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Lieselotte Pongratz 24 Dezember 1923 in Harburg 5 September 2001 in Hamburg war eine deutsche Soziologin und Kriminologin Sie war ab 1973 Professorin fur Soziologie an der Universitat Hamburg 1975 wurde sie auf den dortigen Lehrstuhl fur Kriminologie berufen und war die dritte Frau in der Bundesrepublik die einen solchen Lehrstuhl innehatte Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wirken 3 Publikationen Auswahl 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenAls Tochter eines Kommunisten war Pongratz der Besuch einer hoheren Schule aus politischen Grunden wahrend des Nationalsozialismus versagt Sie besuchte die Volksschule und leistete ein Pflichtjahr in der Landwirtschaft ab Anschliessend machte sie eine kaufmannische Lehre die sie mit der Gehilfenprufung abschloss Es folgten eine Kriegdienstverpflichtung und bis 1945 der Einsatz im Reichsarbeitsdienst in Ostpreussen Nach dem Krieg begann sie 1946 eine Ausbildung zur Fursorgerin am Sozialpadagogischen Institut Hamburg machte dort 1949 das Examen und arbeitete danach als Sozialarbeiterin bei der Jugendbehorde Hamburg 1953 wurde Pongratz fur eine wissenschaftliche Studie uber Jugendliche in Heimen von der Jugendbehorde freigestellt Im Rahmen dieser Arbeit entwickelten sich Kontakte zu einer Gruppe von Soziologen um Helmut Schelsky insbesondere zu dem spateren Soziologieprofessor Heinz Kluth der sie unterstutzte das Begabtenabitur zu machen 1954 begann Pongratz mit dem Studium der Soziologie Kriminologie des Jugendstrafrechts und der Psychologie in Hamburg und an der London School of Economics and Political Science Sie wurde 1963 im Rahmen eines Stipendiums bei Heinz Kluth an der Universitat Hamburg promoviert Ihr Dissertationsthema war die Sozialisation und das soziale Lebensschicksal von Prostituiertenkindern Von 1963 bis 1966 arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin am Institut fur Kriminologie der Universitat Hamburg In Zusammenarbeit mit den beiden Senatsbeauftragten Curt Bondy und Rudolf Sieverts war sie mit dem Aufbau des Sozialpadagogischen Zusatzstudiums fur Sozialwissenschaftler Juristen Mediziner und andere Fachrichtungen an der Universitat befasst 1966 wurde Lieselotte Pongratz Wissenschaftliche Ratin am Seminar fur Sozialwissenschaften der Universitat Hamburg Hier fuhrte sie eine methodologische Ausbildung ein und setzte den Schwerpunkt auf abweichendes Verhaltens in der Jugend und Familie Aus dieser Tatigkeit heraus war sie mit im Aktionsforschungsprojekt in der Hamburger Ubergangsstrafanstalt fur Strafgefangene in der Alsenstrasse Nachdem sie mehrere Rufe an andere Universitaten abgelehnt hatte wurde sie 1973 Professorin fur Soziologie an der Universitat Hamburg und baute den Bereich Abweichendes Verhalten und soziale Kontrolle weiter aus 1975 nahm sie den Ruf auf eine Professur fur Kriminologie am Fachbereich Rechtswissenschaft der Universitat Hamburg an Nach Anne Eva Brauneck und Hilde Kaufmann war sie die dritte Professorin fur Kriminologie in der Bundesrepublik Von 1979 an war Pongratz massgeblich an der Grundung des Aufbau und Kontaktstudiums fur Kriminologie beteiligt dessen Lehrbetrieb 1984 aufgenommen wurde Diese Modelleinrichtung zunachst unter der wissenschaftlichen Leitung von Fritz Sack war die erste Diplom Ausbildung fur Kriminologie in der Bundesrepublik Zum Wintersemester 1985 1986 wurde Pongratz emeritiert 2000 grundete sie die nach ihr benannte Lieselotte Pongratz Stiftung deren Vorsitz sie bis zu ihrem Tode innehatte Ziel der Stiftung ist es Studierenden und Promovierenden der Kriminologie und der sozialen Arbeit zu ermoglichen Forschungsprojekte erfolgreich zu beendigen Seit 2001 wird die Stiftung von Timm Kunstreich gefuhrt und hat bis Oktober 2007 funf Stipendien vergeben Lieselotte Pongratz wurde anonym auf dem Friedhof Bernadottestrasse beigesetzt 1 Wirken BearbeitenLieselotte Pongratz war Mitbegrunderin des Arbeitskreises Junger Kriminologen AJK die sich am 12 Juni 1969 zu einer interdisziplinaren Arbeitsgruppe mit dem Ziel zusammenschloss ein Diskussionsforum fur Nachwuchswissenschaftler uber neue Forschungsarbeiten und Forschungskonzepte zu bieten Ebenfalls 1969 war sie Mitbegrunderin und autorin des Kriminologischen Journals KrimJ 1971 gelang es ihr zusammen mit Rudiger Lautmann den Verleger Martin Faltermaier zu uberzeugen das KrimJ das bis dahin nur auf Matrize vervielfaltigt wurde als Zeitschrift herauszubringen 1972 war sie an der Grundung des Moritz Liepmann Hauses beteiligt 1973 war sie Mitbegrunderin der European Group for the study of deviance and social control der sie bis zu ihrem Tode angehorte Seit 1969 war sie zusammen mit Fritz Sack Klaus Sessar und Bernhard Villmow Mitherausgeberin der Hamburger Studien zur Kriminologie Zu Beginn der 1970er Jahre war Pongratz Mitglied und spater fur vier Jahre Vorsitzende des Bundesjugendkuratoriums Der kriminologische Forschungsansatz von Pongratz war stark gepragt von ihrem sozialpadagogischen Praxisbezug und ihrer methodischen Ausbildung Sie initiierte Projekte auf der Grundlage der empirischen Sozialforschung Ihr Name stand in den 1960er Jahren fur Empirische Sozialforschung Ihre Aufgabe als Kriminologin sah sie vor allem darin mit kriminologischem Wissen die Situation der von der Kriminalpolitik Betroffenen tatsachlich zu verandern Es ging ihr wesentlich um die Herausarbeitung belastender Lebensumstande die auf Menschen einwirken und die durch deren Handeln wiederum reproduziert werden Sie zeigte auf wie Menschen mit gleichen Umstanden unterschiedlich umgehen sie bewaltigen oder an ihnen scheitern Ihre 1975 veroffentlichte sozialstatistische Langsschnittstudie uber delinquentes Verhalten von Kindern beruhte im Wesentlichen auf dem seinerzeit unzulanglichen Wissensstand dieses Bereiches Die bis dahin vorwiegend strafrechtlich orientierte Kriminologie hatte die Kinderdelinquenz im Gegensatz zur Jugenddelinquenz nicht vertieft betrachtet Im Rahmen der ersten Untersuchung wurde die Entwicklung der in der polizeilichen Kriminalstatistik registrierten Kinderdelinquenz zwischen 1956 und 1965 betrachtet Pongratz kam im Rahmen dieser Untersuchung zu dem Ergebnis dass Kinder die in der Untersuchung uberreprasentiert in Erscheinung getretenen Sozialgruppen angehorten wegen ihrer grosseren Ungebundenheit geringeren Beaufsichtigung und mangelnden Spielangebots in der Freizeit eher zu Normverletzungen kamen als Kinder mit starker an Erwachsene gebundenem Spielverhalten Kinder mit starkerer Auspragung von Merkmalen sozialer Deprivation traten haufiger bei der Polizei in Erscheinung als die Gesamtheit der registrierten Kinder uberhaupt Ein Zusammenhang zwischen der Begehung von Strafhandlungen im Kindesalter und kriminellen Handlungen im Jugendalter konnte nicht generell festgestellt werden So waren nach ihrer Untersuchung keine prognostischen Gesichtspunkte zu erkennen die die Meinung erharteten dass Kinderdelinquenz der Einstieg in die spatere Kriminalitat sei In ihrer 1990 veroffentlichten Nachuntersuchung beschaftigte sie sich mit dem bestraften Verhalten der gleichen Personengruppe im Erwachsenenalter Das Ergebnis war dass eine erhohte Anzahl von Verurteilungen im Jugendalter einen bedingenden Faktor fur strafrechtliche Sanktionen im Erwachsenenalter darstellt Aufgrund der Kombination aus Wissenschaftlerin und Kriminalpolitikerin unterschied Pongratz sich von der rein wissenschaftlichen theorieorientierten wie auch von der ublichen kriminalpolitischen Betrachtungsweise ab Ihr Engagement war massgeblich auf eine zielorientierte Umsetzung von Massnahmen fur die Betroffenen ausgerichtet Kennzeichnend fur ihren wissenschaftlichen Ansatz war die Integration von Rechts und Sozialwissenschaften auf den Gebieten des Strafrechts und der Kriminologie insbesondere durch interdisziplinare Forschungsaktivitaten Publikationen Auswahl Bearbeitenzusammen mit Hans Odo Hubner Lebensbewahrung nach offentlicher Erziehung Eine Hamburger Untersuchung uber das Schicksal aus der Fursorge Erziehung und Freiwilligen Erziehungshilfe entlassener Jugendlicher Luchterhand Darmstadt 1959 Prostituiertenkinder Umwelt und Entwicklung in den ersten acht Lebensjahren Fischer Verlag Stuttgart 1964 zusammen mit Horst Schuler Springorum und Rudolf Sieverts Sozial auffallige Jugendliche Juventa Munchen 1964 zusammen mit Jurgen Friedrichs Soziale Erwartungen Voruntersuchung an einer Stichprobe von Arbeitern In KrimJ 1970 Heft 2 S 233 ff zusammen mit M Schafer Peter Jurgensen und D Weisse Kinderdelinquenz Daten Hintergrunde und Entwicklungen Juventa Munchen 1975 ISBN 3 7799 0621 X Herkunft und Lebenslauf Langsschnittuntersuchungen uber Aufwuchsbedingungen und Entwicklung von Kindern randstandiger Mutter Juventa Weinheim 1988 ISBN 3 7799 0678 3 zusammen mit Peter Jurgensen Karrieren drogenabhangiger Straftater Soziale Integration nach therapeutischer Behandlung in der Fachklinik Brauel Centaurus Pfaffenweiler 1997 ISBN 3 89085 456 7 zusammen mit Dietlinde Gipser und Heiner Zillmer Soziale Karrieren nach offentlicher Erziehung Frauen und Manner funfzehn Jahre nach Heimentlassung Ergebnisse einer Langsschnittstudie In Dietlinde Gipser Heiner Zillmer Der Fursorge entkommen der Forschung nicht Das Lieselotte Pongratz Projekt Lebensbewahrung nach offentlicher Erziehung Hamburger Kinder nach Krieg und Heim Blicke auf 55 Jahre Forschung edition zebra Hamburg 2011 ISBN 978 3 928859 07 3 Literatur BearbeitenImanuel Baumann Dem Verbrechen auf der Spur Eine Geschichte der Kriminologie und Kriminalpolitik in Deutschland 1880 1980 Wallstein Verlag Gottingen 2006 besonders S 310 f Dietlinde Gipser Timm Kunstreich Gerhard Rehn u a Lieselotte Pongratz zum Gedenken 24 12 1923 05 09 2001 In np neue praxis Heft 6 2001 S 623 ff Fritz Haag Lieselotte Pongratz Von der Sozialarbeit zur Kriminalpolitik In uni hh Bd 17 Heft 2 1986 S 60 f Heribert Ostendorf Hg Integration von Strafrechts und Sozialwissenschaften Festschrift fur Lieselotte Pongratz Munchen 1986 Lieselotte Pongratz und Dorothee Bittscheid Peters Gesprach daruber wie alles anfing und was es bewirkte In KrimJ Jg 30 Heft 1 1998 S 7 ff Stephan Quensel Nachruf fur Lieselotte Pongratz 24 12 1923 5 9 2001 In KrimJ Jg 33 Heft 4 2001 S 310 f Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Lieselotte Pongratz im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten Hinweis Beisetzung bei garten der frauen deNormdaten Person GND 129281336 lobid OGND AKS LCCN n85293124 VIAF 7465200 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Pongratz LieselotteKURZBESCHREIBUNG deutsche Soziologin und KriminologinGEBURTSDATUM 24 Dezember 1923GEBURTSORT HarburgSTERBEDATUM 5 September 2001STERBEORT Hamburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lieselotte Pongratz amp oldid 231226818