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Das Kriegsgefangenenlager Bandō jap 板東俘虜収容所 Bandō Furyoshuyōjo war ein japanisches Kriegsgefangenenlager wahrend des Ersten Weltkrieges Es lag nahe dem gleichnamigen Ort 1959 in Ōasa und dieses 1967 in Naruto eingemeindet 12 km von der Prafekturhauptstadt Tokushima entfernt auf Shikoku der kleinsten der vier japanischen Hauptinseln Kriegsgefangenenlager BandōVon April 1917 bis Dezember 1919 waren etwa 953 deutsche und osterreichisch ungarische Soldaten dort interniert Besondere Beachtung verdient das Lager Bandō aufgrund seines liberalen Charakters und kreativen Gefangenenlebens Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Aufbau des Lagers 3 Zustande im Lager 4 Aktivitaten der Gefangenen 5 Grunde und Auswirkungen des facettenreichen Lagerlebens 6 Einige Lageraktivitaten im Detail 6 1 Lagerdruckerei 6 2 Musik und Theater 6 3 Ausstellungen 6 4 Sport und korperliche Ertuchtigung 7 Kontakte zur einheimischen Bevolkerung 8 Bandōs Nachleben und Einfluss 8 1 Nachleben 8 2 Einfluss 9 Verfilmung 10 Siehe auch 11 Literatur 12 Einzelnachweise 13 WeblinksVorgeschichte Bearbeiten nbsp Karte des Lagers von 1919 nbsp Matsue ToyohisaAm 7 November 1914 kapitulierten die deutschen Truppen nach der Belagerung von Tsingtau vor den japanischen Truppen Etwa 4 700 Deutsche sowie einige osterreich ungarische Gefangene begaben sich in japanische Kriegsgefangenschaft Da zu Beginn des Ersten Weltkrieges keine der beteiligten Parteien mit einem langen Verlauf des Konflikts rechnete wurden auch die deutschen Kriegsgefangenen in Japan zunachst provisorisch in offentlichen Gebauden wie Tempeln Teehausern oder Baracken untergebracht Als ein Ende des Krieges jedoch nach langerer Zeit immer noch nicht in Sicht war wurden sukzessive zwolf grosse Lager am Rande von zwolf japanischen Stadten zwischen Tokio und Kumamoto errichtet Das Lager Bandō entstand erst im Jahr 1917 durch die Zusammenlegung dreier alterer Einrichtungen Marugame Matsuyama und Tokushima Aufbau des Lagers BearbeitenDie Gesamtflache betrug 57 233 m Einfache Soldaten waren in acht in je zwei Vierergruppen angeordnete Baracken untergebracht die Offiziere belegten zwei eigene Holzunterkunfte nordlich davon Im Sudwesten des Lagers lag das Geschaftsviertel mit zahlreichen Bretterbuden weitere Stande waren uber das gesamte restliche Areal verteilt Zustande im Lager BearbeitenDie Zustande und Haftbedingungen in den einzelnen Lagern waren recht unterschiedlich In einigen Gefangenenlagern genossen die Gefangenen eine relativ liberale und humane Behandlung wohingegen es an anderen Orten zu korperlichen Misshandlungen kam Bandō verdankt seine Beruhmtheit dem Umstand die liberalste und menschenfreundlichste Haftanstalt in Japan gewesen zu sein Matsue Toyohisa zunachst Leiter des Lagers Tokushima dann Lagerkommandant in Bandō brachte viel Verstandnis und Toleranz fur die Bedurfnisse der Gefangenen auf und ermutigte sie zu produktiven Aktivitaten Aktivitaten der Gefangenen BearbeitenAufgrund der liberalen Lagerleitung konnte Land zu sportlichen oder landwirtschaftlichen Zwecken gepachtet werden Holzbuden dienten als Verkaufsstande und offentliche Raumlichkeiten in denen u a Handwerkserzeugnisse Lebens und Genussmittel Kosmetikartikel oder Pharmazeutika produziert wurden Fur leibliches Wohl sorgten Brause und Warmebader und sogar Massagen wurden angeboten Das Lagerleben glich daher eher dem in einer Kleinstadt als in einem Kriegsgefangnis Grunde und Auswirkungen des facettenreichen Lagerlebens BearbeitenEin Grossteil der Gefangenen bestand nicht aus Berufssoldaten sondern aus Reservisten oder Freiwilligen mit den unterschiedlichsten Professionen Backer Koch Metzger Tischler Schlosser Klempner Schuster Schneider Maler Uhrmacher Apotheker Friseur bzw Barbier Fotograf Waschmann Diese Konstellation sorgte fur einen regen Austausch unter den Inhaftierten die sich in Kursen Wirtschaft Geographie Kunst Kultur Festungswesen Stenographie Buchfuhrung Sprachkurse Elektrotechnik Instrumentenbau etc gegenseitig weiterbildeten Durch diesen Wissenstransfer eigneten sich viele Inhaftierte auch nach dem Krieg hilfreiche Qualifikationen an Einige Lageraktivitaten im Detail BearbeitenLagerdruckerei Bearbeiten Im Lager gab es eine Steindruckerei und die sog Lagerdruckerei in denen Druckerzeugnisse aller Art Veranstaltungsprogramme Karten Postkarten Vortragszettel Eintrittskarten Urkunden Noten Reklamezettel Landkarten Plane techn Zeichnungen Bucher Briefmarken fur den Lagergebrauch produziert wurden Zu den wichtigsten Publikationen zahlten der Tagliche Telegrammdienst Bandō und der Nachrichtendienst tagliche Infoblatter und die Lagerzeitung Die Baracke anfangs wochentlich dann monatlich herausgegeben 1 Musik und Theater Bearbeiten Im Gefangenenlager Bandō herrschte ein hohes Aufkommen an Musikkreisen die Kapelle der Matrosen Artillerie Kiautschou das Tokushima Orchester das Orchester Schulz oder eine Mandolinenkapelle und Theatergruppen Die Qualitat der Darbietungen reichte von einfachen Laienstucken bis zu professionellen Auffuhrungen und Konzerten Orchester und Chorkonzerte Kammermusik und Liederabende Alles in allem wurden wahrend der ca 32 Monate andauernden Gefangenschaft uber 100 Konzerte und musikalische Vortragsabende sowie mehrere dutzend Theaterstucke und Unterhaltungsprogramme dargeboten Vielfach wurden diese vom Missionar Hermann Bohner organisiert Einzige langere Unterbrechung des kulturellen Lagerlebens wurde durch die Spanische Grippe verursacht die im November 1918 auch Bandō erreichte Musikalischer Hohepunkt und bleibendes Vermachtnis war die japanische Erstauffuhrung von Ludwig van Beethovens 9 Symphonie am 1 Juni 1918 die heute in zahlreichen Stadten Japans zu den Neujahrsfeierlichkeiten angestimmt wird Das Gefangenenorchester wurde vom gefangenen Marinesoldaten Hermann Richard Hansen dirigiert Ausstellungen Bearbeiten Einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung deutschen Kulturgutes in Japan uber das Gefangenenlager Bandō hinaus leisteten die umfangreichen Ausstellungen der Inhaftierten die sich primar an Besucher ausserhalb des Lagers richteten Die erste diesbezugliche Anregung wurde durch den evangelischen Pfarrer Emil Schroder gegeben aus der im Dezember 1917 eine Spielzeugausstellung bestehend aus acht Tischen entsprang Im Marz 1918 stellte die Gemeinde Bandō den Gefangenen offentliche Raumlichkeiten zur Verfugung in denen fur einen Monat die Ausstellung fur Bildkunst und Handfertigkeit gezielt fur japanisches Publikum abgehalten wurde Die Exponate der Ausstellung beinhalteten Gemalde Zeichnungen Metall Holz und Handarbeiten Apparate Modelle Theaterrequisiten und kostume Musikinstrumente sowie deutsches Essen Die Besucherzahl von 50 095 Gasten darunter auch etliche Schulklassen aus der Umgebung erfullte die Gefangenen mit Stolz und anhaltender Motivation Sport und korperliche Ertuchtigung Bearbeiten Vor dem Lager verteilt gab es neun Sportplatze auf denen alle erdenklichen Sportarten Fussball Schlagball Faustball Korbball Hockey Tennis Turnen Fechten Leichtathletik Boxen Ringen Gewichtheben etc exerziert werden durften Innerhalb der Anlage war das Nutzen der beiden Seen als Ruder und Segelflache gestattet Ab Mai 1918 ubten sich die Gefangenen in typisch deutschen Formen der Korperertuchtigung wie das Bilden von Menschenpyramiden oder anderen plastischen Gruppen im Rahmen von Turnubungen In den Sommermonaten war das Baden in nahen Flussen erlaubt und ab Juli 1919 sogar Ausfluge ans Meer nach Kushiki 櫛木 Neben Sport sorgten Aktivitaten wie Holzfallen und Bruckenbau fur korperlichen Ausgleich Kontakte zur einheimischen Bevolkerung BearbeitenJapanische Handler besuchten regelmassig das Lager Daruber hinaus kam es relativ haufig zu Begegnungen bei Aktivitaten wie Holzfallen Bruckenbau Ausflugen Vorfuhrungen Ausstellungen etc Das rege Interesse der einheimischen Bevolkerung an den Fahigkeiten der Kriegsgefangenen fuhrte zu Unterrichtskursen und langeren Beschaftigungsverhaltnissen Die vermittelten Kenntnisse westlicher Gemuseanbau Viehzucht Molkerei Metzgerei und Backereiwesen deutsche Kochkunst Schnapsbrennen europaische Architektur etc schufen ein lang anhaltendes positives Image der deutschen Kriegsgefangenen und ihres Heimatlandes in Japan Bandōs Nachleben und Einfluss Bearbeiten Nachleben Bearbeiten Der Grossteil der Gefangenen wurde im Dezember 1919 und Januar 1920 in die Freiheit entlassen Die Mehrheit kehrte nach Deutschland zuruck doch einige liessen sich in Japan und Ostasien nieder Am 8 Februar 1920 erfolgte die offizielle Schliessung des Lagers in dessen Anschluss das Gelande als Ubungsterrain der japanischen Armee genutzt wurde Nach dem Zweiten Weltkrieg diente es der Unterbringung von japanischen Heimkehrern aus Ubersee Die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen ehemaligen Gefangenen und Einheimischen gluckte erst in den 60er Jahren 1972 wurde das Museum Deutsches Haus Naruto eroffnet zwei Jahre spater folgte die Stadtepartnerschaft Naruto Luneburg Wohnort einiger Gefangener Im Rahmen der Veranstaltungen zwischen den Partnerstadten stellt seit 1982 die feierliche Auffuhrung Beethovens 9 Symphonie den Hohepunkt dar 1993 ersetzte ein grosserer Neubau im Stil des Rathauses von Luneburg das Deutsche Haus Naruto als Museum fur das Kriegsgefangenenlager Bandō 1997 wurde auf dem Platz vor dem Deutschen Haus zum Gedenken an die Urauffuhrung der 9 Symphonie eine bronzene Beethoven Statue feierlich aufgestellt Der deutsche Kunstler Bildhauer Peter Kuschel aus Etzelwang Bayern schuf in monatelanger Arbeit diese sehenswerte Figur An jedem ersten Sonntag im Juni wird seit einigen Jahren im Deutschen Haus die 9 Symphonie unter Mitwirkung von Choren aus ganz Japan gespielt Am 27 Oktober 2011 besuchte der damalige deutsche Bundesprasident Christian Wulff das Deutsche Haus in Naruto 2 Einfluss Bearbeiten Die uberaus gute Behandlung der Kriegsgefangenen in Bandō trug zu einer schnellen Normalisierung der deutsch japanischen Beziehungen in den 1920er Jahren bei Verfilmung Bearbeiten2006 entstand unter der Regie von Masanobu Deme das deutsch japanische Historiendrama Ode an die Freude バルトの楽園 Baruto no gakuen mit Bruno Ganz und Ken Matsudaira in den Hauptrollen Dieser Film beschaftigt sich mit dem Kriegsgefangenenlager Bandō und widmet sich intensiv den guten Beziehungen zwischen den einstigen Kriegsgegnern 2007 kam der Film auch auf Deutsch in die Kinos Siehe auch BearbeitenListe japanischer Gefangenenlager in den WeltkriegenLiteratur BearbeitenFremdenfuhrer durch das Kriegsgefangenenlager Bando Hrsg von der Lagerdruckerei Bando 1918 Digitalisat in der Staatsbibliothek Berlin Hermann Bohner Gesprache uber Malerei Skizzen zu den Donnerstagsabenden Bando Marz 1918 19 Lagerdruckerei des Kriegsgefangenenlagers Bando 1919 Charles Burdick The German Prisoners of War in Japan 1914 20 Boston 1984 Beitrage zur Ostasienkunde Sammlung literarisch wissenschaftlicher Arbeiten deutscher Kriegsgefangener in Japan 1914 20 Tōkyō 1922 OAG Sert Mitteilungen der OAG XVIII Hermann Jacob u a Das Engel Orchester Seine Entstehung und Entwicklung 1914 1919 Lagerdruckerei des Kriegsgefangenenlagers Bando Japan 1919 Hartmut Walravens Kriegsgefangenschaft in Japan In Nachrichten der Gesellschaft fur Natur und Volkerkunde Ostasiens Heft 139 142 Jahrgang 1986 87 Hamburg S 43 70 uni hamburg de PDF abgerufen am 21 Februar 2014 Friedrich Solger Heimaterde und Ahnenblut Eine Erinnerung an die vom Januar 1918 bis zum Juni 1919 im Lager Bando gehaltenen Vortrage zur Heimatkunde Gedruckt in der Lagerdruckerei des Kriegsgefangenenlagers Bando 1919 Einzelnachweise Bearbeiten Zeitung fur d Kriegsgefangenenlager Bando Japan Band 1 1917 18 1 30 Sept 26 24 Marz 2 1918 1 31 Marz 3 1918 19 Nr 27 79 1919 Apr Sept damit Ersch eingest Wie die Neunte nach Japan kam In Frankfurter Allgemeine Zeitung 26 Oktober 2011 S 3 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Bando POW camp Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Informationen vom Deutschen Institut fur Japanstudien Das Deutsche Haus Informationen der Stadt Naruto Der Chor der Gefangenen Die Verteidiger von Tsingtau in japanischen Lagern Tsingtau und Japan 1914 bis 1920 Historisch biographisches Projekt Projekt Bandō PDF 3 3 MB Ausstellung 2010 Zwischen Orchester und Stacheldrahtkrankheit 34 158888888889 134 49638888889 Koordinaten 34 9 32 N 134 29 47 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kriegsgefangenenlager Bandō amp oldid 224343999