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Der spatgotische Lorcher Hochaltar von 1483 gilt als erster monochrom gestaltete Schnitzaltar Deutschlands Der Flugelaltar ist der grosste und ausstattungsmassig besterhaltene im deutschen Kunstbereich Er gilt als wertvollstes Kunstwerk des Bistums Limburg Der spatgotische Lorcher Hochaltar Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Beschreibung 3 Literatur und Quellen 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Errichtung des Lorcher Hochaltares war Abschluss und Kronung der uber 200 Jahre wahrenden Bautatigkeit an der Kirche St Martin in Lorch am Rhein In einer Zeit der wirtschaftlichen Blute wurde das Retabel von Lorcher Adelsfamilien gestiftet wie zahlreich angebrachte Wappen belegen Identifizieren lassen sich noch die Wappen vom damaligen Mainzer Dompropst Waldeck von Lorch das der Frischenstein von Waldeck die traditionell das Lorcher Pfarrbenefizi um innehatten das Mainzer Rad sowie die Wappen der Familien Hilchen Schetzel und Hertwich Da es keinerlei Dokumente uber die Entstehungsgeschichte des Altares mehr gibt ist der Name des Schnitzmeisters nicht gesichert In fruherer Zeit schrieb man irrtumlich dem Ulmer Jorg Syrlin dem Alteren das Werk zu Neuere Forschungen gingen dann von Nachfolgern des Niclas Gerhaert van Leyden aus Ende der 1980er Jahre fuhrte der Restaurator Eike Oellermann im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Fruhwerk Riemenschneiders technologische Untersuchungen am Lorcher Retabel durch und konnte beweisen dass der Lorcher Hochaltar ursprunglich monochrom konzeptioniert war Die Ergebnisse veranlassten 1993 Hanns Hubach zu einem systematischen Quellenstudium und detaillierten stilistischen Untersuchungen dabei kam er zu dem Schluss dass der Wormser Holzschnitzer Hans Bilger der Schopfer des Retabels war Begrundet hat er dies hauptsachlich durch strukturelle ubergeordnete Gemeinsamkeiten wie die fruhe Verwendung reinen Astwerks anstelle architektonischer Zierformen die Figurenbusten im Schrein sowie die fruhe monochrome Fassung aber auch die gute Transportmoglichkeit von Worms nach Lorch auf dem Rhein floss mit in die Uberlegungen ein Gesichert sind das Fertigstellungsjahr 1483 das Aussehen des Magister fabricae und des Altarschnitzmeisters denn diese haben sich als Busten mit Spruchband und Jahreszahl im Schrein verewigt 1597 wurden die bis dato monochromen Altarflugel mit Camaieu Gemalden bemalt Dazu wurden die vorhandenen Flachreliefs entfernt wie vorhandene 5 cm tiefe Nagellocher beweisen 1 1719 bekam dann der ursprunglich monochrom konzipierte Schnitzaltar eine polychrome Rokokofassung die Altarflugel wurden mit den noch heute vorhandenen Bildern ubermalt Anfang des 19 Jh war der Altar wegen jahrelanger Vernachlassigung Wurmbefall und Feuchtigkeit in einem sehr schlechten Zustand ein seitlicher Turm war bereits zur Halfte herabgesturzt Der damalige Pfarrer wollte den gesamten Altar entfernen lassen doch aufgrund des massiven Widerstandes der Gemeinde begnugte er sich damit 1819 den zweiten Seitenturm aus Symmetriegrunden zur Halfte abnehmen zu lassen Gleichzeitig verkaufte er kleine Tonstatuetten aus dem Altar die hauptsachlich auf kleinen Konsolen der Schreinnischen platziert waren Von 1852 bis 1858 wurde auf Initiative des Heimatforschers Albert Keuchen der einsturzbedrohte Hochaltar mit Hilfe des Nassauischen Altertumsvereins unterstutzt durch grosszugige Spenden aus dem ganzen Rheingau umfassend durch die Bildhauer Leissring und Wenk restauriert Dabei wurden unter anderem auch die verlorenen Altarwachterfiguren im Gesprenge durch Neuanfertigungen ersetzt und die Fassung von 1719 durch den Maler Wecker aus Koblenz erneuert Historische Aufnahmen nbsp Aufnahme von 1902 nbsp Einhausung des Altarschreines 1944 hinter der Mensa auf der ersatzweise der Hauptaltar des Seitenchores aufgestellt wurde nbsp Februar 1946 Der Altar noch unvollstandig aufgebaut Flugel und Gesprenge fehlen noch In den spaten 1930er Jahren wurde das Retabel abgeschlagen und eine Begasung wegen Holzwurmbefall durchgefuhrt Wahrend des Krieges 1943 wurde der Altar erneut abgelegt um ihn vor der Zerstorung durch Luftangriffe zu schutzen die Figuren wurden im Erdgeschoss des Glockenturmes in Sicherheit gebracht die Turme in der inneren Kirchenvorhalle Taufkapelle eingemauert und der Schrein bekam wegen seiner Grosse direkt hinter der steinernen Mensa dem Unterbau eine Backstein Einhausung 1949 50 wurde der Altar restauriert und die neugotische Fassung entfernt um dem Altar ein monochromes Aussehen zu gegeben Da sich die Farbentfernung der filigranen Zierformen des Schreines und des Gesprenges als zu aufwendig erwies wurden diese Teile mit einer braun angepassten Bierlasur uberzogen und mit Firnis fixiert um ein einheitliches Aussehen zu erzielen Die Tafelbilder beliess man auf den Altarflugeln 1988 89 fand wieder eine Begasung wegen akutem Anobienbefalls statt das Schnitzwerk wurde gereinigt und Konservierungen vorgenommen 2014 wurde eine Bestandsdokumentation und Reinigung durchgefuhrt die Flugelbilder wurden von einer verdunkelnden Firnis Schicht befreit Beschreibung BearbeitenDer Lorcher Schnitzaltar ist 13 96 m hoch und mit geoffneten Altarflugeln 7 22 m breit Die Figuren sind aus Lindenholz geschnitzt wahrend beim Schreinbau hauptsachlich Eichenholz verwendet wurde Um ein einheitliches bronzefarbenes Aussehen zu erhalten wurden die Oberflachen vermutlich mit einer Beize mit Pigmentzugaben von Walnussen und Tee behandelt und poliert Auf einem steinernen Altartisch aus dem 19 Jahrhundert mit der noch ursprunglichen Ruckwand des Unterbaues erhebt sich das geschnitzte Retabel Basis bildet eine langsrechteckige mit Rankwerk reich verzierte Predella mit drei Nischen Die mittlere ist verwaist in den beiden Ausseren befinden sich zwei Busten die dargestellten Personen scheinen miteinander lebhaft zu debattieren Um wen es sich bei den besonders qualitatsvoll gearbeiteten Busten handelt ist unbekannt Die Vermutungen reichen von Propheten Kirchenlehrern Petrus und Paul oder auch um zwei Kaufleute die sich um die Finanzierung des Projektes Gedanken machen wurden Uber der Predella erhebt sich der zweigeschossige Schrein der vertikal funfteilig gegliedert ist und so eine Nischenarchitektur bildet die nach oben staffelformig endet Um diese dreistufige Staffelung der beiden Schreinregister zu erreichen wurden unten neben einer grossen Mittelnische zwei kleinere eingefugt in denen sich die beiden Meisterbusten befinden Vom Betrachter aus gesehen links der Magister fabricae er war fur die Planung Ausfuhrung und Abwicklung des Projektes zustandig Er halt ein neueres Schriftband aus dem 19 Jahrhundert in den Handen mit der Inschrift zu Gottes Ehr und Preis all Kunst und Fleiss Die zweite Meisterbuste ist eine Selbstdarstellung des Schnitzmeisters wahrscheinlich Hans Bilger auch Hans von Worms genannt wenn man der Argumentation von Hanns Hubach folgt Auf dem original erhaltenen Schriftband welches der Meister zu lesen scheint ist das Fertigstellungsjahr des Altares 1483 in zeitgenossischen Ziffern eingeschnitzt Busten aus der Predella und dem unteren Altarschrein nbsp Buste in der Predella nbsp Buste in der Predella nbsp Meisterbuste des Magister fabricae nbsp Meisterbuste des Altarschnitzers Auf dem Schriftband ist das Fertigstellungsjahr 1483 vermerkt In den Schrein Nischen die als Kapellenchore mit variationsreichen Gewolben gestaltet und mit verschlungenem feinem Astwerk gedeckt sind stehen zehn Heiligenbilder In der unteren Reihe in der grossen mit Weinrebenastwerk bekronten Mittelnische im Zentrum des Schreins steht eine Muttergottes als Mondsichelmadonna mit Jesuskind dargestellt Sie ist mit einer Hohe von 159 cm die grosste Figur des Retabels Die anderen Statuen im Schrein sind nur ca 115 cm gross und deutlich kleiner Das faltenreiche mehrfach geraffte Gewand mit einer Bordure in die funf Apostel eingeschnitzt sind das lebhafte Kind in der einen Hand ein kleines Gefass mit der anderen den Schleier der Mutter greifend lassen erkennen wie qualitatsvoll und lebensecht diese Figur gearbeitet ist Neben der Madonna stehen im unteren Register links und rechts von ihr die Virgines capitales namlich die vier jungfraulichen Martyrinnen Katharina von Alexandrien Barbara von Nikomedien Margareta von Antiochia und Dorothea von Casarea Die Figuren des unteren Schreinregisters nbsp Katharina von Alexandrien nbsp Barbara von Nikomedien nbsp Mondsichelmadonna mit Jesuskind nbsp Margareta von Antiochia nbsp Dorothea von Casarea Im oberen Schreinregister befindet sich direkt uber Maria ebenfalls in hervorgehobener Stellung der Lorcher Kirchenpatron der mantelteilende Martin von Tours mit Bettler links und rechts neben ihm stehen die Heiligen Wendelin Bartholomaus Johannes der Taufer und Antonius der Grosse Die Bartholomaus Figur wurde falschlich wie andere Fachleute meinen von dem Heimatforscher Robert Struppmann als St Matthias identifiziert Bei der Altarrenovierung im 19 Jahrhundert gab man der Figur statt eines Messers eine Sage in die Hand da man der Meinung war das Heft der nicht mehr vorhandenen Messersschneide sei der Griff einer Sage Durch dieses Attribut wurde die Figur zu Simon dem Zeloten Deshalb wird diese Figur in unterschiedlichen Publikationen mal als Simon Bartolomaus oder Matthias bezeichnet Die Figuren des oberen Schreinregisters nbsp Wendelin nbsp Apostel Bartholomaus oft auch als Apostel Matthias bezeichnet nbsp Martin von Tours mit Bettler nbsp Johannes der Taufer nbsp Antonius der Grosse Bekront wird der Schrein durch ein prachtvolles filigranes Gesprenge mit drei bis fast zum Gewolbe aufragenden feingliedrigen mit Verstrebungen verbundenen Turmen Auf der untersten Stufe dem Staffelabschluss des Schreins stehen im Rankwerk zwei Halbfiguren vom Betrachter aus gesehen links Georg und rechts der Quirin Diese beiden Altarwachter stammen aus dem 19 Jahrhundert wahrscheinlich waren die Originale bei der Altarrenovierung 1856 schon nicht mehr vorhanden Auf der nachst hoheren Stufe in den beiden kleineren Gesprengeturmen stehen dann Maria und Johannes der Evangelist als Allianzfiguren rechts und links neben dem im hochsten Turm aufgerichteten Kreuz mit dem sterbenden Jesus In den drei Turmspitzen vom Kirchenraum kaum zu erkennen befinden sich noch folgende kleinere Figuren Monch Konig Priester mit Kreuz Maria Magdalena Florian von Lorch Kapuzinermonch Die Figuren von Maria und Johannes und verschiedene der kleineren Figuren sind nicht mehr original und duften Anfang 1700 ausgetauscht worden sein Wahrend die kleineren Figuren vom Betrachter kaum zu erkennen sind fallt die qualitativ schlecht gemachte Marienfigur auf Die Figuren des Gesprenges nbsp Altarwachter Georg 1852 58 nbsp Kleiner Kobold links aussen uber St Georg nbsp Maria Barock nbsp Einer der vier blutauffangenden Engel die rund um das Kreuz angebracht sind nbsp Corpus Christi original nbsp Johannes Barock nbsp Altarwachter Quirin 1852 58 nbsp Pelikan mit Jungen als Bekronung des mittleren Gesprengeturms Auf den beiden horizontal geteilten Altarflugeln befinden sich innen und aussen jeweils vier Tafelbilder Auf den geoffneten Flugeln vom Betrachter aus gesehen links oben Pfingstwunder darunter Auferstehung Christi auf dem rechten Flugel oben Aufnahme Mariens in den Himmel und darunter Christi Himmelfahrt Die Bilder sind zusatzlich im oberen Bereich mit einem aufwendigen Schleier Flachrelief aus Astwerk mit Kobolden und Vogeln verziert Auf den nicht sichtbaren Aussenseiten der Flugel befinden sich oben die Gemalde der Dornenkronung und der Kreuztragung Christi unten Christus am Olberg und die Geisselung Christi allerdings ohne schmuckendes Flachrelief Die erst 1719 aufgetragenen Bilder sind von schlechter kunstlerischer Qualitat und passen nicht zur Schnitzkunst des gotischen Retabels Schon bei der Renovierung im 19 Jh wurden diese Gemalde von Zeitgenossen als elende Pinselei bezeichnet wegen ihres historischen Wertes blieben sie aber erhalten Tafelbilder der Altarflugel nbsp Flachrelief Detailaufnahme eines Vogel fangenden Koboldes auf dem vom Betrachter aus gesehenen linken geoffneten Altarflugel nbsp Auferstehung Christie vom Betrachter aus gesehen links unten nbsp Pfingstwunder vom Betrachter aus gesehen links oben nbsp Himmelfahrt Christie vom Betrachter aus gesehen rechts unten nbsp Geisselung Christie nur im geschlossenen Zustand zu sehen nbsp Kreuztragung Christie nur im geschlossenen Zustand zu sehen Literatur und Quellen BearbeitenFolkhard Cremer u a Georg Dehio Handbuch der deutschen Kunstdenkmaler Hessen II Der Regierungsbezirk Darmstadt Hrsg Dehio Vereinigung Wissenschaftliche Vereinigung zur Fortfuhrung des kunsttopographischen Werkes von Georg Dehio Deutsche Stiftung Denkmalschutz Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der BRD Deutscher Kunstverlag Munchen Berlin 2008 ISBN 978 3 422 03117 3 Seite 554 555 Robert Struppmann Chronik der Stadt Lorch im Rheingau Hrsg Maria Kaufmann Stiftung Maria Kaufmann Stiftung Lorch 1981 DNB 871422794 Robert Struppmann Der Lorcher Schnitzaltar Hrsg Maria Kaufmann Stiftung Maria Kaufmann Stiftung Lorch 1997 DNB 958288585 Franz Carl Altenkirch Lorch im Rheingau Die Geschichte der Stadt vom Ursprung bis zur Gegenwart Hrsg Stadtverwaltung Lorch Stadtverwaltung Lorch Lorch 1926 DNB 579083640 Ferdinand Luthmer Die Bau und Kunstdenkmaler des Rheingaues Die Bau und Kunstdenkmaler des Regierungsbezirks Wiesbaden Band 1 2 Auflage Heinrich Keller Frankfurt am Main 1907 S 112 Textarchiv Internet Archive Hanns Hubach Uberlegungen zum Meister des Lorcher Hochaltarretabels in Nassauische Annalen 104 1993 S 29 51 online Holger Simon Das Hochaltarretabel aus Lorch am Rhein Grundlegende Uberlegungen zum neuzeitlichen Bildbegriff online Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Hochaltar of St Martin Lorch Rheingau Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Bildindex Kunst und Architektur Lorcher Hochaltar online Mittelalterliche Retabel in Hessen Ein Forschungsprojekt der Philipps Universitat Marburg der Goethe Universitat Frankfurt und der Universitat Osnabruck online Einzelnachweise Bearbeiten Das Hochaltarretabel aus Lorch am Rhein Grundlegende Uberlegungen zum neuzeitlichen Bildbegriff Holger Simon S 550 24939 10 19578 Koordinaten 50 14 57 8 N 10 11 44 8 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lorcher Hochaltar amp oldid 239226455