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Als Lugendetektor wird umgangssprachlich ein Gerat bezeichnet das kontinuierlich den Verlauf von korperlichen Parametern namlich der peripher physiologischen Variablen wie Blutdruck Puls Atmung oder die elektrische Leitfahigkeit der Haut einer Person wahrend einer Befragung misst und aufzeichnet In Fachkreisen wird das Gerat nicht als Lugendetektor sondern als Polygraph Vielschreiber Mehrkanalschreiber oder auch Biosignalgerat bezeichnet Der Begriff Lugendetektor ist deshalb nicht korrekt weil es sich bei dem Polygraphen lediglich um ein technisches Hilfsmittel handelt mit dem physiopsychologische Parameter gemessen und aufgezeichnet werden Die aufgezeichneten Reaktionen sind nicht spezifisch fur die Wahrheit oder Unwahrheit der gegebenen Antwort sondern zeigen lediglich das momentane Aktiviertheitsniveau an Darstellung der Messwerte eines Lugendetektors auf einem Notebook Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung und Geschichte 2 Theorie 3 Durchfuhrung einer polygraphischen Untersuchung 3 1 Tatwissenstest 3 2 Vergleichsfragentest 4 Kritik an Lugendetektoren 4 1 Rechtliche Beurteilung 4 2 Mangelnde wissenschaftliche Grundlage 4 3 Verzerrung durch Vorurteile 4 4 Manipulierbarkeit 4 5 Bekannte Falle von erfolglosen Lugendetektortests 5 Gehirnscans als Lugendetektor 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseEntwicklung und Geschichte BearbeitenDie Grundidee zum Polygraphen geht auf die Psychologen Carl Gustav Jung und Max Wertheimer zuruck Zu Beginn des 20 Jahrhunderts veroffentlichten sie zwei unabhangige Arbeiten zur Nutzung physiopsychologischer Verfahren als Indikatoren fur juristische Belange Vittorio Benussi konstruierte im Marz April 1913 an der Universitat Graz einen Apparat der die Atmungsphasen und den Puls registriert und an dem abgelesen werden kann ob die Versuchsperson lugt den ersten Polygraphen Ein Polygraph wurde zum ersten Mal am 2 Februar 1935 in einem Experiment von Leonarde Keeler getestet Seitdem haben sich Polygraphen in einigen Landern verbreitet das Hauptanwendungsland war und sind jedoch die USA in denen mit der American Polygraph Association auch eine Lobby Organisation existiert Die Anwendungsgebiete erstrecken sich von Bewerbungsgesprachen fur eine Arbeitsstelle bis zu Vernehmungen bei der Polizei Auch Geheimdienste wie die CIA und die Bundespolizei FBI in den USA verwenden Polygraphen um die Vertrauenswurdigkeit aktueller und potentieller Mitarbeiter zu beurteilen 1 Neben den Polygraphen wurden in jungerer Zeit alternative Methoden zum Erkennen wahrer oder unwahrer Aussagen entwickelt Darunter sind rein stimmenbasierte die Anderungen in der Stimme als Indikator fur Lugen verwenden und bei einem Telefongesprach eingesetzt werden konnen sowie Infrarotkameras mit denen die Durchblutung des Gesichts sichtbar gemacht und als Indikator verwendet wird 2 Theorie BearbeitenPolygraphische Untersuchungen basieren auf der Annahme dass Menschen beim Lugen mindestens geringfugig nervos werden Auch wenn diese Nervositat dem Gegenuber unsichtbar bleibt erzeugt sie durch das vegetative Nervensystem unwillkurliche Reaktionen Dieses momentane Aktiviertheitsniveau des Organismus lasst sich durch entsprechende Messgerate registrieren und aufzeichnen Geeignete Reaktionen sind unter anderem Anderung der Atemfrequenz Anderung des Pulses Anderung des Blutdrucks elektrodermale Aktivitat Anderung des Hautwiderstands durch Schwitzen ZitternFur eine zuverlassige Bewertung werden mehrere dieser Reaktionen gleichzeitig uberwacht Der Polygraph an sich ist nicht mehr als ein Messgerat das ebendiese Reaktionen misst und aufzeichnet Eine Auswertung findet durch das Gerat nicht statt und obliegt allein dem Polygraphisten der entsprechend ausgebildet wurde Ein Polygraphist soll in der Lage sein echte Reaktionen von willentlich herbeigefuhrten zu unterscheiden Durchfuhrung einer polygraphischen Untersuchung BearbeitenUm den Wahrheitsgehalt einer Aussage zu klaren etwa bei einem Tatverdacht gibt es zwei gangige polygraphische Testverfahren den Tatwissens und den Vergleichsfragentest Tatwissenstest Bearbeiten Beim Tatwissenstest handelt es sich um eine indirekte Methode weil der zu Untersuchende nicht direkt gefragt wird ob er dieses oder jenes getan habe sondern er wird gefragt ob er etwas uber die aufzuklarende Tat wisse Ziel ist herauszufinden ob er Wissen uber Einzelheiten des Tatgeschehens besitzt das nur der Tater haben kann Zu diesem Zweck wird der zu Untersuchende zunachst gefragt was er uber die vorgeworfene Tat weiss und woher dieses Wissen stammt Sodann werden ihm zu einem bestimmten Aspekt der Tat Begehungsweise etc sechs Fragen gestellt worunter eine Alternative die zutreffende ist Es hat sich gezeigt dass die Reaktionen besonders hoch sind wenn die Frage auf die zutreffende Antwortalternative wahrheitswidrig verneint wird 3 Laut Max Steller zeigten verschiedene Laborstudien sogar dass Probanden ohne Tatwissen bei fast allen Untersuchungen mit dem Tatwissentest zu 100 Prozent richtig identifiziert werden konnten d h dass keine falsch positiven Zuordnungen erfolgten Bei Personen mit Tatwissen erfolgten in 80 bis 95 Prozent richtige Klassifikationen 4 Vergleichsfragentest Bearbeiten Beim Vergleichsfragentest 5 auch Kontrollfragentest genannt engl control question test oder CQT geht es nicht um mogliches Tatwissen sondern der zu Untersuchende wird direkt nach dem zu klarenden Sachverhalt gefragt etwa ob er die aufzuklarende Tathandlung begangen habe Eine solche Frage kann beim Vorwurf sexueller Notigung etwa lauten Haben Sie Person X jemals gekusst Die auf den Tatvorwurf zielenden Fragen in der Regel sind es drei werden als Tatfragen bezeichnet Sie werden in Beziehung gesetzt zu moglichst vier Vergleichsfragen Der methodische Ansatz der dem Versuchsaufbau zugrunde liegt besteht darin dass die Reaktionen einer Person auf die tatbezogenen Fragen zu vergleichen sind mit den Reaktionen derselben Person auf dargebotene Vergleichsfragen Die tatbezogenen Fragen losen sowohl beim Tater als auch beim falschlich Verdachtigten eine starke Reaktion aus Beim falschlich Verdachtigten losen die Vergleichsfragen aber noch starkere Reaktionen als die tatbezogenen Fragen aus wahrend der Tater von der Bedrohung die von den tatbezogenen Fragen fur ihn ausgeht uberhaupt nicht abzulenken ist Damit die Vergleichsfragen ihren Zweck erfullen mussen sie so formuliert werden dass sie den Probanden wahrend der Dauer der Untersuchung beschaftigen ihre gewissenhafte Beantwortung ihm also zu schaffen macht Um dies zu erreichen beziehen sich die Vergleichsfragen auf sozial missbilligtes Verhalten des Untersuchten und zwar auf dem gleichen Normgebiet dem auch die Taten angehoren deren er verdachtigt wird Anfangs wird mit dem Probanden ein Gesprach gefuhrt in dem neben einer biographischen Anamnese auch der Konsum von Medikamenten Alkohol und anderen Drogen innerhalb der letzten 24 Stunden sowie die Lange der Schlafenszeit in der vergangenen Nacht erfragt werden Sodann werden mit dem zu Untersuchenden zunachst die tatbezogenen Fragen besprochen und danach die Vergleichsfragen Stehen sowohl Tat als auch Vergleichsfragen fest wird der Proband mit dem Untersuchungsablauf vertraut gemacht und mit ihm ein Probelauf durchgefuhrt Dazu wird der Proband gebeten eine der Zahlen 22 bis 26 auszuwahlen und diese Zahl ohne dass der Untersucher die Moglichkeit der Kenntnisnahme hat zu notieren Sodann wird der Proband an den Polygraphen angeschlossen d h ihm werden die Messfuhler angelegt in Form einer Blutdruckmanschette am linken Oberarm eines Atmungsgurtels am Brustkorb von Fingerelektroden zur Messung der Schweissabsonderung an den Ringfinger und an den Zeigefinger der linken Hand sowie einer Fingerklemme mit der die Durchblutung der Haut uber die Fingerspitze gemessen wird Im Anschluss daran werden drei Einzeltests durchgefuhrt Zuerst werden die Zahlen 22 bis 26 der Reihe nach abgefragt wobei der Proband immer mit Nein antworten soll also auch dann wenn er nach der Zahl gefragt wird die er notiert hat Beim zweiten Durchgang werden die Zahlen in unterschiedlicher Reihenfolge abgefragt wobei der Proband wiederum stets mit Nein antworten soll Im dritten Durchgang soll der Proband die Fragen wahrheitsgemass beantworten Der Zahlentest dient vor allem dazu Storungen auszuschliessen die die Auswertung der im Haupttest zu gewinnenden Reaktionskurven unmoglich oder unsicher machen wurden Einen die Treffsicherheit leicht erhohenden Nebeneffekt stellt es dar dass dem Probanden die Zuverlassigkeit des Tests verdeutlicht wird Das geschieht indem der Untersucher dem zu Untersuchenden die von diesem notierte Zahl verrat In der Regel kennt der Untersucher die notierte Zahl namlich bereits nach den ersten beiden Durchgangen Danach werden dem Probanden noch einmal alle Fragen vorgelesen und es wird ihm erklart dass der Probedurchgang zufriedenstellend verlaufen ist und der Durchfuhrung des eigentlichen Tests keine Schwierigkeiten im Wege stehen Im Anschluss an diese Informationen wird der zu Untersuchende gefragt ob er sich dem Test unterziehen wolle Es wird ihm weiter gesagt wenn er dies nicht wolle so brauche er das nur zu sagen Die Untersuchung werde dann sofort abgebrochen und er werde nicht einmal danach gefragt weshalb er sich dem Test nicht unterziehen wolle Aus seiner Ablehnung durften und wurden keine negativen Schlusse gezogen Entschliesst sich der Proband zur Fortfuhrung des Tests folgt der Auswertung und Erklarung der Reaktionskurven die Hauptuntersuchung Zum Einsatz kommt der Polygraph meist in drei Durchgangen die Messungen konnen aber auch bis zu funf Mal erfolgen Im Anschluss daran beginnt die Testauswertung Die drei Einleitungsfragen werden nicht ausgewertet Sie dienen dazu den in der Psychologie bekannten Effekt aufzufangen dass der erste in einer Reihe dargebotene Reiz immer eine verstarkte Aufmerksamkeitszuwendung erfahrt Bei der Auswertung wird die Reaktion auf die tatbezogene Frage mit der Reaktion auf eine der beiden daneben stehenden Vergleichsfragen verglichen Dafur werden die auf Millimeterpapier aufgezeichneten korperlichen Reaktionen Atmung Hautwiderstand Blutdruck und periphere Hautdurchblutung ausgewertet die wahrend der Hauptuntersuchung bei den drei bis funf Durchgangen angefallen sind Quantifiziert werden die unterschiedlichen Kurvengrossen mithilfe einer siebenstufigen Skala Ist ein Unterschied nicht klar erkennbar wird die Bewertung 0 vergeben ist er deutlich erkennbar so wird er mit 1 bewertet bei einem grossen Unterschied mit 2 und bei einem ausserordentlich grossen Unterschied mit 3 Ist die Reaktion auf die tatbezogene Frage grosser erhalt die Ziffer ein Minus Zeichen ist die Reaktion auf die Vergleichsfrage starker wird ein Plus vergeben Die siebenstufige Skala reicht also von 3 bis 3 Sind die tatbezogenen Fragen inhaltlich verschieden so kann fur jede einzelne Frage ein Gesamtwert berechnet werden indem alle fur die betreffende tatbezogene Frage ermittelten Vergleichswerte unter Berucksichtigung des Vorzeichens addiert werden Die Summe ist dann der Testwert fur die betreffende tatbezogene Frage In der experimentellen Forschung und in der kriminalistischen Praxis haben sich folgende Grenzwerte bewahrt Werte von 3 und daruber sind Indikatoren dafur dass die tatbezogene Frage wahrheitsgemass verneint wurde Werte von 2 bis 2 erlauben keine sichere Schlussfolgerung Schliesslich ist bei Werten von 3 und darunter davon auszugehen dass die tatbezogene Frage wahrheitswidrig verneint wurde Sind die drei ausgewerteten tatbezogenen Fragen inhaltsgleich unterscheiden sich also nur in den Formulierungen so konnen samtliche Vergleichswerte unter Berucksichtigung des Vorzeichens zu einem Gesamtwert fur den ganzen Test summiert werden Bei dieser Konstellation haben sich in der experimentellen Forschung und in der kriminalistischen Praxis folgende Grenzwerte bewahrt Werte von 6 und daruber sind Indikatoren fur die wahrheitsgemasse Verneinung der tatbezogenen Fragen Werte von 5 bis 5 erlauben keine sichere Schlussfolgerung und bei Werten von 6 und darunter ist davon auszugehen dass die tatbezogenen Fragen wahrheitswidrig verneint wurden Kritik an Lugendetektoren BearbeitenAngesichts der Tatsache dass die Anerkennung von Lugendetektoren bei Unzuverlassigkeit grossen Schaden anrichten kann sind die Gegenstimmen zahlreich Es wird angefuhrt dass keine wissenschaftlich haltbaren Beweise fur die Zuverlassigkeit existieren dagegen aber viele Falle von Fehleinschatzungen durch Lugendetektortests bekannt und die Tests demonstrierbar zu manipulieren sind 2 Rechtliche Beurteilung Bearbeiten nbsp Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar Bitte hilf uns dabei die Situation in anderen Staaten zu schildern Mit seinem Urteil vom 16 Februar 1954 6 verbietet der Bundesgerichtshof den Einsatz von Lugendetektoren sowohl im Strafverfahren als auch bei den Vorermittlungen selbst wenn der Angeklagte dem Einsatz zustimme Dies ergebe sich aus Art 1 Abs 1 GG sowie 136a StPO Die Zulassigkeit hange nicht von der Brauchbarkeit Richtigkeit und Verlasslichkeit des Polygraphen Lugendetektors ab sondern allein von den das Strafverfahren regelnden Grundsatzen Diese wurden die Anwendung des Gerates verbieten 7 Der Test verletze die Menschenwurde weil der Beschuldigte Beteiligter und nicht Gegenstand des Verfahrens sei Die Wahrheit musse vom Gericht gegebenenfalls auch ohne das Zutun des Beschuldigten aufgeklart werden Diese Grundsatze des Verfassungs und Strafverfahrensrechts wurzeln darin dass selbst der Tatverdachtige und Straffallige der Gesamtheit stets als selbstverantwortliche sittliche Personlichkeit gegenubersteht bei erwiesener Schuld darf und muss er zur Suhne unter das verletzte Recht gebeugt werden seine Personlichkeit jedoch darf uber jene gesetzlichen Beschrankungen hinaus dem gewiss wichtigen offentlichen Anliegen der Verbrechensbekampfung nicht aufgeopfert werden Urteil vom 16 Februar 1954 1 StR 578 53 BGHSt 5 332 334 8 Der Polygraph Lugendetektor beeintrachtige weiterhin den Willen des Beschuldigten und untergrabe die im 136a StPO Verbot der Misshandlung garantierte Willensfreiheit Der Polygraph bezweckt mithin vom Beschuldigten mehr und andere Aussagen als beim ublichen Verhor zu erlangen darunter solche die er unwillkurlich macht und ohne das Gerat gar nicht machen kann Neben der bewussten und gewollten Antwort auf die Fragen antwortet ohne dass der Beschuldigte es hindern kann auch das Unbewusste Ein solcher Einblick in die Seele des Beschuldigten und ihre unbewussten Regungen verletzt die Freiheit der Willensentschliessung und betatigung 136a StPO und ist im Strafverfahren unzulassig Zur Erhaltung und Entwicklung der Personlichkeit gehort ein lebensnotwendiger und unverzichtbarer seelischer Eigenraum der auch im Strafverfahren unangetastet bleiben muss Urteil vom 16 Februar 1954 1 StR 578 53 BGHSt 5 332 335 9 Am 17 Dezember 1998 lehnte der Bundesgerichtshof den Polygraphen erneut als Beweismittel wegen mangelnder Verlasslichkeit der Ergebnisse ab Er widerspricht jedoch der Argumentation des Urteils vom 16 Februar 1954 und sieht bei Einwilligung des Betroffenen keinen Menschenwurdeverstoss Auch ein Verstoss gegen 136a Abs 1 StPO sei nicht erkennbar da eine Tauschung des Betroffenen nicht vorliege 10 Ebenfalls ablehnend reagierte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 30 November 2010 11 12 Am 14 Mai 2013 hat das Oberlandesgericht Dresden entschieden dass die Untersuchung mit einem Polygraphen im Sorge und Umgangsrechtsverfahren ein geeignetes Mittel ist einen Unschuldigen zu entlasten 13 Am 26 Marz 2013 entschied das Amtsgericht Bautzen dass das entlastende Ergebnis einer in einer familiengerichtlichen Streitigkeit angefertigten polygraphischen Untersuchung als entlastende Indiztatsache auch in Strafverfahren verwertbar ist 14 Am 31 Juli 2014 erklarte das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren ein durchgefuhrter Polygraphietest ein ungeeignetes Beweismittel ist BVerwG Beschluss vom 31 Juli 2014 Az 2 B20 14 ZBR 2014 420 ff Dabei kritisierten die Richter dass das OLG Dresden und das AG Bautzen in familiengerichtlichen Beschlussen in denen das Ergebnis einer polygrafischen Untersuchung fur verwertbar angesehen wurde nicht ausreichend zur Frage eines festen Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Aussageverhalten und spezifischen Reaktionsmustern des vegetativen Nervensystems Stellung genommen haben Am 17 Oktober 2017 sprach das Amtsgericht Bautzen Schoffengericht einen Angeklagten frei der einen Missbrauchsvorwurf bestritt und sich mittels einer polygrafischen Untersuchung entlastet hatte 15 16 17 In seiner Entscheidung setzte sich das Gericht auch mit der Kritik des Bundesverwaltungsgerichts auseinander und wies diese zuruck Ohne seinen Einwand naher zu begrunden stellt damit das BVerwG etwas in Abrede was selbst der Bundesgerichtshof nicht mehr anzweifelt Im Kern stellt das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen eines festen Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Aussageverhaltens und spezifischen Reaktionsmustern des vegetativen Nervensystems in Frage BVerwG aa0 S 6 und schiebt die auch von ihm nicht in Abrede gestellte hohe durchschnittliche Trefferquote bei experimentellen Untersuchungen an realen Beschuldigten beiseite AG Bautzen Urteil vom 26 10 2017 42 Ds 610 Js 411 15 jug BeckRS 2017 138202 Mangelnde wissenschaftliche Grundlage Bearbeiten Ein erster wesentlicher Kritikpunkt bezieht sich auf die Theorie die dem Einsatz der Technik zugrunde liegt namlich die Annahme durch das technische Hilfsmittel eines Polygraphentests Lugendetektors korperliche Reaktionen bei einer Befragung so festhalten und auswerten zu konnen dass damit der Wahrheitsgehalt von Antworten gemessen werden konne Die gemessenen Erregungsunterschiede sind jedoch grundsatzlich unspezifisch d h es ist an der Erregungsveranderung selbst nicht abzulesen ob sie durch Schuldbewusstsein Stress beim Lugen oder etwa der Angst falschlich verdachtigt zu werden ausgelost wurde Lugendetektoren messen demnach keine Lugen sondern lediglich Veranderungen der korperlichen Erregung die auf Nervositat oder andere Emotionen zuruckzufuhren sind Damit ist jemand der auf eine Frage nicht gelassen reagiert trotz wahrheitsgetreuer Antwort gefahrdet fur einen Lugner gehalten zu werden Emotionale Reaktionen eines unschuldig Verdachtigten auf eindringliche Beschuldigungen sind nicht uberraschend vor allem wenn der Befragte dem Opfer des Verbrechens nahesteht Ein zweiter Kritikpunkt bezieht sich auf die empirische Evidenz mit der die Trefferquoten des Polygraphen belegt werden sollen Diese Belege stammen entweder aus dem Labor oder aus dem Feld bei beiden Datenquellen sind gravierende methodische Probleme vorhanden In Laborstudien ist es nahezu unmoglich den Stress nachzubilden unter dem eine Person steht wenn sie in einem echten Ermittlungsverfahren befragt wird Dies gilt insbesondere fur die Erregung falschlich Verdachtigter Daher ist im Labor die Trennung von Lugnern und wahrheitsgemass aussagenden Personen anhand der Erregung zwar haufig moglich die Test Situation ist aber nicht genugend wirklichkeitsnah In Feldstudien wird als Kriterium fur die tatsachliche Taterschaft mit der das Polygraphen Ergebnis in Beziehung gesetzt wird das Gestandnis des Verdachtigten verwendet Dass ein Tatverdachtiger sich zu einem moglicherweise sogar falschen Gestandnis entschliesst ist aber seinerseits nicht unabhangig von dem Polygraphen Ergebnis Damit ist das Gestandnis kein geeignetes Vergleichs Kriterium Verzerrung durch Vorurteile Bearbeiten Eine Eigenschaft der Lugendetektoren ist dass sie keine exakten Zahlen oder dergleichen ausgeben Die Ergebnisse hangen von der Interpretation durch den Untersucher ab wobei dieselbe Aufzeichnung von verschiedenen Polygraphisten unterschiedlich ausgewertet werden kann Damit sind Vorurteile nicht ausgeschlossen In der sogenannten Friendly Polygraph Examiner Hypothese wird eine Wechselwirkung zwischen Messergebnis und der Haltung des Untersuchers angenommen dergestalt dass bei einem freundlich gesinnten Untersucher eher entlastende Ergebnisse erzielt wurden sei es dass der Tatverdachtige weniger eine Entdeckung furchtet und die messbaren Erregungsdifferenzen dadurch geringer wurden oder dass der Untersucher die Ergebnisse eher als entlastend wertet 18 Befurworter von Lugendetektoren weisen darauf hin dass Ergebnisse eines EKG Gerats prinzipiell von ahnlicher Natur sind wie jene eines Polygraphen eine auf Papier aufgezeichnete Kurve aber bei einem EKG spreche man von einer wissenschaftlich haltbaren Methode Der Unterschied zwischen Polygraph und EKG ist aber dass die Grundlagen der EKG Resultate restlos klar sind elektrische Spannung der verschiedenen Herzmuskeln und dass der gleiche Schaden am Herz auch zu den gleichen Ergebnissen fuhrt Diese fehlende Reproduzierbarkeit fuhrt zu einem Interpretationsspielraum der Vorurteile begunstigt Manipulierbarkeit Bearbeiten Es ist moglich messbare Reaktionen willentlich durch Methoden zu erzeugen die der Untersucher nicht entdeckt Damit kann das Ergebnis eines Tests in eine gewunschte Richtung gelenkt werden und eventuell eine andere Person mit einem Verbrechen belastet werden Dies geschieht nicht nur durch Selbsthypnose bei den kritischen Fragen sondern durch Erregungs Erhohung bei den Kontrollfragen 2 Fuhrende Polygraphisten behaupten sie konnten jede Art solcher Manipulation entdecken bleiben den Beweis aber schuldig Fest steht dass Angehorige militarischer Spezialeinheiten im Rahmen ihrer RtI Resistance to Interrogation Ausbildungsphase und Mitarbeiter von Geheimdiensten seit langem im Manipulieren von Lugendetektortests geschult werden Bekannte Falle von erfolglosen Lugendetektortests Bearbeiten Es sind viele Falle bekannt geworden in denen durch das Vertrauen auf Lugendetektoren Schaden angerichtet wurde Aldrich Ames war ein Mitarbeiter der CIA der geheime Informationen an die Sowjetunion verkaufte Vor allem handelte es sich dabei um die Identitaten von Quellen im KGB und dem sowjetischen Militar die die USA mit Informationen versorgten Dies fuhrte dazu dass mindestens 100 Geheimoperationen aufflogen und mindestens zehn Informanten hingerichtet wurden Ames bestand wahrend seiner Spionagezeit zwei Lugendetektortests bei der CIA und wurde erst durch das eingeschaltete FBI aufgedeckt Wie er spater erzahlte hatte er vor den Tests seinen sowjetischen Kontakt gefragt was er tun solle Ihm wurde gesagt er solle sich bei den Tests einfach entspannen was er dann tat Melvyn Foster wurde 1982 als Verdachtiger in den Green River Morden einem Polygraphentest unterzogen den er nicht bestand Infolgedessen wurde er jahrelang weiter offentlich verdachtigt obwohl keine handfesten Beweise vorlagen Erst 2001 wurde er endgultig von allen Verdachtigungen befreit als DNS Untersuchungen Gary Ridgway mit den Fallen in Verbindung brachten Ridgway war anfangs einer der Hauptverdachtigen wurde dann aber nicht weiter beachtet da er zwei Lugendetektortests bestand Ridgway konnte seine Mordserie fortsetzen und gestand schliesslich bis heute 49 Morde Gehirnscans als Lugendetektor BearbeitenNeue Methoden versuchen den Wahrheitsgehalt einer Aussage anhand von Gehirnscans festzustellen Mittels fMRT Aufnahmen die aktive Hirnareale sichtbar machen wollen Firmen wie z B Cephos Trefferquoten von 90 erreicht haben 19 Die grundsatzliche Idee ist dass Lugen ein komplexerer Vorgang ist als die Wahrheit zu sagen demzufolge sind dabei mehr bzw andere Gehirnareale Frontal und Parietallappen aktiv Eine weitere Begrundung lautet die Luge strengt das Gehirn mehr an als die Wahrheit und deshalb werden bestimmte Regionen starker durchblutet 20 Wenn der Proband sich allerdings schon vorher uberlegt was er sagen wird und sich fest genug einredet es sei wahr dann wird beim Test die vorbereitete Antwort aus dem Gedachtnis Temporallappen bzw Hippocampus abgefragt und erscheint somit als wahr Der Berliner Neurowissenschaftler John Dylan Haynes arbeitet an einem Lugendetektor der unfehlbar und unabhangig von subjektiven Einschatzungen sein soll Ausgangspunkt der Uberlegungen zur Entwicklung eines Hirnscanners eines Neuronalen Lugendetektors ist dass ein Gehirn vorher erlebte Situationen als neuronale Spiegelbilder speichere sie wiedererkennt und das deutlich macht auch wenn der Mensch das Wissen darum zu verbergen trachte die Hirnaktivitat einer Person verrate den Probanden Angedacht ist Das Gehirn islamistischer Terroristen werde reagieren wenn ihnen Bilder von Terrorcamps vorgespielt werden auf derselben Basis so die Vorstellung werde man einer bestimmten Straftat verdachtigte Tater uberfuhren konnen wenn man ihnen Bilder von Tatorten vorspiele Selbst wenn der Tater eine Tatbeteiligung leugnen wurde wurde ihn das Wiedererkennen seines Gehirns uberfuhren wenn unter den vorgespielten Tatortsituationen diejenige dabei ist die sich auf die ihm zu Recht vorgeworfene Straftat bezieht Das Gehirn wurde im Vergleich zu den vorgespielten Tatortsituationen an denen er nicht beteiligt war und daher kein neuronales Spiegelbild gespeichert hat auf die erlebte Tatortsituation erkennbar reagieren selbst wenn der Tater das verbergen wolle Die Tatortwiedererkennung des Gehirns sei nicht willentlich beeinflussbar 21 Siehe auch BearbeitenGlaubwurdigkeit Recht Literatur BearbeitenDaniel Effer Uhe Einsatzmoglichkeiten des Polygraphen der irrefuhrend sogenannte Lugendetektor In Marburg Law Review 2013 S 99 104 Matthias Gamer Gerhard Vossel Psychophysiologische Aussagebeurteilung Aktueller Stand und neuere Entwicklungen In Zeitschrift fur Neuropsychologie 20 3 2009 S 207 218 doi 10 1024 1016 264X 20 3 207 Holm Putzke Jorg Scheinfeld Gisela Klein Udo Undeutsch Polygraphische Untersuchungen im Strafprozess Neues zur faktischen Validitat und normativen Zulassigkeit des vom Beschuldigten eingefuhrten Sachverstandigenbeweises In Zeitschrift fur die gesamte Strafrechtswissenschaft 121 2009 S 607 644 doi 10 1515 ZSTW 2009 607 Hans Georg Rill Forensische Psychophysiologie Ein Beitrag zu den psychologischen und physiologischen Grundlagen neuerer Ansatze der Lugendetektion Johannes Gutenberg Universitat Mainz 2001 urn nbn de hebis 77 1914 Dissertation Sektion Rechtspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen Hrsg Psychophysiologische Aussagebeurteilung In Praxis der Rechtspsychologie 9 1999 Sonderheft Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Lugendetektor Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Lugendetektor Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Bundesgerichtshof schliesst polygraphische Untersuchungsmethode im gerichtlichen Verfahren als Beweismittel generell aus Der Wahrheit verpflichtet Neuer Lugendetektor kombiniert Warmebilder mit Mimik Analysen Fanny Jimenez 2 April 2012 Eintrag im Skeptic s Dictionary Englisch American Polygraph Association Englisch AntiPolygraph org Kritische Betrachtung und ausfuhrliche Anleitung zum Bestehen von Lugendetektortests EnglischEinzelnachweise Bearbeiten Lafayette Model 76056 Polygraph In Deutsches Spionagemuseum Abgerufen am 16 Januar 2020 deutsch a b c Erfindung des Lugendetektors Unehrliche Haut Kommentierte Fotostrecke von Katja Iken auf einestages 3 Februar 2015 Vgl dazu Holm Putzke Jorg Scheinfeld Gisela Klein Udo Undeutsch Polygraphische Untersuchungen im Strafprozess Neues zur faktischen Validitat und normativen Zulassigkeit des vom Beschuldigten eingefuhrten Sachverstandigenbeweises In Zeitschrift fur die gesamte Strafrechtswissenschaft 121 2009 S 604 644 Max Steller Psychophysiologische Taterschaftsermittlung Lugendetektion Polygraphie In M Steller R Volbert Hrsg Psychologie im Strafverfahren Huber Bern 1997 S 92 Beschreibung des Testverfahrens nach Holm Putzke Jorg Scheinfeld Gisela Klein Udo Undeutsch Polygraphische Untersuchungen im Strafprozess Neues zur faktischen Validitat und normativen Zulassigkeit des vom Beschuldigten eingefuhrten Sachverstandigenbeweises In Zeitschrift fur die gesamte Strafrechtswissenschaft 121 2009 S 607 644 BGH Urteil Memento des Originals vom 21 Februar 2014 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www jurion de vom 16 Februar 1954 Az 1 StR 578 53 BGHSt 5 332 ff BGH Urteil 1 2 Vorlage Toter Link datenbank jurion de Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im Marz 2022 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis vom 16 Februar 1954 Az 1 StR 578 53 BGHSt 5 332 333 BGH Urteil 1 2 Vorlage Toter Link datenbank jurion de Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im Marz 2022 Suche in Webarchiven nbsp Info Der Link wurde automatisch als defekt markiert Bitte prufe den Link 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2013 16540 AG Bautzen Urteil vom 26 Marz 2013 Az 40 Ls 330 Js 6351 12 BeckRS 2013 08655 Peter Kurz Lugendetektor Schuld oder Unschuld auf Millimeterpapier WZ Westdeutsche Zeitung vom 10 November 2017 Sachsische Zeitung Im Zweifel fur den Polygrafen Memento des Originals vom 1 Dezember 2017 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www sz online de Sachsische Zeitung vom 27 Oktober 2017 Dietmar Hipp und Steffen Winter Antworten des Unbewussten Der Spiegel 44 2017 S 26 27 M Steller K P Dahle K P Wissenschaftliches Gutachten Grundlagen Methoden und Anwendungsprobleme psychophysiologischer Aussage und Taterschaftsbeurteilung Polygraphie Lugendetektion In Praxis der Rechtspsychologie 9 1999 Sonderheft S 178 179 Brain Scans May Be Used As Lie Detectors Memento vom 6 September 2006 imInternet Archive AP ABC News 28 Januar 2006 Rotes Gespinst in den Hirnwindungen Eine kalifornische Firma hat einen Lugenscanner entwickelt In Berliner Zeitung 13 14 Oktober 2007 Der Blick ins Gehirn Thema zur Sendung Ratselhafte Mimik Memento vom 5 Januar 2017 im Internet Archive Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4168214 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lugendetektor amp oldid 238064537