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Ein Kolonialtoponym allgemeinsprachlich auch Kolonialname ist ein ortsidentifizierendes einfaches oder komplexes Element des Onomastikons das im zeitlichen Rahmen faktischer Machtausubung auf ein Geo Objekt in einem kolonialen Gebiet referiert 1 Vereinfacht ausgedruckt handelt es sich um geographische Namen Toponyme die in der Kolonialzeit gepragt wurden und oder in der betreffenden Kolonie dem entsprechenden Mutterland und zumeist auch daruber hinaus gangig waren Das interdisziplinare Forschungsfeld das sich mit kolonialen Toponymen befasst ist die Kolonialtoponomastik Es bildet eine Schnittmenge insbesondere zwischen der Toponomastik und der Koloniallinguistik Inhaltsverzeichnis 1 Arten und Struktur 2 Wechsel von Kolonialtoponymen 3 Literatur 4 EinzelnachweiseArten und Struktur Bearbeiten nbsp Die historische Karte der westafrikanischen deutschen Kolonie Togo und ihrer Nachbarterritorien 1905 zeigt uberwiegend endonymische Kolonialnamen Zu den Ausnahmen gehoren Misahohe dt Hybrid Bismarckburg dt koloniales Exonym und Eponym Carnotville frz koloniales Exonym und Eponym sowie Porto Seguro und Porto Novo beide port in Bezug auf Deutsch Togo bzw Franzosisch Dahomey mithin koloniale Alloexonyme Ein Endonymanteil von ca 90 kennzeichnet das gesamte deutsche Kolonialtoponomastikon sowie auch das belgische und das niederlandische Bei Kolonialtoponymen kann es sich um Namen handeln die gegebenenfalls sprachlich angepasst von der indigenen Bevolkerung ubernommen wurden koloniale Endonyme und Pseudoendonyme um Namen die von den Kolonisierenden neu vergeben wurden koloniale Exonyme oder um Mischformen Hybride die sowohl indigene als auch von den Kolonisierenden stammende Namensbestandteile aufweisen Ausserdem konnen koloniale Toponyme noch lange nach dem Ende der faktischen Kolonialperiode eines Landes ublich und weit verbreitet sein vgl Postkolonialismus Dies ist uberwiegend in Regionen der Fall in denen keine vorkoloniale Besiedlung existierte In solchen Regionen konnen auch keine endonymischen oder hybridischen Kolonialtoponyme existieren Sprachen in denen exonymische und hybridische Kolonialnamen vor allem gepragt wurden sind Englisch Franzosisch Spanisch Portugiesisch Niederlandisch Danisch und Deutsch Der relativ kleinen Anzahl uberwiegend indoeuropaischer Kolonialsprachen steht eine vielfach grossere Anzahl indigener Sprachen aus den verschiedensten Sprachfamilien gegenuber die Einfluss auf den Kolonialnamensbestand das koloniale Toponomastikon hatten Sofern sie eine Siedlung bezeichnen Oikonyme zweigliedrig sind mit einem Klassifikator wie stad ville oder Puerto und beide Glieder der Sprache der Kolonisierenden entstammen werden solche Kolonialtoponyme auch als kanonisch bezeichnet Die wenigsten Kolonialnamen sind jedoch streng kanonisch insbesondere in Regionen mit vorkolonialer Besiedlung Oft ehren weitgehend kanonische Namen die zeitgenossischen Staatsoberhaupter oder andere hochrangige Wurdentrager der Mutterlander der Kolonie bzw des Heimatlandes des Benennenden Solche kolonialen Eponyme z B Philippeville Victoria Falle und Victoriasee in Afrika sollten den Hoheitsanspruches des Mutterlandes auf die Kolonie zum Ausdruck bringen Eine ahnliche Funktion haben zweigliedrige exonymische Kolonialtoponyme bei denen es sich um eine Kombination aus dem Adjektiv neu bzw new neuw nouveau usw und einem Toponym aus dem Mutterland handelt z B La Nouvelle Orleans Neu Pommern Wechsel von Kolonialtoponymen BearbeitenInsbesondere Kolonialtoponyme die einen Hoheitsanspruch demonstrieren tendieren dazu bei der Ubernahme eines Territoriums durch eine andere Kolonialmacht oder nach dessen Erlangung der Souveranitat vom Mutterland geandert zu werden wenngleich sie im Mutterland der abgelosten Kolonialmacht nicht selten weiter in Gebrauch bleiben Bestehen sie hingegen im Kolonialtoponomastikon der neuen Kolonialmacht fort so spricht man bei diesen Namen von Alloexonymen Wechsel der Kolonialtoponyme konnen aber auch Anderungen der Herrschaftsverhaltnisse im Mutterland widerspiegeln Ein Beispiel liefert die Insel La Reunion die nach ihrer offiziellen Inbesitznahme durch die Franzosen 1640 zunachst Ile Bourbon hiess nach dem Adelsgeschlecht der Bourbonen dem die damaligen franzosischen Konige angehorten 1793 im Zuge der Franzosischen Revolution in Ile de la Reunion umbenannt wurde 1803 zur Zeit des Ersten Kaiserreichs in Ile Bonaparte umbenannt wurde 1815 nach der Restauration des franzosischen Konigtums noch einmal fur einige Jahrzehnte Ile Bourbon hiess bevor sie schliesslich im Zuge der Februarrevolution 1848 endgultig ihren heutigen Namen erhielt Die Funktion exonymischer Kolonialtoponyme besteht also nicht nur in der allgemeinen Expression des Machtanspruches des Mutterlandes sondern mitunter auch in einer Legitimation und Manifestation der Herrschaftsform im Mutterland Literatur BearbeitenThomas Stolz Ingo H Warnke System und diskurslinguistische Einblicke in die vergleichende Kolonialtoponomastik S 1 75 in Thomas Stolz Ingo H Warnke Hrsg Vergleichende Kolonialtoponomastik Strukturen und Funktionen kolonialer Ortsbenennung Koloniale und Postkoloniale Linguistik Band 12 De Gruyter 2018 ISBN 978 3 11 060503 7Einzelnachweise Bearbeiten Daniel Schmidt Brucken Ingo H Warnke Jennifer Grager Komplexe onymische Formen der Ortsherstellung Bemerkungen zum diskursgrammatischen Status von Toponymkonstruktionen in kolonialzeitlichen Quellen S 61 94 in Nataliya Levkovych Aina Urdze Hrsg Linguistik im Nordwesten Beitrage zum 8 Nordwestdeutschen Linguistischen Kolloquium Bremen 13 14 11 2015 Diversitas Linguarum Band 42 Universitatsverlag Dr N Brockmeyer Bochum 2017 S 67 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kolonialtoponym amp oldid 225944220