterin Fachgutachterin und Rednerin wirkte sie an der Grundung eines neuen Kammerorchesters eines neuen Chors und eines Musikpreises mit Sie organisierte Musikfestivals und Konzertreihen zur Forderung musikalischer Nachwuchstalente 1949 ubernahm sie die Leitung des Amts fur Musik in Berlin Bei der Umstrukturierung der Berliner Kommunalverwaltung im Jahr 1951 mussten sich alle Angestellten erneut auf ihre Stellen bewerben Zeitweilig wurde Hartung als kunftige Senatorin fur Volksbildung gehandelt erhielt diese Fuhrungsposition aber letztendlich nicht Stattdessen bekam sie eine Stelle im Hauptjugendamt und war dort der SPD Politikerin Ella Kay unterstellt Mit diesem Wechsel fand Hartung ihre Berufung Das Hauptjugendamt setzte eine Reihe progressiver Initiativen um an denen Hartung massgeblich beteiligt war Sie baute die Betreuung der Kriegswaisen auf und etablierte eine professionelle Betreuung traumatisierter und krimineller Kinder Sie baute die Leseforderung auf und ruckte die Uberwindung des Nationalsozialismus und der Rassendiskriminierung in den Vordergrund ihrer padagogischen Arbeit Hartung etablierte 1953 die Montags Lesekreise bei denen Kindern in ausgewahlten Jugendzentren und Bibliotheken von Erwachsenen aus Kinderbuchern vorgelesen wurde Das Gelesene wurde besprochen die Kommentare niedergeschrieben und anschliessend im Jugendamt ausgewertet Obwohl Hartung eine geschatzte Mitarbeiterin und die Stellvertreterin von Ella Kay war war die Zusammenarbeit mit ihrer Vorgesetzten nicht einfach Laut Hartung stammten viele der kreativen Ideen des Berliner Jugendamts die von anderen Jugendamtern in ganz Deutschland ubernommen wurden von ihr dafur belobigt worden sei jedoch Kay Als Jugendamtsmitarbeiterin vertrat sie die Behorden in der FSK Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und gehorte dem Pramierungsausschuss fur den Kinder und Jugendfilmpreis des Bundesministeriums an Da Hartung gesundheitlich angegriffen war lehnte sie mehrere Arbeitsangebote aus dem Ausland ab unter anderem von der UN die ihr die Leitung eines grosseren Kinder und Jugendprojekts angeboten hatte Louise Hartung starb 1965 mit sechzig Jahren an Krebs 7 Freundschaft mit Astrid Lindgren BearbeitenFur die Leseforderung lud Hartung regelmassig Schriftsteller ein und veranstaltete Lesungen Mit mehreren Autoren war sie befreundet Eine besondere Beziehung entstand mit Astrid Lindgren die ihre Lieblingsautorin fur Kinder war Fur das Hauptjugendamt Berlin hatte Hartung Astrid Lindgren im Herbst 1953 zu einer Lesung eingeladen Wahrend ihres Aufenthalts wohnte Lindgren in Hartungs Wohnung Am letzten Tag zeigte Hartung Lindgren bei einer Autofahrt den zerbombten Teil Ostberlins wo sie fruher gewohnt hatte was Lindgren zutiefst beruhrte Dieser Aufenthalt bildete den Anfang einer engen intellektuell anregenden und liebevollen Freundschaft Bis zu Hartungs Tod trafen sich die beiden Frauen mehrere Male und schrieben einander mehr als 600 Briefe wobei die langsten Briefe von Hartung stammten Sie gab den Ton des Briefwechsels vor 8 Lindgrens Biograph Jens Andersen attestierte Hartung fur Lindgren die Funktion eines intellektuell herausfordernden Fensters in eine andere und grossere Welt als die in der Astrid sich taglich in Stockholm bewegte Lindgren war fasziniert von Hartungs wechselhafter Lebensgeschichte 9 Hartungs Briefe waren emotionsgeladen und romantisch sie hatte sich in Lindgren verliebt Fortlaufend schickte sie Pakete mit Blumenstraussen und zwiebeln Buchern Handschuhe Obst oder auch ein Flugticket fur eine Reise nach Berlin Sie warb um Lindgren obwohl sie in Berlin bereits eine Freundin hatte die Arztin und Psychotherapeutin Gertraud Lemke Lindgren war aber nicht bereit eine korperliche Beziehung wie sie sich Hartung wunschte einzugehen 10 Insgesamt 620 Briefe der Korrespondenz 364 von Hartung 256 von Lindgren haben sich erhalten 2016 veroffentlichten Jens Andersen und Jette Glargaard eine Auswahl der Briefe 11 2017 erschien der Briefwechsel als Horbuchfassung gelesen von Eva Mattes und Oda Thormeyer Der gewahlte Titel Ich habe auch gelebt ist ein Zitat aus einem von Lindgrens Briefen von 1964 12 Die Herausgeber beschreiben den Briefwechsel als faszinierendes mehrschichtiges Doppelportrat zweier vielbeschaftigter engagierter intellektueller moderner Frauen 13 Im deutschsprachigen Feuilleton in dem die Veroffentlichung auf grosse Resonanz stiess 14 15 3 7 16 17 18 5 wurde vor allem Hartung als Entdeckung gefeiert Sie sei der weniger beruhmte aber interessantere Part des Briefwechsels 5 Meike Fessmann schrieb in der Suddeutschen Zeitung Hartungs Aussagen uber Freundschaft und uber die Bedeutung von Wunschen die man nicht aufgeben durfe auch wenn man um ihre Nicht erfullbarkeit wisse sogar philosophisches Gewicht zu 5 Die Korrespondenz der beiden Frauen ist laut Die Presse ein Zeitdokument uber das intellektuelle Leben der deutschen 1950er und 1960er Jahre und die Effekte des deutschen Wirtschaftswunders sowie ein Stuck Berliner Zeitgeschichte vor dem und rund um den Mauerbau 17 Cornelia Geisser bezeichnete sie in der Berliner Zeitung als Lehrstuck in Herzensbildung 7 In Schweden dagegen wurde vereinzelt gefragt ob derart intime Briefe veroffentlicht werden sollten Jens Andersen sagte dem schwedischen Fernsehen dass Passagen in denen Hartung vollig ausser sich und verzweifelt sei weil Lindgren keine Liebesbeziehung wollte gestrichen worden seien In der Veroffentlichung selbst werden die Auswahlkriterien aber nicht dargelegt 18 Literatur BearbeitenAstrid Lindgren Louise Hartung Ich habe auch gelebt Briefe einer Freundschaft Hrsg Jens Andersen Jette Glargaard Ullstein Berlin 2016 ISBN 978 3 550 08176 7 Bettina Michalski Louise Schroeders Schwestern Berliner Sozialdemokratinnen der Nachkriegszeit Dietz Bonn 1996 ISBN 3 8012 0240 2 S 117 Weblinks BearbeitenLuise F Pusch Louise Hartung Biographie auf fembio org 2017Einzelnachweise Bearbeiten Bettina Michalski Louise Schroeders Schwestern Berliner Sozialdemokratinnen der Nachkriegszeit Dietz Bonn 1996 ISBN 3 8012 0240 2 S 117 Astrid Lindgren Louise Hartung Ich habe auch gelebt Briefe einer Freundschaft Hrsg Jens Andersen Jette Glargaard Ullstein Berlin 2016 ISBN 978 3 550 08176 7 S 8 17 Soweit nicht anders angegeben beruht die Biographie auf den Angaben im Vorwort Viele dort angegebene Details aus Hartungs Leben vor allem bis Kriegsende stammen aus ihren Briefen a b Anne Burgmer Unendliche Sehnsucht In Mitteldeutsche Zeitung 12 Januar 2017 S 22 Luise Pusch Louise Hartung In fembio 2017 abgerufen am 7 August 2018 a b c d Meike Fessmann Es kann ja gar nicht sein dass keiner die Kleinen liebt In Suddeutsche Zeitung 30 Mai 2017 ISSN 0174 4917 sueddeutsche de abgerufen am 22 Juli 2018 a b Bettina Michalski Louise Schroeders Schwestern Berliner Sozialdemokratinnen der Nachkriegszeit Dietz Bonn 1996 ISBN 3 8012 0240 2 S 117 a b c Cornelia Geissler Zwei Arten frei zu sein Nur fur Erwachsene Astrid Lindgrens Briefwechsel mit der Deutschen Louise Hartung In Berliner Zeitung 17 Januar 2017 S 20 Antje Ravic Strubel Nachwort In Jens Andersen Jette Glargaard Hrsg Ich habe auch gelebt Briefe einer Freundschaft Ullstein Berlin 2016 ISBN 978 3 550 08176 7 S 507 515 hier 508 Jens Andersen Astrid Lingren Ihr Leben DVA Munchen 2015 ISBN 978 3 421 04703 8 S 263 270 Zitat S 267 268 Andersen 2015 S 271 278 Astrid Lindgren Louise Hartung Ich habe auch gelebt Briefe einer Freundschaft Hrsg Jens Andersen Jette Glargaard Ullstein Berlin 2016 ISBN 978 3 550 08176 7 Die Herausgeber stellen auf S 23 die Zahl der sich erhaltenen Briefe und die Orte ihrer Verwahrung dar Andersen Glargaard Hrsg 2016 S 24 Andersen Glargaard Hrsg 2016 S 20 Liebe susse geliebte ASTRID In Die Welt 19 November 2016 S 8 Es handelt sich um einen ganzseitigen Artikel mit Auszugen aus dem Briefwechsel Julia Waschenbach Briefe einer Freundschaft Die Korrespondenz von Astrid Lindgren und Louise Hartung ist voll von Liebe und Alltagssorgen In Thuringer Allgemeine 24 Dezember 2016 Johanna Popp Ich habe Dich unaussprechlich lieb Die Briefe zwischen Astrid Lindgren und der Deutschen Louise Hartung erzahlen nicht nur eine personliche Geschichte In Munchner Merkur 6 Februar 2017 S 18 a b Manchmal bin ich richtig traurig daruber dass so viele Menschen In Die Presse 11 Februar 2017 a b Aldo Keel Ach das war ein Gottestrank Astrid Lindgren erhielt von Louise Hartung jahrelang Liebesbriefe und Weinflaschen doch sie wies alle Avancen zuruck In Neue Zurcher Zeitung 15 Februar 2017 S 39 Normdaten Person GND 112002546X lobid OGND AKS VIAF 5024148037710088350008 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Hartung LouiseALTERNATIVNAMEN Hartung AnnelieseKURZBESCHREIBUNG deutsche Sangerin Padagogin und BriefautorinGEBURTSDATUM 6 Januar 1905GEBURTSORT MunsterSTERBEDATUM 24 Februar 1965STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Louise Hartung amp oldid 231000935