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Leslie Alvin White 19 Januar 1900 in Salida Colorado 31 Marz 1975 in Lone Pine Kalifornien war ein US amerikanischer Anthropologe Bekannt wurde er durch seine Theorien der kulturellen Evolution des sozialen Evolutionismus und besonders des Neoevolutionismus sowie seine Rolle beim Aufbau der Abteilung fur Anthropologie an der University of Michigan Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 2 Whites Anthropologie 3 Werke 4 Literatur 5 Weblinks 6 FussnotenBiografie BearbeitenWhite war der Sohn eines peripatetischen Bauingenieurs Er lebte zuerst in Kansas und dann in Louisiana Er meldete sich zum Militardienst im Ersten Weltkrieg erlebte aber nur das Ende indem er ein Jahr bei der US Navy verbrachte ehe er sich 1919 an der Louisiana State University immatrikulierte 1921 wechselte er zur Columbia University wo er Psychologie studierte und 1923 seinen BA und 1924 seinen MA erlangte Obwohl er an der gleichen Universitat wie Franz Boas war und auch Kurse in Anthropologie an der New School of Social Research belegte traf er im Unterricht nicht auf den Grunder der amerikanischen Anthropologie Seine Interessen waren schon zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere vielfaltig und er besuchte Kurse in verschiedenen anderen Disziplinen und Institutionen darunter Philosophie an der UCLA und klinische Psychiatrie bevor er schliesslich durch Alexander Goldenweisers Kurse an der New School for Social Research die Anthropologie entdeckte 1925 begann er das Studium fur den Ph D in Soziologie und Anthropologie an der University of Chicago die beiden Facher waren im Chicagoer Institut zusammengefasst und hatte die Gelegenheit ein paar Wochen mit den Menominee und Winnebago in Wisconsin zu verbringen Nachdem er seine erste These vorgeschlagen hatte eine liberale These die einen Ausblick auf seine spatere Arbeit ermoglichte fuhrte er Feldforschung bei den Acoma in New Mexico durch Mit dem Ph D in der Hand begann White 1927 an der University at Buffalo wo er die anti evolutionaren Ansichten die ihm die Ausbildung nach Franz Boas vermittelt hatte uberdachte 1930 zog er nach Ann Arbor wo er den Rest seiner aktiven Karriere verbrachte Die drei Jahre in Buffalo bildeten einen Wendepunkt in Whites Biographie Wahrend dieser Zeit entwickelte er ein anthropologisches politisches und ethisches Weltbild das er bis zu seinem Tod aktiv vertrat Die Antwort der Studenten auf die anti evolutionaren und anti rassistischen Doktrinen die White prasentierte halfen ihm dabei seine eigenen Ansichten uber die Evolution des menschlichen sozialen Lebens zu formulieren 1929 besuchte er die Sowjetunion und bei seiner Ruckkehr trat er in die Sozialistische Labor Party ein fur deren Zeitung er Artikel unter dem Pseudonym John Steele schrieb 1930 kam White an die University of Michigan um dort Julian Steward zu ersetzen Obwohl die Universitat ein Museum beherbergte das in seiner langen Geschichte viel mit anthropologischen Angelegenheiten zu tun hatte war White der einzige Professor in der anthropologischen Abteilung 1932 leitete er eine Feldschule im Sudwesten an der unter anderem Fred Eggan und Mischa Titiev teilnahmen Letzteren holte White 1936 als zweiten Professor nach Michigan Als sein Student und vielleicht auch wegen seines Status als russischer Immigrant passte er perfekt Wahrend des Zweiten Weltkriegs beteiligte sich Titiev jedoch am Kriegsgeschehen indem er Japan studierte Dies war wohl der Grund dafur dass White mit Titiev brach Die Zwei Mann Abteilung wurde erst nach dem Krieg erweitert Die Erweiterung sorgte zusammen mit Titievs Grundung des Ostasiatischen Studienprogramms und der Aufnahme von Gelehrten wie Richard Beardsley fur eine Trennung der Professoren Als Professor in Ann Arbor bildete White eine Generation einflussreicher Studenten aus Wahrend Autoren wie Robert Carneiro Beth Dillingham und Gertrude Dole Whites Programm in der orthodoxen Form weiterfuhrten entwickelten Gelehrte wie Eric Wolf Elman Service und Marshall Sahlins auf dieser Grundlage ihre eigenen Formen der Anthropologie Whites Anthropologie BearbeitenWhites Ansichten waren speziell gegen die Schule von Franz Boas formuliert mit dem er institutionell und intellektuell in Konflikt stand Dieser Antagonismus nahm oft sehr personliche Zuge an White bezeichnete Boas Prosastil im American Journal of Sociology als kitschig wahrend Robert Lowie Whites Arbeit als ein Mischmasch unreifer metaphysischer Ansichten einstufte das von der obsessiven Kraft des Fanatismus die unbewusst eine Vision verzerrt geschaffen sei Die deutlichste Abweichung von der Boas schen Orthodoxie bestand in Whites Auffassung der Anthropologie und ihrer Beziehung zu anderen Wissenschaften White klassifizierte die Welt in kulturelle biologische und physikalische Phanomene wobei er diese Einteilung nicht als ein blosses heuristisches Mittel sah sondern als eine Beschreibung real existierender Tatsachen Im Gegensatz zu Alfred Kroeber Kluckhohn oder Edward Sapir sah White die Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes nicht als kognitive Leistung des Anthropologen sondern als Erkenntnis von Tatsachen aus denen die Welt besteht Die Unterscheidung von Natur und Sozialwissenschaften grundet somit nicht in der Methode sondern in der Natur des Studienobjekts Physiker studieren physikalische Phanomene Biologen biologische und Kulturologen Whites Bezeichnung kulturelle Wahrend also das Studienobjekt nicht vom Standpunkt oder Interesse des Forschers beeinflusst ist so gilt dies sehr wohl fur die Methode White glaubte dass man Phanomene von drei Standpunkten aus erforschen konne dem historischen dem formal funktionalen und dem evolutionaren oder formal zeitlichen Der historische Weg entspricht im Wesentlichen dem von Boas er widmet sich der Untersuchung bestimmter diachroner kultureller Prozesse und versucht liebevoll in die Geheimnisse vorzudringen bis jedes Merkmal offen und klar ist Der formal funktionale Ansatz entspricht der diachronen Vorgehensweise die von Alfred Radcliffe Brown und Bronislaw Malinowski vertreten wird und versucht die formale Struktur einer Gesellschaft und die funktionalen Beziehungen seiner Bestandteile aufzudecken Sein eigener evolutionarer Ansatz ist wie der formale generalisierend aber ebenfalls diachron insofern er einzelne Ereignisse als allgemeine Beispiele fur grossere Trends betrachtet Wahrend Boas Wissenschaft nach eigener Ansicht ein liebevolles Eindringen versprach befurchtete White dass sie die Anthropologie entmannen wurde wenn sie eine dominante Stellung erreicht White sah seinen Ansatz als Synthese des historischen und funktionalen Aspekts da es den diachronen Blick mit dem generalisierenden Auge fur formale Beziehungen kombinierte Als solcher konnte er den Verlauf der kulturellen Entwicklung in der Vergangenheit und ihren wahrscheinlichen Verlauf in der Zukunft zeigen eine Aufgabe die als wertvollste Funktion der Anthropologie galt White verteidigte wiederholt die Evolutionisten des 19 Jahrhunderts auf der Suche nach intellektuellen Vorlaufern die von den Boasianern nicht beansprucht oder gar denunziert wurden Das lasst sich an seinen Ansichten uber die Evolution erkennen die auf den Werken von Herbert Spencer Charles Darwin und Lewis Henry Morgan basieren Obwohl Whites Darstellung von Morgan und Spencer eher tendenzios war waren seine Konzepte von Wissenschaft und Evolution fest in ihren Arbeiten verankert Fortschritte in der Populationsbiologie und der Evolutionstheorie gingen an White voruber dessen Konzepte von Evolution und Fortschritt eng mit dem 19 Jahrhundert verbunden blieben Fur White war die Kultur eine superorganische Entitat die sui generis existiert und nur durch sich selbst erklart werden kann Sie besteht aus drei Ebenen der technologischen der sozial organisatorischen und der ideologischen Jede Ebene basiert auf der vorherigen und obwohl sie alle interagieren ist die technologische Ebene letztlich die bestimmende die White als Held unseres Stuckes und den fuhrenden Charakter unseres Spiels bezeichnet Der wichtigste Faktor in seiner Theorie ist die Technologie Soziale Systeme werden von technologischen Systemen bestimmt schrieb er in seinem Buch womit er an die fruhere Theorie von Lewis Henry Morgan anknupfte White sprach von der Kultur als ein allgemeines menschliches Phanomen und betonte dass er nicht von Kulturen im Plural spreche Seine Theorie die er 1959 in The Evolution of Culture The Development of Civilization to the Fall of Rome veroffentlichte belebte das Interesse am sozialen Evolutionismus wieder und gilt bei den Neoevolutionisten als herausragend Er glaubte dass sich die Kultur die Summe aller menschlichen kulturellen Aktivitaten auf dem Planeten entwickelt wobei die technologische Komponente die wichtigste Rolle spielt Sein materialistischer Ansatz wird in folgendem Zitat evident Der Mensch als tierische Spezies und folglich die Kultur als Ganzes ist abhangig von der materiellen mechanischen Anpassung an die Umgebung 1 Die technologische Komponente besteht aus materiellen mechanischen physikalischen und chemischen Instrumenten und der Art wie die Menschen diese Techniken benutzen White begrundet die Bedeutung der Technologie wie folgt 2 Technologie ist ein Versuch die Probleme des Uberlebens zu losen Dieser Versuch bedeutet letztlich genug Energie zu gewinnen und sie fur menschliche Bedurfnisse zu nutzen Gesellschaften die mehr Energie gewinnen und sie effektiver nutzen haben einen Vorteil gegenuber anderen Gesellschaften Deshalb sind diese Gesellschaften im evolutionaren Sinne fortschrittlicher nbsp Die Erde bei Nacht Bild von NASA und NOAA Die hellsten Flachen sind die am starksten verstadterten aber nicht unbedingt die am dichtesten besiedelten Auch 100 Jahre nach der Erfindung des elektrischen Lichts sind einige Regionen noch dunn besiedelt und nicht erleuchtet Fur White besteht die primare Funktion der Kultur die den Grad ihres Fortschritts bestimmt in ihrer Fahigkeit Energie nutzbar zu machen und zu kontrollieren White s Law Whites Gesetz gilt als weithin akzeptierte Regel in der Okologie des Menschen und besagt dass das wichtigste Mass fur die okonomische Entwicklungsstufe einer Gesellschaft der Energieumsatz pro Kopf ist 3 White unterscheidet funf Stufen der menschlichen Entwicklung Energie aus eigener Muskelkraft Energie durch Domestikation von Tieren Energie aus Pflanzen Landwirtschaft Energie aus naturlichen Ressourcen Kohle Ol Gas AtomenergieEr fuhrt die Formel C E T ein bei der E den jahrlichen Energieverbrauch pro Kopf T das Mass der Effizienz mit der die Techniken die Energie nutzen und C den Stand der kulturellen Entwicklung bezeichnet In seinen eigenen Worten besteht das Grundgesetz der kulturellen Evolution darin dass die Kultur sich entwickelt wenn der jahrliche Energieverbrauch pro Kopf steigt oder die Effizienz der Instrumente mit denen die Energie verarbeitet wird sich verbessert 2 Deshalb sehen wir dass Fortschritt und Entwicklung von der Verbesserung der mechanischen Mittel mit denen die Energie nutzbar gemacht wird und der Erhohung der verwendeten Energiemengen beeinflusst werden 1 Obwohl White nicht verspricht dass die Technologie das Patentrezept fur alle Probleme der Menschheit ist behandelt seine Theorie den technologischen Faktor als den wichtigsten in der Evolution der Gesellschaft Sie ist vergleichbar mit den spateren Arbeiten von Gerhard Lenski der Theorie der Kardaschow Skala des russischen Astronomen Nikolai Semjonowitsch Kardaschow und einigen Ideen der technologischen Singularitat Werke BearbeitenEthnological Essays Selected Essays of Leslie A White University of New Mexico Press 1987 The Evolution of Culture The Development of Civilization to the Fall of Rome 1959 s o The Science of Culture A Study of Man and Civilization Farrar Straus and Giroux 1949 The Pueblo of Santa Ana New Mexico American Anthropological Association Memoir 60 1942 The Pueblo of Santo Domingo American Anthropological Association Memoir 60 1934 The Pueblo of San Felipe American Anthropological Association Memoir No 38 1932 The Acoma Indians Bureau of American Ethnology 47th annual report pp 1 192 Smithsonian Institution 1932 Literatur BearbeitenBiographie William Peace Leslie A White Evolution and Revolution in Anthropology University of Nebraska Press 2004 Massgebliche Biografie Ethnologie Richard Beardsley An Appraisal of Leslie A White s Scholarly Influence In American Anthropologist Bd 78 S 617 620 1976 Jerry D Moore Leslie White Evolution Emergent in J M Visions of Culture Kapitel 13 S 169 180 AltaMira 1997 Elman Service Leslie Alvin White 1900 1975 in American Anthropologist Bd 78 S 612 617 1976 Deutsche Literatur Guksch Christian E Leslie Alvin White 1900 1975 in Marshall Wolfgang Hrsg Klassiker der Sozialanthropologie C H Beck Munchen 1990 S 277 294 356 360 Luhrmann Sonja 2001 Leslie A White In Christian F Feest Karl Heinz Kohl Hrsg Hauptwerke der Ethnologie Kroners Taschenausgabe Band 380 Kroner Stuttgart 2001 ISBN 3 520 38001 3 S 509 513 Metzner Andreas White Leslie A The Evolution of Culture The Development of Civilization to the Fall of Rome In Sven Papcke Georg W Oesterdiekhoff Hrsg Schlusselwerke der Soziologie Westdeutscher Verlag Opladen 2001 ISBN 978 3 322 80360 3 S 518 520 doi 10 6084 m9 figshare 1327973 v1Weblinks BearbeitenThe Leslie White PapersFussnoten Bearbeiten a b The University of Alabama ANTHROPOLOGICAL THEORIES Memento des Originals vom 16 Juli 2012 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www as ua edu a b e Museum der Minnesota State University englisch Archiviert vom Original am 31 Mai 2010 abgerufen am 24 Januar 2014 Vgl John Michael Greer White s law a widely accepted rule in human ecology that takes energy use per capita as the primary measure of economic development in The Long Descent New Society Publishers 2008 S 28Normdaten Person GND 118807137 lobid OGND AKS LCCN n50020232 VIAF 4976605 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME White LeslieALTERNATIVNAMEN White Leslie Alvin vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG US amerikanischer AnthropologeGEBURTSDATUM 19 Januar 1900GEBURTSORT Salida ColoradoSTERBEDATUM 31 Marz 1975STERBEORT Lone Pine Kalifornien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Leslie White amp oldid 238341952